79. [620] Lybussa und Primislaus ihr Ehemann.

Lybussa ist gewesen eine gebohrne Königin in Böhmen / welche nach dem Tod ihres Vaters das Reich überkommē / und der Regierung mit Recht und Billigkeit so wol fürgestanden / daß keiner unter ihren Unterthanen auch die geringste Ursach gehabt hat / über sie zu klagen. Weil aber die Stände des Reichs gerne einen Erben des Reichs gehabt hätten / vermahneten sie die Lybussam, daß sie sich verheyrathen wolte: Lybussam aber verdrossen diese Worte gar hefftig /und fragte sie mit zornigem Gesichte: Was sie für Mangel[620] hätten an ihrer Herrschafft / daß sie einen König begehreten? aber die Stände antworteten ihr: Sie hätten gar keinen Mangel / sondern wären sehr wol mit ihr zufrieden / wann sie nur versichert wären /daß sie unsterblich wäre / weilen es aber kund / daß sie wie andere Menschen der Sterblichkeit unterworffen wäre / so wünschete das Volck / daß sie nach ihrem Tode einen Erben möchten bekommen / der ihren Tugenden nachfolgete. Lybussa schwieg hierauf still / dann sie wolt lieber unverheyrathet bleiben. Als aber das Volck unabläßig bey ihr anhielte / bewilligte sie endlich in desselben Begehren / und befahl / auff Aussage der Götter / welche sie hierumb befraget hatte / daß man ihr weisses Pferd / auff welchem sie stets zu reiten pflegte / solte satteln / wo nun dasselbe also gesattelt würde hinlauffen / dahin solten die Stände des Reichs nachfolgen / dißes endlich für einem würde still stehen / der auff einem eissernen Tisch esse / den solten sie für ihren König annehmen /dann denselben wolte auch sie ihres Ehebettes würdigen / den ihr die Götter würden auf solcher Art zeigen. Die Stände richteten als bald der Königin Befehl aus / sattelten das Pferd / und liessen es mit verhengtem Zaum lauffen; sie folgten alle nach / das Pferd lieff voraus durch dicke / durch dünne / bald zur rechten / bald zur lincken / und achtete keine Richte der Wege / biß es endlich nach vielen Lauffen um Mittagszeit einen Ackersmann antraf / welcher müde von der Arbeit sich auf die Erde gesetzt / und den Pflug umgekehret hatte / und das Pflugschaar für einen Tisch gebrauchte. Als das Pferd nun zu diesem Manne kam / stund es vor ihm stille / und sahe weder zur Rechten noch zur Lincken. Die Stände / welche dem Pferd allezeit nachgefolget waren /[621] als sie dieses vermerckten und sahen / daß er das Pflugschaar vor einen Tisch gebrauchte / erinnerten sie sich dessen /was ihnen die Königin vom eisernen Tisch gesagt hatte / gedachten derhalben / sie hätten den rechten Ehemann ihrer Königin gefunden / wurden sehr froh /fragten diesen Bauersmann / wie sein Nahme wäre? und erfuhren von ihm / daß er Primislaus hiesse. Dar auf baten sie ihn / daß er möchte aufstehen / und sich auf das Königliche Pferd setzen: Und als er solches thate / führeten sie ihn also zu der Königin / und erzehleten was und wie sie ihn gefunden hätten. Die Königin war hierüber froh / und nahm ihn als ihren vom GOtt gezeigten Ehemann an / ließ ihn Königlich kleiden / und ehrete ihn als ihren Herrn. Also haben diese beyde nicht allein eine friedliche Ehe / sondern auch ein gut und löblich Regiment mit einander geführet / und hat dieser Primislaus den Böhmen viel gute Gesetze vorgeschrieben: Seine höltzerne Schuhe / welche er im Acker gebraucht hatte / sind zum Gedächtniß in der Kirchen auffgehangen worden.


GOtt erniedriget und erhöhet / und thun diejenigen wol / welche die ihnen von GOtt fürgesetzte Obrigkeit ehren /unangesehen sie von geringen Stande / Geschlecht und Herkommen ist.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 620-622.
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