9. [521] Thales weiset den Soloni die Beschwerlichkeiten des Ehestands.

So wol das einsame Leben / als der Ehestand haben ihre Beschwernissen. Bleibet einer unverheyrathet / so hat er keine rechte Treue und Gehülffen / keine Kinder noch Erben / oder Nahmens- und Geschlechts-Fortpflantzer / sondern muß Fremden sein Gut hinterlassen. Freyet einer / und nimmt ein[521] Weib / so ist da allerhand Sorge und Widerwärtigkeit: Bald zanckt die Frau / bald sehen die Schwäger und Freunde sauer /bald entlaufft der Knecht / die Magd / und was dergleichen Widerwärtigkeiten mehr sind. Daher Socrates nicht unbillich einem Jünglinge / welcher ihn gefraget / ob er freyen solte oder nicht? geantwortet hat: Du magst thun was du wilst / so wird es dich doch gereuen. Unter andern Sorgen aber / welche im Ehestande vorfallen / ist nicht die geringste / wann Eltern ihre liebe Kinder verliehren / wohin dann zielet / was Plutarchus erzehlet / welches sich also verhält. Solon reisete von Athen nach Mileto / und besuchte den Thaletem, wie er nun sahe / daß dieser in der Einsamkeit und ohne Weib lebte / sprach er: Wie kömmts doch / mein lieber Freund / daß du dich nicht verheyrathest? Es solte dich zum Ehestande / wo nichts anders / doch dieses bewegen / daß du Kinder und Lei bes-Erben hinterlassen möchtest. Thales schwieg still / verordnete aber nach etlichen Tagen einen fremden unbekanten Mann / welcher vorgeben solte / er käme von Athen / und wäre vor wenig Tagen allererst von dar abgereiset. Wie Solon solches hörete / fragte er denselben / was doch zu Athen neues fürgefallen wäre? Dieser / vom Thalete zuvor unterrichtet / antwortete Soloni: Er hätte nichts neues / ohne daß daselbst eines vornehmen Manns / welchen die gantze Stadt hoch hielte / einiger Sohn gestorben wäre. Solon erschrack hierüber / befürchtende / es möchte sein einiger Sohn seyn: Fragte derwegen weiter: Ob der Fremde nicht wüste wie der Mann hiesse / dessen Sohn gestorben wäre? Der ander sagte / er hiesse Solon. Da bestürtzte Solon dermassen / daß ihn Thales kaum trösten konte / welcher[522] ihm endlich offenbahrte / daß es eine erdichtete Sache wäre / und daß er (Thales) dem Soloni die Sorge des Ehestandes hierdurch hätte andeuten wollen.


Ein jeder Stand hat seine Beschwernissen. Der ist weise / welcher sich in Widerwärtigkeit mäßigen / und die Gedult üben kan.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 521-523.
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