Das Aachte Buch.

[1173] Die Zeit hat eine Botmäßigkeit über alle Dinge. Sie bedecket güldene Haare mit Schimmel; Rosen-Wangen mit Thon / Purper-Lippen mit Bleyweiß. Sie nützet Marmel mit Regen / Ertzt mit Feuer und Feilen ab; Sie zersprenget mit denen verschlossenen Winden die rauesten Felsen / und verkehret die Sternen in Asche. Sie leschet allem das Licht aus; ihr aber niemand. Nur alleine die Tugend machet sich durch unsterblichen Nach-Ruhm der Zeit zur Meisterin; und Liebe verwirret ihre Sand-Uhr. Denn sie machet bey erlangtem Genüß einen Tag zum Augenblicke; und ihr ungedultiges Verlangen eine Nacht zum Jahre. Diese letztere Würckung verursachte: daß das wenige übrige der Finsternüs / welches doch noch darzu guten theils der Schlaff verkürtzt hatte; dem großmüthigen Feldherrn Herrmañ und der verliebten Thußnelden fürkam; Als wenn die Gegenfüßler das Rad und den Lauff der Sonnen gehemmet hätte. Diesemnach denn beyde so wol als der gantze Hof der schläffrigen Morgenröthe zuvor kamen; um sich zu dem Vermählungs-Feyer fertig zu machen. Zumahl ohne diß schon ein Barde den Abend zuvor an das Burg-Thor nachfolgende Reymen angehefftet hatte:


Komm Sonne / Brunn des Lichts / zu unsern Hochzeit-Freuden!

Bring' uns den güldnen Tag; und gieb nicht nach: daß wir

Und unser Fackeln-Glantz kommt deinen Stralen fůr!

Was hemmet deinen Lauff? kanstu / O Riese / leiden:

Daß Zwerg-Gestirne dir so Preiß als Lust abschneiden?

Weil der gestirnte Bär / der faule Schwan und Stier /

Der blaße Mohnde sich aus Eyversucht von dir

Nicht lassen dringen weg / den Tag die Nächte neiden?


Treib so viel schneller um dein Rad / O Angelstern /

Als du's zu langsam triebst zu Liebe Jupitern /

Wie er Aleiden zeigt'. Erzwinge biß Verlangen

O Sonne / weil die Nacht zu schlecht ist fůr diß Fest /

Weil Herrmann eben diß / was Jupiter gewest /

Und einen Hercules Thußnelde soll empfangen.[1173]


Es hatte der Feldherr aber sich noch nicht gar angelegt; Als Fürst Adgandester ins Zimmer trat / und ihm anmeldete: daß der Oberste Gärtner auffs emsigste anhielt: es möchte doch der Hertzog wegen einer anschauens-würdigen Seltzamkeit sich mit allen Grossen sonder einige Zeitverlierung in Garten verfügen. Wiewol nun der eingelassene Gärtner die Sache nicht deutlich entdecken wolte; weil aber seine Gebehrden genungsam zu verstehen gaben: daß es was sonderliches / und nichts unangenehmes wäre; erklärte sich der Feldherr: daß er ihm auf dem Fusse folgen wolte; ließ auch in Eyl die andern Fürsten in Garten ersuchen / er aber forderte selbst seine andere Seele Thußnelden ab. Der Gärtner leitete die hohen Häupter / und den sich eindringenden Hof zu einer grossen Aloe-Staude; welche die Königin in Hibernien dem Feldherrn überschickt / sie aber aus den Glücks-Inseln bekommen hatte. Diese seltzame und schwangere Staude traffen sie als eine ängstige Gebährerin an; Denn sie trieb einen dicken Stengel mit solcher Gewalt empor: daß die Augen sichtbar sein Wachsthum wahrnehmen konten. In zweyen Stunden war er wol drey Ellen-Bogen hoch worden; und es schossen zugleich eine ziemliche Anzahl wolrüchender Blumen herfür; also: daß alle Anschauer nichts minder hierüber Ergötzligkeit schöpfften / als sich verwunderten; ja sie hätten dieser gebährenden Staude noch länger zugesehen; weñ nicht die Verliebten ihr innerlicher Magnet anders wohin gezogen; die Priester auch selbst: daß es Zeit wäre / erinnert hätten. Inzwischen legte iederman die Geburt dieses edlen Gewächses für ein herrliches Glücks-Zeichen der zwey Verlobten aus / und wünschte: daß sie noch in ihrem Leben so viel edle Nachkommen zehlen möchten; Als sie an der Aloe Blumen sähen.

Unter diesen Wahrsagungen und Glücks-Wünschen schickten sich alle zu der Farth in den Deutschburgischen Heyn. Sämtliche bey dem Einzuge sich gewiesene Scharen hatten auff beyden Seiten der dahin gehenden Strasse sich in Ordnung gestellt. Zum ersten giengen die Barden; welche mit ihrem Lustgethöne und Lobgesängen die Lufft erfülleten. Diesem folgte ein mit grünen Zweigen so zierlich geflochtener Wagen: daß die darinnen zum Opfer verwahrte Tauben und Sperlinge gleich wie in einem Gebauer bestrickt waren; diesem eine Menge Opffer-Knechte /welche in eine auf einer Schleiffe geführten Kohlen-Glut Wacholder-Beeren häuffig auffstreuten Hierauf kamen abermahl fünffhundert außerlesene Jungfrauen; die mit ausgestreuten Blumen gleicher Gestalt den Weg bähneten; und nach ihnen die Fürstliche Braut auff ihrer güldenen Muschel; welche dißmahl vier geweihete schneeweisse Pferde zohen; von denen vorhin sonst noch nichts gezogen worden. Die schönste Thußnelde war dißmahl aller Waffen beraubet; trug auf dem Haupte einen mit Perlen umflochtenen Rosen-Krantz. Ihr gantzes Kleid war aus weisser Seide / und mit ihrem gantzen Leibe kein Schmuck anderer Farbe zu finden; entweder die Reinigkeit ihrer Jungferschafft abzubilden; oder durch den Schnee ihrer weissen Haut auch die zarteste Seide zu beschämen. Hierauf liessen sich abermahls eine Menge Barden nichts minder annehmlich hören / als sehen; Die Opffer-Knechte führten ein schneeweißes Pferd / das gleichfalls weder Zaum noch Sattel gefühlt hatte / bey den Meenen. Wiewol diß nun die gantze Nacht unauffhörlich gesprungen hatte; also: daß es vom Schweiße gleichsam troff; so ließ es sich doch nunmehr zu seiner Abschlachtung wie ein gedultiges Lamm leiten; und welches noch mehr die Auslegung künfftigen Glückes beglaubigte / schritt diß gewiedmete Pferd iedesmahls mit dem rechten Schenckel über die an dreyen Orten nach Gewonheit quer über den Weg gelegte Lantzen. Hingegen[1174] thät das Tigerscheckichte Pferd / auf welchem der Feldherr zwischen dem Hertzog Arpus und Flavius daher ritt /so viel mehr Sätze und Lufft-Springe. Welchen denn alle andere Fürsten zu Pferde nichts weniger / als die Königin Erato / die Hertzogin der Catten / ihre Tochter / und viel andere Fürsten begleiteten.

Bey dem Eingange des heiligen Heynes standen zwölff Priester in schneeweißen Kleidern / mit Lorbern bekräntzet; in den Händen hatten sie vergüldete Sicheln / und Eisenkraut. Nach dem sie beyde Verlobte mit einem Segen bewillkommt / und das geweihte Kraut ihnen auf das Haupt gestreuet hatten /der Feldherr auch von seinem Pferde / Thußnelde von ihrem Wagen gestiegen war; giengen sie für ihnen her / biß zu dem Tanfanischen Tempel. Daselbst blieben sie stehen; und wurden in einem Kreiße von denen sie begleitenden Fürsten umgeben. Auff Seiten der Fürstlichen Braut vertrat an statt des abwesenden Segesthes Hertzog Arpus die Vater- und Erdmuth seine Gemahlin / als Thußneldens nahe Base / die Mutter-Stelle. Ein alter Priester kam hierauff / und erkundigte sich: Ob die Einwilligung der Verlobten / und die sonst darzu nöthigen Heyrathsbedingungen ihre Richtigkeit hätten? Deñ ob zwar das Recht der Völcker der Eltern Willen zu der Kinder Verehligung mehr zum Wolstande / als Wesen ihrer Eh erfordert; heischen selbten doch die ehrbaren Deutschen als eine unentpehrliche Nothwendigkeit; wiewol die einmahl den Kindern gegebene Einwilligung hernach keine Reue verstattet. Diesemnach denn Hertzog Arpus dem Priester antwortete: Segesthes hätte bey der Aufopfferung der Römischen Gefangenen in Anwesenheit vieler Priester und aller gegenwärtigen Fürsten / Hertzog Herrmanns und Thußneldens Heyrath gut gesprochen. Weßwegen ihr Bruder Fürst Sigismund selbst sich zum Opffer-Feuer näherte / in eine Feuer-Sorge eine Schauffel voll glüende Kohlen schüttete / auff einen Teller aber Brod und Saltz legte / und diß dem Hertzog Arpus reichte / und selbtes an statt des Vatern Thußnelden zum Merckmale: daß sie nun einen eigenen Tisch und Heerd hegen möchte / einhändigte.

Wie nun dieser Priester sich hiermit allerdings vergnügt zu seyn erklärte; ließ der Feldherr ein Joch zusammen gespannter weissen Ochsen / und ein schneeweisses Pferd mit Sattel und Zeug / eine Lantze /einen Schild und ein Schwerd herbringen; welches er nach der streitbaren Deutschen Art der Fürstin Thußnelde zum Braut-Schatze überliefferte. Sintemahl dieses Volck weiblichen Schmuck und zärtliche Geschäncke bey ihren Vermählungen viel zu verächtlich hält; sondern sich durch obige raue Gaben mit einander vereinbart / und hiermit klärer / als die Grichen und Römer / die der Bräute Haar mit einer Lantze zu zertheilen pflegten / andeutete: daß beyde Ehleute im Frieden / Arbeits- im Kriege Kampffs-Gefärthen seyn würden. Die freudige Thußnelde nahm diese Geschäncke mit einer anmuthigen Ehrerbietung an /und vermeldete: Sie übernehme mit dieser Freygebigkeit ihres Gebieters und Eh-Herrn Herrschafft über sich; zum Kennzeichen des kräfftigsten Seelen-Bandes / und des geheimen Heiligthums / in welchem die Göttliche Liebe durch das reine Feuer keuschverlobter Hertzen verehret würde. Sie würde an dem grossen Fürsten Herrmann seine Tugenden ihr zu einem Spiegel ihres Lebens dienen lassen / und um seinen Befehlen durch Gehorsam fürzukommen sich bemühen seinen Willen ihm an den Augen anzusehen. Sie wolte bey Glück und Unglück alle seine Zufälle für die ihrigen schätzen; und bey der Ruhe mit ihm den Pflug halten; bey der Gefahr mit ihm den Harnisch anziehen / und diese Waffen für ihn / und das Vaterland brauchen. Sie hätte ihr fürgenommen mit ihm tugendhafft zu leben /[1175] und rühmlich zu sterben; wormit ihren Kindern an ihrem Fürstlichen Erbtheile nichts abgienge; ihrem Geschlechte nichts verkleinerliches zuwüchse; sondern / was ihren Schnuren ehrlich / und ihren Enckeln ein erfreuliches Gedächtnüs und Beyspiel seyn würde. Wiewol es nun bey denen Deutschen nicht nöthig ist: daß die Braut ihrem Bräutigam eine Mitgift zubringe / so beschänckte sie ihn doch auch mit einem schönen Pferde und einem mit Edelgesteinen versetzten Schwerdte; welches beydes sie in der Schlacht einem Römischen Obersten abgenommen hatte. Hiermit wurden die zum Opffer bestimmten Thiere herzu gebracht / von den Opffer-Knechten mit dem aus der heiligen Höle flüssendem Wasser abgewaschen; Die Adern und Eingeweide sorgfältig durchsucht; und alles auf eitel Gutes deutend befunden; endlich von der krachenden Flamme auf denen aus Rasen zusammen gesetzten Altären verbrennet; welche die zwey Verlobten selbst durch Anlegung vielen Wacholder-Holtzes / und durch darein gegossenen Wein und Oel mehr lebhafft und verzehrend machten. Denn die Andacht schämet sich nicht bey Verehrung des Fürsten aller Fürsten auch den niedrigsten Dienst zu vertreten. Als alles dieses vollbracht / ward der Feldherr und Thußnelde von den Priestern zu der heiligen Höle geführet; da sie denn der oberste Priester Libys beym Eingange aus dem geweihten Brunnen besprengte; hernach sie nieder zu knien / ihr Gebete zu verrichten / und endlich ihre Hände in einander zu schrencken erinnerte. Diese band er mit einem von einem Sterbe-Kittel gemachten Bande zusammen; Gleich als wenn die ehliche Liebe auch mit dem Tode nicht verrauchen solte. Hierauff gürtete er Thußnelden ihren Gürtel loß; nahm ihr den Krantz ab / und gab jenen dem Feldherrn in die Hände / diesen aber setzte sie ihm auf das Haupt; Gleich als wenn er ihm hiemit die Gewalt über ihren Englischen Leib zueignete / und die reinen Blüthen ihrer keuschen Jungfrauschafft zu genüssen erlaubte. Nach dem Libys auch auff seinem Antlitze für sie zwey inbrünstig gebetet hatte; segnete er sie /goß eine Schale voll wolrüchendes Wassers über ihre Scheiteln / und wünschte: daß sie so viel Kinder und Kindes-Kinder zehlen möchten; als er aus selbigem Geschirre Tropffen giesse. Uber diesen Worten erhob sich ein neues Wasser-Geräusche / welches sich ie länger ie mehr vergrösserte; und endlich brach dem alten Quelle gegen über zwischen denen Steinfelsen ein neuer Brunn herfür / welcher eines Armes dicke empor sprützte. Alle Anwesenden / und selbst Libys wurden hierüber Wunders voll. Denn ob zwar zuweilen nach sich ereignenden Erdbeben / welche die Felsen zerspalten / oder die Adern anderwärtiger Quelle verrücken / oder auch / wenn Wälder ausgerottet / und dardurch die sonst in die Wurtzeln gezogene Feuchtigkeit im Erdboden versammlet wird / neue Brunnen entspringen; wie sich fürnehmlich auf dem Gebürge Hämus ereignet / als Cassander die Deutschen darauff belägerte; so wäre doch hier keine dieser Ursachen verhanden / und es so viel nachdencklicher: daß dieses neue Quell eben über diesem heiligen Hochzeit-Feyer herfür bräche. Ob auch wol sonst die ungewöhnliche Ergüssung der Brunnen ein Vorbote bevorstehenden Mißwachses seyn soll; so wahrsagte doch der Priester Libys denen Fürstlichen Verlobten; daß so lange dieses neue Quell nicht versäugen würde; ihre Nachkommen und Geschlechte wachsen und blühen müsten. Nach vielen von dem Volcke ausgelassenem Frolocken wurden sie endlich in den Tanfanischen Tempel geführet; darinnen die Barden an zwölff steinernen Pfeilern so viel Sinnbilder dem Feldherrn zu Ehren / und zu Ausdrückung seiner hefftigen Liebe / aufgerichtet; alle Erfindungen aber vom Feuer genommen hatten; theils / weil Hertzog Herrmann in Fürstlichen Entschlüssungen allezeit[1176] eine Eigenschafft des Feuers erforderte; theils weil die Liebe keinem Dinge besser / als den Flammen zu vergleichen /oder auch wahrhafftig das edelste Feuer aufgethaner Gemüther ist. Sie hatten darinnen vornehmlich die Hefftigkeit / die Reinigkeit / und die fruchtlose Hindernüs seiner keuschen Liebe gegen die unvergleichliche Thußnelde fürzubilden sich bemühet; und war an dem ersten Pfeiler ein in der hellesten Flamme unversehrter Salamander zu sehen; darunter aber zu lesen:


Der Liebe Glut / die sonst zu Aschen alles brenn't /

Ist Speis' und Labsal mir / ja selbst mein Element.


