50. Vom Sprichwort: [578] Orci galea.

Dieses Sprichwort pflegt man zu gebrauchen von denjenigen / welche sich durch sonderbahre Künste können unsichtbar machen und verbergen: Davon lieset man folgende Fabel.

Acrisius, ein König der Argivorum schickte einsmahls seine Gesandten nach Delphos, den Abgott daselbst wegen Ertödtung seiner männlichen Erben zu fragen / bekam aber diese Antwort; Daß seine Tochter die Danae einen Sohn zur Welt gebähren würde von welchen er würde erschlagen werden. Hierüber ist Acrisius sehr erschrocken / und hat so bald einen starcken Thurm bauen lassen / darinnen er die Tochter verschloß damit sie zu keinem Manne kommen möchte; Aber Jupiter hat die Danaëm lieb gewonnen sich in einen güldenen Regen verwandelt / durchs Dach in ihren Schooß herein gelassen / und geschwächet. Also ist sie schwanger worden / und hat einen Sohn gebohren / Nahmens Perseus. So bald nun der Vater solches erfahren / hat er beyde / so wol den Sohn / als die Mutter in ein Gefäß gethan / und ins Meer gestürtzet. Es begab sich aber / daß sie an die Insul Seripho getrieben / und von dem Dictys auffgenommen wurden. Wie nun Perseus erwachsen war / hat er von den dreyten Töchtern des Phorci bekommen Geflügel /und den Helm Plutonis, welcher die Natur hatte / daß / wer denselben aufhatte / sahe alle die er wolte /wurde aber von niemand wiederum gesehen. Hiermit auffs beste gerüstet ist Perseus zu denen Gorgonibus geflogen. Diese Gorgones waren drey Schwestern /Namens Euriale, Sehenio und Medusa, grausamer Gestalt mit Drachen-Köpfen /[579] und grossen Schweins-Zähnen / geflügelt / und hatten die Krafft / daß wer sie anschauete / so bald in einen Stein verwandelt wurde. Weil aber die Medusa von diesen dreyen allein sterben kunte / ergriff sie Perseus, und schnitt ihr den Kopff ab. Wieweit nun die andern zwo Schwestern hinzuflogen den Perseum zu verfolgen / ist er doch durch Hülffe des Plutonischen Helms unverletzt davon kommen. Nach diesem hat er den Polydecten umgebracht / welcher war ein Bruder des Dictys, der die Danaën der Persei Mutter suchte zu verunehren. Er hat auch seinen Alt-Vater den Acrisium, wiewol unwissend / erschlagen / und sonst grosse Thaten gethan: Daß also dieses Sprichwort auch nicht unbillich von denjenigen kan gebraucht werden / welche alle Sachen glücklich und nach Wunsch ausrichten.


Dem Rath GOttes kan niemand widerstreben. An dem unflätigen Jupiter siehet man / was für Götter die Heyden gehabt haben. Der Christen wahrer Helm / mit welchem sie bestehen können gegen alle listige Anläuffe der höllischen Medusa / ist das Wort und die Krafft GOttes.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 578-580.
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