Mahomed

[176] Unter der Platane,

Um den Brunnen ruht

Meine Karawane

Mit Chadidscha's Gut.


Die zum Schlafen taugen,

Ruhn vom Zelt bedacht,

Aber meine Augen

Öffnete die Nacht.


Auf der Wüste Steinen

Unterm Sternenzelt

Preis' ich dich, den einen,

Ew'gen Geist der Welt!


Oft, wenn die Kamele

Tränken ging dein Knecht,

Hobst du meine Seele

Über mein Geschlecht,


Zeigtest mir die Bahnen,

Wie den Feuern dort,

Und mit ernstem Mahnen

Ging an mich das Wort.


»Weh! dem Tier, dem Baume

Dient noch träger Wahn.

Wecke, die im Traume

Blinden Götzen nahn!
[176]

Trenn vom Pfad der Sünder

Ismaels Gebet,

Werde mein Verkünder,

Werde mein Prophet!


Lies, was deinem Volke

Gottes Finger schrieb,

Lies es in der Wolke:

Bete! Faste! Gib!


Gürte deine Frommen

Mit gelassnem Mut;

Was da muß, wird kommen,

Was geschieht, ist gut.


Wer im Schlachtgetümmel

Lanze schwingt und Schwert,

Ist schon halb im Himmel,

Ist schon Edens wert.


Wer für seinen Glauben

Fiel im Siegeslauf,

Dort in Rosenlauben

Wacht er himmlisch auf.


Eine schön're Sonne

Strahlt dort Mann und Weib,

Und in ew'ger Wonne

Schwelgen Seel' und Leib.


Auf, Mohammed, mahne

Jemens Volk ins Feld;

Nimm die Halbmondfahne,

Priester, König, Held!


Nie dir Rast gestatten

Darf der heilige Krieg,[177]

Nie dein Schwert ermatten

Bis zum letzten Sieg;


Bis von Meer zu Meere

Aller Stämme Blut

Unter deiner Lehre

Wie im Schatten ruht.«

Quelle:
Hermann von Lingg: Ausgewählte Gedichte, Stuttgart u. Berlin 1905, S. 176-178.
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