Am andern Pfeiler zermalmete ein unterirrdisches /aber mit Krachen hervor brechendes Feuer / Felsen und Gebürge / mit der Unterschrifft:


Das Feuer läßt sich nicht verriegeln Ertzt und Stein /

Und Liebe schmeltzet Stahl / bricht Berg' und Klippen ein.


Am dritten mühte sich der Blitz / und ein Schwerd /wiewol umsonst ein rasendes Feuer zu vertilgen; darunter geschrieben stand:


Mein Vorsatz bleibet stehn fůr Feind und Donner-Keilen;

Denn Blitz und Eisen kan nicht Lieb' und Glut zertheilen.


Der vierdte Pfeiler stellte eine helleuchtende Flamme für; welche die Wolcken eines dicken Rauches zertrennte; und folgende Worte darbey verzeichnet hatte:


Kein Rauch verbirgt die Glut / kein Dunst die Liebe nicht.

Ja selbst die Finsternůs vergrössert beyder Licht.


Vom fünfften Pfeiler erfüllte der auf glüenden Kohlen zerschmeltzende Weyrauch mit seinem durchdringenden Geruche den gantzen Tempel / und folgende Zeilen legten es aus:


Die Tugend ohne Lieb' ist Weyrauch ohne Glut.

Denn beydes kriegt erst Krafft / wenn man's ins Feuer thut.


Am sechsten Pfeiler stand eine flammende Feuer-Eße; in welcher ein starckes Eisen halb seinen alten Rost zeigte / halb aber glüend und gläntzend; und nach beygesetzten Worten zu verstehen war:


Ein keusch-verliebter Geist ist wie ein glůend Eisen.

Denn dieses darff nicht Rost / noch jener Unflat speisen.


Bey dem siebenden Pfeiler stand eine lodernde Fackel / an der das Wachs noch dazu von den Sonnen-Stralen zerschmeltzt; ward / mit folgender Ausdeutung:


Mich schmeltzt ein zweyfach Brand / mich tilgt kein eintzel Schmertz /

Halb zeugt ihn meine Sonn' in Augen / halb mein Hertz.


Der achte Pfeiler war ein Behältnüs eines von Flammen krachenden Holtz-Stosses / welcher zwar eine Leiche zu Staube verbrennt hatte / einem vom Giffte blau aufgeschwelletem Hertzen aber nichts anzuhaben vermochte. Darunter war verzeichnet:


Welch Hertze nicht die Glut des Liebens åschert ein /

Das muß befleckt mit Gifft / von Unhold schwanger seyn.


Am neundten Pfeiler war ein Hauffen glüender /und von dem darauf gespritzten Wasser rauchender Steine zu sehen / folgende Worte aber zu lesen:


Wer Flut auff heisse Stein' / Haß auff Verliebte spritzet;

Der glaube: daß er nur mehr ihren Brand erhitzet.


Der zehnde Pfeiler stellte einen Berg voll Asche /zwischen welchem doch hin und wieder die Flammen herfür schossen / und diese Beyschrifft für:


Kein Feuer leschet aus / das einig Zunder nähr't;

Die Liebe glimmt / ist sie in Asche gleich verzehrt.


Am eilfften Pfeiler versengten sich die Motten an einem hellen Lichte; folgende Reymen aber drückten nichts minder des Feldherrn / als dieser verbrennenden Würmer Entschlüssung aus:[1177]


Ich mag kein ander Grab / wil alle Quaal ausstehn;

Denn Lieb' und Flamme sind ja allzu wunder-schön.


Bey dem zwölfften Pfeiler ward eine Glut von denen darein blasenden Winden auffgefacht / und derogestalt ausgelegt:


So Wind als Mißgunst muß zu Blase-Bälgen dienen;

Wenn sie die Lieb' und Glut zu tilgen sich erkůhnen.


Auff der andern Seite des Tempels hatten die Barden an denen zwölff übrigen Pfeilern mit eitel aus dem Wasser genommenen Dingen / und zwar entweder / weil das weibliche Geschlechte dem Mohnden /als der Mutter aller Feuchtigkeit / untergeben wird; oder / weil sie durch diesen wässerichten Spiegel /durch die Perlen- und Purper-Schnecken / durch die Korallen-Zancken und andere Wunderwercke des Meeres nichts minder die Schönheit / als die keusche und beständige Liebe der Fürstin Thußnelde andeuten wolten / dieselbten in eben so viel Siñenbildern entworffen. An dem ersten Pfeiler lag eine eröffnete Muschel an dem Meer-Strande / in die sich der Thau zu Zeugung der Perlen einflöste; welche die Perle dieser Welt die wunderschöne Thußnelde derogestalt auff dem aus dem Göttlichen Verhängnüße kommenden Uhrsprung ihrer Liebe also auslegte:


Die Perl' in Muscheln gleicht der Lieb' in meinem Hert zen.

Zeugt jene Morgen-Thau / fleußt die von Himmels- Kertzen.


Am andern Pfeiler standen eben solche zu der Empfängnüs der Perlen sich eröffnende Muscheln; derer Geburt aber durch den darein schimmernden Blitz zernichtet ward; darunter aber drückte das viel mildere Feuer der Liebe folgende Reymen aus:


Der Blitz stör't die Geburt der Perlen; Flamm' und Glut

Des Liebens aber ist auch zårt'sten Perlen gut.


Am dritten Pfeiler war eine Menge befruchteter Perlen zu sehen; in derer aller Schoß aber mehr nicht /als eine Perle zu sehen war; sintemahl eine Muschel mehr nicht / als eine solche Tochter zu empfangen fähig ist. Welches Thußnelde derogestalt ihr zueignete:


Die Purpur-Schnecke zeugt nur eine Perl' allein.

So schleust mein Hertz' ein Hertz auch eines Herrmanns ein.


Am vierdten Pfeiler mühte sich die Sonne mit ihren kräfftigen Feuer-Stralen eine zugeschlossene Muschel zu eröffnen; ohne welcher Würckung sich keine sonst auffthut; wordurch die edle Thußnelde die Würdigkeit ihres Liebhabers mit diesen Worten erhob:


Die Muschel läßt sich nur durch kräfft'ge Wärmd' auffschlůssen;

Und meine Sonne kan mich Perle nur genůssen.


Der fünffte Pfeiler stellte ein stürmendes Meer für Augen / welches mit seinen Wellen die Perlen-Muscheln sonder einige Beschädigung von allem Unflate sauber abspielte / mit der Beyschrifft:


Des Meeres trůber Schaum thut Perlen Schmach und Neid

Der zarten Seelen-Frucht der Liebe gar kein Leid.


Am sechsten Pfeiler war eine Murene / die sich die verbitterten Meer-Fluten an den Klippen zu zerschmettern vergebens bemühten; als welcher Fisch harte Schläge / nicht aber gelinde auszustehen vermag; wormit Thußnelde die fruchtlose Bemühung des gewaltsamen Marbods derogestalt zu verlachen schien:


Kein Schlag / ein linder Streich kan die Murenen zwingen;

Und Liebe läßt sich nicht durch Zwang zu wege bringen.


Am siebenden Pfeiler sahe man / wie ein Korallen-Gewächse / so weit es das Meer-Wasser benetzte /einer weichen Pflantze gleichte / so weit es aber die Lufft trocknete / sich versteinerte. Wormit die Fürstin Thußnelde durch einen Gegensatz die Erweichung ihres Hertzens derogestalt zu entschuldigen meinte:


Die Zeit verkehr't Korall aus einem Kraut' in Stein;

Die Lieb' ein Hertz in Wachs / das marmeln schien zu seyn.[1178]


Welcher Entschuldigung denn der achte Pfeiler abermahls durch eine von dem Himmels-Thau getränckte Muschel und dieser Unterschrifft zu Hülffe kam:


Nichts / als der Himmel weiß die Muscheln zu besämen;

Ein keusches Hertze nur die Tugend anzunehmen.


Dieses bekräfftigte an dem neundten Pfeiler eine sterbende Purpur-Schnecke; welche mit ihrer Königlichen Farbe das Meer-Wasser / als ihr Begräbnüs /noch herrlicher anröthete / und die darunter stehende Auslegung:


Die Purper-Schnecke macht ihr Grab auch sterbend roth;

Nichts minder herrlich ist der Keuschheit reiner Tod.


Die gar wol mögliche Vereinbarung der Keuschheit und Liebe erhärtete am zehenden Pfeiler eine nichts minder mit ihrem Purper / als ihrer Perle prangende Schnecke; welche für die Fürstliche Braut hiermit eine Vorrednerin abgab:


Wie Perl und Schnecken-Blut verschwistert sind zusammen;

So ist der Keuschheit-Schnee vermischt mit meinem Flammen.


Der eilffte Pfeiler entwarff mit einem in der See brennenden Stern-Fische die Beständigkeit ihrer Liebe für sie redende:


Lescht ein gantz Meer nicht aus der Sternen-Fische Glut;

So tilget meine Lieb' auch weder Eyß noch Flut.


Endlich versicherte der zwölfte Pfeiler durch eine gleich aus dem Meere gerissene / und sich allererst röthende Korallen-staude ihren Bräutigam: daß ihre Liebe auch mit dem Tode nicht verleschen würde /nebst diesen zweyen Zeilen:


Wenn man's Korall bricht ab / so wird es erst recht roth /

Rechtschaffne Liebe glůht / wenn schon ein Theil ist todt.


Uber diß hatten die Barden die zwey Unholden des menschlichen Lebens Haß und Neid / als welche beyde Vermählten geraume Zeit grausam verfolget /und die zwey schädlichen Mißgeburten der ehlichen Liebe / nehmlich die Eyversucht und Unfruchtbarkeit ausgestossen und mit allerhand wolrüchenden Wassern und Qelen zusammen gebackenen Kohlen an die vier Theile des Tempels in menschlicher Lebens-Grösse auffgestellt / diese vier Bilder aber über und über mit glänzendem Agstein zierlich bekleibet: daß sie einen hellen Gold-Glantz unter so viel Fackeln von sich warffen. Gegen Ost stand das Bild des Hasses auff einem grossen Stiere / welcher Fluß- und Strom-Fisch alle andere hasset / und die er nur überwältigen kan verschlinget. Das Bild selbst sahe einer von Zorne aufgeblasenen aus den Augen und dem Munde schäumenden Kriegs-Göttin ähnlich; in der rechten Hand hatte sie eine brennende Fackel. Der auffgesperrte Wolff war mit Wolffs-Zähnen / die Finger mit Tiger-Klauen ausgerüstet; auf der Brust waren Scorpionen gebildet; welche / wenn sie mit den ausgestreckten Scheren was umarmen / mit dem giftigen Schwantze verwunden. Auff dem Kopffe hatte es einen von Schlangen geflochtenen Krantz; die fornen und hinten einen Kopff haben / gleich als wenn der Haß sich nicht vergnügte / vorwerts mit seinen Bissen / sondern auch hinterwerts mit seiner Verläumdung zu beleidigen. So bald der Feldherr und die Fürstin Thußnelda bey diesem Bilde vorüber gieng / fielen von der brennenden Fackel dieser Kohlen-Seule etliche Funcken auff den Kopff / die alsbald den Schlangen-Krantz / folgends den Kopf / endlich das gantze Bild glüend machten; welches so lange einen annehmlichen Würtz-Geruch von sich gab / biß es nach und nach in Asche verfiel. Die zwey Verliebten lasen zu ihrer grossen Vergnügung an dem steinernen Fusse diese der Tugend und dem Feldherrn zu Ehren eingegrabene Siegs-Zeilen:


Wie Kiesel / die man schlågt / nur geben Glantz und Licht /

Wie ieder Lorbeer-Baum so Blitz als Winter lacht /

Die Glut das Gold / der Wind die Fackeln heller macht /

Der Palm-Baum und Acanth von keiner Last zerbricht /[1179]

Wie keine Fäulnüs nie das Pfauen-Fleisch ansicht /

Kein Wurm die Ceder frißt / der Sturm die Glut auffacht /

Der kleine Sternen-Beer nie untergeht zu Nacht;

So schad'stu / th \rchter Haß / der edlen Tugend nicht.


Fürst Herrmanns Glůck und Ruhm lehrt itzt mit Schaden dich:

Wer Schlang- und Nesseln drückt / empfinde Brand und Stich /

Der Wellen Zorn vergeh' auff Felsen nur in Schaum /

Man reibe mit Verlust sich an den Eichen-Baum /

Es äschre sich der Blitz / der Schwantz-Gestirne Schein

Nichts minder / als der Haß / durch eignen Zunder ein.


Das andere Bild des Neides stand gegen Mittag; weil der Neid nichts minder der Tugend / als der Schatten der Sonne anhänget; und zwar mit iedem Fuße auff einer Schlange; entweder weil jene Unholdin gegen dem Glücke sich nichts minder als dieser Wurm gegen die Sonnen-Strahlen auflehnet; oder weil sich die neidische Juno mit zwey Schlangen den verhasten Hercules noch in der Wiege aufzureiben bemühet hat. Das Bild selbst war ein Abriß eines alten abgemagerten und schwindsüchtigen Weibes; Weil dieses Laster bey anderer Menschen Wachsthume nicht anders abzunehmen / als die Zwiebeln bey zunehmendem Mohnden auszutrocknen pflegen. Es fielen selbtem die runtzlichten Augenlieder zu; weil die Bekümmerung um fremden Wolstand diesen Molch niemahls ausschlaffen läst / oder bey fremden Glücks-Sterne keinen Stern zu haben vermeinet / und von anderm Lichte verbländet wird. Die von Gifft blaue Zunge reckte es wie die zu stechen gerüstete Nattern herfür; Die Lippen waren blaß / und von dem Eßige der Mißgunst zerbeitzt; weil dieses Ungeheuer niemahls als über anderm Schaden zu lachen pflegt. Es speyete einen Hauffen Galle von sich; weil dieses Seelen-Geschwüre auch Zucker und Honig darein zu verwandeln pflegt. Die Brust war voller Narben; weil der Neid sein eigener Hencker / das Hertze seine eigene Folter-Banck ist. Auf dem Kopffe hatte es einen Krantz von Aegeln / welche ihm sein eigen Blut aussaugten. In der einen Hand eine Peitsche von Nattern; derer Köpffe sich aber in das Fleisch der Armen tieff eingefressen hatten; in der andern eine Wachtel; weil jenes Ungeheuer nichts weniger über fremder Tugend / als dieser Vogel über dem Silber-Kreiße des aufgehenden Mohnden seuffzet. Unter dem Arme hatte es ein Horn des Uberflußes / darinnen aber eitel Aschen- und Holtz-Aepfel / Schleen / Koloquinthen und andere bittere Früchte enthalten waren; Denn Eßig ist der Zucker / und Unflat der niedlichste Unterhalt des Neides / welcher sich an dem bösen ergötzet; über dem guten sich zu tode grämet. So bald die zwey sich diesem Kohlen-Bilde näherten / ward es von einem künstlich bereiteten Blitze angezündet; welches denn als ein der Fürsten Thußnelde Keuschheit und Beständigkeit gewiedmetes Opffer durch einen durchdringenden Ambra-Rauch sich glüende verzehrte; worüber beyde die an dem steinern Fuße eingeetzten Reymen mit höchster Ergetzligkeit lasen:


Spey' ans itzt Galle / Gifft und Eyter / blaßer Neid!

Denn ob dein Athem zwar Kraut / Laub und Graß verheeret /

Zibeth in Hůtten-Rauch / die Lilg' in Wolffs-Milch kehret /

Aus Honig Wermuth saugt / auff Rosen Kr \ten spey't;

So thut dein Geiffern doch der Keuschheit minder Leid /

Als wenn ein bellend Hund den vollen Mohnd' anfähret.

Ja wie der Sonnen-Glantz der Nebel Dunst verzehret /

So tilgt auch deinen Dampff Thußneldens Sittsamkeit.


Der Erde Schatten reicht zu h \hern Sternen nicht /

Schwärtzt er den Mohnden gleich. Ein Hercules zerbricht

Die Schlangen / die auf ihn die Mißgunst růstet aus.

Das Blut verzehrt durch Rost das Mord-begier'ge Schwerdt /

Das Feuer Einens Bauch / das biß zum Himmel fährt;

So wird durch eignen Brand der Neid auch Asch' und Grauß.


Gegen Westen stand das Bild der Eyversucht; gleich als wenn durch sie die Liebe täglich ihren Untergang hätte. Es stund auf einem Basilißken; weil dieses gifftige Thier seine Nebenbuhler nicht so wohl mit Feuer und Schwerdt zu tödten / als mit denen Augen zu erstechen gesinnet ist; wormit es gleichwol eine Aehnligkeit ihrer Stieff-Mutter / nemlich der Liebe behalte; als welche gleichfalls durch die[1180] Pforten der Augen / ob sie schon von denen sich Verliebenden nicht gesehen wird / eindringet; mit ihrem annehmlichen Lichte das Gesichte verbländet / und mit ihren lebhafften Strahlen die Seelen tödtet. Dieses Bild stellte vorwerts ein heßliches / hinten ein schönes Weibesbild für; weil dieser Wurm so wol auf Rosen /als schlechtem Mah kreucht; ja die hiervon beschmeißte Schönheit sich allezeit ungestalter hält als ihre Neben-Buhlerin. Uber den gantzen Leib war es mit eitel auffgesperrten Augen besäet; weil Eyversüchtige weder Tag noch Nacht ruhen können / und Scharffsichtigkeit nichts minder als das übermäßige Licht der Sonnenstrahlen ihre Augen verblendet: daß sie einen nichtigen Schatten für ein wahrhafftiges Wesen ansehen. Um das Haupt war an statt des Krantzes ein Pomerantzen-Zweig mit anhangenden Früchten geflochten; Auff der Scheitel aber war ein Drache; gleich als wenn dieser eyvernde Wurm nichts minder seine Buhlschafft / als der in den Hesperischen Gärten die güldenen Aepffel bewachen müste. In der rechten Hand führte die Eyversucht eine mit Dornen umwundene Fackel / derogleichen einige Völcker bey denen Vermählungen zu brauchen pflegen /um so viel den Stachel als Brand beyder Gemüths-Regungen abzubilden. Auff der lincken Hand saß ein Geyer; welcher aber mit seinem Schnabel in dieses Bildes Brust einhackte / und sich gleichsam mit dieses andern Tityons Leber speisete. Bey währender wolrüchenden Verglimmung dieses Ungeheuers lasen die Fürsten nachfolgende Auslegung:


Weg / mit der Eyversucht! Sie ist des Todes Bild /

Ein Zaum der reinen Lieb' / ein Kind der důstern Nacht

Ein Dunst / der Augen blind- die Sonne finster macht /

Ein Wurm / der seinen Koth in Ros' und Purper hůll't /

Gifft / das aus Nectar fleußt / doch aus der Höle quillt /

Durch das aus Berg-Kristall uns wird der Tod zubracht

Ein Hencker seiner Hold / ein Wahnwitz / wo Verdacht

Mehr als ein Argos sieht / mehr als die Keuschheit gilt.


Fleuch! weil die Liebe ja schon ohne deine Pein

Kan eine Folter-Banck und eine Hölle seyn;

Du aber årger noch / als H \ll und Folter bist.

Doch weil hier himmlisch Oel die Liebes Ampeln nåhrt;

So můht ihr Flammen euch: daß ihr diß Thier verzehrt

Zu lehrn: daß Eyversucht sich selbst quält / wůrgt und frißt.


Gegen Mitternacht saß das Bild der Unfruchtbarkeit auf einem Maul-Esel. Diese hatte schlaffe abhängende Geiß-Brüste / einen fetten Wanst / und einen kriplichten Rücken. In der Hand hatte es eine Sichel; wormit entweder auf die grausame vom Saturn an seinem Vater verübte Verstimmelung der Geburts-Glieder / als welche auch diesem Bilde gäntzlich ermangelten; oder weil der Ysop die Garten-Müntz und unterschiedene andere Kräuter nicht ohne ihre Verwesung vom Eisen berühret werden. In der andern Hand hatte es eine Schale mit Wein / und eine darinnen getödtete Meer-Barbe / welch Geträncke die Weiber unfruchtbar macht / und deßwegen Asinius Celer zum minsten deßhalben einen um acht tausend Groschen zu theuer gekaufft hat. Um das Haupt hatte es einen Krantz von Sadelbaum / Hirzenzung / Farren-Kraut /Raute / und andern die Fruchtbarkeit hindernden Kräutern. Uber die Achsel hieng eine Wieder-Haut; als welchen Thieres getrunckenes Wasser gleicher Gestalt Unfruchtbarkeit verursacht; ungeachtet die gantze Natur geschwängert wird / wenn die Sonne in das Zeichen des himmlischen Wieders tritt. So lange nun das Bild der Eyversucht glüete; so geschwinde ward die Seule der Unfruchtbarkeit verzehret. Deñ so bald die zwey Fürstlichen Vermählten selbtem gegen über kamen; ward es von einem unterirrdischen Feuer angezündet / und durch einen schnellen Brand theils in Asche / theils in einen wolrüchenden Weyrauch-Rauch / der den gantzen Tempel wie eine Wolcke überzoh / verwandelt; Gleich als wenn die Eyversucht lange Zeit vertilget seyn / die Unfruchtbarkeit aber[1181] ohne Zeit-Verlierung aus dem Wege geräumet werden solte. Der steinerne Fuß blieb allein unversehrt / und zeigete denen Anwesenden folgende Grabe-Schrifft der Unfruchtbarkeit:


Der Liebe Mißgeburt / die Mutter herber Pein /

Die Wehen ohne Kind / und Affter-Bůrden kriegt /

Das Stieff-Kind der Natur / der Ståmme Wurmstich liegt

Durch eine heil'ge Glut allhier geäschert ein.

Denn kein gebrechlich Zwerg kan diesen Tag entweihn /

Da sich ein Hercules zu einer G \ttin fůgt /

Die ja die Liebe selbst auff ihren Brůsten wiegt /

Und aus den Augen streut nur fruchtbarn Sonnenschein.


Verwirff / Thußnelde / nun nicht diesen schlechten Rauch /

Vergnügt sich doch der Mohnd' an gelben Kůhen auch

Besämt ihr Silber-Horn gleich Himmel / Erd und Meer.

Glůck zu! ich sehe schon befruchtet Herrmanns Hauß.

Denn die Unfruchtbarkeit wird hier getilget aus /

Es kommt aus ihrer Asch' ein junger Fenix her.


Nach dem nun beyde Fürstliche Vermählte an diesen Gedancken und Entwürffen der Barden Augen und Gemüthe vergnüget; wurden sie auff zwey hocherhabene Stüle geleitet. Sie hatten sich aber bey währendem anmuthigen Gethöne der von denen Barden angesti ten Lobgesänge kaum niedergelassen / als sich eine Cimbrische Wahrsagerin ihnen gegen über stellte. Ihr um den Leib mit einem Ertztenen Gürtel zusammen gezogenen Kleider waren eben so wol / als ihre flügenden Haare wegen Alters schneeweiß; die Flüsse mit den Armen aber gantz nackt. Dieser Art Weiber haben ihren Nahmen von ihrer Uhrheberin Alironia / pflegen die gefangenen Feinde abzuschlachten / in den Schlachten auf ausgespannten Häuten mit gewissen Klöppeln ein Geräusche zu machen / und so wol aus denen Eingeweiden der geschlachteten Thiere / als andern Zufällen künfftige Begebenheiten zu verkündigen. Diese Wahrsagerin hatte in der Hand eine aus Ertzt gegossene Kugel; welche sie in das mitten im Tempel brennende Hochzeit-Feuer warff / und so heiß werden ließ: daß sie bey nahe glüete / und die Opffer-Knechte mit eisernen Zangen aus denen glüenden Kohlen scharren musten. Sie aber nahm diese Kugel und warf sie so geschwinde aus einer blaßen Hand in die ander: daß selbte von der Hitze unversehrt blieben. Hiermit wendete sie sich zugleich etliche hundert mahl auf der Ferse ihres lincken Fußes in einen Kreiß herum; mit höchster Verwunderung der Zuschauer: daß ihr Haupt weder kringlicht ward /noch sie zu Bodem fiel. Am seltzamsten aber war: daß sie endlich die Augen im Kopffe verdrehte / und gleichsam als entzückt sich gebehrdende / mit einer durchdringenden und schwirrenden Stimme aber zu singen anfieng:


Nehm't eines neuen Quelles Lauff /

Der Aloe vor nie geseh'ne Blüthen /

Ihr Deutschen / fůr kein Wunder auff!

Wenn alle Bäum' und Standen sich bemůhten

Fůr Schleen Wein / fůr schlechten Mah Jasmin /

Fůr Aepffel Gold / fůr Laub Schmaragd / fůr Obst Rubin /

Fůr Blumen Perl'n und Diamant zu bringen;

Wår' alles dieses Wachsthums Pracht

Ein Schatten gegen's Licht / und eine düst're Nacht.


Weil eine einz'le Frucht allein /

Die über's Jahr uns wird Thußneld' ablegen /

Mehr Wunder ist / und ein viel reicher Segen

Als Perlen / Gold / Jasmin / Schmaragd und Wein.

Aus keinem Brunnen quillt auch so viel Wasser her /

Als Herrmann Wolthat wird auffs Vaterland ausströmen /

Kan doch ein Bůrger auch des Volckes Heilbrunn seyn

Gutthåt'ge Fůrsten aber sind ein unersch \pflich Meer.


Nach dem alle diese und andere zu der Einweihung der Fürstlichen Vermählten gehörige Verrichtungen vorbey waren; die Priester auch in dem Tempel auff dem grossen Altare; welches mit sieben und siebenzig aus Jungfrauen-Wachse bereiteten Kertzen umsetzt stand / ihre von angezündetem Weyrauch und Agsteine bereitete Opffer verbracht hatten / erhoben sich die Vermählten von ihren Stülen; und giengen in Begleitung der andern Fürsten aus dem Tempel; an dessen Pforte sie der Priester Libys mit abermaliger Besprengung aus dem geweihten Brunnen / und mit tausend Glücks-Wünschen gesegnete.[1182]

Der Feldherr aber hatte kaum den ersten Fuß von den Pfosten des Tempels gesetzt / als oberwehnte Alironische Wahrsagerin sich durch das Volck durchdrang; von ihrem Antlitze einen Strom Thränen abschüssen ließ / dem Hertzog Herrmann mit beyden Armen um den Hals fiel und ihn küssete. Wie sie denn hierauff Thußnelden gleicher Gestalt umhalsete /und mit hundert Küssen ihre ungemeine Gewogenheit versiegelte. Nicht nur alle Umstehenden; sondern der Feldherr selbst verwunderten sich über dieser Begebung / und wusten selbte nicht auszulegen; weil diese Wahrsagerinnen sonst ewige Keuschheit gelobet haben; und von dem blossen Anrühren eines Mannes befleckt zu werden glauben. Diesem Kummer aber abzuhelffen fieng die Wahrsagerin an: Erlauchteste Liebhaber; nehmet meine Liebes-Zeichen für keinen Vorwitz oder Frevel auf; Mißgönnet an euerer heutigen Glückseligkeit derselben nicht ein Theil; die nach euch sie am nechsten angehet. Denn / liebster Herrmann / schäme dich nicht an diesem Stamm- und Geburts-Maale (hiermit entblöste sie ihre Schulter / und zeigte ihm darauf eine feurige Rose) mich für die Tochter des Surena / und für deine nunmehr wieder glückselige Mutter zu erkennen. Der Feldherr erstarrte für Verwunderung; und wuste nicht: ob er die Erscheinung seiner vorlängst todt geglaubten Mutter für eine wahrhaffte Begebenheit; oder für einen Traum /oder wol gar für ein Gespenste halten solte. Er erholete sich aber alsbald durch die kräfftige Auffwallung seines kindlichen Geblütes; und umarmete sie mit nicht geringer Gemüths-Vergnügung / als er vorher von denen mütterlichen Armen genossen hatte. Die holdselige Thußnelde feyerte auch nicht durch die empfindlichsten Liebes-Bezeugungen der tugendhafften Asblasten verstehen zu geben: daß sie nichts minder / als Hertzog Herrmann Gott für die Wiederschenckung einer so heiligen Mutter zu dancken Ursache hätte. Wiewol nun übermäßige Freude nichts minder als Schrecken der Beredsamkeit ein Gebieß anlegt; so unterhielten sich doch diese drey Personen mit abgewechselten Merckmalen ihrer innersten Zuneigungen eine gute Stunde / ehe die andern Fürsten die gleichsam von den Todten zurück gekommene / und wegen so vieler Jahre Abwesenheit nunmehr schier unkentliche Fürstin Asblasten zu bewillkommen Raum und Zeit fanden. Hierauff nahm sie die Cattische Hertzogin mit grosser Ehrerbietung auff ihren Wagen / und kamen sie sämtlich in voriger Ordnung / ausser: daß der Feldherr sich zu der Fürstin Thußnelden auff ihren goldenen Wagen gesetzt hatte /wieder nach Deutschburg; wo die Strassen die Menge des frolockenden Volckes zu begreiffen viel zu enge waren. Auff der Burg waren hundert Taffeln bereitet für die Ritterschafft / die Kriegsbeamptete / und andere; welche theils ihre Pflicht / theils die Sorgfalt zu diesem Beylager gezogen hatte / zu bewirthen. Uber diese war in einem grossen und hohen Saale in Gestalt einer Sichel oder eines wachsenden Mohnden eine Taffel für hundert Fürstliche Personen angerichtet. Die meisten Wildbahnen Deutschlandes hatten darzu das köstlichste Geflügel und ander Wildpret; die Flüsse und die Ost-See die schmackhafftesten Fische gezinset; Die gröste Verwunderung aber erweckte insonderheit bey denen ausländischen Fürsten: daß einem ieden Gaste / nicht nur wie in denen so berühmten Mahlen etlicher Römischer Bürgermeister gantze wilde Schweine und Hirschen; Grosse Schüsseln voll Fasanen / Gerstlinge / Brachvögel / Murenen / und andern leckerhafften Speisen; wornach die üppigen Römer die Zähne zu lecken pflegten; sondern gantze gebratene Ochsen / Elende und Bären in solchem Uberflusse auffgetragen wurden: daß weil alles Innländische Trachten waren / sie nicht so wol des Cheruskischen Hertzogs[1183] Pracht / als die Güte des reichen Deutschlandes rühmen musten. Zum Geträncke ward zwar ein aus Gersten und Hopffen gekochtes Bier / ein aus Honig und Baumfrüchten abgejohrner Meth; aber auch allerhand theils in Gallien / theils Pannonien / theils so gar in den Glücks-Eylanden gewachsener / von denen Friesen eingeführter Wein auffgesetzt; und zum Theil aus Hörnern der Auer-Ochsen / theils aus irrdenen Geschirren / welche aus einer bey denen Marsingern unter dem Gebürge auff zwey gähen Hügeln gegrabenen und der Lemnischen gleichgeschätzten Erde gefertiget werden / auf Gesundheit der Vermählten freudig herum getruncken. Hierunter wurden nun zwar vermenget etliche aus Berg-Kristallen künstlich geschnittene; unterschiedene Murrhinische oder von denen Serern gebackene; viel güldene mit kostbaren Edelgesteinen / oder herrlich geetzte / wie nichts minder aus gantzen Jaspissen und Agathen ausgehölete Trinckgeschirre / mit welchen der Kayser und andere Grosse entweder den deutschen Feld-Herrn beschencket; oder die Deutschen unter dem Geräthe des Quintilius Varus / von welchem gantz Asien erschöpfft worden war / zur Beute bekommen hatte. Wiewol nun diesen Geschirren bey denen Römern theils ihre Seltzamkeit / theils die Zerbrechligkeit einen unschätzbaren Werth beygelegt / und das Gold bereits zu dem geringsten Beysatze gemacht hatte; so wurden diese doch denen Einländischen irrdenen gar nicht fürgezogen; sondern selbte meist nur zum Andencken derer vom Feldherrn bey den Römern ausgeübten Helden-Thaten / theils des letztern grossen Sieges wieder den Varus aufgesetzt; und zwar diese Fürstliche Taffel von eitel adelichen Jungfrauen bedienet; welche aber / ob sie zwar nach der Landes-Art grösten theils nackt / und ihrer Schönheit halber aller anderer Völcker Töchtern vorzuziehen waren / bey denen tugendhafften Deutschen /derer gute Sitten mehr / als anderwerts scharffe Gesetze Gutes stiffteten / keine streitbare Regungen verursachten. Sintemahl doch keine gewissere Unschuld zu finden ist; als wo man von gewissen Lastern keine Wissenschafft hat. Denn derselben Bekandtschafft klebt schon ein so süchtiger Kitzel an: daß ihrer viel nicht so wol aus Begierde sich zu vergnügen / als aus Vorwitze fremder Gebrechen Geschmack zu erkundigen / sich in den tieffsten Schlam abscheulicher Boßheiten stürtzen; und durch angenommene böse Gewonheit auch aus der Bitterkeit beschwerlicher Sünden eine verzuckerte Ergetzligkeit schöpffen. Zu geschweigen: daß die gemeine Entblössung auch derselben weiblichen Gliedmassen; welche doch die Natur gleichsam zu einer Rüst-Kammer der Liebe erkieset hat / mehr eine Ursache des Eckels / als einen Zunder der Begierden abgiebt. Sintemal unsere verwehnte Zuneigung diese seltzame Art an sich hat: daß sie den sich selbst anbietenden Uberfluß verschmähet; an einer sich weigernden Vergnügligkeit aber sich nicht ersättigen kan; also: daß der verliebte Jupiter so gar in Ertzt zerschmiltzt / um der verschlossenen Danae zu genüssen.


Nach der um Mitternacht auffgehobenen Taffel ward die Fürstin Thußnelde von hundert edlen Jungfrauen in das Hertzogliche Schlaff-Gemach geleitet; sie aber vorher unter allerhand zierlichen Täntzen ihres Krantzes beraubet / und hernach gleichsam in die Hände der Cattischen Hertzogin und anderer anwesenden Fürstinnen überlieffert; darauff in ein von lauter Eysvogel-Federn gefülletes / mit Gold und Seiden herrlich aufgeputztes Bette begleitet; und endlich dem über seinem Liebes-Siege nichts weniger als über dem erschlagenẽ Varus freudigen Herrmañ Raum gemacht / der allervollkommensten Früchte zu genüssen; welche iemahls die Tugend von so reiner Keuschheit[1184] und unvergleichlichen Leibes- und Gemüths-Schönheit eingeerndet hat.

Wie nun Lycurgus denen Spartanern ein Gesetze gab: daß neue Eh-Leute eine Zeit lang fast immer Tag und Nacht bey anderer Gesellschafft zubringen / und ihre heimliche Ergötzligkeiten schier nur stehlen musten; Also ist hingegen bey denen Deutschen Beylagern die Gewonheit: daß die Fürstlichen Vermählten sich den andern Tag nicht öffentlich zeigen; sondern sich in ihren Zi ern einsam aufhalten; inzwischen aber ihren Gästen die freye Willkühr ihrer Ergötzligkeiten überlassen. Diese Zeit meinte nun die Königin Erato nicht nützlicher anzulegen; als daß sie bey der Cattischen Hertzogin Erdmuth für sich und andere gefangene Fürsten eine Ersuchung ausbitten ließ. Weil nun diese mit der allerhöchsten Höfligkeit solche Ehre annahm / Fürst Adgandester und die Gräfin von der Lippe aber befehlicht waren / diese zwey grosse Frauen mit aller ersinnlichen Bedienung zu unterhalten /fanden sich nach dem Hertzoge Zeno Rhemetalces /Malovend / Flavius / Salonine auch diese bey noch ziemlich frühen Morgen dahin. Bey welcher auch Ismene / die Cattische Fräulein Catta / und die den Abend zuvor nach Deutschburg angekommene Fürstin Adelgunda des Herzogs Ganasch Tochter angetroffen wurden. Nach vielfältigen gegen einander erwiesenen Liebes-Bezeigungen fiel die Königin Erato bald auff die Glückseligkeit der zweyen Fürstlichen Vermählten; lag auch der Gräfin von der Lippe an /ihr vertrösteter massen beyder Liebes-Geschichte zu entwerffen / um ihre Freude so viel mehr vollkommener zu machen. Hertzog Arpus sahe der Gräfin ihre fürhabende Entschuldigung an der Stirne an; und meldete: daß diese nicht ihre vollkommene Vergnügung erlangen könte; wenn nicht Fürst Adgandester die vorhergehenden und ihm am besten bekannte Ebentheuer des Feldherrn voran setzte. Hertzog Zeno nahm sich dessen alsbald an; und erinnerte Adgandestern seiner deßwegen gethanen Vertröstung. Daher dieser sich hiervon nicht loß zu würcken vermochte; sondern ohne einige Zeitverlierung folgende Erzehlung anfieng; wievol mit dieser höflichen Bedingung: daß seine Willfährigkeit für keinen Vorwitz / seine Fehler für keine Unvollkommenheit eines so grossen Fürsten aufgenommen; sondern viel mehr seine Gebrechen mit der Pflicht seines Gehorsams entschuldiget werden möchten.

Der Feldherr Segimer / fieng Adgandester an / saß mit seiner unvergleichlichen Asblaste sieben Jahr in der Eh / ehe sie einmahl schwanger ward. Welche Unfruchtbarkeit nicht allein beyden Ehleuten / sondern auch dem Volcke empfindlich zu Hertzen gieng. Insonderheit aber erwog diese kluge Fürstin: daß Kinder die sicherste Vormauer eines herrschenden Hauses sind; derselben Mangel aber den tapffersten Fürsten so wol bey seinen Unterthanen als Nachbarn verächtlich mache; jenen Anlaß gebe sich nach einem neuen Haupte für der Zeit umzusehen; diesen aber die auf dem Falle stehende Herrschafft mit List oder Gewalt an sich zu bringen. Ja Gifft und Verrätherey im Hertzen kochende Staats-Diener werden von ihren ehrsüchtigen Rathsschlägen durch nichts mehr zurücke gehalten; Als wenn ihres Fürsten Hauß mit vielen Söhnen befestiget ist. Diesen Kummer hielt Asblaste dem Feldherrn Segimer für; und bemühte sich von ihm die Einwilligung ihrer Ehscheidung zu erbitten; weil sie / ihrem Bedüncken nach / nichts großmüthigers ausüben konte; als wenn sie der gemeinen Wolfarth wegen sich ihrer grösten Vergnügung enteusserte. Weßwegen auch / welchen ihre Tugend bekandt war / und der Sache recht nachdachten / urtheilten: daß Asblastens heimlich fürgenommene Rückkehrung in Persien nicht so wol aus Eyversucht gegen die Alemannische Hertzogin Vocione; als um Segimern[1185] durch ihre wolgemeinte Entbrechung eine fruchtbare Gemahlin zuzuschantzen geschehen wäre. Nach dem aber Segimer das Glücke hatte durch hundert seltzame Ebentheuer Asblasten wieder in Deutschland zu bringen; schüttete der durch so viel hertzhafft überstandenes Ubel gleichsam versöhnete Himmel seinen Segen über sie. Denn nach dem ihr geträumet hatte; sie würde von einem Löwen beschlaffen / und sie sich erwachende unvermuthet in denen Armen ihres Eh-Herrn fand; welcher ohne ihre Wahrnehmung des Nachts aus dem Läger nach Hause kommen war; fühlte sie sich kurtz darauff schwanger. Und nach dem Segimer in Wahrheit ein Löwen-Hertz in seiner Brust führte; hatte dieser Traum mit dem Wesen mehr Aehnligkeit / als da die Mutter des grossen Alexanders und des Africanischen Scipio wie nichts weniger des Aristomenes bey den Messeniern / des Aristodamas bey den Sicyoniern von Drachen und Schlangen geschwängert zu seyn ihnen einbildeten. Am nachdencklichsten aber hatte dieser Traum die Großmüthigkeit unsers deutschen Löwen / nehmlich des nach neun Mohnden glücklich gebohrnen Fürsten Herrmanns angedeutet. Wie nun in vielen ruhmwürdigen Stücken wir selbten ohne einige Heucheley dem grossen Alexander mit Rechte vergleichen; also scheinet dem Traume Asblastens diß / was dem Philippus geträumet / sehr nahe zu kommen; Da er nehmlich im Schlaffe seiner Gemahlin Olympia Leib mit einem Siegel-Ringe / in welchen ein Löw gegraben war /verwahren gesehen. Wie aber in der Nacht / da Alexander gebohren ward / der Ephesische Tempel zum Schrecken und Trauren gantz Asiens weg brennte; Also schloß August an dem Tage / da unser Herrmann auff die Welt kam / zur Freude der gantzen Welt zu Rom den Tempel des Janus das erste mahl zu; welchen für ihm nur Numa / und der Bürgermeister Manlius Torquatus bey zweymahl erlangtem Frieden zuzusperren das Glücke gehabt hatten. Segimer traff in selbigem Tage einen Frieden; und sein Feld-Hauptmann erlangte nichts minder als Philippus durch den Parmenio wieder die Illyrier einen herrlichen Sieg. Kurtz hierauff ward das durch Zwietracht gleichsam biß auf den Kern und Wurtzel zerspaltete Deutschland wieder vereinbart. Zwey Jahr hernach gebahr Asblaste zu unbeschreiblicher Freude der Cherusker den Fürsten Flavius. Welche zwey Fürsten denn von der Wiegen an nach Art der streitbaren Deutschen zu denen Waffen angewöhnet / im Bogenspannen und Schwingung der Lantzen geübet; Gleichwol aber auch von einem Priester in der Römischen und Grichischen Sprache / denen Geheimnüssen der Natur; sonderlich aber in der Sitten-Lehre / im Feldmessen / und von dem obersten Reichs-Rathe in der Staats-Klugheit sorgfältigst unterrichtet wurden.

Ein grosser Geist thut sich nichts minder / als eine in der ersten Sprossen schon brennende Nessel durch Tapfferkeit zeitlich herfür / und gleichet sich dem Feigen-Baume / dessen Blüten die Früchte selbst sind. Also soll Hercules in seiner Wiege schon durch Zerreissung zweyer Schlangen seinen Helden-Geist erwiesen; Die Bienen mit Ablegung ihres gesammleten Honigs in die Lippen des Göttlichen Plato seine übermenschliche Weißheit angezeiget haben. Nichts minder ließ unser Herrmann in seiner zartesten Kindheit etliche Strahlen seiner Tugenden von sich blicken. Als seine Mutter Asblaste sich einsmahls auff der Jagt verirrte / und zwey Nächte aussen blieb; war der Durst kein genügliches Zwangs-Mittel ihn zu bewegen: daß er an einer fremden Brust gesogen hätte; sondern er erkiesete für anderer Milch gemeines Wasser. Da auch Segimer und Asblaste einsmahls auf der Jagt in dem Barcenischen Walde waren; kam ungefähr eine grausame Bärin zu der einen Jagt-Hütte; zerfleischete[1186] drey der behertzesten Jäger / trieb die übrigen Auffseher über den jungen Herrmann in die Flucht / trug ihn aber selbst in ihre felsichte Höle sonder die geringste Beleidigung; und versahe ihn gleichsam wie die berühmte Wölffin den Romulus mit ihrer Nahrung; biß die Bärin endlich von denen ihr auff die Spur kommenden Jägern und dem Segimer selbst erlegt / dieses Kind aber aus einer so gefährlichen A e Klauen errettet ward. Als er nur vier Jahr hinter sich gelegt hatte; und mit denen ihm zugeordneten Edel-Knaben spielte / rieß in dem Burghofe ein Tiger-Thier loß; welches zwey Knaben tödtete; als es aber an den Herrmann kam / liebkosete es ihm; gleich als wenn die Tugend nicht nur die Gemüther der Menschen zu gewinnen; sondern auch die grimmigsten Thiere zu zähmen mächtig wäre. Im Ringen / reiten / fechten /wettelauffen / und andern Waffen-Ubungen that er es allen seinen Gefärthen zuvor; also: daß auff der Rennebahn nichts minder Herrmann / als Cyrus in der Hirten-Höle für einen Fürsten wäre geachtet worden; wenn schon iemand seine Ankunfft nicht gewüst hätte. Fürnehmlich musten alle an Geschwindigkeit ihm ausweichen; gleich als wenn die Bewegung der Glieder der feurigen Regung seines Gemüthes ein Zeugnüs ablegen müste. Er stach zwar mit Schönheit des Leibes alle andere weg; er hielt selbte aber als einen dem Frauen-Zimmer zugeeigneten Schatz verächtlich / und ließ sich mehrmahls heraus: daß die Tugend die einige Schönheit des Gemüthes; und das rühmlichste Eigenthum der Fürsten wäre. Seine Reden waren seiner Ankunfft gemäß / seinem Alter aber überlegen. Sein Thun kam den Jahren zuvor; und die / welche andern ein Beyspiel abgaben / schämten sich nicht in des jungen Herrmanns Fußstapffen zu treten. Ja als er noch nicht einmahl zeitig zum Kämpffen war; wieß er in etlichen Begebenheiten sich schon reiff zum siegen. Er mühte sich niemanden / als denen edelsten und vollkommensten Gefärthen in seinem Beginnen vorzukommen; ja er eiverte mit seinen eigenen Ahnen; wenn er von ihnen was ruhmwürdiges erzehlen hörte; und mit seinem Vater / weñ er einen Sieg erwarb. Er empfand es gegen die Reichs-Räthe: daß sie Segimern es wiederriethen ihn nicht mit ins Läger und in die Schlachten zu nehmen; als er gleich nur zwölf Jahr alt war. Er war gegen iederman freudig / gegen wolverdiente freygebig; gegen demüthige mitleidig; gegen die Feinde eiffrig; und nichts minder den eigenen / als der ausländischen Reiche Zustand zu erkundigen begierig. Er gieng ins sechzehende Jahr; als die Fürstin Asblaste mit ihm und seinem Bruder Flavius in einem nur eine halbe Meile von hier entlegenem Lust-Hause von des Drusus Reuterey überfallen ward. Keine hundert bewehrte Männer waren zur Gegenwehr gegen vier tausend Römer verhanden. Denn kein Mensch hatte sich eines so unverhofften Feindes versehen. Gleichwol munterte dieser junge Held nicht allein mit Worten / sondern mit seinem Beyspiele die wenigen Cherusker zur Gegenwehre auf; ja er erlegte mit seinem Bogen und einem Wurff-Spieße drey Römer; wolte sich auch / ungeachtet ihm die Klinge am Degen gesprungen war / keinem gemeinen Römer / die ihn umringten / gefangen geben; biß des Bürgermeisters Cneus Cornelius Sohn / der als Haupt die gantze Römische Reuterey führte / selbst herzu drang und dem Fürsten Herrmann den Degen abheischte; nach dem kurtz vorher Junius Silanus den auch auffs eusserste sich beschirmenden vierzehnjährigen Flavius mit der Fürstin Asblaste gefangen genommen hatte. Also erwarb dieser junge Held schon in so wenigen Jahren einen Ruhm von viel künfftigen / und wormit seine Tapfferkeit viel zeitlicher vorsichtig würde / fieng das Glücke desto geschwinder an ihm ein Bein unterzuschlagen.[1187]

Drusus kam mit der gefangenen Fürstin Asblaste /dem jungen Herrmann und Flavius in Italien. Weil aber Kayser August sich gleich auf der dem Minervischen Vorgebürge gegen über liegenden Ziegen-Insel aufhielt / um in dieser anmuthigen und durch das Gebürge für allen rauen Winden verwahrten Gegend die anderwerts raue Winter-Zeit hinzubringen; reisete Drusus Rom fürbey biß nach Minturne / allwo er sich zu Schiffe setzte / und auff das Ziegen-Eyland überführen ließ. Er fand den Kayser eben an dem See-Strande in höchster Gemüths-Vergnügung. Denn als er fünff Tage vorher dahin kommen war; hatte eine alte Stein-Eiche an ihren dürren und zum Bodem abgesenckten Aesten gantz frische Blätter bekommen. Welches dem Kayser so sehr erfreulich war: daß er dieses Eyland von der Stadt Neapolis gegen Abtretung des Eylandes Aenaria eintauschte. Dißmahl befand er sich unter dem Gebürge gegen denen Sirenen-Inseln; und ließ die ungeheuren Gebeine zweyer in einer Höle gefundener Riesen ausgraben. Die Uberbringung dieser dreyer Fürstlichen Gefangenen aber /worvon Drusus um seine Ankunfft desto herrlicher zu machen / nichts geschrieben hatte; stach alle vorige Vergnügungen weg. Denn über diß: daß er durch diese Geißeln das Fürstliche Cheruskische Hauß zur Römischen Dienstbarkeit zu fässeln vermeinte; deuchtete ihn an der Fürstin Asblaste wegen ihrer unvergleichlichen Schönheit mehr eine Göttin / als einen sterblichen Menschen zu sehen. Ja ihre Anmuth / die sie gegen Livien bezeigte; als Drusus Asblasten ihr /den Herrmann und Flavius aber dem Kayser überliefferte; und die Bitte: daß der Kayser sie und ihre Kinder lieber in das nahe Meer wolte stürtzen / als nach Rom zum Siegs-Gepränge möchte führen lassen; bezauberte Augusten dergestalt: daß er nicht nur ihr zu nicht geringem Unvergnügen des Ehrsüchtigen Drusus sie ihrer Bitte gewährete; sondern sich selbst in sie inniglich verliebte. Er ordnete diesemnach Asblasten nebst ihrem ohne diß mitgebrachtem Frauen-Zimmer etliche andere Römische Dienerinnen / dem Herrmann und Flavius auch ihrem Stande anständige Aufwärter zu; und mühte sich auf alle Wege ihnen die Verdrüßligkeit der allezeit verhasten Gefangenschafft zu verzuckern. Denn die Gegitter der Kercker / wenn sie gleich gemahlt oder gar von Golde sind / bleiben allezeit heßlich. Ich solte / sagte Adgandester / hier die der Fürstin Asblaste begegnete seltzame Ebentheuer umständlich erzehlen; aber köstliche Wasser werden am besten aus ihrem Quelle getruncken; Die Geschichte aber von denen am wahrhafftesten vernommen / welche ihre Augen zu Zeugen ihrer selbst angemerckten Begebenheiten anziehen können. Diesemnach wird die Gräfin von der Lippe nicht nur so erlauchte Zuhörer / sondern mich selbst am höchsten verbinden; wenn sie durch die Blumen ihrer Beredsamkeit meine raue Erzehlung aufzuputzen sich mein Ansuchen bewegen lassen wird.

Die Gräfin von der Lippe färbte sich hierüber; und versetzte: Sie wüste wol: daß Fürst Adgandester seiner Vollkommenheit durch ihre Gebrechen einen mehrern Glantz beyzusetzen vorhätte; Gleichwol aber wolte sie / um die hochansehnliche Versamlung nicht aufzuhalten / seinem Befehle lieber gehorsamen; als ihre Fehler / und zugleich die Warheit denckwürdiger Begebenheiten verhüllen. August / sagte sie / mühte sich mit seinen gegen Asblasten bezeigten Verehrungen die Liebligkeit des von keinem Winter wissenden Campaniens zu überwinden. Er unterhielt sie mit den köstlichsten Speisen / mit freundlichsten Gesprächen /mit der freudigsten Gesellschafft; worunter die alle Menschen zu vergnügen mächtige Terentia das beste that. Ja Livia selbst befließ sich der mehrmahls einsamen und schwermüthigen Asblaste ihre traurige Gedancken zu benehmen; und hierzu sich der Beschaffenheit des Ortes zu bedienen / als welches[1188] der Römer Urtheil nach gegen dem rauen Deutschlande mehr für einen Himmel / als ein Theil des Erdbodens zu halten wäre. Wie sie nun den dritten Tag nach ihrer Ankunft an dem Meerstrande mit einander herum spatzierten; und von dem bey Surent gegen über liegendem Milch-Gebürge sie ein linder Ost-Wind abkühlete; fragte Livia Asblasten: Ob um diese Jahres-Zeit / da die Sonne in dem Zeichen der kalten Fische wäre / bey denen Cheruskern auch so sanffte Lüffte spielten? Ob die Bäume niemahls den lebhafften Schmaragd ihrer stets frischen Blätter einbüsten? Ob die Felder so viel Weitzen; die Hügel so süssen Wein; die Wälder so viel Oel und Granaten-Aepffel trügen? Asblaste antwortete Livien nach einem tieffen Seuffzer: Sie wüste dieser Gegend an sich selbst keinen Mangel auszustellen; Gleichwol aber glaubte sie: daß das von Liebligkeit und Fruchtbarkeit schwi ende Persien es Campanien wo nicht zuvor thäte; zum minsten selbtem gleich wäre. Nichts desto weniger hätte sie in dem für so rau geachtetem Deutschlande mehr Vergnügung / und zwar zur gri igsten Winters-Zeit / als in den Susischen Lust-Gärten bey dem Rosenreichen Frühlinge gefunden. Denn wie die Sonne unter einerley Striche nach Beschaffenheit des Bodens und der gelegenen Gebürge an einem Orte alles annehmlich befruchtete / an dem andern alles versengte / und gleichsam tödtlich wäre; also erquickte auch die Herrligkeit eines Ortes / und die vollkommenste Ergetzligkeit nur etliche / nicht alle Gemüther; sondern erfreute wie das Seitenspiel nur die Freudigen / und betrübte die Betrübten. Der Geruch der Jasminen / der Pomerantz-Blüten / und Arabiens Balsam stincke einen Gefangenen an; hingegen wäre der Soñenschein einer vergnügten Liebe so kräfftig: daß die Lufft unter der schneeichten Nordspitze nichts anders als Liebligkeit von sich hauchte / nichts geringers als Balsam von sich tröpfelte. Wenn sie aber / versetzte Livia / in diesem Eylande das Ziel ihrer Liebe gegenwärtig hätte; wolte sie noch nicht Deutschland hierum vertauschen? Denn die Liebe wäre ja keine Feindin der Anmuth / sondern diese vielmehr jener Amme. Sie wäre eine Tochter der Schönheit / eine Schwester der Liebligkeit / und eine Mutter der Ergetzung. Dahero die kluge Vorwelt ihr den GOtt des süssen Weines und die erquickende Ceres zu Unterhaltung ihres Zunders zugeeignet hatte; als ohne derer kräfftige Nahrung sie nicht nur bald lau würde / sondern gar erkaltete. Wie die blühende Jugend diesen sechsten Sinn besser / als das eysichte Alter unterhielte; also schiene ein annehmliches Land auch der Liebe anständiger zu seyn / als die unfruchtbaren Hecken der mitternächtigen Schnee-Gebürge. In diesen könte die Liebe ihren Flug nicht so rüstig verrichten; da Wind / Schnee und Frost ihre Flügel unbereglich machte. In diesem Eylande aber wäre das Jahr schier immer in seinem Sommer / die Sonne in ihrem Mittage. Daher auch die Liebe / welche ein zartes und nacktes Kind wäre / allhier ihrem Thun einen kräfftigern Nachdruck gebe /die Hertzen auch einen tauglichern Zunder ihre süsse Glut zu fangen in sich hätten. Diesemnach möchte ihr Asblaste doch alldar wol seyn lassen; wo die Lufft von dem gütigen Himmel derogestalt eingebisamt wäre: daß sie die Betrübten freudig; und die kältesten Hertzen verliebt machte. Das Verhängnüs beraubte zuweilen die Menschen eines Schatzes; wormit es selbten hernach einem vollko ener zuschantzen könne. Ihrer viel blieben nur deßwegen unglückselig; weil sie mit einer allzugrossen Hartnäckigkeit ihrem Verluste nachsähen; hingegen für dem ihnen neuauffgehenden Glücks-Sterne die Augen zudrückten. Kluge Liebe aber liesse diß endlich fahren; was das Verhängnüs ihm selbst aus den Händen windete / und unmöglich wieder zu erlangen wäre; umarmte aber die ihr mit lachendem Munde begegnende Gelegenheit neuer Vergnügung. Die tieffsinnige[1189] Asblaste hörte Livien nicht ohne Unvergnügen an. Denn ob sie zwar nicht zu ergründen wuste / wohin eigentlich ihr Absehen war; verstand sie doch deutlich genung: daß sie die Liebe ihres Eh-Herrn aus ihrem Hertzen zu tilgen anzielte. Gleichwol aber muste Asblaste diese lasterhaffte Versuchung verschmertzen und nicht mercken lassen; wiewol ihr hierdurch so harte ans Hertze gegriffen ward: daß sie die Rosen ihrer Keuschheit für noch empfindlichern Antastungen zu befreyen sich gleichsam mit folgenden Dornen einer solchen Antwort bewaffnen muste. Es gäbe nichts minder unterschiedene Arten der Liebe / als zweyerley Geschlechte der Thiere. Die weibische und wollüstige könte ihr keine raue Lufft lassen unter die Augen gehen. Sie liesse bey dem geringsten Ungewitter ehe / als die flüchtige Tulipane ihre Blätter fallen. Denn sie hätte in sich so wenig Oel der Tugend / als diese Blume Geruch; und beyde vergnügten nichts / als das einige Auge. Wenn sie nicht auf Rosen gienge / oder die Sonne ihr schiene / verfiele sie in Ohnmacht oder Verzweiffelung. Sie träte mit ihren verzärtelten Gliedern lieber in Unflat stinckender Laster / als auff den steinichten Weg der Treue und Ehre. Die Liebe der Weisen aber wäre männlichen Geschlechtes und kriegerischer Art. Tugend und Ehre wären ihre unzertrennliche Gefärthen. Verfolgung und Versuchung thäten ihr wenigern Abbruch; als die schäumenden Wellen den Korallen-Zincken. Ihre Flammen wären unausleschlich wie das Gestirne / und ewiger / als das die Vestalischen Jungfrauen verwahrten / und des alldar von ferne rauchenden Vesuvius. Die Winde / welche sich selbtes mühten auszublasen / machten ihren unverzehrlichen Zunder nur mehr lebhafft. Ja das Unglück prüfete nichts minder und reinigte diesen Schatz der Seele / als der Schmeltz-Ofen das Gold. Sie saugete aus der Wermuth ihrer Verdrüßligkeit eine Hertzstärckung; und ihr eigener Unfall dienete ihr zur Bewehrung ihrer Tugend / und zu Vergrösserung ihres Ruhms. Ja ihre einsame Schwermuth gäbe ihr ein bessers Labsal ab / als manche vielleicht in den Armen ihrer Liebhaber genüsset. Livie antwortete: Meine liebste Asblaste; sie suchet ihr Vergnügen in der Einbildung; und eine Glückseligkeit aus den Träumen. Ja sie erkühnte sich zu urtheilen: daß wie ihr Deutschland an statt der Trauben saure Schleen trüge; also auch ihr Gemüthe verwehnt zu seyn schiene die Galle der ängstigen Einsamkeit für den Zucker der süssesten Beywohnung zu erkiesen. Die Beständigkeit der ersten Liebe verdiente allerdinges ihr Lob; aber man müste aus ihr keinen Abgott; weniger sie ihm zur Henckerin machen; am wenigsten sich mit ihrem Schatten armen / und das neu-aufgehende Licht der Glückseligkeit mit ihrer Larve verhüllen. Meinet sie wol: daß sie den Tiberius Nero weniger / als Asblaste ihren Segimer geliebt? hielte sie ihr aber für übel: daß sie mit dem Kayser für einen Stern eine Sonne erkieset? Ja unverfälschte Gegen-Liebe findete sich selbst darein; und schaffete dem Auffnehmen ihres Geliebten keine Hindernüs. Diesemnach sie deñ ihr Nero mit lachendem Munde / und vergnügtem Hertzen dem Kayser selbst eingeantwortet hätte / um so wol ihm eine Staffel des Glücks / als ihr der Vergnügung zu bauen. Sie dencke diesem nach / wertheste Asblaste; und lasse ihr unter denen Vergnügten dieses Eylandes wol seyn. Sintemahl sie die Kayserin mehr für ihre Schwester / als eine Gefangene hält. Mit diesen Worten schloß Livie; als der Kayser mit Terentien ihnen an der Krümme eines Felsens begegnete; welcher denn alsofort erkundigte: mit was Livia eine so holdselige /wiewol betrübte Gästin unterhielte / und ihrem Bekümmernüsse abzuhelffen suchte. Livia antwortete: Die Fürstin Asblaste schöpfte Vergnügung aus der Schwermuth; und hielte für seliger den Rücken /[1190] als das lachende Antlitz des Glückes zu sehen. Also besorgte sie: daß ihre freudige Unterhaltung ihr mehr zu wieder / als vergnüglich fallen dörffte. Asblaste versetzte: Sie wäre der Kayserin für so viel unverdiente Gnade nichts minder / als dem Kayser selbst verbunden; würde daher durch deren Ausschlagung sich derselben nicht unwürdig; noch auch mehr unglückselig machen. Und ob sie zwar noch in denen Gedancken wäre: daß Liebe und Tugend beym Unglück weder ihr Wesen noch ihre Vergnügung einbüsten; verdammte doch diese Meynung nicht eine anständige Ergetzligkeit; wiewol ihr beyde beym Wolergehen in gefährlicherm Zustande zu seyn schienen; als bey schmertzhafften Begebnüssen; welche sie von Kind auff derogestalt abgehärtet hätten: daß ihr Hertze als ein Amboß auch die schweresten Ha erschläge des Unglücks kaum mehr fühlte. Weil nun die Gewonheit so gar die Eigenschafften der Natur zu verändern vermöchte; wäre sich so viel weniger zu verwundern: daß eine Betrübte sich in ihr eigenes Leid verliebte / und aus ihren Thränen Wollust schöpffte. Terentia begegnete Asblasten mit einer besondern Freundligkeit; meldende: Sie hätte ihr zwar als eine Meinung der Stoischen Weltweisen fürtragen lassen: Das Unglück wäre das eigentliche Element der Tugend / wie das Feuer der Salamandren. Wind und Hagel wäre ihre Frühlings-Lust; Donner und Ungewitter ihr Sommer; ja wäre die Verfolgung nicht die rechte Mutter der Tugend / so wäre sie zum minsten ihre Amme und Pflege-Mutter. Alleine sie hätte in der Schule ihres Mecenas gleichwol begrieffen: daß zwar die Tugend von einigen allzusauersehend und abscheulich / mit Fässeln an Arm und Beinen / mit trieffenden Augen / zerritzten Wangen / kahlen Schläfen / und hertzklopffenden Brüsten gemahlt würde. Der gütige Himmel aber hätte sie nicht in brennende Nesseln verdammet; sondern sie könte ohne Versehrung auf Rosen und Seide schlaffen; ja bey grossem Glücke mehr / als ein Unglücke ihre Standhafftigkeit bewähren. In alle Wege /antwortete Asblaste / hat die Tugend mit der Glückseligkeit keine ewige Ehscheidung vor. Sie sitzet auf Königs-Stülen und Helffenbein; sie ist umhüllet mit Purper und Perlen; und hat wie die Gestirne so viel kräfftigere Würckungen / ie höher sie erhoben steht. Aber eben darum / weil die arglistige Glückseligkeit ihr als eine Meuchelmörderin nachstellt / sie als eine Kuplerin zu Falle zu bringen trachtet; und die / welche im Unglücke keinen Fehltritt gethan; beym Wolergehen verterbet werden; stehet die Tugend also denn an der gefährlichsten Spitze. Hingegen wird sie bey Wiederwärtigkeit / wie die Rosen in Nesseln; wie die Leichen in bitteren Myrrhen und Aloe für der Fäulnüs bewahret. Ja sie ist dißfalls dem Wasser zu vergleichen; welches durch stete Bewegung gut behalten /durch stille stehen madig / und stinckend wird. Denn die Tugend ist kein Ding zum Ansehen / und für die Faulheit; sondern eine lebhaffte Würckung / zum Kampffe und Siegen geneigt. Weßwegen sie bey denen Deutschen allezeit gewaffnet; zwischen denen Dornen und auf gähen Stein-Klüfften fürgebildet wird. Ihre Wohnung ist von zerschmetterten Schiffen; vom Grause der Königreiche; und von Felsen bereitet / die der Blitz eingeäschert hat. Daher wie die Klugheit eines Steuermannes anders nicht / als bey krachenden Winden / bey schäumenden Wellen / und donnernden Wolcken; die Güte eines Artztes bey Zerschmetterung der Glieder / beym Krebse und kalten Brande; eines Kriegsmanns in blutigen Treffen / nicht auf dem Tantzbodem bewähret wird; also sieget die Tugend auch unter Schweiß und Staube; und erwirbet ihre Siegs-Kräntze nur mit verspritztem Blute und trieffenden Wunden. Mir ist noch niemahls eine geschminckte nach Zibeth und Ambra rüchende[1191] Tugend auf dem Schau-Platze der Ehren zu Gesichte kommen; und ich habe noch niemanden einen Siegs-Krantz errennen gesehen; der auff dem Haupte einen Rosen-Krantz / in der Hand einen Sonnen-Schirm / am Gürtel einen Spiegel / und an Füssen eingebisamte Schuh getragen. Die Vollkommenheiten der Menschen sind ohne diß keine Diamanten ohne Mängel / keine Sternen ohne Flecken. Diesemnach hat sie eben so wol /als jene das Unglück zur Feile / und als diese das Feuer des Trübsals zur Reinigung von nöthen. Auch die Gebrechen des Leibes lassen sich selten mit Rosen-Zucker und Jasmin-Oele heilen; man müste die Wunden mit Eßig auswaschen / die Blutstürtzungen mit glüenden Eisen stillen / die vom Krebse angefressene Glieder mit Sägen abstossen. Wie viel weniger läst sichs mit verzärtelndem Liebkosen dem fressenden Wurme der Wollust begegnen. Und die Schönheit der Seele bestehet nicht in Spanischem Anstriche und bereiteter Zinober-Schmincke; sondern in einer Reinigungs-Salbe / welche von zusammen gemischtem Blute der Hertzhafften / denen Thränen der Gedultigen / und der Asche der Beständigen zubereitet wird. Terentia hörte der eifrigen Fürstin Asblaste mit Lust zu; warff ihr aber ein: Sie begehrte dißmahl der gemächlichen Tugend nicht das Wort zu reden; noch der durch Ungemach abgehärteten den Vorzug strittig zu machen. Alleine mit der Liebe schiene es eine andere Beschaffenheit zu haben. Denn diese wäre das zärteste Schoos-Kind der Seele; welches durch Anmuth gebohren würde; und daher bey rauem Ungewitter unzweiffelbar vergehen müste. Alles Absehen zielte auf die Ergötzligkeit; und daher stünde das Ungemach ihr so wenig zu einem Bräutigam / als ein raues Schnecken-Hauß der Perle zu einer Geburts-Stadt an; welche nur in Purper-Muscheln geboren seyn wolte. Asblaste begegnete Terentien mit nicht geringerer Freundligkeit: Sie liesse ihr die Vergleichung der Liebe mit den Perlen allerdinges gefallen. Aber auch diese würden zwischen dem bittern Saltze der grimmigen Wellen gezeuget. Die Edelgesteine würden aus heßlichen Stein-Klüfften / das Gold aus den finstersten Schachten der Ertz-Gruben gezogen; und durch Feuer und Stahl in sein Wesen versetzt. Ja die Liebe hätte nicht nur alle andere Tugenden zu ihren Gespielen; sondern sie selbst stünde als eine herrliche Schnate auff dem edlen Stamm der Tugend eingepfropfft / sie selbst wäre die Krone oder der Mittel-Punct der Tugend; und also zwischen diesen unzertrennlichen Ehgatten kein Unterscheid zu machen; Da man nicht eine Hirnße für eine Biene / und einen stinckenden Wiedehopff für einen Paradis-Vogel verkauffen wolte. Die Liebe der großmüthigen Panthee würde mit ihrem Atheme verraucht seyn; wenn sie nicht lieber auff der Leiche ihres Eh-Herrn des Ruhms würdig gebliebnen Abradates erblichen / als des siegenden Persers Begierden ersättigen wollen. Die Liebe der keuschen Camme würde keinen Schatten einigen Gedächtnüßes haben; wenn sie nicht die Fackel einer Unholdin / und das Geschoß des Todes ihr zugeeignet; und mit dem Blut-Opffer des geilen Sinorix den Geist ihres treuen Ehgatten Sinnates versöhnet hätte. Und in Wahrheit / der Himmel könte ihre zum Segimer tragende Liebe mit keinem herrlichern Ehren-Krantze schmücken; als wenn sie die Lilgen der Keuschheit mit dem Blute ihrer unausleschlichen Treue bepurpern könte.

