8. Clorinda erfreut sich/ daß sie von dem unglückseligen Sünden-Stand/ und böser Gesellschafft erlößt/ in den Stand der heylsamen Buß versetzt worden

Domine, deduxisti ab inferno animam meam, salvâsti me à descendentibus in lacum,

Psal. 29. v. 4.


Herr/ du hast meine Seel aus der Höllen geführt: du hast mich erlöst von denen/ die in die Grube fahren.


1.

Satan sammt allen Gespenstern der Höllen/

Welche des Menschen gefährlichste Feind/

Einen gottsförchtigen Menschen zu fällen/

Warlich so mächtig bey weitem nicht seind/

Als die Leichtfertigkeit böser Welt-Kinder/

Weilen geschwinder

Der Mensch durch eine böse That

Verführt wird/ als durch blossen Raht.


2.

Welcher mit spitzigen Dörnern umbgehet/

Ohne Verletzung kommt nimmer darvon;

Waitzen/ der unter die Distel gesäet/

Leichtlich ersticket/ wie gut er auch schon;[182]

Malvasier unter dem Eßig nicht dauret/

Gäntzlich versauret:

Wer bey den Bösen Freundschafft sucht/

Mit ihnen auch bald wird verrucht.1


3.

Unter den räudigen Schaafen niemalen

Bleibet ein sauberes Lämmlein gesund;

Auch so gar göldne Becher/ und Schalen

Werden besudlet von kräncklichem Mund:

Köche bey rußigen Häfen/ und Härden

Schmutzig bald werden:

Wer Vögel-Kleb/ und Hartz berührt/

Wird von demselben leicht beschmiert.2


4.

Weißlich die Vögel dem Geyer abweichen/

Billich abscheuhet den Habich die Daub/

Wann sie viel wolten mit ihnen umbstreichen/

Wurden sie ihnen bald werden zum Raub;

Lämmer/ der Wölffen Gemeinschafft beflissen:

Werden zerrissen:

Wer sich den Träbern mischet ein/

Den fressen/ wie man sagt/ die Schwein.


5.

Dieses hat Dina genugsam erfahren/

Als sie welt-süchtig gezogen von Hauß/3

Hätte den Kosten wohl können erspahren/

Massen es übel geschlagen ihr auß/[183]

Dann sie ein seufftzende Trägerin wurde

Kindlicher Burde:

Bey Frommen in dem Vatterland

Erlidten hätt kein solche Schand.


6.

Lucifer unter den Englen schlimm hausend/

Wegen der Boßheit ein räudiges Schaff/4

Tödtlich ansteckte derselben viel tausend/

Zoge sie mit sich zur ewigen Straff;

Wenig sind die nicht durch böse Gesellen

Fahren zur Höllen:

Ein fauler durchgehölter Zahn

Steckt unvermerckt viel andre an.


7.

Salomon, welcher in blühender Jugend5

Weiser gewesen/ als niemand vor ihm/

Welchen Gott wegen vielfältiger Tugend

Oeffter gewürdigt mit leiblicher Stimm/

Als er die Heydnische Weiber berühret/

Wurde verführet:

Ein zahmer Baum im wilden Wald

Die gute Art verliehret bald.


8.

Petrus hat unter den bösen Gesellen6

Bey dem Feur sitzend sich hefftig verbrennt/

Als er den Menschen bekennen nicht wöllen

Welchen er besser/ als niemand/ gekennt/[184]

Eine nur schwache Magd machte den alten

Felsen zerspalten:

Dem Stroh kommt die Gesellschafft theur/

Wann es sich nahet zu dem Feur.


9.

Judas ist worden der ärgste Mißthäter/7

Weil er der Juden Gemeinschafft gesucht/

Wurde gar seines Erlösers Verrähter

Also/ daß er sich auch selbsten verflucht/

Wäre zu solcher Mißhandlung nicht kommen

Unter den Frommen:8

Dem Mäußlein/ so mit Katzen spilt/

Unfehlbar es das Leben gilt.


10.

Weilen Proserpina9 eintzig spatzierte

Frecherweiß auff dem Ennæischen Feld/

Pluto10 von dannen sie gähling entführte

Nach dem unlustigen Höllen-Gewäld/

Wäre/ wann sie die Gesellschafft geschohen/

Leichtlich entflohen:

Wer sich nicht scheucht vor böser Schaar/

Der geht zu grund in der Gefahr.11


11.

Abraham mußte die Freunde verlassen/

Vatter/ und Mutter aus Gottes Geheiß/12

Böse Gesellen abscheuhen/ und hassen/[185]

Meiden das schädliche Götzen-Geschmeiß/

Also sich selber von schlimmen/ und bösen

Freunden erlösen:

Der Safft muß abgesöndert seyn

Von Träbern/ soll er werden Wein.


12.

Gleicher weiß müßte von Sodoma weichen

Eylends der übel-gesellete Loth,13

Ohne verschnauffen dem Berge zu keichen/

Gäntzlich verlassen die sündige Rott/

Hätte unschuldig sonst eben auch müssen

Fremmde Sünd büssen:

Wer sich den Mördern zugesellt/

Sich selbst ein böses End erwehlt.


