53.
Auf eine Quelle, worin F.W. sich gewöhnlich baden soll

[157] Heilige Quelle,

Wie so schön helle!

Ach wärst du nicht so rein

Ich legte mich hinein.

Zwar wär es Sünd' auf lebenlang.

Doch macht mir nicht die Hölle bang.

Hab' ich sie doch im Busen hier,

So lange W – fehlet mir.

Heilige Quelle

Wie so schön helle![157]

Ach trocknetest du nicht für Gluth,

Als sie sich legt' in deine Fluth,

Ach hast du nicht mit geistigem Verlangen

Den schönen Leib umfangen?

Warf nicht der Baum sein blühend Haar

All hin auf ihrer Augen Paar,

Und deckte, daß sie es verstund

Mit Lilien den Rubinenmund,

Mit Lilien sie um und um

Und klagte so sein Leiden stumm?

Heilige Quelle,

Wie so schön helle!

Du weißt es wohl, daß sie dich kennt,

Dir gerne deine Freude gönnt.

Ach aber ich – mich kennt sie nicht

Und gönnt mir nicht ihr Angesicht.

Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Gedichte, Berlin 1891, S. 157-158.
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