Diese nachdrückliche Erklärung machte alle Anwesenden stumm / Asblasten etwas mehr entgegen zu setzen. An statt aber: daß des Kaysers angeglommene Liebe / als ein verzweiffeltes Ding hätte verleschen sollen; ward sie hierdurch noch viel hefftiger entzündet. Denn diese Gemüths-Regung hat die Art der glüenden Steine; die das Wasser in mehr Dampff und[1192] Hitze verwandeln / wormit man sie ausleschen will. Weßwegen die vorsichtige Asblaste am Kayser ein und andere bedenckliche Veränderung wahrnahm /und Liviens Anmuthungen ausser Zweiffel auf ihn gedeutet hätte; wenn anders der Warheit ähnlich gewest wäre: daß eine Eh-Frau ihrem Eh-Manne selbst Kebs-Weiber zukoppeln solte. Wiewol wir hernach umständlich erfuhren: daß August sein voriges Eh-Weib Scribonien aus keiner andern Ursache; als weil sie ihren Nebenbuhlerinnen nicht die Obmäßigkeit enthängen wolte / an dem Tage / da sie ihm doch eine Tochter gebahr / verstossen / Livia aber ihn dardurch gleichsam bezaubert hatte: daß sie nicht nur mit keiner eiverte; sondern die schönsten Frauen und Jungfrauen selbst in sein Bette führte; ja nicht anders als der berühmte Magde-Krämer Thoranius alle vorher fingernackt entkleidete Kebs-Weiber genau prüsete: Ob sie Augusten zu vergnügen auch fähig seyn würden? Gleichwol / als Asblaste zu mir / fuhr die Gräfin von der Lippe fort / in ihr Zimmer kam; fiel sie mir thränende um den Halß / und fieng an: Wir sind leider verlohren! und denen Sirenischen Schiffsbruch-Klippen viel näher; als uns der Augenschein jene dort in dem Meere herfür zeiget! Denn die Liebkosungen der Livia sind ein tödtendes Zauber-Lied; welches nach verlohrner Freyheit auch meine Ehre in den Abgrund stürtzen will. Sie erzehlte mir hierauff alle Unterredungen / welche ich ihr aber noch zum besten ausdeutete.

Folgenden Morgen kam Livia zeitlich ins Zimmer /und nahm Asblasten mit in das Gemach des Kaysers; welcher der bey ihm versa leten fürnehmen Gesellschafft fürtrug: daß er die auff dieser Ziegen-Insel gelegene zwölff Vorwerge denen zwölff obersten Göttern gewiedmet hätte; und also solten sie looßen / was für eine göttliche Person ieder seiner Gäste fürzustellen / und also nicht nur iedes Vorwerg nach eines gewissen Gottes Nahmen zu nennen / sondern auch eine ihm anständige Ergötzligkeit anzustellen hätte. Der Kayser grieff zum ersten / und zohe das Zeichen des Apollo / Tiberius des Saturn / Drusus Jupiters / Metänas des Mercur / Lucius des Mars / und Cajus des Neptun; Livia der Ceres / Asblaste der Vesta / Julia Dianens / Terentia der Juno / Antonia der Venus / und endlich Pola / Agrippens Schwester / Minervens herfür. Noch selbigen Tag fuhren sie durch das gantze Eyland / und muste iedes ein Lust-Hauß so wol seinem Gotte / als zu seiner vorhabenden Lust erkiesen. Der Kayser aber bestellte seine zwey Freygelassenen Diomedes und Euceladus: daß sie alle Nothdurfft auff Befehl dieser vergötterten Menschen überflüßig herbey schaffen musten. Die prächtigen Kleider und alles / was zu ihrem Auffzuge gehörte / waren ohne diß im Vorrathe dar. Den ersten Tag geschahe der Zug auf das dem Jupiter zugeeignete Vorwerg. Mecenas als der Mercur und der Bothe der Götter fuhr auf einem gantz goldenen Wagen voran / welchen drey weiße Wieder zohen / derer Hörner und Füsse vergüldet /die Köpffe mit Burtzel-Kraut bekräntzet waren. Am Hintertheile des Wagens gläntzte der gestirnte Krebs. Sein Kleid war vorwerts gläntzend Silberstück; am Rücken Eisenfarbicht; weil er bald zu denen himmlischen bald höllischen Göttern abgefertigt wird. Die Füsse und Schläffe waren geflügelt; um seinen Herold-Stab flochten sich zwey einträchtige Schlangen. Neben ihm saß ein Hahn / an dem Arme hieng eine güldene Kette; wormit er der Menschen Ohren anfässelt / und wohin er wil leitet; er aber spielte auff der von ihm erfundenen Leyer. Hierauff folgte Drusus als ein Jupiter in flammendes Goldstücke gekleidet. In der rechten Hand führte er den Blitz; an dem lincken Arme den Argis-Schild mit dem darum gespannten Ziegenfelle. Der Wagen war ziervergoldet[1193] / und schimmerte nichts minder / als das Kleid und Krone mit Diamanten. Hinten war der gestirnte Löw daran gebildet. Er ward von zwey weissen Bären geführet; als welche Jupitern auch sollen gesäuget haben. Zu seinen Füssen saß ein starcker Adler. Nach diesem ließ sich Terentia in Gestalt der Juno in einem blauen Silberstücke mit einer von Schmaragden strahlenden Krone / und einem derogestalt versetzten Königs-Stabe sehen. Auf der Seiten saß ein Pfau und eine Ganß; zu ihren Füssen stand ein güldener Krug mit allerhand Reichthümern erfüllet. Ihren mit güldenen Sternen bestreuten blauen Wagen / daran der gestirnte Wassermann geetzt war / zohen zwey weisse Kühe; als in welche sie sich in der Flucht für den Riesen verwandelt haben soll. Die vierdte war Pola dißmahl die Göttin Minerva / mit einem güldenen Helm und Harnische bedeckt. In der rechten Hand führte sie eine Lantze / in dem lincken Arme einen Spiegel glatten aus einem Stücke Berg-Kristallen geschliffenen Schild. Auff der Brust war der Nattrichte Gorgons-Schild zu sehen. Hinter ihr saß eine Nacht-Eule. Der mit grünen Oel-Zweigen umwundene / und mit eitel goldenen Drachen geetzte helffenbeinerne Wagen ward ebenfalls von zwey künstlich bereiteten Drachen gezogen; welche Pola mit denen Füssen leicht und unvermerckt bewegen konte. Das Hintertheil des Wagens gläntzte mit dem gestirnten Wieder. Hierauff erschien Cajus / und bildete in einem blauen von silbernen Schupen überdeckten Kleide; mit schwartz-nassen Haaren / grossen blauen Augen / einer silbernen Dreyzancks-Gabel den Neptun ab. Er fuhr auff einem in Gestalt einer Muschel / und mit eitel Purper-Muscheln / Perlen / Perlen-Mutter und Corallen überdecktem / auch mit denen gestirnten Fischen gläntzenden Wagen; welchen hinten zwey Wasser-Pferde; zuförderst zwey Meer-Kälber unterstützten. Diesen zohen zwey blauschimmlichte und von Wasser trieffende Pferde. Entweder weil seine Mutter Rhea statt seiner dem Saturn ein Pferde-Fülligen zu verschlingen gegeben; oder weil Neptun zum ersten die Bändigung und den Gebrauch der Pferde gelehrt; oder auch / weil er in Pferdes-Gestalt die Ceres geschwängert haben soll. Diesem Wasser-Gotte folgte in Gestalt der Ceres die Kayserin Livia. Sie hatte einen grünen mit Gold und silbernen Blumen bestreuten Atlas an. Um den Leib einen mit drey hundert und sechzig edlen Steinen besetzten Gürtel / derer ieder einer andern Art war; Die Zahl aber auff die Abtheilung der Erd-Kugel zielte. Ihr Krantz war nur aus Myrten-Blättern / Narcissen / Mah- und Safran-Blumen geflochten / aber mit den kostbarsten Schmaragden umwunden. In der lincken Hand hatte sie ein Gebund Aeren / in der rechten eine brennende Fackel; gleich als wenn sie noch ihre Proserpina zu suchen ausreisete. Der Wagen war ein auff vier verdeckten Rädern stehender / mit allerhand Garten-Gewächsen aufgeputzter Garten; welchen dem Ansehen nach zwey grosse Schlangen zohen. An den Pforten war die gestirnte Jungfrau köstlich gemahlt. Diesemnach folgte in der Mitten der Kayser selbst als das Ebenbild des Apollo oder der Sonne. Sein Haupt und Mantel blitzte gleichfalls; weil man nichts als Rubinen zu sehen bekam. Seine Haare waren mit güldenen Heimen oder schreyenden Heuschrecken vermenget. Der an der Seite hängende Köcher / und der über der Achsel liegende Bogen ward allein mit schütternden Diamanten; der von den grossen Hiacynthen-Blumen und Lorber-Blättern geflochtene Krantz aber mit gleichmäßigen Edelsteinen bedeckt. Er saß auff einem güldenen Dreyfuße / und spielte auff der Laute. Der Wagen stand hinten auf zwey güldenen Greiffen / vorwerts aber lag er auf einem sich bückenden Schwane; in seinem Spiegel schimmerten[1194] die gestirnten Zwillinge / und er ward von vier schneeweissen Pferden gezogen. Dem Kayser folgte unmittelbar die schöne Asblaste in Gestalt der feurigen Vesta; welche Vertretung sie ihr für ein von dem Glücke zugeschicktes Glück auffnahm; weil diese Göttin eine Auffseherin der Keuschheit und Jungfrauschafft seyn soll. Sie hatte einen Rock an mit eitel gläntzenden Edelsteinen besetzt; welche gleichsam rechte Feuer Strahlen von sich warffen. Auff der Scheitel trug sie einen Krantz von weissen Blumen. Insonderheit zierte sie ein Stirn-Band von Rubinen /welche das selbst-ständige Feuer zu seyn schienen. Für ihren Füssen als einer Gebieterin der Winde lag eine runde Kessel-Paucke. Der Wagen bildete ein Altar / für welches rings herum ein aus Zimmet /Weyrauch und Agstein gemachtes Feuer erhellete / die Lufft mit köstlichem Geruch erfüllte / und also Asblaste gleichsam mitten im Feuer zu sitzen schien. Hinten war der gestirnte Steinbock eingeetzt; und ward alles diß von zwey gezähmten Löwen geführt. Asblasten folgte der in den Mars vermummte Lucius. Sein Kleid war ein blancker und ziervergoldeter Harnisch. Auf dem Haupte hatte er einen Krantz von gemeinem Grase; welches von Menschen-Blute am meisten wachsen soll. In der einen Hand einen Spieß / in der andern eine Fackel. Auff der einen Schulter saß ihm ein Specht / auff der andern ein Geyer / um ihn herum lag allerhand Kriegs-Zeug. Er fuhr auf einem gesichelten Streit-Wagen / welchen vier Wölffe zohen; hinten aber der gestirnte Scorpion zierte. Hierauff erschien in dem Bilde der keuschen Diana die geile Julia. Ihr Kleid war grünes Silberstück. Auff der Stirne hatte sie an statt des Krantzes einen halben Mohnden; welcher von denen köstlichsten Opalen über und über besetzt war. An der Achsel hieng ein mit Schmaragden besetzter Bogen; an der Seite ein gleichmäßiger Köcher voller Pfeile; Um den Leib einen Gürtel mit Opalen besetzt; In der rechten Hand führte sie einen Jäger-Spieß; Sie aber auff einem güldenen Wagen / daran der gestirnte Schütze seine Pfeile abschoß / zwey weisse Hirschen. Hinter dieser unkeuschen Diana kam Antonia in Gestalt der Venus. Ihr Kleid war purpern / und darauff das Gerichte des Paris mit Perlen gestückt. Um ihren Hals hatte sie ein Halsband von Perlen in der Grösse der Hasel-Nüsse. Der auff das Haupt gesetzte Rosen- und Myrten-Krantz starrte nichts weniger als die Purper-Muschel /darauf sie saß von Perlen. Sie war mit einem güldenen Bogen / Köcher und Pfeilen ausgerüstet. In der einen Hand hatte sie eine weisse Wachs-Fackel / in der andern einen güldenen Apffel. Für ihr gab ein güldenes Geschirr einen wolrüchenden Rauch von sich. Hinter ihr stand ein Liebes-Gott mit einem Sonnen-Schirme; vorwerts fachete ihr einer mit Pfauen-Federn Lufft zu. Ihr Wagen war wie eine Purper-Muschel bereitet; daran hinten der gestirnte Ochse gebildet stand. Sie bewegte ihn durch künstliche Gewichte gleichfalls mit den Füssen: daß es schien; als wenn ihn die angespannten Schwanen fortzügen. An statt des sonst in die Zahl dieser zwölff Götter gehörigen Vulcans ward der sauersehende Saturn aus einem sich hernach ereignendem Absehen; oder durch den Gegensatz seiner Heßligkeit die ihm vorgehenden Zierrathen desto annehmlicher zu machen / auffgeführet; das Loß hatte den sauersehenden Tiberius gleichsam durch eine weise Erkiesung hierzu bestimmet; hier aber der Venus unmittelbar beygesellet; entweder weil auff ihre Uppigkeit meist traurige Bestürtzungen folgen; oder weil sie aus denen dem Saturn vom Jupiter abgeschnittenen und ins Meer gefallenen Geburts-Gliedern soll gezeuget worden seyn. Er war gebildet wie ein blasser und Eys-grauer Alter; in der einen Hand hatte er eine Sichel; welcher Erfinder er gewesen; in der andern eine gekringelte[1195] sich in den Schwantz beissende Schlange; weil sein Gestirne im Himmel zurücke laufft; oder er die sich selbst auffressende Zeit andeutet. Sein Kleid war bleyfarbicht; auff dem Haupte hatte er einen tunckeln mit Napell bekräntzten Helm. Der Wagen war theils mit Schnee angefüllt / theils mit Eys überzogen; theils mit Fleder-Mäusen / Kröten / und Spinnen gemahlet. Hinten war die gestirnte Wage zu sehen; dieser aber ward von zwey langsamen Eseln gezogen.