13.

Moyses bey Pharaon wolte nicht bleiben/

Ob er schon wurde gehalten sehr hoch/

Wolte viel lieber die Wullen austreiben/

Als sich ergeben dem Heydnischen Joch/

Sorgte von Gott sich gar endlich zu scheiden

Unter den Heyden:

Wer ein verfaultes Aaß nicht fliecht/

Auch den Gestanck bald an sich ziecht.


14.

Wann dich die Sünder/ sagt Salomon, locken/

Lasse bey Leib dich mit ihnen nicht ein/14

Ob sie schon zeigen die köstliche Brocken/

Göldene Schalen mit Cretischem Wein/[186]

Sonsten wirst du es in ewigen Qualen

Müssen bezahlen:

Dann keinem wird die Zech geschenckt:

Heißt/ mit gestohlen/ mit gehenckt.


15.

Unter der bösen Gesellschafft ich immer/

Läider! gewesen von Jugend auff bin/

Wurde dahero nur immerdar schlimmer/

Lauffend' nach aller Leichtfertigkeit hin

So/ daß ich endlich im Cyprischen Orden15

Meisterin worden/

Vertiefft gantz in der Sünden-Höll/

Vertretten hab'/ der Lais Stell.16


16.

Endlich als Daphnis mich also gesehen

Unter der nunmehr verworffenen Schar/

Daß es umb meine Seel wäre geschehen/

Massen ich ärger/ als Rosemund war/17

Hat Er sich meiner Gottlosen erbarmet/

Heimlich umbarmet/

Und aus des Satans Rachen mich18

Gezogen mit Gewalt zu sich.


17.

Gleich wie Andromede wurde errettet

Aus dem Verderben durch Perseus Hand/

Als sie am Felsen anhangte gekettet/[187]

Und sich nun gäntzlich verschätzet befand';

Also hat Daphnis mich aus dem gewissen

Elend gerissen:

Das von Andromede Gedicht

An mir ist worden ein Geschicht.


18.

Orpheûs hat seine Gemahlin entzogen

Mittels der Harpffen dem traurigen Reich19

Weilen er aber dem Pluto gelogen/

Hat er verlohren sie wiederumb gleich/

Welches Verbrechen Euridice büssen

Schmertzlich hat müssen:

Mich Daphnis aber hat erlößt/

Daß ewig ich darmit getröst.


19.

Machte die böse Gesellschafft mich fliehen/

Stellte mich völlig auff sicheren Fuß;

Ach daß ich sie auch mir könnte nachziehen/

Ernstlich zu würcken erforderte Buß!

Daß wir nachmalen/ gottselig bereuet/

Wurden erfreuet:

Ach werdet schmertzlich doch berührt

Ihr endlich/ die ich hab' verführt!


20.

Eya dann Sünden-vertieffte Welt-Kinder

Kommet/ und folget mir büssenden nach;

Wer sich selbst straffet/ der büsset gelinder/

Rettet sich selber vor künfftiger Schmach:[188]

Allezeit pflegen beläidigte Waffen

Strenger zu straffen.

Wo Gott nicht muß/ da strafft Er nie/

Wer sich selbst strafft/ spart Ihm die Mühe.


Fußnoten

1 Proverb. 13. v. 20. Amicus stultorum efficitur similis.


2 Eccles. I.v.t. qui tangit picem, inquinabitus ab ea.


3 Gen. 34.


4 Tertia pars stellarum. Apoc. 8. v. 12.


5 3. Reg. 3.


6 Marc. 14. 4. Matth. 16. Tu es Christus filius Dei vivi.


7 Matth. 26. v. 14. tunc abiit.


8 Cum electo electus eris, & cum perverso, pervertéris. Psal. 17. v. 27.


9 Die Höllen-Göttin.


10 Der Höll-Gottt Poët.


11 Eccles. 3. v. 27. Qui amas periculum, peribit in illo.


12 Gen. 14.


13 Gen. 19.


14 Prov. 1. v. 10. Si te lactaverint peccatores, ne acquieseas eis.


15 In der Unlauterkeit.


16 Lais ein berühmte Gelt-Gewinnerin zu Corinth.


17 Ein gottlose Königin.


18 Simulacris sacrificabant, & ego, quasi Nutritius Ephraim, portabam eos in brachiis meis: & nescierunt, quòd curarem eos: in funiculis Adam trahebam eos. Osc. II. v. 3. & 4.


19 Der Höllen. Hat die Bedingnuß gebrochen. Poët.


Quelle:
Laurentius von Schnüffis: Mirantisches Flötlein. Darmstadt 1968, S. 177-178,182-189.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Unsühnbar

Unsühnbar

Der 1890 erschienene Roman erzählt die Geschichte der Maria Wolfsberg, deren Vater sie nötigt, einen anderen Mann als den, den sie liebt, zu heiraten. Liebe, Schuld und Wahrheit in Wien gegen Ende des 19. Jahrhunderts.

140 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon