Funfzigster Brief

Julie an Sophien

[281] Heute habe ich Stoff genug zu ernsthaften Betrachtungen; und wenn Ihnen, liebste Freundinn, etwas daran liegt, so will ich Ihnen denselben gern mittheilen, nebst der angenehmen Art, wie ich dazu gekommen bin. Mein Gustav liegt schon in süßem Schlummer; – eben bog ich mich über sein Bettchen, und sah mit Entzücken den schuldlosen Ausdruck der Ruhe und Zufriedenheit auf seinem kleinen Gesichte. – Mein Karlsheim ist heute bey dem Hofrath G. zu Gaste. Ich fühle diesen Abend einen besondern Trieb mit meiner Sophie zu schwatzen. Sehen Sie, meine Liebe! Aussichten genug, Sie mit einem lange Briefe zu bedrohen.

Ich gieng heute Nachmittag unsern gewöhnlichen Weg spazieren, bloß von meiner treuen Liese, welche meinen Kleinen trug, begleitet.[281] Dieser Weg führt auf lauter schönen Wiesen an der Krümmung eines breiten Bachs hin. Ist man so eine halbe Stunde gegangen, so kömmt man durch ein kleines Buschwerk in eine artige Weidenallee, welche zu der Mühle führt, die Ihnen bekannt seyn wird. Dann pflege ich gewöhnlich in einer Laube am Wasser Platz zu neh men, und mich an der schönen Aussicht und dem Rauschen des Wassers zu laben. Dieser schöne Ort wird sehr selten besucht, – zur Schande der Städter, die bloß aus dem elenden Vorwande nicht hingehen, weil nichts Ordentliches da zu haben wäre. – Um desto mehr befremdete es mich, eine junge Frau in der Laube zu sehen, die ein ganz kleines Kind auf der Erde kriechend, und noch zwey etwas ältere bey sich hatte; die Kinder sowohl als sie selbst waren sehr schön.

Ich stutzte ein wenig. Sie aber kam mir gleich mit der angenehmsten Art entgegen, fragte mich, ob ich auch Geschmack daran fände, hier,[282] ungestört vom Gewühl der Stadt, der schönen Natur zu genießen, und nöthigte mich, neben ihr Platz in der Laube zu nehmen. Wir wurden bald sehr bekannt, und ich erfuhr, daß meine Gesellschafterinn die junge Kriegsräthinn B. war, von der ich schon durch Karlsheim viel Gutes gehört hatte. Es war sehr natürlich, daß zwey junge Mütter von ihren Kindern – dem interessantesten Gegenstande für sie, versteht sich den Mann mit eingeschlossen – redeten. Ich bewunderte die ihrigen, und ich muß auch gestehen, daß ich noch nie so allerliebste kleine Geschöpfe gesehen habe. Und was mich am meisten befremdete, das war die Standhaftigkeit dieser so zärtlichen Mutter gegen diese Kleinen, beynahe schien es Härte zu seyn. Der kleine Wil helm – ein Kind von fünf Vierteljahren, begehrte etwas, das er nicht haben sollte, und fieng an zu weinen. Man hörte gar nicht auf ihn. Als er stärker schrie, gab ihm seine Mutter[283] ein paar Schläge mit der Ruthe, und legte ihn ganz gelassen in eine entfernte Ecke. Ich erwartete nun ein verdoppeltes Weinen. Aber weit gefehlt. Er schwieg augenblicklich still, kam zu seiner Mutter – er fängt eben an zu gehen – und flehte mit den schmeichelndsten Geberden sie an, ihn auf den Schooß zu nehmen. Sie wies ihn ab; er zog ein weinerliches Gesicht; sie drohte ihm mit dem Finger, sagte ein ernsthaftes Wilhelm! und der Junge spielte auf der Erde so vergnügt, wie vorher.

