Ghasel

[12] Du, schöne Stunde, warst mir hold, so hold, wie keine noch,

Ich seh dein Angesicht erglühn im Rosenscheine noch;

So sah den Engel Gottes einst mit Wangen freudenrot

Im Paradiese lächelnd nahn der Mensch, der reine noch.

Du kamst mit ihr und flohst mit ihr, und seit ich euch verlor,[12]

Versehnt ich manchen trüben Tag in jenem Haine noch

Und fragte klagend mein Geschick: »Bewahrst in deinem Schatz

So holde Stunde du für mich nicht eine, eine noch?«

Dort mocht ich lauschen spät und früh: wohl flüsterts im Gezweig,

Doch immer schweigt noch mein Geschick – ich lausch und weine noch.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 12-13.
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