Fünfundneunzigster Brief

Amalie an Wildberg

[238] Morgen wird unsre Hochzeit seyn! Dem Himmel sey Dank, daß ich nun bald meiner beschwerlichen Verstellung überhoben seyn werde! Bredon[238] wird große Augen machen, wenn er wieder von der braunschweiger Messe zurückkömmt, und mich verheyrathet findet. Doch ich werde ihm die Sache von einer solchen Seite vorzustellen wissen, daß seine Liebe zu mir noch heftiger werden soll, wenn das möglich ist; denn er liebt mich bis zum Unsinn.

Unsre Verbindung macht hier gewaltiges Aufsehen, und man spricht nicht vortheilhaft davon. Mag man doch schwatzen, was man will, wenn ich nur erst Albrechts Frau bin, so bekümmre ich mich um alles das nicht. Sie werden doch morgen den Tag feyern helfen, der das Ziel meiner Wünsche, und das Grab meiner verstellten Zärtlichkeit gegen Albrecht seyn wird? Der Tropf! Wie muß ich über die Einfalt lachen, mit welcher er glaubt, ich sey wirklich in ihn verliebt! Ich mich in einem solchen Pinsel verlieben? Hohoho! Doch die Augen sollen ihm halb geöffnet werden.

Amalie.[239]

Quelle:
Margareta Sophia Liebeskind: Maria. Theil 1–2, Theil 2, Leipzig 1784, S. 238-240.
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