Fünfte Szene

[149] In Rosenheim.

Ein Garten.

Herr von Biederling im leinen Kittel, eine Schaufel in der Hand. Herr von Zopf.


HERR VON BIEDERLING sieht auf. Bist du's, Zopf? – Hier setz ich eben einen von deinen Bäumen. Nun wie steht's Leben? Reicht ihm die Hand. du kommst von Dresden?

HERR VON ZOPF. Ich komme – ja ich komme von Dresden. Es ist mir lieb, daß ich dich hier allein treffe. Der Freudendahl, du weißt wohl, ist mit mir, ich hab ihn in Naumburg gelassen.

HERR VON BIEDERLING. Was hat der Laffe sich in unsere Händel[149] zu mischen? Weißt du was, ich hab hier Pulver und Blei, wir können hier unsere Sachen ausmachen.

HERR VON ZOPF. Verzeih mir! er ist Zeuge davon gewesen, daß du mir meine Ehre nahmst.

HERR VON BIEDERLING. Denk doch, und du kannst dem Fickelfackel Leipziger Studentchen nur wiedersagen, daß ich sie dir wiedergeben habe, und wenn er's nicht glauben will, so heiß ihn einen Schurken von meinetwegen. Denk doch, ich werde um des Narren willen wohl zurückreiten? warum kam der Flegel nicht mit? – Wie gefällt dir meine Baumschule?

HERR VON ZOPF. Recht gut, Gott geb dir Gedeihen. – Aber was käm's dir denn auch darauf an, mir in Gegenwart Freudendahls eine Ehrenerklärung – mit ein paar Worten ist die ganze Sache getan.

HERR VON BIEDERLING. Dir abbitten? – Nein, Bruder! das geschieht nicht Fährt fort zu graben. ich zieh mein Wort nicht zurück, tu was du willt.

HERR VON ZOPF. Hast du mich denn nicht beleidigt? In einem öffentlichen Gasthofe beim ersten Kompliment gleich mit Schimpf und Stockschlägen –

HERR VON BIEDERLING. Du hattst mich auch beleidigt.

HERR VON ZOPF. Wenn ich alles in der Welt tue, dir Dienste zu leisten? Das ist himmelschreiend.

HERR VON BIEDERLING. Wenn ich nüchternen Muts gewesen, wär's vielleicht nicht so weit kommen, aber – wärm mir den alten Kohl nicht wieder auf, kurz und gut. Und deine Dienste, was Sackerment helfen mir die Dienste, mein Kind verwahrlost, da ich mich auf dich verließ.

HERR VON ZOPF. Das einzige, was ich mir vorzuwerfen habe, daß ich ihn nach Smyrna mitnahm.

HERR VON BIEDERLING. Nicht das, Bruder Monsieur! wo du warst, mußte mein Sohn immer auch gut aufgehoben sein, aber daß du ihn den Jesuiten mitgabst, um seiner loszuwerden, eh! du Jesuit selber, da steckt's Wirft die Schaufel weg. komm, komm heraus itzt, ich bin jetzt[150] eben in der rechten Laune, ein paar Kugeln mit dir zu wechseln.

HERR VON ZOPF. Hier hab ich Seidenwürmereier mitgebracht.

HERR VON BIEDERLING. Zeig Wischt sich die Hand an den Hosen. zeig her! Macht sie auf. Das ist gut Dings, das ist ganz artig, jetzt soll's mit meinem Seidenbau losgehn daß es wettert; allein – aber wo tausend noch einmal sie sind doch nicht feucht geworden? a propos! hast du denn – weißt du nicht, hör einmal! mit dem Ofen, der dazu muß gebauet werden, wie macht man das? ich denk, ich muß nach Leipzig an einen Gelehrten schreiben.

HERR VON ZOPF. Ich dächte, du tätest lieber eine Reise hin.

HERR VON BIEDERLING. Oder ich will den jungen Zierau in Naumburg, das will doch auch ein Ökonom sonst sein – was es doch für wunderbare Geschöpfe Gottes in der Welt gibt, so ein klein schwarz Eichen! wer sollte das meinen, daß da ein Ding herauskommt, das so erstaunende Gewebe spinnt? A propos! hast du keine Nachricht von Rom?

HERR VON ZOPF. Ja freilich und recht erwünschte.

HERR VON BIEDERLING. O mein allerliebster Zopf Ihm um den Hals fallend. bald hätt ich Ei und alles verschüttet – was ist's, was gibt's? ist er noch am Leben? ist eine Spur von Hoffnung da?

HERR VON ZOPF. Er lebt nicht allein, er ist wiederfunden worden, du wirst ihn sehen.

HERR VON BIEDERLING. O du bist ein Engel, so schießen wir uns nicht, so ist alles vergeben und vergessen. Verzeih du mir nur, ich will dich in Dresden auf dem öffentlichen Rathaus' um Verzeihung bitten.

HERR VON ZOPF. Komm nur mit zurück nach Naumburg, da will ich dir meinen Brief vorlesen, aber nicht eher, als bis du mich in Gegenwart Freudendahls um Verzeihung bittest. Hernach wollen wir zusammen in dein Haus gehn, da werden dir die Deinigen das übrige erzählen.[151]


Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Werke und Schriften. Band 2, Stuttgart 1965–1966, S. 149-152.
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