39. [566] Cyrus wird von seinem Großvatter Astyage begastiget.

Xenophon im 1. Buch von der Unterrichtung des Cyri erzehlet nachfolgende Geschichte: Der Fürst Cyrus kam auf eine Zeit nach Hof / und ward neben andern von seinem Groß-Vatter Astyage zur Mahlzeit geladen; Wie nun ein Gericht nach dem andern aufgetragen / und die Tafel mit allerhand Leckerbißlein erfüllet ward / auch der König und alle Höflinge bald diese / bald jene Speise versuchten / fragte Astyages seiner Tochter Sohn Cyrum: Welche Weise zu leben ihm am besten gefiele / der Persianer / bey welchen er erzogen war / oder der Meder / welche er gegenwärtig sahe Mahlzeit halten? Cyrus gab hierauf zur Antwort: Ich / hertzallerliebster Großvatter / halte es mit den Persern / und gefällt mir ihre Art zu essen weit besser. Wie so / mein lieber Sohn? Sprach Astyages. Darum /antwortete Cyrus, weil ich sehe / daß ihr eure Mahlzeiten mit grosser Mühe haltet / die Arme so offt ausdehnet / und bald diese bald jene Schüssel zu euch ziehet / bald die Messer und Hände / welche durch Antastung so unterschiedlicher Speisen offt besudelt werden / abtrucknen müsset: Da hingegen ich und meine Landsleute dieses alles nicht bedürffen / sintemahl[566] wir mit Brodt / oder zum höchsten mit einem Essen oder Gericht zufrieden sind / und uns sättigen. Ferner / als Cyrus sahe / daß der Mundschenck Saca in grossen Gnaden beym Astyage war / sprach er: Allerliebster Großvatter / dieses Amt / welches ihr dem Saca anvertrauet / und deßhalben ihr ihn so hoch achtet / wolte ich eben so gut / oder auch wol viel besser / verrichten / weil ich sehe / daß Saca mit dem Becher nicht wol umgehet / und so offt er ihn überreichet /das beste davon trincket: Astyages war hiemit wohl zufrieden / vergönnete darauf Cyro, daß er das Schenck-Amt verwalten möcht / und nahm es von Saca. Wie man nun wieder Mahlzeit halte solte /spülte Cyrus das Geschirr fein rein aus / und wie er dasselbe voll geschencket / überreichte ers mit grosser Ehrerbietung / Astyages nahm es von des Cyri Hand /sprach darneben: Lieber Sohn / du hast die Schenck-Kunst vom Saca sehr wohl gelernet / machest auch alles sehr wohl / aber eins hastu vergessen / dessen ich dich billich erinnere: Wie kommts / daß du den Trunck nicht zuvor credentzest / und / wie zuvor Saca zu thun pflegte / versuchest? Cyrus sprach: Die Ursach dessen / allerliebster Großvatter / ist diese / daß ich mich befürchte / es möchte Gifft im Becher seyn /daraus ihr trincket. Wie das / Cyre? Sprach Astyages, wie kömmestu auf diese Gedancken? Cyrus sagte: Nicht ohne Ursach habe ich mich dafür gefürchtet /weil ich gesehen / daß ihr / allerliebster Großvatter /und euer gantzes Hofgesinde an dem Tage / da euer Geburts-Tag begangen / und eben aus diesem Becher tapffer herum getruncken ward / gantz närrisch und unsinnig wurdet: Eure Augen waren dunckel / und starreten im Kopffe / die Zunge sammlete / ihr sunget allerley seltsame Lieder / die kein[567] Mensch / ja ihr selbst nicht verstundet / und schwuret dazu bey allen Göttern / daß sie lieblich anzuhören wären: Die Füsse waren unflätig / und taumelten von einem Ort zum andern: Kürtzlich / ihr allerliebster Großvatter / hattet des Königreichs / und eure Mitzecher ihrer unterthänigen Pflicht vergessen / weil niemand that / was ihm gebührete. Dieser Ursach halber habe ich nicht wollen aus eurem Becher trincken / weil ich mich gefürchtet habe / ich möchte auch meiner Sinnen beraubet werden: Was sonst denckwürdiges mehr bey dieser Gasterey fürgefallen / ist zu lesen bey vorgemeldtem Xenophonte.


Die Natur ist mit wenigem vergnüget: Der Uberfluß in Essen und Trincken dienet zu nichts / sondern erwecket allerhand Laster / Geilheit / Uppigkeit / ja auch Kranckheit / und verkürtzet des Menschen Leben.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 566-568.
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