Heimatklang

[295] Als sie vom Paradiese ward gezwungen,

Kam jeder Seele eine Melodie

Zum Lebewohl süß schmerzlich nachgeklungen,

Darauf umschloß die Erdenhülle sie.

Noch ist dies Lied nicht völlig uns verdrungen,

Doch tönt es leiser stets auf Erden hie.

Gib acht, o Herz, daß in den Schütterungen

Dir nicht des Liedes letzter Hauch entflieh!

Ein Nachhall dieses Liedes ist entsprungen

Des Morgenlandes süße Poesie,

Von Jugendträumen wirds manchmal gesungen,

Doch dunkel, unbewußt woher? und wie?

Wem aber einmal klar und voll geklungen

Die wunderbare Heimatmelodie,

Der wird von bangem Heimweh tief durchdrungen,

Und er genest von seiner Sehnsucht nie.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 295.
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