Fünfter Brief

Sophie an Marien

[34] Liebes böses Weib, hätte ich doch nicht gedacht, daß Sie so schalkhaft seyn könnten. Welch eine ganze Reihe von Schlüssen und Vermuthungen folgern Sie aus einem unschuldigen Worte, das mir entfuhr, als wenn ich nicht so gut wie andere Leute einen Mann artig finden könnte. Brauche ich deswegen gleich in ihn verliebt zu seyn? Aber warten Sie, Marie, ich werde mich schon an Ihnen rächen. Wäßte ich nur gleich, wodurch! – Nun es wird sich chon einmal eine Gelegenheit finden. Uebrigens[34] will ich Ihnen, Ihrem Verlangen gemäß, recht viel von – Karlsheim meynen Sie? o behüte! was geht der Sie und mich an? – nein, von dem braven Herrn Sternfeld will ich Ihnen recht viel erzählen. Den andern Morgen nach unsrer Zurückkunft kam meine Tante. Sie sollen unser ganzes Gespräch hören.

Die Tante. »Guten Morgen, liebes Fiekchen! wie haben Sie denn geschlafen?«

Ich. »Recht sehr gut, liebe Tante.«

Die Tante. »O, das ist kein Wunder, in in Ihren Umständen. Eine Braut schläft immer gut.«

Ich. »Eine Braut? Damit werden Sie mich doch wohl nicht meynen? Ich wüßte wahrhaftig nichts Aehnliches zwischen mir und einer Braut.«

Die Tante »O Kind, was kann das Zieren helfen? Ihr jungen Dinger thut immer als wärs eine Schande, einen Bräutigam[35] zu haben. Im Grunde ist es doch nur Verstellung. Ihr hört doch gern vom Heyrathen sprechen.«

Ich. »Das kann wohl seyn, Frau Tante, es kömmt aber drauf an, mit wem man uns verheyrathen will. Und ich muß gestehen, daß Herr Sternfeld, denn von dem werden Sie doch wohl reden – – –«

Die Tante. »Herr Sternfeld ist ein recht braver Mann. Immer so geputzt und geschniegelt wie eine Puppe. Es ist eine Freude, ihn anzusehen, und wahrhaftig, er ist Ihnen recht gut, das glauben Sie nur, Kind. Er hat Sie sehr gelobt, und ist recht von Ihnen charmirt.«

Ich. »Aber ich bin es nicht im mindesten von ihm, und das würde denn doch wohl erfordert, wenn aus uns ein Paar werden sollte.«

[36] Die Tante. »Nein, wahrhaftig, das geht zu weit. Sie sollten es mit Dank erkennen, daß man sich so weit herabläßt, Sie gleichsam um Rath zu fragen. Mit mir wurden so viele Umstände nicht gemacht. Höre, Miekchen, sagte mein Vater seliger, der Herr Burgemeister hat um dich angehalten. Er ist ein braver Mann, der einen hübschen Pfennig Einnahme hat. Ich habe ihm das Jawort gegeben; in vierzehn Tagen soll die Hochzeit seyn. Sehr wohl, Papa, sagte ich, und machte einen Knix. Und ich habe es nachher niemals bereut. Es war so ein guter Mann, er that alles, was er mir nur an den Augen ansehen konnte; während unsrer ganzen Ehe hat er mir kaum zweymal widersprochen. Und als ich ihn da nur unfreundlich ansah, standen dem guten Mann gleich die Thränen in den Augen, er bat mich aufs beweglichste um Verzeihung, und – –«

[37] Der Onkel. »Und schluchzte wohl gar dabey, wie ein altes Weib? Du weißt, daß ich das dumme Geschwätz nicht ausstehen kann. Schlimm genug, daß dein Mann eine solche Nachtmütze war, Gott hab' ihn selig! Ich hoffe aber, Fiekchen wird ihrem Sternfeld auch nie so begegnen, wie du ihm thatest; auch hoffe ich, daß er es nicht leiden würde.«

Ich. »Ums Himmelswillen, theuerster Onkel, was sagen Sie? Sternfeld, mein Sternfeld? O Sie werden mich doch nicht zwingen wollen, diesen verhaßten Menschen zu heyrathen? Sie waren ja immer so gütig gegen mich, wie ein Vater gegen sein Kind seyn kann, und nun wollen Sie so hart seyn? O ich beschwöre Sie bey ihrer Zärtlichkeit!«