»Ich bewundre Ihre Standhaftigkeit, Frau Kriegsräthinn. Ich muß gestehen, daß ich es nicht so weit gebracht habe, und daß mir der jetzt mit Macht wachsende Eigensinn meines Gustavs viel Sorge macht.«

»Glauben Sie mir, meine Liebe, es ist kein besseres Mittel, diesen Eigensinn gleich früh zu unterdrücken, als wenn man dem Kinde gar keine Achtsamkeit auf sein Weinen zeigt.«[284]

»Aber, mein Gott, wie ist das möglich? Die Thränen eines so hülflosen Geschöpfes zu sehen, ohne sie zu trocknen! Ich muß gestehen, daß das Weinen eines kleines Kindes oft die stärksten Vorsätze seiner Erziehung in mir zernichtet hat.«

»Diese Weichheit dient gewiß nur dazu, dem Uebel einen Augenblick abzuhelfen, um es nachher desto stärker zu machen. Das Kind wird bald den Eindruck merken, den seine Thränen auf Sie machen. Es wird bald Dinge fodern, welche Sie ihm ohne den größten Nachtheil nicht gewähren können, und wird alsdann bey jeder Verweigerung in das gellendste Geschrey ausbrechen.«

»Aber ein starkes Schreyen kann doch der Gesundheit gefährlich werden?«

»Das ist der Deckmantel, unter dem sich gewöhnlich die Schwäche der Mütter verbirgt.[285] Ich habe über diesen Punkt mehrere Aerzte befragt, und immer die Antwort erhalten, daß das Weinen einem Kinde nicht schade, wenn es nicht allzuheftig und oft wiederholt würde, und auch dann schade es ihm nur äußerst selten. Man kann das ja auch an den Kindern sehen, die, aller Verpäpelung ohngeachtet, doch oft mehrere Stunden hinter einander schreyen, ohne nachtheilige Folgen für ihren Körper davon zu haben. Und dann, meine Beste, kann ich Ihnen aus der Erfahrung bezeugen, daß ein Kind, welches man anfangs einigemal vergeblich weinen ließ, eines solchen heftigen Geschreys gar nicht fähig ist, da hingegen ein solches, dem man immer nachgiebt, gar wohl im Stande ist, wenn ihm einmal etwas verweigert wird, so heftig zu weinen, daß es aus Bosheit Verzuckungen bekömmt und ganz blau wird, wie ich schon mehrmal gesehen habe, und das kann denn wohl freylich der Gesundheit schaden,[286] ob gleich immer auch in diesem Fall die Ruthe das beste Mittel bleibt.«

»Ich sehe freylich wohl ein, daß diese Zärtlichkeit falsch ist, und dem Kinde selbst sehr nachtheilig wird; aber sagen Sie mir, beste Frau, wie wollen Sie unterscheiden, ob ein ganz kleines Kind aus wahrem Bedürfniß oder aus Eigensinn weint? Und im ersten Fall werden Sie selbst es doch wohl für hart halten, ihm nicht beyzustehen.«

»Allerdings. Aber bey einem kleinen Kinde sind die Bedürfnisse bloß Hunger, Schlaf und Reinlichkeit. Diese muß ich immer befriedigen und – –«

»Verzeihen Sie, daß ich Sie unterbreche. Rechnen Sie denn die Unpäßlichkeit dieser Kleinen gar nicht?«

»Wenn das Kind von gesunder Leibesbeschaffenheit ist; wenn die Mutter es durch Mäßigkeit vor Leibkneipen und Blähungen schützt;[287] wenn sie durch kein festes Einwickeln seine kleinen Glieder zusammen preßt; wenn sie alle Sorgfalt darauf wendet, es stets reinlich zu halten, und durch trockne Wäsche und öfteres kaltes Waschen es für Wundwerden zu hüten, und überhaupt bemüht ist, seinen Körper durch eine harte Erziehung abzuhärten: so glaube ich, daß es von keinen Schmerzen wird beunruhigt werden. Und wenn es ja ein unangenehmes Gefühl hätte, sagen Sie mir, können Sie dadurch, daß Sie es aufnehmen und hätscheln, seinen Schmerz vertreiben?«

