51.

[155] Göttin, Freude! dein Gesicht

Wendest du vom Edlen nicht.

Wenn er dich verschwunden meynet,

Bist du näher als es scheinet,

Stehst mit deinem Ungestümm

Des Entzükens hinter ihm.


Ach er klagte, wie verloren,

Daß er nicht für dich geboren,

Daß du ihm noch nie gelacht,

Weil er nicht für dich gemacht.

Ach, er fluchte dem Geschicke!

Und mit allem deinem Glücke,

Deiner Wonne Ungestümm

Stehst du, Göttin, hinter ihm.


Da verwandeln denn die Zähren,

Die dem Schmerz zu kostbar wären,

In der Freude Ausdruck sich.

O da schreyt, da schluchzt er dich!

Und mit aller Wuth der Schmerzen

Tobest du in seinem Herzen,

Bis voll süsser Mattigkeit

Er es fühlt, daß er sich freut.

Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Gedichte, Berlin 1891, S. 155-156.
Lizenz:
Kategorien: