32.

Von einem Landstreicher

[316] Ein Künstler war nechst hier, der suff nur Wasser ein,

Gab wieder doch herauß gebrant- und rothen Wein

Und Wasser von Anis, von Ziemet und Violen,

Von Rosen, andrem mehr, gantz frey und unverholen.[316]

Natürlich war es nur; es war nicht Zauberey,

Es blieb doch Wasser nur; List, Kunst war bloß dabey.

Also sind derer mehr, die zwar die Warheit nennen,

Befinden und verstehn, gar selten doch bekennen,

Wo was Verlust dabey. Um Nutz, um Ehr, um Gunst

Geht Warheit hinten nach, geht vor Betrug und Dunst.

Man redet lieblich Ding, was gerne wird gehöret;

Man stellt sich knechtisch ietzt; man stellt sich als bethöret;

Man gibt, wie mans bedarff, nimmt alle Farben an,

Macht, daß man, wie man soll, nur bloß gefallen kan.

Was klar und wahr, taug nichts. Man laß es immer gehen,

Wanns um und um dann kümmt, bleibt Warheit doch bestehen.

Quelle:
Friedrich von Logau: Sämmtliche Sinngedichte, Tübingen 1872, S. 316-317.
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Die tapfere Wahrheit. Sinngedichte. Insel-Bücherei Nr. 614
Sinngedichte / Von Logau, Friedrich (German Edition)