Der Onkel. »Zwingen werde ich dich auch nicht, mein Töchterchen, dazu habe ich dich zu lieb; aber ich möchte dich denn doch gern bey meinen Lebzeiten verheyrathet sehen. Sage[38] mir, mein liebes Kind, was hast du denn an Sternfeld auszusetzen? Ein Bißchen geckenhaft kam er mir wohl vor, aber das habt ihr Mädchen ja sonst gern, und das wird sich wohl im Ehestande geben.«

Ich. »Ach nein, bester Onkel, bey Leuten, die schon so alt sind, wie er ist, und doch noch den Narren spielen, giebt sich das nicht so leicht. Es ist immer ein Zeichen, daß sie wenig Verstand haben, und daß ihnen auch andre gute Eigenschaften fehlen, wenn sie noch im vierzigsten Jahre durch die Thorheiten der jungen Herren zu gefallen suchen. Und Sternfeld ist auch sonst ein schlechter Mensch. Er hat viele Schulden, die er aus keinen löblichen Gründen gemacht hat, und sucht nur eine Frau, mit deren Aussteuer er diese tilgen kann.«

Diese Nachrichten hatte mir mein Aufwartemädchen mitgetheilt. Diese wurde nun vorgefordert,[39] und bewies ihre Aussage auf eine Art, die keinen Zweifel an der Wahrheit mehr übrig ließ. Mein Onkel und meine Tante erstaunten, und der erste, der ohnedieß eben keinen besondern Gefallen an Herrn Sternfeld gefunden hatte, gab mir denn Erlaubniß ihn zu verabschieden. Der Himmel wird ja dem Mädchen schon einen andern Mann zuschicken, der besser für sie ist, als dieser Schurke, sprach mein Oheim, und ich hatte dabey meine eignen Betrachtungen. Als wir in diesem Gespräch begriffen waren, kam ein Brief von Herrn Sternfeld an mich, in welchen ein gar rührendes Gedicht eingeschlossen war, das er gewiß aus irgend einem verjährten Roman abgeschrieben hatte. Der Brief war auf rothes Papier geschrieben, und ganz erbärmlich buchstabiert. Daß lauter Unsinn darinnen stand, vermuthen Sie wohl, ohne daß ich es Ihnen sage. Ich beantwortete denn[40] stehendes Fußes dieses Sendschreiben, dankte ihm sehr für die Ehre, die er mir zugedacht hätte, bedauerte aber höchlich, daß ich keinen Gebrauch davon machen könnte, und bewies ihm dieß mit so triftigen Gründen, daß er hoffentlich nie wieder etwas von seinen gütigen Gesinnungen gegen mich erwähnen wird.

Ach Marie, ich wollte Ihnen nichts von Karlsheim schreiben; aber, was soll ich es Ihnen läugnen? sein Name schwebt mir immer auf dem Papier. Ja, liebe Freundinn, ich glaube mit Ihnen, daß die Liebe sich mit desto stärkerer Macht an uns rächt, je länger wir ihrer spotten. Ich hielt mich für unüberwindlich, glaubte, daß nie ein Mann mein Herz würde rühren können. Ich war so sicher, so voll Selbstvertrauen auf meine Kräfte; ach! ich bin dafür bestraft. Ich will es Ihnen nur gestehen. Ich liebe den einnehmenden Jüngling mit der stärksten Leidenschaft. Auch scheine[41] ich ihm nicht gleichgültig zu seyn. Zwar hat er mir noch nichts von Liebe gesagt, aber seine Blicke sind so redend, sein Betragen so einnehmend, so zärtlich. – Er hat so viel Achtsamkeit auf jede meiner Bewegungen, auf meine unbedeutendsten Worte; seine Augen folgen mir allenthalben, wo ich hingehe, und wenn denn unsre Blicke sich begegnen, so erröthen wir beyde. Doch ich bin wohl Thörinn genug, Ihnen seinen Handkuß, seine Verbeugung, und alle dergleichen Kleinigkeiten zu beschreiben. Ich bitte Sie, Marie, spotten Sie nicht über mich, ich schäme mich vor mir selbst. Wie oft habe ich nicht sonst über die Thorheiten der Verliebten gelacht, die oft so viel Aufhebens von Kleinigkeiten machen! und jetzt sind mir die unbedeutendsten Sachen so wichtig, wenn sie ihn betreffen. So viel habe ich wenigstens daraus gelernt, daß ich nie wieder über Sachen spotten will, die ich selbst noch[42] nicht gefühlt habe. Leben Sie wohl, Marie, ich bitte Sie noch einmal, lachen Sie nicht über mich.

Sophie.

Quelle:
Margareta Sophia Liebeskind: Maria. Theil 1–2, Theil 1, Leipzig 1784, S. 34-43.
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