90. Gleichheit des Gesichts / und Historia[635] Laodices und Artemonis.

Von der Laodice des Königs Antiochi in Syrien Gemahl / erzehlet Plinius und Valerius folgende Geschicht. Laodice ließ ihren Herrn den König Antiochum umbringen / damit sie einen andern jungen und frischen Helden / Artemon genannt / wieder trauen /oder zum wenigstens an Manns Statt[635] gebrauchen möchte. Wie nun dieser Mord vollbracht war / fürchtete sich Laodice, daß ihr das Volck nicht allein gehäßig werden / sondern auch von ihr abfallen möchte /derohalben / dessen Gunst zu behalten / gebrauchte sie folgende List. Ihr Buhler der Artemon, welcher dem ertödteten Antiocho an Gestalt und Beschaffenheit des Leibes gar ähnlich war / muste sich in ihres gewesenen Ehemanns Bette legen / so kranck stellen /als arbeitete er in Todes-Nöthen / und das Volck (welches ihren krancken König zu sehen häuffig herzu lieff) folgender Gestalt anreden: Meine liebe getreue Unterthanen / weil es mit mir nunmehr so weit kommen ist / daß ich diese Welt gesegnen / und von euch scheiden muß / so ermahne ich euch Väterlich / daß ihr nach meinem Tode dieses mein Gemahl (auff die Laodicen zeigende) zu eurer Königin annehmen / sie ehren und ihr gehorchen wollet in allen Dingen /gleich wie ihr mir bißhero gethan habt / und ihr alle unterthänige Treue erzeigen / wie Unterthanen ihrer Obrigkeit zu leisten schuldig seynd. Das Volck bildete sich nichts anders ein / als ob ihr rechter Herr und König Antiochus sie anredete / gelobten ihm derohalben solches treulich zu thun: Und befestigte also die Laodice ihre Macht durch ihre Arglistigkeit / darzu ihr die Gleichheit des Artemons mit dem Antiocho Anlaß gab und hülfflich war.


Ehebruch und Mord / sind sehr schändliche Laster /sonderlich an hohen Personen: Wer nicht genau zusiehet / der wird gemeiniglich betrogen.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 635-636.
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