Einunddreyßigster Brief

Sophie an Marien

[167] Sie haben den ersten Schritt auf dem Wege der Beruhigung gethan, da Sie den Entschluß faßten, Ihrem Kummer durch stete Beschäftigung entgegen zu arbeiten. Möchte doch Ihre vortreffliche Seele völlig über Ihren Schmerz siegen!

Eduard ist auch der Thränen meiner Freundinn unwerth. Er, der nicht edel genug dachte, um die trefflichen Eigenschaften meiner Marie nach ihrem ganzen Werth zu schätzen, er, der[167] leichtsinnig genug war, um in den ersten Monaten seiner Trennung von ihr eine andre Geliebte zu wählen, verdient auf keine Weise ihre Zärtlichkeit.

Der Tag unsrer Verbindung rückt nun heran. Karlsheim sieht ihm zwar auch mit dem Entzücken. eines Liebhabers entgegen, aber doch herrscht noch immer, und jetzt fast mehr noch, als sonst, zuweilen eine gewisse Aengstlichkeit, eine Schwermuth bey ihm, die ich nicht zu erklären weiß. Es ist mir unmöglich, ihn um die Ursache davon zu befragen. Ich begnüge mich lieber damit, den Nebel durch meine muntere Laune zu zerstreuen. Es gelingt mir auch gewöhnlich; dann nennt er mich eine kleine Zauberinn, die mit ihm machen kann, was sie nur will, und er ist zärtlicher als vorher. Ich glaube also, daß diese traurige Stimmung wohl in seinem Körper liegt, und daß ich sie mit leichter Mühe werde ganz wegschaffen können.[168]

Wenn ich Ihnen jetzo nicht so oft schreibe, so werden Sie es meiner Lage zu gute halten, Meine Liebe gegen Sie ist, aller Zerstreuungen ohngeachtet, immer von gleicher Stärke. Doch alles das will ich Ihnen weit besser mündlich sagen; denn Sie werden doch meinen Hochzeittag feyern helfen? Das versteht sich, hoffe ich, von selbst. Meine Freundinn wird mir diese Bitte nicht abschlagen. Auch Ihr Albrecht wird uns willkommen seyn, und wir wollen einmal sehen, ob seine Kälte von unserm Hochzeitfeuer nicht auch wird entzündet werden.

Jetzt ruft mich ein Geschäft – für jedes Mädchen wichtig – vom Schreibtisch. Meine Tante und noch einige Bekanntinnen warten meiner im Nebenzimmer, um den Brautputz auszusuchen. Es hat schon viele Streitigkeiten über diesen Punkt gegeben; denn eine jede will dabey ihrem Geschmack Ehre machen. Auch jetzt höre[169] ich die Stimmen sehr laut und unterscheidend reden.

»Nein – sagt meine Tante – himmelblau ist die beste Farbe zum Brautkleide.«

»Ach! gehn Sie doch mit Blau, das ist ja so gemein. Merde d'oye muß sie wählen.«

»Merde d'oye kleidet keiner Brünette; auch fängt diese Farbe schon an, aus der Mode zu kommen. Am Hochzeittage muß man eine sanfte Farbe wählen. Blaßroth, die Farbe der Liebe, würde ihr am schönsten stehen.«

»Blau ist die sanfteste Farbe unter allen – ruft meine Tante, durch den Widerspruch der beyden Mädchen aufgebracht – und kleidet jedermann gut. Mich dünkt, ich habe auch hier das größte Recht zu sprechen, ich weiß durch längere Erfahrung als ihr jungen Dinger, was sich schickt. Blau, mit weißen Schleifen, soll Sophie tragen. Das war mein Hochzeitputz.«[170]

»Warum nicht lieber mit grünen Schleifen und karmoisinrothen Schuhen? Das wäre noch elegant! hahaha!«

Dieser unhöfliche Spott scheint meine Tante sehr aufzubringen; denn das Gezänk wird so arg, daß ich kein Wort mehr verstehe. Ich muß nur dem Streit ein Ende machen. Weißen Sommerstoff werde ich wählen, mit blaßrothem Bande. Das ist der Geschmack meines Karloheims. In diesen Farben sah er mich zuerst. –

Sophie.

Quelle:
Margareta Sophia Liebeskind: Maria. Theil 1–2, Theil 1, Leipzig 1784, S. 167-171.
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