5.
Gedicht zum Geburtstag

[17] seiner Schwägerin Christine.


Es sey Euch dieser Tag an tausend Zärtlichkeiten

An tausend sanften Freuden reich.

Mit Küssen grüßet ihn: spielt ihm auf sanften Sayten

Ein zärtlich Lied und unter Zärtlichkeiten

Verfließ er Euch.

»Dis ist der Tag, müß jetzt Ihr Fritzchen sagen,

Der Dich mir gab, mein Leben, meine Lust.

Für mich hat unter ihrer Brust

Die beste Mutter Dich getragen.

Für mich hat Deinen ersten Tagen

Gott jene theure Pflegerin geschenkt

Die zärtlicher, als hundert Mütter denkt

Und deren Abschied noch Dich kränkt.

Für mich wuchs Deine holde Jugend

Wie Frülingsrosen auf: und Zärtlichkeit und Tugend

Keimt' damals schon für mich in Deiner Brust empor.«

Dann müß auch sie mit sanften Küßen sagen:

»Geliebter, ja, ich bin nur da für Dich.

Für Dich fieng dis Herz an zu schlagen

Und ewig schlägt es nur für Dich.«

So sey Euch dieser Tag an unschuldsvollen Freuden,

So sey er Euch an Liebe reich.

Wie mancher Hagstolz muß euch eure Lust beneiden,

Wie manches Ehepaar wünscht heimlich eure Freuden!

Werd ich einst auch ein Mann, will ich euch nicht beneiden:

Allein zum Muster nehm ich euch.

Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Gedichte, Berlin 1891, S. 17-18.
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