Achtundneunzigster Brief

Amalie an Bredon

[253] Ich finde Mittel, Dir diesen Brief durch mein treues Mädchen zuzustellen. Ach liebster Bredon, was muß ich ausstehen! Wie froh bin ich, daß Du der Wuth meines Barbaren entronnen bist! Er behandelte mich auf die unmenschlichste Art, sperrte mich in ein finstres Zimmer, und schwur, daß ich nie das Tageslicht wieder sehen sollte. Der Unmensch! Und doch ist seine Grausamkeit mir nicht so empfindlich,[253] als der Gedanke, von Dir, mein Geliebter, auf ewig getrennt, und an einen verhaßten Tyrannen gekettet zu seyn, den ich mehr verabscheue, als den Tod. Wenn ich nur noch einmal Dich wiedersehen könnte! Aber das ist mir unmöglich. Ich werde vor Kummer sterben, ohne den Liebling meines Herzens gesehen zu haben. Mit Thränen schreibe ich Dir das letzte Lebewohl.

Deine

unglückliche, Dich ewigliebende

Amalie.

Quelle:
Margareta Sophia Liebeskind: Maria. Theil 1–2, Theil 2, Leipzig 1784, S. 253-254.
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