Mit unaufgeblühten Blumen

[459] Der Frühling ist gekommen,

Er zieht durch sein Revier,

Du hast es nicht vernommen

Im Krankenzimmer hier,


Wie er durch seine Strahlen

Den Winter ganz vertrieb,[459]

Daß ihm in Berg und Talen

Nicht eine Stätte blieb,


Wie er den Grund erschlossen

Und alle Keime weckt,

Daß man ein lustig Sprossen

Schon überall entdeckt.


Doch um dir zu ersetzen,

Was unterdes dahin,

Schickt er, dein Äug zu letzen,

Dir dieses frische Grün.


Er schickt dir diese Pflanzen,

Daß sie dir ungefähr

Anzeigten, wie's im ganzen

Nun aussieht rings umher.


Zwar sind noch leider offen

Die schönen Blüten nicht,

Doch steht es wohl zu hoffen,

Daß bald die Knospe bricht.


So hoff ich, daß dein Leben

Die Krankheit brech entzwei,

Daß es in regem Streben

Erblühe frisch und neu,


Und hoff, wenn aufgegangen

Der Kelch der Blumen ganz,

So sollest wieder prangen

Auch du im Blumenglanz.


Doch aller Schein der Sonnen,

Der Blüten schönstes Rot

Und alle Frühlingswonnen

Sind für uns hin und tot,[460]


Wenn Gott, der gnadenreiche,

Dies eine nicht erteilt,

Daß er von schwerer Seuche

Die liebe Mutter heilt.


Drum wünsch ich dir dies eine

Nur zum Geburtstag heut,

Daß bald ihr im Vereine

Frisch und genesen seid.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 459-461.
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