Die Heimkehr

[185] Zu Paris am Königsschlosse,

Das der Prinz nunmehr bezogen,

Harrt der Wagen lange Reihe,

Drängen sich des Volkes Wogen.


Auf der kunstgeschmückten Treppe

Stehn die königlichen Garden,

Dem Andrang des Volkes wehrend

Mit dem Stoß der Hellebarden.


Johann Kasimir, gebleichet

Von des Kummers langem Drucke,

Stieg herab, seit lange wieder

Heut im vollen Fürstenschmucke.[185]


Auf dem Haupt die samtne Mütze;

Um den Busch des Reihers brannten,

In vielfache Schnur gewunden,

Große helle Diamanten.


An dem samtnen Oberkleide

Weite Ärmel niederhangen,

Drauf das goldne Fell des Widders

Und die Demantkette prangen.


Der kostbare Persergürtel

Trägt des Säbels Eisenbogen

Mit rubinbesetztem Griffe,

Den der Jüngling oft gezogen.


Ihn umrauschen die Begleiter:

Sully, Angoulême, nebst andern,

Sagen ihm viel süße Worte,

Wünschen ihm ein glücklich Wandern.


Doch der Zug, die Treppe nieder,

Muß auf jeder Stufe stocken,

Unaufhaltsam strömt das Volk zu,

Mit gutmütigem Frohlocken.


In der Treppe tiefster Ecke,

Hinter des Hatschieren Rücken,

Hat ein Mädchen sich geschmieget,

Auf den Zug hervorzublicken.


Eingebettelt in die Stelle

Hat sie sich mit bangem Flehen,

Daß sie dürfe nur noch einmal

Unbemerkt den Prinzen sehen.


Also hat in scheuer Demut

Klara Hebert sich verborgen;

Nicht mehr braucht ja ihre Liebe

Für den Teuren mehr zu sorgen.[186]


Nicht gewahrt der rauhe Wachmann

Ihres Herzens lautes Pochen,

Und wie manche heiße Träne

Aus den Augen ihr gebrochen.


Plötzlich hält Johannes inne,

Forschend blickt er ins Gedränge;

Doch nicht sieht er, die er suchet

In des Volkes bunter Menge.


Und der Liebe bange Zweifel

Ihm die Seele jetzt erfassen;

»Klara!« ruft er laut und schmerzlich,

»Willst du mich im Glück verlassen?« –


Wie sie so ihn höret rufen,

Stürzt sie hin mit lautem Weinen,

Und ohnmächtig liegt das Mädchen

Auf der Treppe Marmorsteinen.


Festgedrückt an seinen Busen,

Hält Johannes sie umfangen,

Mit unendlich süßer Wehmut

Küßt er ihre bleichen Wangen.


Lange noch auf ihrem Antlitz

Ruht sein seliges Betrachten,

Und es zittert seine Stimme:

»Lebewohl!« der Auferwachten.


Zu Graf Angoulême nun spricht er:

»Eurem Schutz sei sie befohlen:

Ehret sie, wie es der Freundin

Ziemen mag Johanns von Polen!


Meines Lebens kühne Rettung

Dank ich diesen zarten Händen;

Und daß ich zur lieben Heimat

Wieder mag die Schritte wenden!«[187]


Rasch besteigt er seinen Wagen;

Und den Prinzen segnet jeder.

Jetzt verliert sich in der Ferne

Schon das Rollen auch der Räder.

Quelle:
Nikolaus Lenau: Sämtliche Werke und Briefe. Band 1, Leipzig und Frankfurt a.M. 1970, S. 185-188.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
Faust: Ein Gedicht
Gedichte
Die schönsten Gedichte
Gedichte (insel taschenbuch)
Die schönsten Liebesgedichte (insel taschenbuch)

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Die Elixiere des Teufels

Die Elixiere des Teufels

Dem Mönch Medardus ist ein Elixier des Teufels als Reliquie anvertraut worden. Als er davon trinkt wird aus dem löblichen Mönch ein leidenschaftlicher Abenteurer, der in verzehrendem Begehren sein Gelübde bricht und schließlich einem wahnsinnigen Mönch begegnet, in dem er seinen Doppelgänger erkennt. E.T.A. Hoffmann hat seinen ersten Roman konzeptionell an den Schauerroman »The Monk« von Matthew Lewis angelehnt, erhebt sich aber mit seiner schwarzen Romantik deutlich über die Niederungen reiner Unterhaltungsliteratur.

248 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon