Siebenundneunzigster Brief

Albrecht an Wildberg

[245] Ich bin nun, Deinem Rathe gemäß, verheyrathet, aber ich wollte, ich wäre es nicht. Meiner Frau Betragen hat sich seit ein paar Tagen so sehr verändert, daß sie mir gar dieselbe Person[245] nicht mehr zu seyn scheint. Sie ist jetzt auffahrend bey der kleinsten Erinnerung, die ich ihr mache, und höchst eigensinnig.

Marie besorgte doch meine Haushaltung selbst, und gab in vier ganzen Wochen nicht so viel Geld aus, als jetzt in einer einzigen ausgegeben wird. Sie hielt es auch für keine Schande, selbst zu kochen, und war immer besorgt, mir meine Lieblingsspeisen zu bereiten. Sie stand früh auf, und war dann gleich für den Tag nett und ordentlich gekleidet. Ich habe sie auch nie auf das Gesinde schelten hören, und doch thaten alle, was sie sollten, und liebten sie außerordentlich.

Welch ein Unterschied ist das jetzt! Ich habe außer den vorigen Domestiquen noch eine Köchinn und ein Putzmädchen annehmen müssen; denn meine Frau geht nicht anders in die Küche, als um zu lärmen, und den Mädchen Ohrfeigen zu geben. Kathrine, die ich drey Jahre lang[246] im Dienst hatte, ist gestern fortgelaufen, weil sie die jetzige Begegnung nicht ertragen könne, da sie es bey ihrer vorigen Frau ganz anders gewohnt gewesen sey. Amalie steht des Morgens nie vor neun Uhr auf; dann zieht sie ein buhlerisches – ich muß es so nennen – Morgenkleid an, trinkt Kaffee und Thee, und bringt den übrigen Morgen vor dem Fenster und Spiegel zu. Des Mittags muß immer jemand mit uns speisen, weil – wie sie sagt – eine Mahlzeit bloß unter Eheleuten eine langweilige Parthie sey. Des Nachmittags hat sie Gesellschaft, oder geht aus, und dann geht man vor eilf bis zwölf Uhr nie auseinander. Ich habe das Ding bisher schweigend angesehen und geglaubt, sie würde es bald von selbst überdrüßig werden; aber heute übernahm es mich, als Johann herauf kam und mir den Vorfall mit Kathrinen meldete.

Ja – setzte er hinzu – ich wollte, unsre, bald hätte ich gesagt, selige, Frau wäre noch[247] hier. Du lieber Gott, was ist das für ein Unterschied gegen diese! Wie gut und liebreich war sie gegen uns! Ich hätte wollen durchs Feuer für sie laufen. Ach! wenn ich noch daran denke, so gehen mir die Augen über. Gestern sprach ich einen Bauer aus ihrem Dorfe, der sagte, sie sähe so elend aus wie ein Schatten.

»Wie? sie wäre noch in dem Dorfe?«

»Ja freylich. Er wußte nicht genug von ihr zu rühmen, wie sie immer die kleinen Kinder beten ließe, und – –«

»Schweig davon, Johann, ich mag nichts hören.«

»Haben Sie sie denn so ganz vergessen? Ach, lieber Herr, davon wäre viel zu sagen. Es giebt so gewisse Leute, doch Sie wollen nichts hören. Aber sie meynte es gewiß recht gut mit Ihnen. Wenn sie mir etwas zu thun befahl, und Sie riefen, so sagte sie: laßt dieses liegen, und geht geschwind zu euerm Herrn, und wenn ihr denn[248] seinen Befehl ausgerichtet habt, so kommt wieder; ich will so lange warten. Aber die neue Madam hätte mir gestern beynahe ein paar Ohrfeigen gegeben, als sie mich ausschicken wollte, und als ich, wie Sie mich riefen, erst zuhören wollte, was Sie verlangten. – Ich weiß nicht, ob ich es sagen darf: es kömmt hier immer ein junger Herr her, wenn Sie nicht zu Hause sind, und dann darf niemand ins Zimmer kommen, und es geht so allerley vor, was sich für eine rechtschaffne Frau freylich nicht schickt.«