»Das wohl nicht. Aber ich kann es doch dadurch zerstreuen.«

»In der That, Sie sind eine gefährliche Gegnerinn. Ich denke aber doch, daß es besser ist, es gleich so zu gewöhnen, daß es zu seiner Zerstreuung und Belustigung so wenig als möglich fremder Hülfe bedarf. Indessen will ich Ihnen nur meine eigne Schwäche gestehen. Mein [288] Wilhelm kränkelte vor kurzem an einem Stickhusten. Ich war so besorgt und zärtlich für ihn, daß ich allen seinen Einfällen während der Krankheit nachgab, und habe dafür das Misvergnügen, ihn jetzt – wie Sie erst gesehen haben – viel eigensinniger zu finden, als er sonst war.«

»Wer könnte aber ein krankes Kind mit Härte behandeln?«

»Es ist allerdings schwer, und oft bat mich ein ihm gegebner Schlag eine heimliche Thräne gekostet, und ich bin nur mit äußerster Mühe standhaft geblieben. Aber ist es nicht noch weit trauriger, wenn eine Krankheit in so kurzer Zeit den ganzen Bau verdirbt, den wir so mühsam aufführten? Wenn der Körper des Kindes gesund, aber seine Seele verdorben wird? Und das geschieht so leicht! Das Kind merkt, daß wir stärker besorgt, aufmerksamer auf seine Wünsche sind, als gewöhnlich; es macht einen Versuch, Sachen zu begehren, die[289] man ihm sonst nicht würde erlaubt haben; es sieht, daß es ihm gelingt. Ein wunderliches Begehren folgt dem andern; alle werden erfüllt – und der kleine Tyrann ist da. Diesem kann man gewiß vorbeugen, wenn man sich auch in der Krankheit gleich anfangs seinen ungewöhnlichen Einfällen widersetzt. Ein gut erzognes Kind wird durch eine solche Verweigerung in kein heftiges Weinen, oder andre ähnliche Ausbrüche des Unwillens gerathen, und wenn es also sieht, daß man es ganz so wie gewöhnlich behandelt, und seine Unarten eben so wie sonst bestraft, so wird die Krankheit gewiß keine nachtheilige Veränderung in seinem Betragen bewirken. Ueberhaupt, dünkt mich, ist es sehr vortheilhaft für die Kinder selbst, wenn man sie daran gewöhnt, ihre Wünsche oft unbefriedigt zu sehen. Gewöhnt man sie, alle thörichte Neigungen zu erfüllen: so macht man sie in ältern Jahren unglücklich. Denn es wird sich doch oft bey ihnen zutragen,[290] daß Menschen oder Umstände nicht die unweise Nachgiebigkeit ihrer Eltern gegen sie haben, und dann werden sie unwillig und ungeduldig werden, und unfähig seyn, das geringste Leiden zu ertragen.«

»Ich fühle mit Beschämung, daß ich bisher nur schwach, und nicht mit weiser Zärtlichkeit gegen mein Kind handelte. Aber sagen Sie mir, meine Beste, woher haben Sie diese trefflichen Einsichten erlangt?«

»Ach Gott! die Einsichten machen es nicht allein aus. Man kann sie haben und doch zu schwach seyn, ihnen gemäß zu handeln. Ueberhaupt ist es ein ganz andres Ding, idealische Erziehungsplane zu lesen, und ein Kind im Lauf des menschlichen Lebens wirklich zu erziehen. Ich war schon als Mädchen lebhaft davon überzeugt, daß es eine Thorheit sey, ein Kind in den Jahren, wo es noch keine Vernunft hat, durch vernünftige Vorstellungen leiten zu wollen. In den ersten Jahren ist der Mensch bloß Thier,[291] und muß durch sinnliche Gefühle geleitet werden. Ihn ohne Schläge erziehen zu wollen, wäre eben so thöricht, als wenn ich einen Jagdhund – verzeihen Sie das Unedle des Gleichnisses – zu dressiren dächte, ohne den Stock zu gebrauchen. Es versteht sich, daß man nur wenn es nothwendig ist, und ohne Hitze, schlagen muß. Aber ohne dieses Mittel ist es nicht möglich, dem Kinde Gehorsam gegen die Eltern einzuprägen. Und strenger Gehorsam muß die Hauptstütze der Erziehung seyn. Von allem diesem also war ich – durch eine vortreffliche Frau, deren letzte Ausbildung ich genoß – (gesegnet sey ihre Asche!) – lebhaft überzeugt, und doch kostete es mich viel, meiner Ueberzeugung gemäß zu handeln; ich war einigemal im Begriff, zu der so guten Methode, ein ungestüm weinendes Kind zu schlagen, die sehr unvernünftige hinzuzusetzen, es aufzunehmen, wenn es fortfuhr, oder sich fest um meine[292] Knie klammerte. Aber Dank sey es meinem vernünftigen Mann, daß er meiner Schwäche widerstand!«

