7. Muthige Antwort eines See-Räubers dem[519] Alexandro Magno gegeben.

Es wurde von des grossen Alexanders Soldaten auf eine Zeit ein See-Räuber gefangen / und für den König geführet. Als ihn nun Alexander fragte: Warum er sich habe unterstehen dürffen / das Meer unruhig und unsicher zu machen / und durch sein Rauben fremde Güter mit Unrecht an sich zu ziehen? Der Räuber aber gedachte / er hätte doch den Tod zu erwarten / antwortete er dem König mit[519] freudigem und kühnem Gemüth / und sprach: Weil ich / O König! nur ein eintziges Raubschiff habe gehabt / so habe ich gar leicht von mehrern können überwunden und gefangen vor dich gestellt werden. Du aber / weil du mächtig bist / gehest frey durch / und raubest nicht allein zu Wasser / sondern auch zu Lande / und wirst noch darzu mit eines Königes Nahmen verehret. Wann man derhalben die Sache genauer besiehet / so bist du ein grösserer Räuber / als ich: Dann mich hat meine Armuth und Noth darzu getrieben / daß ich mit Rauben mein Brodt habe suchen müssen; Dich aber /als der du aller Dinge Uberfluß und keine Noth hast /hat dein unersättlicher Geitz und Hochmuth dazu getrieben / daß du gantze Lande und Völcker beraubest. Ist derowegen zwischen uns kein ander Unterscheid /als daß ich ein armer / du aber ein reicher und gewaltiger Räuber bist. Darum werde ich wegen meiner Armuth ein See-Räuber gescholten und zum Tode verdammt. Du aber gehest wegen deiner Macht frey durch / und müssen sich alle Völcker für dir fürchten /ehren dich dazu mit dem Königlichen Titul / und ist niemand der deine Rauberey straffen könne. Uber diese behertzte Rede hat sich Alexander höchlich verwundert / und ob er sich schon vorher vorgesetzt hatte / ihn mit dem Tode zu straffen / hat er ihn doch um solcher Kühnheit willen wieder zu Gnaden angenommen / und ihm das Leben geschencket.


Kleinen Dieben leget man eiserne Ketten an / die Grossen aber prangen mit güldenen. Dat veniam corvis, vexat censura columbas: Gewalt gehet offtmal vor Recht. Die Warheit errettet manchem das Leben / ob sie schon insgemein Haß erwecket.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 519-520.
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