Zehntes Kapitel

[340] Von dem heimlichen Besuch und den Geschenken, die der Prinz von Spanien Catalina machte


Ich brachte dem Grafen von Lemos noch zur Stunde fünfhundert Doppelpistolen. Ihr hättet nicht gelegener kommen können, sagte der Edelmann. Ich habe mit dem Prinzen gesprochen;[340] er hat angebissen; er brennt vor Ungeduld, Catalina zu sehn. Schon in der nächsten Nacht will er sich heimlich aus dem Palast schleichen, um zu ihr zu gehn; das ist beschlossene Sache; unsere Maßregeln sind getroffen. Benachrichtigt die Damen und gebt ihnen das Geld, das Ihr mir bringt; man muß ihnen zeigen, daß sie keinen gewöhnlichen Liebhaber empfangen sollen; übrigens müssen die Wohltaten von Prinzen ihren Galanterien vorausgehen. Da Ihr ihn mit mir begleiten sollt, fuhr er fort, so findet Euch heute abend ein, wenn er sich zur Ruhe zurückzieht; Euer Wagen – denn ich halte es für geraten, daß wir uns seiner bedienen – muß uns um Mitternacht in der Nähe des Schlosses erwarten.

Ich begab mich alsbald zu den Damen. Catalina sah ich nicht; man sagte mir, sie ruhe. Ich sprach nur die Señora Mencia. Gnädige Frau, sagte ich, entschuldigt, bitte, wenn ich während des Tages in Eurem Hause erscheine; aber ich kann nicht anders; ich muß Euch melden, daß der Prinz von Spanien heute nacht zu Euch kommen wird; und hier, fuhr ich fort, in dem ich ihr den Beutel mit den Goldstücken gab, hier ist eine Gabe, die er dem Tempel von Kythera schickt, um sich seine Gottheiten günstig zu stimmen. Ihr seht, ich habe Euch in keine üble Angelegenheit verwickelt. Ich bin Euch dafür verbunden, versetzte sie; aber sagt mir, Herr von Santillana, liebt der Prinz die Musik? Er liebt sie, erwiderte ich, bis zum Wahnsinn. Um so besser! rief sie, außer sich vor Freude; Ihr entzückt mich, denn meine Nichte hat eine Nachtigallenkehle und spielt die Laute wunderbar; sie tanzt sogar ausgezeichnet. Gott sei Lob! rief ich meinerseits aus, das sind zahlreiche Vorzüge, teure Tante; es bedürfte nicht so vieler für ein Mädchen, ihr Glück zu machen: eins dieser Talente würde genügen.

Als ich so den Weg bereitet hatte, wartete ich auf die Stunde, in der der Prinz zur Ruhe ging. Als sie gekommen war, gab ich meinem Kutscher die nötigen Befehle und suchte den Grafen von Lemos auf, der mir sagte, der Prinz wolle, um[341] alle zu entfernen, eine leichte Unpäßlichkeit vortäuschen und sogar zu Bett gehn, um von seiner Krankheit zu überzeugen; er werde aber eine Stunde darauf wieder aufstehn und durch eine geheime Tür eine verborgene Treppe erreichen, die in die Höfe hinabführe.

Als er mich über ihre Verabredung aufgeklärt hatte, brachte er mich an einen Ort, wo sie vorüberkommen mußten. Ich hatte dort so lange zu warten, daß ich schon zu glauben begann, unser Galan sei einen andern Weg gegangen oder habe die Lust verloren, Catalina zu sehn – als verlören Prinzen die Lust zu solchen Abenteuern, ehe sie sie befriedigt haben! Kurz, ich bildete mir ein, man habe mich vergessen, als zwei Männer erschienen, die mich ansprachen. Da ich sie erkannte, führte ich sie zu meinem Wagen; sie stiegen ein, ich sprang zum Kutscher hinauf, um ihm den Weg zu zeigen, und ließ fünfzig Schritte vor dem Hause der Damen halten. Ich half dem Prinzen und seinem Begleiter beim Aussteigen, und wir gingen bis zu dem Hause, in das wir wollten. Bei unserm Nahen tat sich die Tür auf, und sowie wir eingetreten waren, schloß sie sich wieder.

Wir sahen uns in der gleichen Finsternis, in der ich das erstemal gestanden hatte, obgleich man aus Rücksicht eine kleine Lampe an die Wand gehängt hatte; ihr Licht aber war so schwach, daß außer ihm selbst im Raume nichts erkennbar war. All das gestaltete das Abenteuer für seinen Helden nur um so verführerischer. Der Anblick der Damen machte, als sie ihn in dem Salon empfingen, tiefen Eindruck auf ihn; dort hob eine große Anzahl von Kerzen das Dunkel auf, das im Gang geherrscht hatte, Tante und Nichte waren beide in entzückende lose Gewänder gehüllt, in denen sie so verführerisch wirkten, daß man sie nicht ungestraft ansehen konnte. Unser Prinz hätte sich recht wohl mit der Señora Mencia begnügt, wenn er keine Wahl gehabt hätte; aber so fanden vernünftigerweise die Reize Catalinas den Vorzug.[342]

Nun, mein Prinz, sagte der Graf von Lemos, hätten wir Euch das Vergnügen verschaffen können, zwei hübschere Damen zu sehn? Ich finde sie beide entzückend, sagte der Prinz; und ich denke nicht daran, mein Herz wieder mitzunehmen, denn wenn die Nichte es nicht nähme, würde es der Tante nicht entgehen.

