49. Vom Sprichwort: [577] Syncretismus.

Dieses Sprichwort ist bey nahe allen Gelehrten in der Welt auff der Zungen / und schreibt Erasmus in seinen Sprichwörtern davon also: Syncretismus, spricht er / ward nach dem Cretischen[577] Sprichwort genant /wann es geschahe / daß diejenige / welche die ärgsten Feinde gegen einander scheineten zu seyn / unversehens sich vereinigten und vertrugen / welches sich dann gar oft pfleget zubegeben / insonderheit wann ein solch Unglück vorhanden war / welches beyden Theilen konte schädlich seyn. Dieses Sprichworts gedencket auch Plutarchus, und erkläret es in seinem Buch von der brüderlichen Liebe / da er spricht: Uber diß so must du dieses in acht nehmen wann Brüder unter sich uneins sind / daß du es alsdann mit ihren Freunden haltest / mit denselben essest und trinckest /hingegen derselbigen Feind und Widersacher meidest / und hierinn nachfolgest dem Exempel der Creter /welche gar offt / wann sie mit einheimischen Kriegen und auffruhren beladen waren / und ein fremder Feind sie anfiel und bekriegte / ihren einheimischen Haß und Zwietracht fahren liessen / und mit gesamter Hand gegen den Feind fochten / und dasselbe nenneten sie Syncretismum. Und kan also dieses Sprichwort füglich gebraucht werden von denjenigen / wel che Freundschafft und Frieden mit einander machen darum weil einer des andern Hülffe von nöthen hat oder / damit sie mit gesamter Hand einen gemeinen und beyden Theilen widrigen Feind angreiffen und dämpffen. Wie es denn heutiges Tages gar gemein ist / daß diejenigen offtmals die Waffen zusammen fügen / welche doch sonst im Hertzen Feinde untereinander sind.


Falschheit spielet Meister in der Welt / bey nahe mehr als eine andere Laster / hält aber gleichwol auffs letzte den Stich nicht. Und vergleichen sich solche Syncreticirende nicht uneben an den Füchsen des Simsons / welche mit den Schwäntzen zusammen gebunden waren /mit den Köpffen aber unterschiedene Wege suchten.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 577-578.
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