13. Die Auferstehung Jesu. Erstes Osterlied

[245] Jesus, die erlösten Sünder,

Alle Christen danken heut,

Dir, du Todesüberwinder,

Dir, du Herr der Herrlichkeit!

Der du todt warst, lebest wieder,

Mit dir leben deine Glieder1;

Uns, die Tod und Grab erschreckt,

Hat Gott mit dir auferweckt.


Nieder kamst du auf die Erde,

Gottes Sohn, von Gottes Thron!

Trugest jegliche Beschwerde,

Littest Schmerzen, Spott und Hohn.

Menschen haßten dich, du Beßter,

Aller Armen Hülf' und Tröster;

Dich, du Labsal jeder Noth,

Drängten sie bis in den Tod!


Willig, Herr, trug deine Seele

Mancher Leiden schwere Last,

Bis zum Tod, und in der Höhle

Lag dein müder Leib erblaßt.

Endlich frey von aller Plage,[245]

Ruht er bis zum dritten Tage:

Da kam in das stille Grab

Gottes Herrlichkeit herab.


Und der Todte lebte wieder!

Dir sang aller Engel Chor;

Alle Thronen sanken nieder,

Herrlich giengst du, Herr, hervor!

Alle, die dein Grab beschützen,

Sinken todtblaß vor den Blitzen

Deiner neuen Majestät,

Die sich Sonnen gleich erhöht.


O, mit welchen Gottesfreuden

Stralst du aus des Grabes Nacht!

Ewigfern ist alles Leiden,

Ganz dein großes Werk vollbracht!

Liebreich eilest du, den Deinen

Im Triumphe zu erscheinen:

»Seht mich, Freunde, die ihr bebt!

Jauchzet! Euer Jesus lebt«!


Lebend, zu verschiednen Stunden,

Sahn sie, Herr, dich dort und hier;

Sie berührten deine Wunden,

Sprachen, aßen oft mit dir.

Deinen Trost und deine Lehren

Ließest du sie wieder hören;

Freudig betheten dich an,

Die dich wieder lebend sahn.


Ja! Du lebst, o Jesus, wieder,

Hallelujah! ewiglich!

Mehr als fünfmalhundert Brüder

Sahn mit ihren Augen dich;

Leiblich redtest du mit ihnen,[246]

Bist dem Paulus selbst erschienen;

Dein und deiner Freunde Feind

Sahe dich, und war dein Freund.


Jesus! deines Lebens Zeugen

Sagen laut: »Er lebt!« der Welt:

Ihm soll jedes Knie sich beugen:

Er ist's, der Gericht einst hält!

Rufen laut in Schmerz und Banden:

Jesus ist vom Tod erstanden!

Sie, die lebend dich gesehn,

Hießen Todte auferstehn!


Sünder mit Gott zu versöhnen,

Kamst du auf die Welt herab.

Starbst; o fließet Freudenthränen!

Standest auf aus deinem Grab!

Jesus, dankt versöhnte Sünder,

Ist des Todes Überwinder;

Heil ist seiner Leiden Lohn;

Jesus ist des Höchsten Sohn!


Jesus ist von Gott gekommen,

Der bey Gott im Anfang war.

Bebt ihr Sünder, jauchzt ihr Frommen;

Alles, was er sagt, ist wahr!

Alles, alles wird geschehen:

Himmel werden eh vorgehen,

Eh Ein Wort von Jesus Christ

Nicht mehr wahr und göttlich ist.


Jesus lebt! Wer an ihn gläubet,

Ob er stürbe, stirbet nicht.

Keiner, der ihm treu verbleibet,

Keiner kömmt in sein Gericht.

Wer hier starb, wird auferstehen,

Wird unsterblich Jesum sehen;

Freudig, wer sich dir ergiebt!

Zitternd, wer dich hier nicht liebt!
[247]

Ewig seyst du angebethet,

Gott, der unser Vater ist:

Du hast uns vom Tod errettet,

Uns gesendet Jesum Christ;

Uns durch Jesum neugeboren2;

Ewig wären wir verloren,

Hätt' er nicht vom Thron herab

Sich versenkt in Tod und Grab.


Wär' Er nicht vom Tod erstanden,

Würden wir nicht auferstehn:

Aber, nun er ist erstanden,

Werden wir auch auferstehn!

Unser Leib soll von Beschwerden

Frey, dem seinen ähnlich, werden3;

Himmlisch, herrlich, lauter Licht4

Stehn vor deinem Angesicht.


Hallelujah! Unser Leben5,

Gott der Menschen, Jesus Christ!

Unser Herz sey dir ergeben,

Der du auferstanden bist![248]

Frey und rein von allen Sünden

Laß uns, daß du lebst, empfinden.6

Tief im Staube singen wir

Dank und Hallelujah Dir!


Fußnoten

1 Anmerkung Lavaters: »Deine Glieder: Alle Gläubigen, die mit dir eben so genau vereinigt sind, wie Glieder Eines Leibs.«


2 Anmerkung Lavaters: »Uns durch Jesum neugeboren: Eben wie der Mensch durch die Geburt ins irdische Leben tritt, so werden wir durch Jesum tüchtig gemacht, ins unsterbliche Leben überzutreten ...«


3 Anmerkung Lavaters: »Unser Leib soll dem Leib Christi gleichförmig werden: Phil. III, 21«.


4 Anmerkung Lavaters: »Himmlisch, herrlich, lauter Licht: Wie wir das Bildniß des irdischen Menschen getragen haben, so werden wir auch das Bildniß des himmlischen tragen. – Die Gerechten werden leuchten wie die Sonne. I. Cor. XV, 49; Matth. XIII, 43«.


5 Anmerkung Lavaters: »Unser Leben: Christus unser Leben, ist ein paulinischer Ausdruck, der zeigt, wie genau unser Leben mit dem Leben Christi verbunden sey.«


6 Anmerkung Lavaters: »Laß uns, daß du lebst, empfinden: Erzeige uns solche Gnaden, die uns keinen Augenblick zweifeln lassen, daß du, für unser Heil besorgt, im Himmel lebst«.

Quelle:
Johann Kaspar Lavater: Ausgewählte Werke. Band 1, Zürich 1943, S. 245-249.
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