40. Vom Sprichwort: [568] Haut curat Hippoclides.

Clisthenes der Sicyonier König hatte eine Tochter Nahmens Agaristha, welche schöner Gestalt war /daß alle Griechische Jünglinge / aus den vornehmsten Geschlechten / nach ihr freyeten / auch zu dem Ende sonderbahre Versammlungen und Schauspiele anstelleten / darinn ein jeder seine Tugenden / und was er gelernet / sehen ließ. Unter diesen Freyern war auch Hippoclides, ein feiner geschickter Jüngling / welcher dem Vatter Clistheni nicht übel gefiel / sintemal er ein gantzes Jahr lang (dann so lang versuchte er die Freyer) alle wohl anständige Tugenden an ihm verspüret hatte: Daher dann ohne Zweiffel Hippoclides die Braut davon geführet hätte / wann er nicht in einem geringen Dinge gefehlet / und des Clisthenis Gunst[568] verlohren hätte. Dann als er einsmahl auf einer Gasterey tantzete / mißfiel die Leibs-Bewegung dem Clistheni dergestalt / daß er überlaut rieff: Hippoclides, du hast die Braut mit deinem Tantz verschertzet. Wiewohl dieser nun die Jungfrau sehr lieb hatte / und gern geehliget hätte / jedoch / weil er sahe / daß alle Hoffnung zu solcher Heyrath verlohren war / fassete er einen Muth / antwortete dem Clistheni so bald /und sprach: Haut curat Hippoclides, als hatte er sagen wollen: Mein lieber Clisthenes, bist du ein solcher / der einem sonst geschickten Jünglinge nur darum seine Tochter versagen darff / weil er nicht wol hüpffen und tantzen kan / wolan! So gehab dich wol /behalt deine Agaristham immerhin / Hippoclides fragt nichts darnach / wird ohne sie wohl ein Weib bekommen. Gieng hiermit davon.


Eltern sind billich vorsichtig in Verheyrathung ihrer Kinder / jedoch muß man um so einer nichtigen und albern Ursach willen die Heyrath nicht abschlagen / sintemal ohne dem niemand überall vollkommen ist.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 568-569.
Lizenz:
Kategorien: