55. [585] Philopomenon wird vor einen seinen Diener angesehen.

Daß offtmals die äusserliche Gestalt und Kleidung einem ein Ansehen bey den Leuten mache / solches erscheinet aus nachfolgender kurtzweilichen Geschichte / welche Plutarchus auffgezeichnet hat. Der fürtrefflichste Kriegs-Obriste Philopomenon wolte bey einem seiner alten bekanten Freunde einkehren /that ihm derhalben solches etliche Tage zuvor zuwissen. Wie nun der Hauß-Herr seinen angenehmen Gast erwartete / bereitet er sein Hauß / und alle hierzu nöthige Dinge / befahl seiner Haußfrauen / daß sie die Mahlzeit zubereitete / und die Taffel verfolgete / er selbst aber gieng hin / etwas darzu einzukauffen. Unterdessen ko t Philopomenon ins Hauß gegangen /und weil er der Haußfrauen gantz unbekant / darzu heßlicher Gestalt / und schlecht bekleidet war / hat ihn die Wirthin vor einen des Philopomenis Diener angesehen / und also nicht viel geehret oder respectirt / ja befiehlt ihm auch endlich / er solle ihr / weil sie geschäfftig wäre / behülfflich seyn / und was Holtz hauen / damit die Speisen fein gar würden / und seinem Herrn desto besser schmeckten. Philopomenon, der merckte / daß sie ihn nicht kante / that was ihm befohlen war / und hauete tapffer auffs Holtz zu / biß daß der Wirth wiederum nach Hauß kömmt: Als der den Philopomenon in voller Arbeit geschäfftig siehet / verwundert er sich / entsetzet sich hefftig / und spricht: O mannhaffter Held / wer hat dir immermehr die knechtische Arbeit auffgetragen / wie kömmstu doch zu so beschwerlichen Geschäfften? Philopomenon fieng an[586] zu lächeln / und sprach: Mein lieber Freund / daß hat meine heßliche und unansehnliche Gestalt und schlechte Kleidung gethan / kehre dich hieran nur nicht / wir wollen unser hinfort besser pflegen.


Unverständige Leute urtheilen nach den äusserlichen Kleidern / aber weise und kluge nach den innerlichen Gaben des Gemüths.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 585-587.
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