35. [560] Alexander M. ersticht Clytum.

Clytus ist gewesen einer von den ältesten Kriegs-Obristen des Grossen Alexandri, welcher schon unter dem Philippo des Alexandri Vater sich in vielen Gelegenheiten als ein Held erzeiget / auch dem Alexandro in der Schlacht mit den Persern bey dem Flusse Granico sein Leben augenscheinlich errettet / indem er den erblösseten Alexandrum, über welchen der Rhosaces ein Persianischer Obrister schon den Säbel gezuckt / und ihn Zweiffels ohne nieder gehauen hätte / mit seinem Schilde bedecket / und dem Persianer die Hand abgehauen hatte / daß sie mit dem Säbel dahin flog. Aber diese Treue des Clyti, dessen Schwester Hellanice auch den Alexandrum in seiner Jugend mit ihren Brüsten gesäuget hatte / hat ihm Alexander sehr übel belohnet.

Nachdem Alexander Persiam unter sein Joch gebracht / und beynahe alle Orientalische Länder mit Siegen erfüllet / ist er durch Scythien und Tartaren /wie auch andere mitternächtige Länder gezogen / und ist endlich an einen umzäuneten Wald und Thiergarten kommen darinn er sich mit seinen Kriegsleuten mit Jagen ergetzet / auch des Abends ein köstlich Pancket zurichten lassen / darauf er seine vornehmste Kriegs-Obristen / und unter andern auch gedachten Clytum geladen hat. Wie nun der König sich mit Wein ziemlich überladen hatte / fieng er an seine eigene Thaten biß in den[560] Himmel zu erheben / Philippi seines Vatters Kriege aber schimpfflich zu verachten. Diß verdroß die alten erfahrnen Helden hefftig / und sagte Clytus zu einem / der neben ihm saß: Was sich doch die Könige möchten einbilden / daß sie alle Siege ihnen selbst allein zuschreiben dürfften / da doch die Soldaten das meiste zur Sache thun / und Leib und Leben in Gefahr setzen müsten. Alexander fragte: Was Clytus geredet hätte? Sie schwiegen aber still / derhalben Alexander viel ärgers argwohnete. Clytus, welcher auch nicht mehr nüchtern war /scheuete sich nicht / Philippi Helden-Thaten sehr hoch zu rühmen / als welcher mit Helden gekämpffet /da Alexander nur mit Weibern gefochten habe: Sagte derhalben / er thäte besser / daß er still schwiege / und sich selbst nicht lobte. Alexander befahl Clyto, er solte aufstehen / und sich heim packen: Der wolte aber nicht / sondern fuhr fort / Philippum und die alten Helden zu loben / Alexandrum aber zu verachten. Darüber ergrimmete Alexander dermassen / daß er aufsprang / und seinen Spieß ergreiffen wolte / aber den hatten die Diener schon verborgen. Da ward er noch zorniger / lieff in den Vor-Saal / und riß einem Trabanten die Hellepart aus der Hand. Unterdessen kam Clytus und wolte entfliehen: Alexander begegnete ihm in der Thür / fragte: Wer da wäre? Jener antwortete trotziglich / er wäre Clytus: Da durchstach ihn Alexander, daß er todt zur Erden fiel / und sprach: Gehe nun hin / Clyte, zum Philippo, zum Parmenione, zum Attalo, welche du heute als Väter gerühmet hast / und berichte sie / wie es dir ihrem Lober ergangen sey. Als aber Alexander den Rausch ausgeschlaffen hatte / und des andern Tages[561] erwachte / hat ihm diese unbedachtsame That dermassen gereuet /daß er sich selbst deßwegen erwürgen / und von niemand trösten lassen wolte / aß auch und tranck nichts in dreyen Tagen / biß daß die Obristen und das gantze Heer hervor traten / und ihn vermahneten / und beredeten / daß er sich zufrieden gab.


Eigen Lob stincket gern. Mit grossen Herren ist nicht gut schimpffen / dann sie haben lange Hände und greiffen weit um sich / wie jener recht sagte: An nescis longas Regibus esse manus! Die Welt lohnt zuletzt mit Undanck.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 560-562.
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