21. [539] Dionysius betreugt einen Spielmann artig.

Aristoteles im 9. Buch von der Sittlichkeit schreibet /daß Dionysius der Tyrann in Sicilien auf eine Zeit einen Spielmann habe zu sich fordern lassen / und demselben seine Instrumenten zu rühren befohlen /mit dieser Verheissung / daß je süsser und anmuthiger er spielen würde / je grössern Lohn sollte er davon zu[539] hoffen haben. Der Spielmann that sein Bestes / schonete keiner Arbeit / und wande grossen Fleiß an /lieblich gnug zu spielen / weil ihm gute Belohnung versprochen war. Des andern Tages hernach gieng er zum Dionysio, und forderte den verheissenen und verdienten Lohn. Dionysius erzürnet sich fast sehr und sprach: Was ist dein Begehren / Freund? Hab ich dir nicht schon bezahlet / was dir gebühret / und meinem Verheissen ein Genügen geleistet / denn du hast meinen Ohren eine Lust erreget / so habe ich dich auch über die massen mit guter Hoffnung ergötzet / daß du grossen Lohn von mir soltest zu gewarten haben / und je besser du nun gespielet hast / je grössere Lust der Hoffnung hast du empfunden / ließ ihn damit hingehen.


Grosse Herren thun alles nach Belieben / und gehet da Gewalt für Recht / nach dem alten Sprichwort: Cui jus est, jus non metuit, jus obruitur vi. Derowegen sich ein jeder desto mehr hierinn fürzusehen hat.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 539-540.
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