92. Unterredung und Gespräch [637] Pompeji und Cratippi.

Als Pompejus in Thessalia bey der Stadt Pharsalo vom Julio Cæsare überwunden / und mit seinem Kriegsherr in die Flucht geschlagen war /[637] begab er sich zu Schiffe und auffs Meer / willens in Aegypten zu fliehen / unterwegens aber nahm er seinen Weg auff die Insul Mitilenen zu / dahin er sein Gemahl Corneliam, des Ausgangs des Kriegs daselbst abzuwarten / geschickt hatte. Weil aber Pompejus die Gastmahle und Zusammenkünffte der Bürger flohe /zog er nicht in die Stadt / sondern kehrte in des gelehrten Weltweisen Cratippi Garten / vor der Stadt gelegen / ein / klagte demselben sein Unglück / und die unversehene Veränderung seines Zustandes / und fragte ihn: Ob auch eine Göttliche Fürsehung wäre? Dann er hielte dafür / daß sich GOtt des Menschen Zustandes nicht annehme / weil er an sich selbsten befunden habe / daß er in einer löblichen / und (seiner Meynung nach) gerechten und guten Sache überwunden / und gleichsam von GOtt verlassen wäre. Cratippus aber / damit er Pompejum etlichermassen trösten / und ihm seine Traurigkeit benehmen möchte / antwortete hingegen / daß viel andere Ursachen wären /darum solches geschehen sey / und sprach: Die Königreiche und Regimente dieser Welt haben ihren von GOtt gesetzten Lauff / nach welchem sie zu- und abnehmen: So ists dißfalls dem Römern auch wiederfahren: Dieweil sie bißher in der Democratia (da das gemeine Volck mit herrschet) von dem rechten Wege abgewichen / hat es nothwendig zu einer Monarchia (da nur einer die Oberstelle hat) kommen müssen: Dann wann ein Ding auffs höchste kömmt / so beginnt es gemeiniglich wieder zu fallen. Er sagte auch ferner zu Pompejo, daß er sich nicht zu beklagen habe / daß GOtt dem Cæsari solche Römische Monarchie für ihm gegönnet hätte / obschon Pompejus meynete /er wäre viel tüchtiger darzu[638] gewesen. Dann fragte Cratippus, womit woltest du / Pompeje, versichert und vergewissert haben / daß du nach erhaltenem Sieg dich dessen besser würdest gebrauchen / als Cæsar? Wie aber Pompejus hierauff nichts antwortete /sprach der Philosophus Cratippus: Wir wollen dasjenige / was in GOttes Gewalt / Rathschluß und Fürnehmen stehet / nicht spitzfündig durchforschen und nachgrübeln.


GOttes Geheimnisse muß man nicht fürwitzig durchforschen / noch seine unbegreiffliche Gerichte tadeln; Dann er hat Gewalt über die Königreiche / und giebt nach Belieben wem er will.

Quelle:
Lauremberg, Peter: Neue und vermehrte Acerra philologica, Das ist: Sieben Hundert auserlesene, nützliche, lustige und denckwürdige Historien und Discursen, aus den berühmtesten griechischen und lateinischen Scribenten zusammengetragen [...], Frankfurt am Main, Leipzig, 1717, S. 637-639.
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