2. Straffe eines ungerechten Advocaten.

[514] Gleichwie in der vorigen Historie von einem gar aufrichtigen Rechts-Gelehrten ist gehandelt worden / also wollen wir jetzo dem Leser ein sonderbar Exempel eines sehr arglistigen und betrüglichen Zungendreschers vor Augen stellen / damit andere so wol an dessen abscheulichen Falschheit / als auch empfangenen / wohlverdienten Straffe ein Exempel nehmen /und sich für so schändlichem Laster hüten.

Galeacius der Hertzog von Mäyland hatte unter seinen Unterthanen einen Advocaten / welcher bey ihm angetragen ward / daß er so listig und spitzfindig wäre / daß / wann er sich vornehme einem zu dienen /oder dem andern den Beutel zu leeren / er eine Sache so lang aufhalten könte / daß ein unendlicher Proceß daraus würde. Damit nun der Hertzog die Warheit selbsten möchte erfahren / hat er seinen Hofmarschall gefragt / ob er niemand wüste / der einem Bürger etwas schuldig wäre? Der Marschall antwortete: Er wäre selbst einem Becker hundert Pfund schuldig. Darauf machte der Hertzog / daß er vor Gericht gefordert ward / und als er erschien / den vorgemeldten Advocaten ersuchte / ob er nicht könte machen / daß die Zahlung eine Zeitlang aufgeschoben würde. Der Advocat war sobald[514] bereit / verhieß dem Marschall / er wolte verschaffen / daß der Becker in den ersten zweyen Jahren keinen Heller von der Schuld erhalten solte. In währendem Proceß aber ließ der Hertzog den Advocaten für sich fodern / und fragte ihn / ob es nicht möglich wäre / daß der Marschall durch seinen Beystand von Zahlung der 100. Pfund möchte befreyet werden? Welchem der Advocat antwortet: Innerhalb zweyen Jahren würde mans erfahren. Hierauf ist der Hertzog ergrimmet / hat den ungerechten Bösewicht hart bestrafft / daß er sich unterstehen dürffte /wissentlich und vorsetzlich gegen sein Gewissen eine ungerechte Sache zu vertheidigen / und den armen Becker um das Seinige zu bringen. Befahl hierauf seinen umherstehenden Trabanten / diesen Zungendrescher zu greiffen / an den Galgen zu hencken / und in Stücken zu zerreissen / damit er den gemeinen Nutzen nicht weiter vergiffte und verderbe. Welches Urtheil auch so bald vom Rath gebilliget und exequiret worden ist.


Grosse Verbrechen verdienen grosse Straffen. Wer vorsetzlich wider sein Gewissen / und da er den Willen des HErrn weiß / sündiget / der hat doppelte Streiche verdienet.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 514-515.
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