41. Vom Sprichwort: [569] Cretiza cum Cretensi.

Dieses Sprichworts (wie Erasmus erzehlet) gedencket Plutarchus in Beschreibung des Lebens Lysandri wie auch Pauli Æmilii, und bedeutet so viel / als wann ich sagte: Gegen den / welcher dich betreugt / oder dir vorleugt / gebrauche dich hinwiederum des Betrugs und der Lügen. Dann gleichwie heutiges Tages die Juden wegen ihres unmäßigen Wuchers und Betrugs so einen bösen Nahmen und Gerücht haben / daß /wann man einen Wucherer schelten will / man denselben einen rechten Juden nennet. Also waren die Creter wegen ihrer groben[569] Lügen und Falschheit zu ihrer Zeit so übel berüchtiget / daß / wer einen Lügner bestraffen wolte / der nennete denselben einen Cretenser. Dieses Laster bestrafft auch der Poet Epimenides selbst / wie dessen Vers der Apostel Paulus anziehet /in dem 1. Cap. der Epistel an den Titum / wann er spricht: Es hat einer aus ihnen gesagt / ihr eigener Prophet (nemlich Epimenides, welchen die Creter dafür hielten) die Creter seynd immer Lügner / böse Thiere und faule Bäuche. Es findet sich aber der Anfang dieses Verses (die Creter seynd immer Lügner) auch beym Poeten Callimacho in seinem Gedichte /welches er wider die Creter zum Lobe des heidnischen Gottes Jupiter geschrieben / in welchen er sie der grösten Thorheit überzeuget / indem sie sich rühmeten /daß des Jupiters Grab bey ihnen verwahret wäre / da doch derselbige unsterblich seye. Hat also das Wort cretiziren bey den Griechen so viel bedeutet / als lügen. Es kan aber auch / nach Suidæ Meynung / so viel heissen / als daß es vergebens sey / sich der Lügen zu gebrauchen / bey einem Meister im Lügen. Oder einen arglistigen Fuchs und Betrieger fangen und betriegen wollen.


Grobe Laster können wol einem gantzen Volcke und Land ein ewiges böses Gerücht erwecken. Betrug mit Gegen-Betrug zu vergelten ist zwar politisch / aber nicht Christlich / sintemal niemand Böses mit Bösem vergelten soll.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 569-570.
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