78. [619] Cynegiri unerhörte Tapfferkeit.

In dem Kriege / welchen Darius der 3. Persianische Monarch gegen die Griechen führete / hat mancher tapferre Held sein unerschrocken Gemüth erzeiget und spüren lassen / unter welchen auch billich nach Aussage Justini Cynegirus ein Atheniensischer Soldat gezehlet wird. Dieser / als er in der Marathonischen Schlacht eine zeitlang sehr männlich gefochten[619] hatte /und die Perser endlich in die Flucht geschlagen und in ihre Schiffe gejagt wurden / hat er sich unterstanden mit seiner rechten Hand eines unter denselben Schiffen zu halten / damit unterdessen seine Landsleute darzu kommen / und dasselbe erobern möchten. Wie aber solches die Perser merckten / welche in demselben Schiffe waren / sind sie hinzu gelauffen / und haben ihme die Hand abgehauen. Cynegirus hierüber das geringste nicht erschrocken / ergreiff das Schiff mit der lincken Hand / um dasselbe auffzuhalten /aber es ward ihm dieselbe gleicher Gestalt abgehauen. Ob nun wol Cynegirus hierdurch sein bestes gewehr /damit er streiten solte und könte / verlohren hatte / ist ihm dennoch der Heldenmuth hierum nichts desto mehr entfallen / sondern er hat das Schiff mit dem Maul angegriffen / und als ein erzürneter Hund mit den Zähnen äusserstem Vermögen nach auffgehalten /biß er endlich darüber ist erschlagen worden.


Tapfferkeit ist eine trefliche und nothwendige Tugend im Kriege / aber es muß die Vermessenheit / sich in überflüßige und unnöthige Gefahr zu begehen / davon seyn.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 619-620.
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