Neunundachtzigster Brief

Amalie an Wildberg

[213] Dank sey es meiner Klugheit, und Ihrem gescheidten Briefe! Albrecht ist wieder eben so verliebt, wie er jemals war. Ich sehe nun in Kurzem[213] einer ernsthaften Verbindung mit ihm entgegen, die er selbst sehr lebhaft zu wünschen scheint. Sie sind ein vortrefflicher Mann, Wildberg, und haben sich meisterhaft bey der Sache betragen. Er erwähnt auch seit Ihrem Briefe Mariens gar nicht mehr, und scheint sie ganz aus seinem Herzen verbannt zu haben. In dem meinigen sitzt der liebenswürdige Engländer desto fester, und ich erhole mich in seinen Armen auf die angenehmste Art von der Langenweile, die Albrechts Umgang mir macht. Bredon ist aber so gut von mir unterrichtet, daß er bey Albrechts Ankunft gleich in ein Nebenzimmer schlüpft, damit dieser ja keinen Verdacht schöpft.

Wären wir nur erst verheyrathet, so wollte ich mir wahrhaftig so viele Mühe nicht geben. Wenn er auch hinter meine Liebesgeschichten käme, und tobte und fluchte: was läge daran? Er sollte mir schon wiederkommen. Thun Sie ja das Ihrige, um die Hochzeit zu beschleunigen.[214] Es wird mir sehr sauer, die zärtliche Rolle noch länger bey ihm zu spielen.

Amalie.

Quelle:
Margareta Sophia Liebeskind: Maria. Theil 1–2, Theil 2, Leipzig 1784, S. 213-215.
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