Leopold Wagner, Verfasser des Schauspiels von neun Monaten im Wallfischbauch

[217] Eine Matinee.


(Der Schauplatz stellt den Bauch eines Wallfisches vor mit allen dazu gehörigen Ingredienzen.)


Leopold Wagner (stürzt herein über Hals und Kopf.)


Potz Millius! was eine Hast und Tumult –


(Sich umsehend.)


Ganz anders als an meinem Pult.

'S pflegt doch sonst von Felsen und Höhen

Berg hinab immer sachte zu gehen.

Hier stürzt man oberst zu unterst hinein –

'S muß ein rechter Saumagen seyn.


(Es kommt ein großer Schwall Wasser den der Wallfisch einschluckt.)


Läßt das Vieh noch die Hinterthür offen!

Wäre bald an seinem Schnaps ersoffen.


(Schüttelt sich.)


Ist mir so frostig und so weh.

Hätt ich doch hier nur eine Tasse Thee,

Oder Stahl mir Feuer anzuschlagen!

Hab nie noch geraucht im Wallfischmagen,

Vielleicht den Tabacksrauch er scheut

Und wieder ans Land hinaus mich speit.


(Schlägt die Hände ineinander.)


O wie schlimm habens doch die Frommen!

Weiß nicht, wie hier hineingekommen.

Mit Gunst zu melden der Gott Apoll[218]

War, glaub ich, betrunken oder gar toll,

Mich hier in einen Fischbauch zu zwingen

Um mein neu Drama zu Ende zu bringen.

Ist doch weder Wein noch Bier

Zur tragischen Begeisterung hier.

Soll mein Exilium so lang dauern,

Kann wohl hier zehn Jahre lauern,

Eh hier ein Gedanke reift.

Man am Wasser zum Fisch sich säuft.

Will doch einmal mit List probiren,

Ob ich mich kann hinaus produziren,

Will ihm kützeln die Galle sehr

Daß er frißt keinen Wagner mehr. – –

Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Gedichte, Berlin 1891, S. 217-219.
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