Der freudige Drusus / als Jupiter / gab seinen Gefärthen in der mit gläntzenden Wolcken umzohenen Höhe eines grossen Saales ein kostbares Götter-Mahl; und ließ sie zwölff edle Knaben / und so viel vierzehnjährichte edle Mägdlein alle fingernackt bedienen. Jene nennte er Brüder des Ganymedes / diese Schwestern der Hebe. Nach der zwischen dem Gethöne der lieblichsten Seiten-Spiele vollbrachten Mahlzeit / bey welcher ein linder Balsam-Regen seine Gäste fort für fort anfeuchtete / und den gantzen Saal mit wol hunderterley Geruch wechselsweise anfüllete / stellte er ihnen auff dem daran gelegenen mit eitel fruchtbaren Bäumen bewachsenem Hügel einen Auffzug von zwantzig Satyren und so viel Schäfferinnen auf; weil Jupitern diese gesäugt; in einen Satyr aber sich selbst verwandelt hat. Diese brachten die Amaltheische Ziege mit vergüldeten Hörnern / und Amaranthen-Kräntzen als ein besonder Heiligthum aufgeführet; und bey ihrem künstlichen / aber geilen Tantze kam diese abgerichtete Säuge-Ziege des Jupiters allezeit mitten im Kreiße zu stehen. Hierzu wurden alle Buhler-Geschichte des Jupiters gesungen / und zuletzt alle Thiere in Reyen bracht; in welche sich der verliebte Jupiter iemahls verstellt haben soll. Diese Kurtzweilen waren der Anfang / wordurch man der keuschen Asblaste die Römischen Uppigkeiten angewehnen wolte.

Folgenden Tag verrückten sie auf das Vorwerg des Mercur. Mecenas richtete in einem Lust-Garten auf einer Bühne / welche mit denen kostbarsten Persischen Tapezereyen / und künstlichsten Mahlwercken bekleidet; in diesem aber die Verspritzung der aus der Juno Brüsten gesogenen Milch / die Einschläffung des Argos und alle andere Thaten des Mercur gewebt oder gebildet waren / eine kostbare Mahlzeit aus. Ja weil dem Mercur nebst Milch und Honig die Zungen gewiedmet sind / gab er in der ersten Tracht vier und zwantzig Schüsseln voller Zungen; von allerhand Thieren und Fischen. Am höchsten aber wurde geschätzt eine in der Mitte stehende güldene Schüssel /welche mit Phönicopter / Papegoyen-Zungen so hoch angefüllt war: daß sie eine Spitz-Seule machten. Nach dem Mahl ließ er / als ein Erfinder der Fecht-Schulen / allerhand Streit- und Kampff-Ubungen sehen; in welchen fürnehmlich der sieghaffte Streit des Mercur mit zwölff Liebes-Göttern / und wie er sich wegen Penelopens in einen Bock verwandelte / fürgestellet ward. Welch letztes Getichte ihr die Fürstin Asblaste artlich gegen Livien nütze machte; in dem sie ihr bey Einlobung fürgestellter Geilheiten einhielt: Weil die Götter / wenn sie sich durch Wollüste verleiten liessen / in Böcke verwandelt würden; wäre kein Unthier so heßlich; das einem unzüchtigen Menschen gleichte. Ja sie stellte es auch so klüglich an: daß unter dem Getümmel der Fechtenden ein Deutscher dem auf dem Schau-Platz vorher / und hernach zu der Götter Taffel geführtem Bocke diese in Rinde gegrabene Reymen anhieng:


Die einem Milch zutrinckt / und nichts als Blut gewehrt /

Die / den sie lachet an / verwundet und verzehrt /

Die uns mit Zucker lockt / mit güldnen Körnern streut /

Und dem / der kommt / von Stahl Hals-Eisen leget an /

Die Datteln kehrt in Gifft / das Seelen tödten kan /

Diß ist der Basilisk' und Bock / die Uppigkeit.[1196]


Unterdessen verdiente Mecenas das Lob: daß alle seine Erfindungen tieffsinnig / alle Anstalten prächtig / alle Uberschrifften nachdencklich waren. Denn an diesem Liebhaber guter Künste hiengen so viel geschickte Köpffe; welche die Welt mit ihrer Geschickligkeit hätten betheilen können. Weßwegen sie dem Mecenas ins gemein nachrühmten: Er wäre ein Maulbeer-Baum / von dessen Blättern sich viel Seiden-Würmer sättigten. In dem Vorwerge der Juno gab Terentia oben auff dem Lust-Hause unter freyem Himmel ihr Gast-Mahl; weil diese Göttin keine Einschlüssung duldet; und daher ihre Tempel auch kein Dach haben. Sie hatte aber gleichwol von eitel Pfauen-Schwäntzen so artliche Sonnenschirme gemacht / welche theils die Strahlen auffhielten / theils von schönen Knaben gezogen wurden / und denen Gästen Lufft zufachten. Sie stellte ihnen auch das der Juno zu Ehren in Elis aufgebrachte Wettelauffen an; Da nehmlich zu erste zwölff siebenjährige Mägdlein um einen gantz güldenen Apffel / hernach dreyzehn zehnjährige um eine Schnure grossen Perlen / drittens vierzehn zwölffjährichte um einen köstlichen Ring; gleich als wenn sie durch diß Merckmahl der Frauen nunmehr fähig erkläret würden die Dienstbarkeit der Einsamkeit zu verlassen; Vierdtens vierzehn funfzehnjährichte Jungfrauen um der Juno selbst eigenes mit Edelgesteinen versetztes Bild nach dem Ziele lieffen. Sintemahl Juno sich von so vielen ordentlich hat bedienen lassen. Endlich erkiesete Terentia auch sechzehn Frauen; darunter die sechs Göttinnen sich selbst verfügten / und mit den übrigen nach einer mit Diamanten reichgezierten Lilgen-Krone um die Wette rennen musten. Unter denen die hurtige Asblaste den Preiß erwarb. An eben diesem Tage brach die zwischen dem Tiberius und der Julia vom Kayser beschlossene Heyrath aus. Denn nach dem die Juno die Vorsteherin der Hochzeiten ist / musten bey ihren Spielen alle ihnen einen Ehgatten zueignen lassen. Dahero als Terentia auff Anstifftung Liviens die verwittibte Julia dem Tiberius überliefferte; und Tiberius schertzweise fragte: Ob die keusche Diana und der gramhaffte Saturn nun auch zur Vermählung taugten? antwortete der Kayser: Der Pöfel heyrathet nach seiner Zuneigung; Fürsten und Götter aber zu ihrem Vortheile. Daher wollen wir heute aus dem Schertze Ernst; und aus dem Spiele eine Hochzeit machen. Ließ also Terentien in einer güldenen Schachtel den Heyrath-Brieff herbringen; welchen Tiberius und Julia derogestalt ohne Bedencken unterschreiben muste. Die Priester waren auch bald zur Stelle; welche mit ihrer Einsegnung und Opffern dieser zweyer Eh vollkommen machten; ehe sie selbst wusten: daß sie Verlobte wären. Zwischen dieser wahrhafften Vermählung ward gleichwol die Kurtzweil nicht vergessen; und die feurige Vesta dem brennenden Apollo / nehmlich Asblaste Augusten zugesellt. Bey welcher Gelegenheit der Kayser nicht vergaß gegen dieser deutschen Fürstin die Flammen seiner verliebten Seele mit vielen Seuffzern / liebreitzenden Gebehrden / und nachdrücklichen Worten auszuschütten; ja so gar Asblasten zu versichern: daß seine mit ihr angezielte Vermählung ihm ernstlicher / als des Tiberius wäre; er auch sie über die Ehren-Staffel aller hocherhabenen Liebhaberinnen zu versetzen gedächte. Welches alles aber die schlaue Asblaste für ein Spielwerck auffnahm; und / ob sie zwar des Kaysers Absehen mehr als zu viel verstand / ließ sie sich doch nichts mercken. Sintemal sie diesem mächtigen Buhler mit Ungestüm zu begegnen nicht für rathsam hielt / sondern alles mit dem Schatten der blossen Kurtzweil verhüllte; in Augustens Versuchungen ein Lachen gab; und als Terentia[1197] zuletzt in einem grossen Saale das auffgehenckte Bild der Juno mit zweyen an den Füssen hängenden Ambossen; hingegen des Jupiters aufgethröntes Bild fürstellete / und die anwesenden Götter an einer güldenen Kette diesen Jupiter vom Himmel zu ziehen veranlaste / für dißmahl Gelegenheit sich seiner zu entbrechen bekam. Den vierdten Tag ergetzte Pola diese Götter-Gesellschafft auff dem Vorwerge Minervens. Sie ließ die Taffel in einem wunderschönen Garten unter eitel Oel-Bäumen / derer Blätter sie hatte die Helffte vergülden lassen /anrichten. Die Speisen wurden alle zu siebenen aufgetragenen; und keine ohne Oel und köstlichen Balsam zugerichtet. Die höchste Vergnügung aber brachte den Zuschauern ein künstlicher Streit siebenmahl sieben auff Amazonisch gerüsteter Frauen-Zi er; welche mit so viel Mohren sich zu Pferde und Fuße herum schlugen; und endlich ihren Krieg in einen künstlichen Pferde-Tantz verwandelten. August / der sich zu Asblasten ans Ende eines Spatzierganges niedergelassen hatte / setzte ihr abermahls mit seinen Versuchungen zu; rühmte die Glückseligkeit der Amazonen; welche mit ihrer Liebe niemahls iemanden die Herrschafft über sich eingeräumt / noch die Freyheit sich an neuen Sternen zu erquicken begeben hätten. Asblaste hingegen schalt ihre ungezähmte und dem weiblichen Geschlechte unanständige Herrschenssucht; als welches ohne den Glantz ihrer Männer so wenig / als der Mohnde ohne die Strahlen der Sonne Licht hätten. Sie schalt ihre Verwechselung der Liebhaber / als eine blosse Geilheit; und daß die reine Liebe so wenig zweyerley Ziel / als der Magnet ein anders Ende / als die Nordspitze erkiesen; noch die Sonnenwende einem andern Gestirne / als der Sonne nachsehen könte.

