38. [564] Dionysius wird durch eines Philosophi Spruch vom Tode errettet.

Als dieser Tyrann einsmahls auf einem Jahrmarckt herum gieng / und aller Kauffleute Waaren besahe /ward er unter andern auch eines Philosophi gewahr /welcher bey den andern Krämern saß: Den fragte Dionysius: Was er feil habe? Der Philosophus gab zur Antwort: Ich verkauffe Weißheit. Wie theuer? Fragte Dionysius: Der Philosophus sprach: Um 600. Gülden. Da zehlete ihm der Tyrann die geforderte Summa / und begehrte / daß er ihm die gekauffte Weißheit überlieffern solte. Darauf sagte der Philosophus zu ihm:


Quicquid agis, prudenter agas, & respice finem:


Was du thust / das thue fürsichtiglich / und siehe aufs Ende.


Diesen Spruch des Philosophi pflegte nachmahls Dionysius, weil er ihn so theur erkaufft / allezeit im Munde zu führen. Nun begab sichs / daß etliche seiner grossen Tyranney und Unbillichkeit halben wider ihn zusammen schwuren / und deßwegen einen Barbierer bestelleten / welcher ihm / wann er seinen Bart abschüre / zugleich die Gurgel abschneiden solte. Der Barbierer kam seiner Gewohnheit nach zu Dionysio, demselben den Bart abzunehmen. Wie nun die Sache solte zu Werck gestellet werden / trug sichs eben zu /daß Dionysius seinem Brauch nach den obgemeldten Spruch wiederholete. Darauf erschrack der Barbierer dergestalt / daß er das Scheermesser für Zittern nicht mehr halten konte / sondern aus der Hand fallen ließ /meynete / Dionysius redete solchen Spruch mit Fleiß zu seiner Warnung / und wüste schon zuvorn[565] von der Verrätherey: Fiel derhalben Dionysio zu Fuß / bath um Gnad und Verzeihung / und offenbahrte die Conspiration. Also erfuhr Dionysius, daß er diese Weißheit nicht so theuer gekaufft hätte / sintemal ihm dieselbe sein Leben errettet hat.


Tyrannen sind nimmer ihres Lebens sicher / und der Gefahr allezeit unterworffen. Manchen klaget an sein eigen Hertz.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 564-566.
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