29. Ursprung der Carthäuser-Mönche und[549] Edimeri Rede nach dem Tode.

Edimerus ist gewesen ein vornehmer Professor zu Pariß / welcher nicht allein wegen seiner Gelehrsamkeit /[549] sondern auch stillen und dem äusserlichen Ansehen nach frommen Lebens von allen hoch gehalten ward. Wie derselbe nunmehr verstorben / und jetzo solte begraben und in die Erde verscharret werden /hat er sein Haupt aus dem Sarck aufgehoben / und kläglich geschryen: Ich bin vor das Gerichte GOttes gestellet worden. Uber dieser Stimme sind plötzlich alle Umstehende hefftig bestürtzet worden / und haben die Begräbniß biß auf den folgenden Tag aufgeschoben. Als nun die Leute wiederum in grosser Anzahl zusammen kamen / hat sich der verstorbene Edimerus im Sarck abermahl aufgerichtet / und mit jämmerlicher Stimme geruffen: Ich bin vor dem Gericht GOttes verklagt worden. Am dritten Tage / als die gantze Stadt in der Kirchen zusammen kam / hat er sich wiederum aufgerichtet / und aufs allergrausamste geschryen: Aus gerechtem Gericht GOttes bin ich verdammet worden. Wie nun alle Anwesende hierüber gar erstarreten / hat Bruno ein ander Professor desselbigen Orts zu den Umstehenden gesagt: Sehet an das jämmerliche Ende dieses Mannes / welcher unserer Meynung nach der Heiligste war / wie wird es uns ergehen? Warlich / wir haben keine Hoffnung zur Seeligkeit / wofern wir nicht diese Welt verlassen. Ist darauf mit vier Gelehrten und zween Leyen in eine Wüsteney gezogen / und kommen an einen Ort / welcher Carthusia heißt / daselbst hat er ein Kloster gebauet / und einen Mönchs-Orden angefangen / welche noch heutiges Tages Carthäuser-Mönche genennet werden.


GOttes Gerichte seyn gerecht. Der Mensch siehet was für Augen ist / GOtt aber siehet das Hertz an. Laß deinen Gottesdienst nicht Heucheley seyn.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 549-550.
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