Siebentes Kapitel

[327] Welchen guten Gebrauch Gil Blas von seinen fünfzehnhundert Dukaten machte; von der ersten Angelegenheit, mit der er sich befaßte, und welchen Nutzen sie ihm brachte


Der König kehrte, als hätte er meine Ungeduld befriedigen wollen, schon folgenden Tages nach Madrid zurück. Ich stürzte sofort zum Schatzamt, wo ich die in meiner Anweisung verzeichnete Summe erhob. Selten nur wirbelte einem Bettler nicht der Kopf, wenn er plötzlich aus dem Elend zum Wohlstand kommt. Mit meinem Vermögensstand verwandelte auch ich mich. Ich hörte nur noch meinen Ehrgeiz und meine Eitelkeit. Ich überließ mein elendes möbliertes Zimmer den Sekretären, die die Sprache der Vögel noch nicht kannten, und zum zweiten Mal mietete ich mir meine schöne Wohnung, die zum Glück noch frei war. Ich ließ einen berühmten Schneider holen, der für fast alle Elegants zu arbeiten pflegte. Er nahm mir Maß und führte mich zu einem Händler, wo er sich fünf Ellen Tuch abschneiden ließ, die er angeblich für einen Anzug brauchte. Fünf Ellen für einen spanischen Anzug! gerechter Himmel! ... Aber darüber keine Anmerkungen; Schneider von Ruf nehmen immer mehr als andere. Dann kaufte ich mir Wäsche, die ich sehr nötig hatte, seidene Strümpfe und einen Kastorhut mit spanischer Spitzenborte.

Und da ich nun anständigerweise einen Lakeien nicht mehr entbehren konnte, so bat ich Vinzent Forero, meinen Wirt, mir einen zu besorgen. Die meisten Fremden, die zu ihm kamen,[327] pflegten nach ihrer Ankunft in Madrid spanische Diener in Dienst zu nehmen, weshalb alle Lakaien, die außer Stellung waren, in diesem Hotel zusammenströmten. Der erste, der sich vorstellte, war ein Bursche von so sanfter und scheinheiliger Miene, daß ich ihn nicht wollte; ich glaubte, Ambrosio de Lamela zu sehn. Ich liebe, sagte ich zu Forero, Diener von so tugendhaftem Äußern nicht, damit bin ich hereingefallen.

Kaum hatte ich diesen Lakaien fortgeschickt, als ich einen zweiten kommen sah. Dieser schien geweckt, kühner als ein Hofpage und obendrein ein kleiner Schelm zu sein. Er gefiel mir. Ich stellte ihm Fragen, er antwortete mit viel Verstand; er schien mir für die Intrige geboren. Ich glaubte, er sei der Rechte für mich, und ich nahm ihn. Ich hatte es nicht zu bereuen: ich merkte bald, daß er eine wunderbare Erwerbung war. Da der Herzog mir erlaubt hatte, zugunsten der Leute zu sprechen, denen ich einen Dienst leisten wollte, und da ich diese Erlaubnis nicht zu verachten gedachte, so brauchte ich einen Jagdhund, das Wild aufzuspüren, das heißt einen geschickten Burschen, der es verstand, Leute ausfindig zu machen und herbeizulocken, die vom ersten Minister eine Gunst erbitten wollten. Gerade das war Scipios Stärke, denn so nannte sich mein Lakei. Er kam aus dem Dienst der Doña Anna de Guevara, der Amme des Prinzen von Spanien, bei der er dies Talent geübt hatte; denn diese Dame gehörte zu denen, die ihren Einfluß bei Hofe auszunutzen lieben.

Sowie ich Scipio zu verstehen gab, ich könne vom König Gunstbezeigungen erlangen, machte er sich auf die Suche, und noch selbigen Tages sagte er zu mir: Gnädiger Herr, ich habe eine ganz gute Entdeckung gemacht. Ein junger Edelmann aus Granada, namens Don Rugero de Rada, ist nach Madrid gekommen; er hat einen Ehrenhandel gehabt, der ihn zwingt, die Protektion des Herzogs von Lerma nachzusuchen, und er ist bereit, den Gefallen, den man ihm tut, gut zu bezahlen. Ich habe mit ihm gesprochen. Er wollte sich an[328] Don Rodrigo de Calderone wenden, dessen Macht man ihm gerühmt hat; aber ich habe ihn davon abgebracht, indem ich ihm zu verstehen gab, dieser Sekretär lasse sich seine Dienste mit Gold aufwiegen, während Ihr Euch mit einer angemessenen Erkenntlichkeit begnügtet; Ihr würdet es sogar umsonst tun, wenn Ihr in der Lage wäret, Eurer hochherzigen und uneigennützigen Neigung zu folgen. Kurz, ich habe so zu ihm gesprochen, daß Ihr morgen beim Lever diesen Edelmann sehen werdet. Wie! Herr Scipio, sagte ich, Ihr habt schon gearbeitet? Ich merke, Ihr seid in Intrigen kein Neuling. Mich wundert, daß Ihr nicht reich seid. Das darf Euch nicht erstaunen, versetzte er; ich bringe das Gold gern in Umlauf; ich spare nicht.

Don Rugero de Rada kam wirklich. Ich empfing ihn höflich, aber stolz, und fragte nach seinem Ehrenhandel. Er erzählte mir, was ihn nach Madrid geführt hätte. Noch selbigen Tages berichtete ich darüber dem Minister, der mir erlaubte, ihm den Kavalier zuzuführen, Don Rugero, sagte er zu ihm, ich kenne den Ehrenhandel, um dessentwillen Ihr an den Hof gekommen seid. Santillana hat mir alle Umstände erzählt. Seid ganz beruhigt; Ihr habt in Santillana einen Freund, der alles Weitere auf sich nimmt. In weniger als zehn Tagen schickte ich Don Rugero zufrieden nach Hause. Freilich verdiente ich nur hundert Pistolen durch diese Dienstleistung. Das war kein großer Fang; aber ich war noch kein Calderone und durfte also auch die kleinen nicht verschmähen.

Quelle:
Le Sage, Alain René: Die Geschichte des Gil Blas von Santillana. Wiesbaden 1957, S. 327-329.
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