52. Unvorsichtige Freundschafft bringt manchen in Unglück.

[581] Derjenigen Leute werden sehr viel / leyder! gefunden /welche zwar gar süsse Worte geben / und sich als die besten Freunde stellen können / da sie doch Gall im Hertzen haben / die ärgesten Feinde seynd / und nur darnach streben / wie sie einen in Unglück stürtzen mögen / von welchen nicht unbillig jener dort singet:


Mel in ore, fel in corde,

Verba lactis, fraus in factis.


Das ist:


Sie haben Honig im Munde / aber Gall im Hertzen: Reich in Worten / Betrug in Thaten oder Wercken. Ein Exempel solcher tückischen Freundschafft erzehlet Leirus im 4. Buch seiner Jahr-Geschichte. Sejano, welcher beym Käyser Tiberio in grossen Gnaden nur hassete im Hertzen Germanicum des Tiberii bey der Sohn und dessen Hauß-Frau Agrippinam,[581] wie auch alle die / so dem Germanico an hiengen / und ihm gewogen waren: Unter welchen auch war ein vornehmer Römischer Edelmann / mit Nahmen Titus Sabinus. Dessen Gemüth und was er vom Tiberio und Sejano hielte / zu verrathen / machten vier falsche Bößwichter / Latiaris, Portius, Petilius und Opsius diesen gefährlichen Anschlag. Latiaris, welcher mit den Sabino ziemlich bekandt war / muste sich öffters zu ihm gesellen / bald den Germanicum loben / bald des Sabini Beständigkeit rühmen: Da meynete der gute Sabinus, er hätte einen rechten treuen Freund am Latiare, offenbarete ihm demnach sein gantzes Gemüth /fieng an zu klagen über des Sejani Grausamkeit und Übermuth / und daß er nach dem Reich stünde / schonete auch in solchen Reden des Tiberii selbsten nicht. Ob nun wol diese vom Latiare heraus gelockte Worte genug waren / den Sabinum ins Verderben zustürtzen / so konte sie doch Latiaris, weil er sie nur allein gehöret / mit keinem Zeugen im Fall der Noth beweisen. Derwegen verbarg Latiaris die übrigen drey Gesellen / Portium, Petilium und Opsium oben in seinem Hause / und führete darauff Sabinum in das Gemach /in welchem seine Gesellen lagen und laureten; Fieng an vom Tiberio und Sejano viel böse Stücke zu erzehlen / und dieselbe zu verachten. Bey dieser Gelegenheit schüttete Sabinus sein gantzes Hertz gleichsam gar aus / klagte nochmahls über die Boßheit Sejani und Tiberii, verschwieg nichts / sondern redete frey von ihnen / wie ihm ums Hertz war. Die Laurer hörten fleißig zu / klagten darauff den Sabinum beym Tiberio an / als einen / der die Majestät gefrevelt hätte / unn machten in kurtzen daß er nicht allein in dem Kercker geworffen / sondern[582] auch ohne einige Verantwortung erwürget ward.


Das mag wol heissen / wie man im gemeinen Sprichwort sagt: Traue / aber sieh zu / wem du trauest.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 581-583.
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