61. Tiberii Schatz-Kammer.

[594] [594] Tiberius Constantinus, Justini des andern Nachfolger / ein Lob- und liebwerther Käyser / war sieghafft in Kriegen / auffrichtig und rechtfertig im Urtheilen /klug in seinem Vornehmen / vornehmlich aber über alle massen freygebig und gutthätig gegen die Nothleidenden und Armen / auch so gar / daß es ihm zuletzt selbst am Gelde mangelte / und er kaum seine Taffel / wie sichs gebührete / halten konte: Hierüber frolockete Sophia, Käysers Justini nachgelassenes Ehegemahl / verspottete den Tiberium, und warff ihm offt für seine ungebürliche und unmäßige Allmosen /und daß er als von geringen Herkommen / alle das Seinige seines gleichen geringen Leuten austheilete: Tiberius aber antwortete ihr allezeit mit grosser Gedult: Es würde GOtt der HErr ihm andere Schätze wiedergeben / und leichtlich dasjenige vergelten / was er an dürfftige Leute angewendet habe. Was geschicht? Wie er einsmahls auff seinem Schlosse spatziren gieng / ward er ungefehr auff der Erden eines Marmorsteins gewahr / darein das Creutz Christi gehauen und abgebildet war: Damit nun dasselbe nicht möchte mit Füssen getreten werden / rieff er etliche seiner Diener zu sich / und befahl ihnen / daß sie dasselbe aus der Erden wegthäten / und an einen andern Ort versetzten. Die Diener gehorchten ihrem Herrn dem Käyser / besahen aber unter diesem zu erst ausgeno enen Steine noch einen andern gleicher Gestalt liegen. Tiberius befahl / sie solten auch den heraus nehmen / und an einen andern Ort hinsetzen: Als sie solches thaten / funden sie unter demselben den dritten von gleicher Grösse / Gestalt und Zeichen. Tiberius hieß denselben auch auszugraben: Da ward ein grosser Schatz an guten reinen[595] Golde darunter gefunden / welche weder der Käyser noch sonst iemand daselbst gehoffet hätte: Mit diesem Schatze ersetzte Tiberius seinen Mangel / und bekam also reichlich durch GOttes Segen wieder / was er auff die Armen verwendet hatte.


Almosen erretten vom Tode: Wer den Armen gerne gut thut / leihet GOtt einen Pfennig auff Wucher. O daß gute Herren heut zu Tage Tiberii Nachfolger wären / und aber dasjenige auff arme Leute verwendeten / was an überflüssiger Pracht und Uppichkeit gehenckt wird.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 594-596.
Lizenz:
Kategorien: