69. Einer Frauen Schwätzhafftigkeit.

[603] Zu Rom hat sichs einsmahl zugetragen / daß der Rath daselbst etliche Tage nach einander wichtiger Sachen halber / welche das Regiment und Heil des gantzen Volcks betroffen / bey einander versa let war / und sich jedermann verwunderte / was doch die Ursach des langen und ungewöhnlichen eyfferigen Rathschlagens seyn möchte. Unter andern ist auch der Weiber-Orden hierüber nicht wenig bestürtzt worden / und hat sich eine unter denselben / eines Rath-Herrn Ehe-Frau unterstanden / die Ursache dieses eyfferigen Rathschlagens von ihrem Manne zu erforschen: Folgete derhalben demselben allenthalben nach / wo er sich nur hinkehrete / warf ihm vor mit kläglicher Stimme und weinenden Augen / daß er sie nicht recht liebte /weil er ihre so viel nicht zutrauete / daß er ihr offenbahren möchte / was im Rath gehandelt wäre / da doch Eheleute ein Hertz und Sinn haben / und einander nichts verschweigen solten: Umfieng ihn darneben / und küssete ihn freundlich / verschwur sich auch hoch[603] und theuer / daß sie es niemand nachsagen oder offenbaren wolte. Was geschicht? Der Mann / damit er sie der befürchteten Schwatzhafftigkeit mit Grunde überzeugen / und von dergleichen verbotenen Nachforschungen abmahnen möchte / stellete sich endlich /als könte er ihrem inständigem Bitten aus schuldiger Liebe nicht länger widerstehen / überredete sie demnach / die Priester hätten dem Rath angezeugt / daß eine Leiche mit einer güldenen Haube und einem Spießlein gerüstet über die Stadt hergeflogen wäre. Darum werde im Rath so lange gerathschlaget / ob dieses eine gute oder böse Anzeigung sey? Vermahnete sie darneben ernstlich / daß sie es ja niemand offenbahren solte / und gieng darauff so bald aus dem Hause nach dem Marckte zu. Unterdessen kömmt eine Magd ins Hauß gegangen / da fängt die Frau an zu weinen und zu klagen: Ach mein lieber Mann! Ach die gute Stadt! Was will uns doch dieses immermehr bedeuten? Gibt damit zu verstehen / daß sie gern wolle gefragt seyn: Die Magd / als der auch die Ohren juckten etwas neues zu hören / läst sich nicht lange hierzu bitten / und fragt die Frau: Warum sie so jämmerliche Klage führe? Darauff erzehlet ihr die Frau den gantzen Handel / wie sie es von ihrem Manne gehört hatte / beschleust doch ihre Rede mit der aller alten Plapperinnen gebräuchlichen Warnung / daß sie es ja niemand offenbahren / sondern bey sich behalten solte. So bald diese Magd aus dem Hause kömmt / erzehlet sie diese neue Zeitung einer andern Magd / mit gleichen Anhang und Warnung / daß sie es heimlich halte. Diese erzehlet es ihrem Freyer / welcher ihr ungefehr auff der Gassen begegnete / und derselbe an dern /[604] in Summa / diese Fabel von der geharnischten Lerche kommt eher auff den Marckt als dessen Erfinder. Der Rath / welchem diß Mährlein auch schon vorkommen war / erschrickt selbst darüber: Biß der Erdichter desselben zu Rathauß gieng / und den anwesenden mit Erzehlung des gantzen Handels die Furcht benahm: Laufft darauff nach Hause / bestrafft seine Frau ernsthafftig: Ey / spricht er / liebe Frau /wie fein hastu verschwiegen / was ich dir auff deine inständige Bitte und theure Verheissung offenbahret habe: Siehe da / nun muß ich deiner Schwätzhafftigkeit halber sterben / dann der Rath hat erfahren / daß dieses Geheimniß aus meinem Hause erstlich ist kund worden. Die Frau will nicht gestehen / daß es von ihr sey herkommen / sondern entschuldiget sich / und spricht: Es habe diß nicht können von ihr offenbahr gemacht seyn / weil es nur wenig Stunden sey / daß sie es von dem Manne gehöret habe / da ers hingegen schon von vielen auff dem Marckt erfahren habe. Der Mann aber widerlegte ihre Ausflucht und sprach: Ja /Frau / wie wäre es müglich / daß ein ander ausser dir die Schuld hätte an diesem Geschwätze / mit welchem die gantze Stadt erfüllet ist / sintemaahl es nur eine Fabel / und von mir selbst erdichtet war / damit ich deine zugesagte Verschwiegenheit erfahren / oder auch der Verschwätzhafftigkeit dich klärlich überzeugen möchte: Derwegen wird mirs hinführo eine Lehre und Warnung seyn / daß ich dir nichts vertraue und offenbahre / damit ich nicht in Gefahr und unwiederbringlichen Schaden gerathe.


Die Weiber haben nicht unbillig den Nahmen / daß sie verwaschen sind / und werden derer gar wenig gefunden / welche den Tugenden Sara / Rebecca / Abigaill und anderer verschwiegener[605] gottselicher Weiber nachfolgen. Jedoch finden sich unter den Manns-Personen derer auch nicht wenig / welche der weiblichen Schwatzhafftigkeit mehr als zu viel nachfolgen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 603-606.
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