»Aber wird nicht die Neigung des Kindes durch solche harte Mittel von der Mutter abgewandt?«

»Das war auch meine Besorgniß. Allein ich habe sie dadurch vernichtet, daß ich mich selbst zur einzigen Wärterinn meiner Kinder machte, sie fütterte, kurz, daß ich auch das, was sie vergnügte, durch niemand anders ihnen thun ließ, als durch mich, und dafür hängen auch meine Kinder mit unaussprechlicher Zärtlichkeit an mir. Ich würde es auch nicht ertragen können, wenn sie ein Dienstmädchen oder sonst jemand mehr liebten als mich.«

»Es ist mir auch immer ein schlechter Beweis für die Güte der Mutter, wenn ihr Kind mehr an ihren Mägden als an ihr selbst hängt, und ich habe es auch mir immer zur[293] Pflicht gemacht, meinen Gustav selbst zu warten: aber bey dreyen Kindern ist es doch nicht möglich, ihre Wartung allein zu besorgen.«

»Und warum nicht, meine Liebe? Mir ist es möglich gewesen. Freylich, wenn man sie an ein stetes Tragen oder Wiegen gewöhnt, so ist es nicht möglich. Aber das ist sehr lästig für die Mutter, und auch lange nicht so gut für die Kinder, als wenn man ihnen selbst den freyen Gebrauch ihrer Glieder überläßt. Ich habe meine Kinder gleich anfangs auf ein Küssen auf die Erde gelegt, und sie da sich selbst überlassen.«

»Aber verlangte denn das Kind nicht aufgenommen zu werden?«

»Weil es von Anfang an nicht anders gewöhnt wurde, so wußte es auch nichts Bessers. Aber einige Tage lang hielten mich unabänderliche Geschäfte von ihm so entfernt, daß ich selten bey ihm seyn konnte, als wenn ich es[294] saugen ließ. Eine Tante, die bey mir war, hatte es, meiner Bitten ohngeachtet, oft in der Zeit getragen, und nun wollte ihm das Liegen nicht mehr schmecken. Aber ich ließ es – ohngeachtet mir der Kummer seines kleinen Herzens in die Seele drang – ruhig liegen und schreyen, bis es endlich vor Mattigkeit einschlief. Dieses versuchte ich einigemal, und es ließ sich nicht einfallen, sich aufs neue wiederum durch unnütze Arbeit zu erschöpfen. Die Wartefrau und Tante schrien zwar über mich, und konnten nicht aufhören, den armen Wurm zu bejammern; mein Gesinde brachte mich in der ganzen Stadt in den Ruf einer unmenschlichen Grausamkeit; aber ich setzte mich über alles das hinaus, überzeugt, daß meine anscheinende Härte zu des Kindes wahrem Besten gereichte.«

»Sollte denn das viele Liegen den Kindern nicht schädlich seyn? Sie bedürfen doch so gut der Bewegung, wie wir.«[295]

»Ich habe Ihnen schon gesagt, daß der Mensch in diesen ersten Jahren bloß Thier ist. Und wer trägt wohl jemals die jungen Thiere? Und doch sind sie verhältnißmäßig weit stärker als unsre Kleinen. Ich habe meine Kinder nur die ersten acht Tage, und doch nur des Nachts, ganz locker wickeln lassen. Ich habe. ihr Waschwasser mit jedem Tage weniger lauwarm machen lassen, so daß ich sie mit der dritten Woche schon ganz kalt badete. Ich hielt sie nur gerade so bedeckt, als es nöthig war, um sie vor der äußersten Kälte zu schützen, gewöhnte sie stufenweise alle Arten von Luft zu ertragen, und auf diese Art wurden sie so stark, daß sie sich bald auf ihrem Küssen bewegten, und herunter zu kriechen anfiengen.«

