19. Eltern seynd Richter ihrer Kinder und Exempel [537] Bruti.

Nachdem die Könige aus der Stadt Rom verstossen waren / haben die Römer eine andere Weise des Regiments angefangen / und alle Jahr aus dem Volck zween Bürgermeister erwehlet / bey welchen dasselbe Jahr über die höchste Gewalt stunde. Einer von den zween ersten Bürgermeistern ist gewesen L. Junius Brutus, dessen Söhne heimliche Verbündniß hatten mit dem ausgetriebenen Könige Tarquinio Superbo. Als sie nun der Verrätherey vor ihrem eigenen Vater dem Bruto verklagt wurden / hat sie der Vater fürgefordert / und also angeredet: Was antwortet ihr Beklagte auf angehörte Beschuldigung? Ists also / wie eure Ankläger berichten? Wie sie aber hierzu still geschwiegen / wandte sich der Vater zu dem Hencker oder Scharffrichter und sprach: Ich habe nun das Meinige gethan / thue du auch das Deinige zu der Sache: Darauf sind die Beklagten hingeführet / mit Ruthen gestrichen / und hernach mit dem Beil enthäuptet worden / welches alles der Vater Brutus ohne einigen[537] Seufftzer mit unverändertem Gesicht angesehen hat /wie solches vom Valerio erzehlet wird.


Verrätherey nimmt selten ein gut Ende. Privat-Liebe muß dem gemeinen Besten nachgesetzt werden.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 537-538.
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