»Halts Maul, Johann, und geh aus dem Zimmer. Ich will nichts mehr hören.«

Er gieng traurig hinaus; aber seine Reden waren tief in mein Innres gedrungen. Der verdammte junge Herr ist ein Engländer, der oft ins Haus kömmt, und den ich schon einmal vor unsrer Verheyrathung bey ihr gesehen habe. Ich[249] entschloß mich noch einmal in Güte einen Versuch zu machen und zu sehen, ob vernünftige Vorstellungen helfen wollten. Ich gieng zu ihr, setzte mich neben sie, küßte ihre Hand und bat sie mit so vieler Freundlichkeit, als mir nur möglich war: sich doch ein wenig mehr der Haushaltung anzunehmen, und die vielen Gesellschaften einzuschränken, denn meine Einnahme litte solchen Aufwand nicht. Auch in einem andern Punkt wünschte ich eine kleine Aenderung. Ich hätte zwar bisher noch keinen Zweifel in ihre Treue gesetzt, wünschte aber doch, daß sie, wenigstens der Leute wegen, ihren Umgang mit Herrn Bredon ein wenig einschränken möchte.

Sie ließ mich nicht endigen, und sagte sehr aufgebracht: Um die Reden der Leute bekümmre sie sich nicht. Sie fände an Gesellschaften Vergnügen, und würde fortfahren, sie zu besuchen. Sie wehre mir nicht, auch hinein zu kommen,[250] aber sie wollte ebenfalls ihre Freyheit haben. Sie wäre nicht gewohnt, selbst Küchenmagd zu seyn, und würde auch jetzt nicht solche für sie unschickliche Beschäftigungen anfangen. Sie hätte andre Dinge zu thun, und bäte mich ernstlich, ihr mit solchen unnützen Vorstellungen nicht wieder zu kommen.

Ich antwortete hierauf, wie es sich gebührte, und wir geriethen in einen heftigen Streit, der durch den Besuch eines Fremden unterbrochen wurde. Aber ich werde die Madam schon belehren, was für Pflichten sie mir schuldig ist. –

Himmel! was ist das? Johann bringt mir zwey Rechnungen für Sachen, die Madam als Braut ausgenommen hat, auf meinen Namen geschrieben. Die eine vom Juden Samuel zweyhundert Thaler, die andre von einem Galanteriekrämer fünfundsechzig Thaler. – Das hole der Teufel! Auf diese Art würde mich Madam bald[251] zum Bankerott bringen. Ich werde hingehen, und aus einem ernstlichern Tone mit ihr sprechen. Das wäre mir eine schöne Zucht!


Fortsetzung.

Hole der Teufel die Vettel und Dich dazu, der Du mich zu dieser Heyrath beredetest. – Ich gieng voll Aerger herunter. Die Thür war verschlossen. Ich öffne sie mit Gewalt, finde niemand im Zimmer, eile voll schrecklicher Vermuthung in die Kammer, und finde das schändliche Weib mit Bredon in meinem Bette. Ihr Buhler sprang hurtig heraus, stieß mich um, und eilte, während daß ich aufstand, zur Thür hinaus. Ich prügelte die Hure mit einem Stock derb ab, und sperrte sie, ihres Tobens ungeachtet, auf ein Zimmer, aus welchem sie, so lange ich lebe, nicht wieder heraus kommen soll.

Ich wahnsinniger Thor! der ich eine Frau verstieß, von deren Untreue ich nur schwache[252] Beweise hatte, und einen solchen Teufel zu mir nahm! Ich möchte rasend werden über meine Blindheit! Daß ich die Verstellung dieser Schlange nicht eher merkte! Aber du sollst mir büßen, Nichtswürdige, so war ich Albrecht heiße!

Albrecht.

Quelle:
Margareta Sophia Liebeskind: Maria. Theil 1–2, Theil 2, Leipzig 1784, S. 245-253.
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