»Ich sehe an den geraden Beinen Ihrer Kinder, daß auch die Besorgniß ungegründet ist, als wenn das Kriechen ihre Füße schief machte.«[296]

»Sie werden zuweilen wohl etwas krumm, aber das Manteltragen giebt ihnen eine noch ungleich schiefere Richtung. Und dann werden ihre Füße von selbst gerade, wenn sie gehen lernen.«

»Auch das haben ihre Kinder wohl von selbst gelernt. Aber sind sie nicht oft dabey gefallen?«

»Sie fielen anfangs sehr häufig, aber ohne Schaden zu nehmen; denn ihr Körper, sich selbst überlassen, hatte seine kleinen Glieder so gut brauchen lernen, daß sie sich immer zu helfen wußten, und diese Gelenkigkeit ihrer Glieder soll ihnen auch, hoffe ich, noch in der Folge gute Dienste thun. Ich hüte mich auch sehr, sie zu bedauern, und erschrocken zu thun, wenn sie fallen; denn dieses macht, daß sie weinen, nur selten verursacht es der Schmerz. Sollten sie einmal in Thränen ausbrechen, so muß man sie zuerst zerstreuen, und ihnen, wenn[297] es nothwendig ist, Hülfe leisten, aber ja keine Aengstlichkeit, kein Bedauren, oder gar Unwillen auf den Gegenstand, über welchen sie fielen, merken lassen. Man muß aber ein Kind so wenig als möglich an fremde Hülfe gewöhnen; denn es kömmt ihnen in der Folge ihres Lebens sehr zu Statten, wenn sie darinn geübt sind, sich stets selbst zu helfen. – Aber verzeihen Sie, daß ich Ihnen so viel von meinem Lieblingsgegenstande vorgeplaudert habe.«

»Ich kann Ihnen nicht genug danken, daß Sie meine Begriffe über diese Materie so sehr aufgeklärt haben. Ich werde von nun an mit gedoppelter Sorgfalt über die Erziehung meines Gustavs wachen, und sollte es mir einmal an Geduld und Standhaftigkeit gebrechen, so komme ich zu Ihnen, meine Theure.«

Diese liebe Frau antwortete mir mit vieler Güte, und trug mir ihre Freundschaft an, die mir unendlich viel werth ist. Wir kehrten unter[298] den angenehmsten Gesprächen nebst unsern Kindern nach Hause zurück, und ich konnte nicht unterlassen, Ihnen, liebe Sophie, meinen neu erworbnen Schatz mitzutheilen. Gott! wie ehrwürdig ist doch eine Mutter, die ihre Kinder gut erzieht! Ach diese kleinen unschuldigen Geschöpfe sind es gewiß wohl werth, daß man alles aufopfert, um für ihre Bildung zu sorgen. Menschen für die Ewigkeit zu erziehen, welch ein Gedanke! Gott! stärke mein Herz, an meinem Kinde dein großes Beyspiel gegen uns nachzuahmen. Entferne alles aus meiner Seele, was seine gute Erziehung hindern könnte, und reinige und beßre mein Herz, damit ich mehr durch Beyspiel, als durch Lehren, es zum Guten anführe!

Es ist ausgemacht, daß jede gute Handlung ihre schönen Folgen mit sich führt, aber gewiß wird keine derselben eine so schöne Quelle des[299] Glücks für uns seyn, als die gute Erziehung unsrer Kinder; so wie hingegen eine Vernachläßigung derselben uns durch ihre ungerathne Gemüthsart aufs empfindlichste bestraft.

Ich bin ganz müde vom Schreiben, und Sie werden viele Mühe haben, mein unleserliches Geschmier zu verstehen. Schlafen Sie wohl, meine Theure. Morpheus gaukle mit den angenehmsten Bildern um ihre Phantasie. Möchte doch unter denselben auch befindlich seyn

Ihre

Julie Karlsheim.[300]

Quelle:
Margareta Sophia Liebeskind: Maria. Theil 1–2, Theil 1, Leipzig 1784, S. 281-301.
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