Das Mondlicht

[13] Dein gedenkend irr ich einsam

Diesen Strom entlang;

Könnten lauschen wir gemeinsam

Seinem Wellenklang!


Könnten wir zusammen schauen

In den Mond empor,

Der da drüben aus den Auen

Leise taucht hervor.


Freundlich streut er meinem Blicke

Aus dem Silberschein

Stromhinüber eine Brücke

Bis zum stillen Hain. –


Wo des Stromes frohe Wellen

Durch den Schimmer ziehn,

Seh ich, wie hinab die schnellen

Unaufhaltsam fliehn.


Aber wo im schimmerlosen

Dunkel geht die Flut,

Ist sie nur ein dumpfes Tosen,

Das dem Auge ruht.[13]


Daß doch mein Geschick mir brächte

Einen Blick von dir!

Süßes Mondlicht meiner Nächte,

Mädchen, bist du mir!


Wenn nach dir ich oft vergebens

In die Nacht gesehn,

Scheint der dunkle Strom des Lebens

Trauernd stillzustehn;


Wenn du über seinen Wogen

Strahlest zauberhell,

Seh ich sie dahingezogen,

Ach! nur allzuschnell!

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 13-14.
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