44. Vom Sprichwort: [572] Asinus apud Cumanos.

Lucianus erzehlet eine Fabel von einem Esel bei den Cumanern / welcher / überdrüßig der vielfältigen und schweren Dienstbarkeit / das Jochseil zerbrochen /und seinem Herrn entlauffen sey / wie er nun in einen Wald gekommen / habe er in demselben ungefehr eines erschlagenen Löwens Haut gefunden / dieselbe angezogen / und sich darinn wie ein Löwe gestellet /auch beyde Menschen und Vieh mit seiner Gestalt und Stimme erschrecket / weil in dem Lande kein Löwe bekannt / noch jemahls von den Einwohnern desselben war gesehen worden. Auf diese Weise habe der Esel in der Löwens-Haut eine geraume Zeit in dem Lande geherrschet / und habe sich jederman für ihm fürchten müssen / biß daß zuletzt ein fremder Gast an denselben Ort gekommen / welcher offtermahls so wol Löwen / als Esel gesehen / und derhalben gar leicht einen Unterscheid zwischen beyden wuste zu machen. Also habe ihn derselbe so bald an seinen langen herfürschiessenden Ohren und andern Merckmahlen erkannt und ihn (mit grossem gelächter der Einwohner / welche ihn lange Zeit als einen Löwen gefürchtet hatten) mit Prügeln wieder zum Gehorsam bracht / und seinem vorigen Herren überantwortet. Kan also dieses Sprichwort gebraucht werden von denjenigen / welche / ob sie schon närrisch und unverständig sind /[572] dennoch bey unbekandten Leuten hoch gehalten und geehret werden / oder auch / welche sich grosser Dinge unterstehen / darzu sie doch untüchtig sind.


Niemand soll sich dessen unterwinden / welches ihm zu hoch ist / sonst wird er darüber doch endlich zu Spott und Schanden.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 572-573.
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