9.

Verleumbder

[8] Ich kenn ein höllisch Volck, die Brüder der Erinnen,

Ein Volck von süsser Zung' und von vergifften Sinnen,[8]

Das zwischen Mund und Hertz, das zwischen Wort und That

Hat einen engen Raum, wie Ost und Westen hat.

Es lobt mich im Gesicht, es schändet mich im Rücken,

Es wil durch meine Schmach sein eignes Laster schmücken;

Es sehnet sich empor, verachtet alle Welt

Und hat genug an dem, daß ihm es selbst gefällt.

Was ist mir denn zu thun? Sonst wil ich nichts ihm gönnen,

Als daß sein falsches Maul mög' einen Stand gewinnen,

Wo sonst durch holen Grund ein stinkend Athem zeucht,

Der auff die Fersen zielt und in die Nasen kreucht.

Quelle:
Friedrich von Logau: Sämmtliche Sinngedichte, Tübingen 1872, S. 8-9.
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Die tapfere Wahrheit. Sinngedichte. Insel-Bücherei Nr. 614
Sinngedichte / Von Logau, Friedrich (German Edition)