58. Etliche Exempel Melancholischer Leute.

[590] Der berühmte Artzt und Fürst aller Medicorum Galenus gedencket etlicher Menschen / welche so Melancholisch gewesen / daß sie sich seltzame Dinge eingebildet haben. Einer meynte / er wäre gläsern und zerbrechlich / bat derhalben alle Menschen / die er nur von ferne sahe ihm entgegen kommen sehr inständiglich / daß sie sich nicht wolten zu ihm nahen / damit er nicht von ihnen beschädiget / oder wol gar zerbrochen und zerscheitert würde.

Ein ander bildete sich ein / die Welt würde von einem grossen Mann auff dem Rücken getragen /fürchtete sich derwegen / wann derselbe Mann ermüdet daß alsdann die runde Erd-Kugel über einen Haufen fallen möchte / und lieff deshalben ohne Auffhören stets umher / damit sie ihm nicht auff den Kopf fallen könte.

Muretus erzehlet vom Hippocomo, daß er sich habe eingebildet / er wäre Pabst zu Rom / habe auch wöchentlich zu Venedig in seines Herrn Hauß auf einem[590] grossen Saale mit den Cardinälen (welche auff einer Tafel abgemahlet stunden) Zusammenkunfft gehalten / und eyfferig mit ihnen von geistlichen Sachen gerathschlaget / nicht anders / als lebten sie. Trallianus schreibt: Er habe eine Frau gekant / welche vor gab / sie hätte Schlangen im Magen / die ihr ohne Unterlaß darinn nageten / sey auch von den Phantastischen Einbildungen keines weges abzubringen gewesen / biß daß man ihr Artzney eingeben / welche ihr das Brechen verursachet / und eine lebendige Schlange ihr unwissend in ein Becken geleget / und selbe /nachdem sich die Frau hefftig gebrochen / ihr vorgezeiget / mit Anzeigung / daß sie von ihr abgetrieben und ausgeworffen sey.

Bey dem Overcetano findet sich auch ein lustiges Exempel / so hieher gehöret: Einer bildete sich ein / er hätte so eine Grosse Nase / als ein Wasser-Eymer /scheuete sich derohalben unter die Leute zu kommen /damit er nicht verspottet und verlachet würde. Diesem Phantasten benahm ein Artzt seine thörichte Einbildung auff folgende Art. Er hielt ihm eine grosse frische Ochsen-Leber an die Nase / schnitte gewaltige Stücke herunter / schonete auch der Nasen nicht / sondern gab derselben mit verkehrtem Messer ziemliche harte Schnitte. Wie nun so grosse Stücke von der jeder herunter fielen / und das Blut sehr hefftig aus derselben floß / beschmierte der Artzt den Wahnsüchtigen Narren das gantze Angesicht mit Blut / und überredete ihn / die Stücke / welche er für Augen sehe herunterfallen / wären von seiner Nasen abgeschnitten / und hätte nun dieselbe ihre rechte Grösse / welches der Narr also glaubte / und nachmals zu frieden war.


Melancholie ist ein Hauptküssen des Teuffels / und verursacht offtmahls viel böses / darum man sich billig zu hüten hat.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 590-591.
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