Nach diesem anmutigen Kompliment für die Tante sagte er Catalina tausend schmeichelhafte Dinge, und sie antwortete ihm höchst geistreich. Da es allen, die die Rolle spielen, die ich bei dieser Gelegenheit spielte, erlaubt ist, an der Unterhaltung des Liebespaares teilzunehmen, vorausgesetzt, daß es geschieht, um das Feuer zu schüren, so sagte ich dem Galan, seine Nymphe spiele die Laute und singe wunderbar. Er war entzückt, als er hörte, daß sie diese Talente besäße; er bat sie, ihm eine Probe zu geben. Sie fügte sich seinen Bitten, nahm eine gut gestimmte Laute, spielte einige zärtliche Melodien und sang so rührend, daß der Prinz sich ihr liebes- und wonnetrunken zu Füßen warf. Aber schließen wir dies Bild ab und sagen wir nur noch, daß in dem süßen Rausch, in dem der Erbe der spanischen Krone schwamm, die Stunden wie Augenblicke verstrichen und daß wir ihn schließlich, da der Tag sich nahte, aus diesem gefährlichen Hause hinwegreißen mußten. Die Herren Kuppler brachten ihn rasch in den Palast und in sein Zimmer zurück.

Am folgenden Morgen erzählte ich das Abenteuer dem Herzog von Lerma, denn er wollte alles wissen. Als ich den Bericht gerade beendete, traf der Graf von Lemos ein und sagte: Der Prinz von Spanien ist so mit Catalina beschäftigt, er hat so viel Geschmack an ihr gefunden, daß er sich vornimmt, sie oft zu besuchen und sich an sie zu binden. Er möchte ihr heute für zweitausend Pistolen Juwelen schicken, aber er hat keinen Pfennig. Er hat sich an mich gewandt. Mein lieber Lemos, sagte er, Ihr müßt mir sofort diese Summe verschaffen. Ich weiß wohl, ich falle Euch lästig, doch mein Herz[343] rechnet es Euch hoch an; und wenn ich je imstande bin, es zu vergelten, anders zu vergelten als durch die Gesinnung, so sollt Ihr es nicht bereuen, mir gefällig gewesen zu sein. Mein Prinz, sagte ich, indem ich ihn auf der Stelle verließ, ich habe Freunde und Einfluß, ich werde Euch zu verschaffen suchen, was Ihr begehrt.

Es ist nicht schwer, ihn zu befriedigen, sagte da der Herzog zu seinem Neffen. Santillana wird Euch das Geld bringen, oder wenn Ihr wollt, wird er selber die Juwelen kaufen; er versteht sich auf Edelsteine, besonders auf Rubine. Nicht wahr, Gil Blas? fügte er hinzu, indem er mich spöttisch ansah. Wie boshaft Ihr seid, Euer Gnaden! erwiderte ich. Ich sehe wohl, Ihr möchtet den Herrn Grafen auf meine Kosten lachen machen. Der Neffe fragte, was für ein Geheimnis dahinterstecke. Santillana ließ sich eines Tages einfallen, einen Diamanten gegen einen Rubin einzutauschen, und dieser Tausch lief weder zu seiner Ehre noch zu seinem Nutzen aus.

Ich wäre nur zu glücklich gewesen, wenn der Minister nichts weiter gesagt hätte; aber er machte sich die Mühe und erzählte dem Grafen den Streich, den Camilla und Don Raphael mir in einem Logierhaus gespielt hatten; und er ließ sich besonders über die für mich unangenehmsten Einzelheiten aus. Nachdem Seine Exzellenz sich satt gelacht hatte, befahl sie mir, den Grafen von Lemos zu begleiten, der mich zu einem Juwelier führte, bei dem wir die Juwelen aussuchten, um sie dann dem Prinzen von Spanien zu zeigen; schließlich wurden sie mir anvertraut, damit ich sie Catalina überbrächte. Dann ging ich in meine Wohnung, um zweitausend Pistolen zu holen, und bezahlte den Händler.

Man braucht nicht zu fragen, ob ich den Abend darauf von den Damen freundlich empfangen worden sei. Ich breitete die Geschenke meines Herrn aus: ein Paar schöner Ohrringe und Gehänge für die Nichte. Die beiden vergaßen sich im Übermaß ihrer Freude. Es entschlüpften ihnen ein paar zweideutige[344] Worte, die mich vermuten ließen, daß ich dem Sohn unsres großen Monarchen nur eine schlaue Kokette verschafft hatte. Um darüber Klarheit zu erlangen, ob ich wirklich ein solches Meisterstück vollbracht hätte, zog ich mich in der Absicht zurück, ein Verhör mit Scipio anzustellen.

Quelle:
Le Sage, Alain René: Die Geschichte des Gil Blas von Santillana. Wiesbaden 1957, S. 340-345.
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