Den fünfften Tag fuhren sie auf das Lust-Hauß des Neptun; welches denen Sirenen-Inseln gegen über auf einem rings umher vom Meere umströmten Stein-Felsen lag. Der als ein Wasser-Gott auffziehende Cajus fuhr dieses mahl voran; und nach dem er mit seinem Dreyzanck-Stabe ins Wasser geschlagen hatte /kamen hinter denen Klippen eine Menge Tritonen und Wasser-Götter herfür / und dem Neptun entgegen geschwummen. Als er noch einmal ins Meer schlug /ließ sich seine Gemahlin Amphitrite sehen. Sie fuhr auff einer grossen Purper-Muschel; welche auswendig / so weit sie das Wasser nicht deckte / mit Schilffe /Mooß und Korallen-Zincken bewachsen war; und von zweyen abgerichteten Delfinen gezogen ward. Ihr folgten zwölff güldene Nachen mit purpernen Segeln /und silbernen Rudern; auf derer iedem zwey Wasser-Nymphen die Schiffarth bestellten. So bald diese ans Ufer sich näherten / neigte sich Amphitrite gegen denen zwölff Göttern; Die Delfinen wendeten sich gleich um; die Nymfen aber nöthigten die Götter in ihre Nachen und führten sie zwischen dem Gethöne der umher schwimmenden Tritonen auff den Steinfelß; da sie denn allererst Amphitrite bewillkommte. Weil sie noch am Ufer standen / erschien Glaucus / und hatte wol dreyhundert theils mit Netzen / theils Angeln / theils Wurff-Spiessen ausgerüstete Fischer hinter sich; welche in einem Augenblicke durch allerley Arten nicht nur eine grosse Menge /sondern auch die seltzamsten und sonst in diesem Meere nicht zu fangen gewöhnliche Fische denen Zuschauern für ihre Füsse liefferten; also: daß diß mehr einer Zauberey als einem Fischfange ähnlich war. Es hatte aber Cajus allhier zwischen der Ziegen-Insel und diesem Felsen das kaum zwölff Schuh tieffe Meer mit Netzen genau besetzen / und in dieses Gefängnüs alle anderwerts hergebrachte Fische einsperren lassen. Die Taffel war oben auff der Spitze des Felsen / und also mitten im Meer gehalten; und zwar nichts / als was aus dem[1198] Meere kommt / aber die aller niedlichsten Speisen auffgesetzt. Bey währender Mahlzeit liessen die um den Fels schwermenden Sirenen sich mit denen lieblichsten Seitenspielen und Gesängen hören. Nach vollbrachter Taffel fügten sie sich an ein ander Ufer; da sie denn in dem Meere zweyhundert künstliche Schwimmer in Gestalt der Tritonen gegen einander zu einem Kampffe fertig fanden. Das wunderwürdigste war: daß als Neptun auff einer Muschel zwischen sie in die Mitte fuhr / und seinen Dreyzancks-Stab in das Meer stach; alsofort an selbigem Orte ein kleiner Felß durch Kunst herfür kam; auff welchem sich ein gantz silberner Triton zeigte; welcher in ein Streit-Horn bließ / und denen gegen einander gerüsteten das Zeichen zum Kampffe gab. Dieser ward mit der vollkommensten Ordnung / und mit den seltzamsten Abwechselungen bewerckstelliget / endlich aber / als die untergedrückten Besiegten nicht anders als wie Endten aus dem Wasser wieder empor kamen; und der silberne Triton auff einer Leyer zum Zeichen des Friedens zu spielen anfieng / dieser Streit eben falls in einen Wasser-Tantz verkehret. Nach dieser Lust ward in einem grossen Wasser-Kefichte ein aus Egypten überbrachter Krocodil und ein Wasser-Pferd loß gelassen; auff welche dreyhundert auf schnellen Nachen ankommende Fischer mit eisernen Hacken und Wurff-Spiessen loß giengen; iedoch ehe sie ihre Thiere erlegten / vor etliche Gefärthen dem Rachen des seine Todten vorher beweinenden Krocodils aufopffern musten. Hierüber rückte die Nacht herbey /der Himmel ward voller Sternen / das stille Meer ein kristallener Spiegel; also: daß durch den Gegenschein der Himmel eine blaue See / die See ein gestirnter Himmel zu seyn schien. Amphitrite nöthigte die versammleten Götter auch auff ihren Wiesen einige Ergötzung zu genüssen. Wie denn auff zusammen gefügten Schiffen ein schwimmendes / und mit allen nur ersinnlichen See-Kräutern / Muscheln / Schnecken /Korallen / Agstein bedecktes Eyland ans Ufer stieß /und die eingeladenen Gäste auffnahm. Sie setzte mehr nicht als eine grosse und zwey kleinere Schüsseln aus Perlen-Mutter auff; in der grossen lagen zweytausend Sorten außerlesener Fische / in der einen kleinen nichts als Milch von Murenen; in der andern lauter Scarus-Lebern; welche ihrer Köstligkeit halber Jupiters Gehirne genennt wurden. Bey dieser Ergetzligkeit ward noch die Farth des Ulysses / und der sich ins Meer stürtzenden Sirenen fürgebildet. Zuletzt aber diese schwimmende Insel in so viel Theile zerrissen: daß nur zwey und zwey Stüle auff einem Nachen beysammen stehen blieben. Worbey es Livia abermahls so meisterlich angegeben hatte: daß der Kayser und Asblaste beysammen; und in der Einsamkeit des Meeres schier allein zurücke blieben. Ein einiger auff einem in Gestalt eines Delphins künstlich gefertigtem Nachen sitzender Triton schwermte um sie her / und sang gegen Asblasten die in nachfolgenden Reymen ausgedrückte Gedancken des Kaysers:


Wenn Venus und ihr Kind auff Purper-Muscheln fährt

In einen Tag die důstre Nacht /

In's Ruder feinen Pfeil / Scarlat in's Segel kehrt /

Den Wind mit seinen Flůgeln macht;

Wenn Meer und Flut Safier und Perlen scheinen /

Wenn Klipp' und Strand gleicht schönsten Edelsteinen;

So geht doch dieser Aufzug hier

Der Liebes-Götter Schiffarth für.


Der Westwind seuffz't / das Meer steckt sich in Liebes-Glut /

Von dieser neuen G \ttin an.

Die Morgenröthe fleucht / nach dem ihr Haar die Flut

Viel herrlicher vergůlden kan.

Ihr Hals läßt Perl'n / ihr Rosen-Mund Korallen /

Ihr Athem Musch auff Doris Wiesen fallen;

Sie wandelt's Meer in's Himmelreich;

Denn sie ist selbst der Sonne gleich.


Durch ihren süssen Reitz wird ieder Fisch verliebt.

Die Muschel fůgt zur Muschel sich;

Man sieht: wie ein Delfin dem andern Küsse giebt;

Und dieses Feuer quäl't auch mich.[1199]

Mein Hertze schmiltz / die Seel' ist voller Flammen;

Doch statt't mein Pulß / mein Blut gefriert zusammen;

Weil meiner Göttin Hertz ein Stein /

Ihr Geist ein Tiger schelgt zu seyn.


Sie ist ein tauder Feiß / ein unempfindlich Stahl.

Die Brust ein todtes Marmel-Grab.

Sie schertzt mit meinem Ach / und lacht zu meiner Quaal

Die zwar ist Glut / doch nicht nimmt ab.

Ihr Augen sind recht zwey gestirnte Bären /

Die Marck und Bein zerfleischen und verzehren;

Ja meine Seele wird selbst wund /

Nur zu bepurpern ihren Mund.


Der Nord-Stern zeucht an sich so sehr nicht den Magnet /

Als ihr schön Antlitz meinen Geist.

Doch weiß ich: daß kein Schnee der Glut so wiedersteht /

Als mir ihr Hertz mit Haß umeys't.

Und so ist sie ein feurig Schnee-Gefilde /

Ein auswerts zames Thier / inwendig wilde:

Daß ich nicht recht zu urtheil'n weiß:

Ob sie sey Feuer / oder Eys.


Ihr Sternen / die ihr hier im Meer' in Fisch' euch kehrt /

Wie Fische sonst Gestirne sind;

Sagt wahr mir: Ob ich soll durch Liebe seyn verzehrt /

Und ob mein Brand verraucht in Wind?

Wie? oder ob auff ihren Lilgen-Brüsten /

Der Himmel mir noch wird mein Leben fristen?

Denn Lieben / und geliebt nicht seyn /

Ist auff der Welt die Höllen-Pein.


Diese und mehr andere verliebte Reymen sang dieser einsame Triton; dessen Abgesang aber allezeit von einer Menge ihm von ferne folgender Meer-Götter wiederholet ward; biß der an die unbewegliche und für diesen Sirenen-Liedern die Ohren des Gemüths zustopffende Asblaste mit eiffrigsten Liebes-Versuchungen setzende August endlich um Mitternacht wieder an den Felsen angetrieben / und von funffzig Nereiden / welche alle silberne Kleider / grüne Haare /und brennende Ampeln in Gestalt leuchtender Fische in Händen hatten; und so wol Asblasten / als den Kayser auf das Lust-Hauß in ihr Zimmer begleiteten.

Den sechsten Tag wurden die gesamten Götter mit eben so prächtigem Auffzuge als bey der Einholung auff die Ziegen-Insel angesetzt; und auf das in einer fruchtbaren Fläche liegende Vorwerg der Ceres geführet. Das Lust-Hauß wär ein von eitel Blumen und Erdgewächsen zusammen geflochtenes Gebäue. Die erste Tracht waren eitel Obst und Feigen; als welche Ceres zum ersten gepflantzt haben soll. Alle Fisch- und Fleisch-Gerichte waren in zierlich gebildeten weitzenen Teig eingeschlagen; welche nichts minder als das Zuckerwerck eitel Feld- und Garten-Früchte fürstelleten. Unter dem köstlichen Weine gieng auch Milch / Meth und Aepffel-Tranck herum / als der Ceres gewiedmetes Geträncke. Bey währender Taffel hielten zwantzig edle Frauen alle mit Kräntzen aus Weitzen-Aeren / mit Hörnern des Uberflusses versehen / und brennenden Wachs-Fackeln als Bäuerinnen angekleidete / und so viel mit Eppich und Wein-Laub gekräntzte auch gleichsam wütende Bacchen einen Reyen dieser Göttin zu Ehren. Nach der Mahlzeit brachte Livia ein Bretspiel auff die Taffel; da sie denn um in allen Stücken sich der Ceres zu vergleichen /welcher Rampsintus aus Egypten ein gülden Handtuch abgewonnen / gegen alle andere vergötterte mit allem Fleisse ein schätzbares Kleinod verspielte. Gegen Abend führte sie sie zu einem von dem Vorwerge nicht weit entfernten Berge / und in eine grosse über und über mit marmelnen Klippen gewölbte Höle; sie trug auff ihrem Haupte nichts minder als obige viertzig Bäuerinnen und Bacchen ein heiliges Buch / welches ihrer Andeutung nach zu dem Elevsinischen Feyer von nöthen wäre. Diese Höle gleichte einem prächtigen Tempel / hatte auch um sich herum noch zwölff kleine in Felsen gehauene Hölen; woriñen anfangs etliche tausend weiße Wachs-Kertzen leuchteten. So bald aber der Ceres etliche Schein-Opffer von denen Erstlingen der Land-Früchte gelieffert waren / leschten die Lichter biß auff etliche wenige aus. Da denn die anwesenden Frauen sich theils nach dem Beyspiele der geilen Baubo; welche durch die[1200] schändliche Verstellung des weiblichen Geschlechtes die sonst trostlose Ceres zu Elevsis erfreuet haben soll / entblösseten / theils das abscheuliche Bild des Mutinus; in welches bey den unzüchtigen Römern die Bräute für ihrer Vermählung künftiger Fruchtbarkeit wegen gesetzt werden; herum zur Schaue trugen. Die keusche Asblaste entsetzte sich über dem ersten Anblicke dieses schandbaren Aufzugs; und suchte die Einsamkeit der finstersten Neben-Höle / um auch nicht durch die Augen ihre reine Seele zu besudeln. Gleichwol waren die Ohren verdrüßliche Bothen der in so finsterer Verwirrung fürgehender Uppigkeit; welche nicht unbillich in diese höllische Grufft verdammt war; weil sie das Tage-Licht zu genüssen nicht verdiente. Alleine die tugendhaffte Asblaste blieb in ihrer gesuchten Einsamkeit nicht unbeleidigt. Denn das an ihrer Stirne vergessene Band von gläntzenden Edelsteinen ward ihr endlich zum Verräther /und dem nach ihr lechsenden August zum Wegweiser. Welcher denn anfangs mit allem ersinnlichen Liebkosen / und den grösten Versprechungen an ihre Keuschheit setzte; fürnemlich aber die wieder der Fürstin Asblaste ausgelassene Verschmähung so heßliche Laster darmit zu beschönen vermeinte: daß die Götter bey dem Elevsinischen Feyer denen Gebrechen der Menschen und so schönen Sünden durch die Finger sehen; welche ohne diß mehr / als denen vollkommensten Leuten anhängende Schwachheiten zu übersehen / denn als Laster zu bestraffen wären. Asblaste aber setzte ihm mit einer ernsthafften Hefftigkeit entgegen: Gott wäre allezeit und allenthalben ein keuscher Geist; und ein gerechter Rächer der Mißhandlungen; kein grösser Kirchen-Raub aber wäre / als wenn man einem Gottesdienste diß Heiligthum nähme; und mit der Andacht die schändlichsten Laster überfirnste. Tugenden wären so reine Perlen / welche keinen schlimmen Beysatz der Geilheit vertrügen. Sie vermählten sich niemahls / als mit ihres gleichen. Ja wenn nur eine wurmstichig würde; so würden sie alle anbrüchig. Daher sollte der Kayser seinen bey der Welt erworbenen Ruhm; noch auch ihre Seele mit diesem Schandflecke nicht besudeln; sondern vielmehr feste glauben: daß ein so kaltsinniger Gottesdienst dem Gewissen hernach den Schweiß heraus triebe /und der beleidigte GOtt seine Rache zwar anstehen liesse / aber niemahls vergässe. Ja wenn auch weder GOtt / noch Straffe des Bösen wären; solte der Kayser sich dieser Schmach entschlagen. Denn alle andere Laster hätten an sich was männliches; Dieses aber wäre durchaus weibisch / oder vielmehr gar viehisch. Allein weil die Begierden nicht nur die menschliche Vernunfft bethören; sondern auch die allen Thieren gemeine Sinnen rauben; predigte Asblaste einem Tauben. Ja weil die Begierde bey leicht genoßbaren Dingen verrauchet; gegen denen aber / die schwer zu erlangen sind / auffs befftigste sich entzündet; gerieth August in Raserey: daß er Asblasten zu küssen unterfieng. Welches Asblasten so sehr aufbrachte: daß sie Augusten von sich stieß; und ihm unter Augen sagte: das Glücke hätte ihm zwar über ihr Leben / der Himmel ihm aber keines Weges über ihre Keuschheit eine Botmäßigkeit eingeräumt. Daher möchte er nur lieber ihr einen gewaltsamen Tod verordnen; als durch solche Zumuthungen das innerste ihrer Seele tödten / und die köstlichste Uberbleibung ihres Besitzthums /nehmlich die Ehre rauben. August / welcher ungewohnt war: daß ihm einiger Mensch etwas abschlüge / weniger ihm seine Meinung so hertzhafft und mit einer tugendhafften Entrüstung unter Augen sagte; erstarrte über dieser Begegnung; und lernte nunmehr: daß die Lilgen der Keuschheit keine bloß in der Schneefarbe bestehende Blume ohne Waffen / sondern vielmehr eine Rose wäre; welche zwar verschämt / aber auch mit Dornen ausgerüstet stünde; und ob zwar ihre Feinde sie meist nur[1201] mit Blumen-Peitschen antasteten; dennoch ihre Anfechtung gefährlicher / als Feuer und Eisen; und derogestalt ihr Sieg auch so viel herrlicher / als derer wäre / welche sich mit ihrem und des Feindes Blute bespritzten. Wie denn Asblaste mit ihrer Schamhafftigkeit dißmahls den beschämte; welchem das gröste Theil der Welt zu Gebote stand. Sintemahl er nicht nur für ihrer Hertzhafftigkeit gantz verwirrt und verzweiffelt ward; sondern auch / weil etliche Stücke Felsen von dem Gewölbe dieser Grufft herunter fielen; alle dem Eingange dieser Höle zudrangen; und nach dem sie das böse Gewissen ihrer Ubelthaten schon verdammete / mit Beben und Zittern den Verfolg ihrer Uppigkeiten abbrachen. Die Königin Erato brach der Gräfin von der Lippe hierüber ein; vermeldende: Sie könte sich über des Kaysers August unziemlichem Beginnen nicht genüglich verwundern; und wüste sie bey so gestalten Sachen nicht; wie ein so lasterhaffter Fürst in der Welt einen so grossen Ruhm der Tugend erworben hätte. Adgandester nahm sich der Gräfin an / und antwortete: hätten doch unter gemeinen Leuten ihrer viel das Glücke berühmt zu seyn / nicht aber das Verdienst. Wie viel schwerer wäre es in die verschlossenen Zimmer und unmöglich in die Hertzen der alles unter dem Scheine der Tugend und dem Vorwand des gemeinen Besten verdeckenden Fürsten zu schauen. Zugeschweigen: daß auch die /welche sonst in Erforschung anderer Fehler Luchs-Augen hätten; solche gegen die Fürsten wie Maulwürffe zuzuschlüssen; ja die Heuchler gar ihre schwärtzesten Gemüths-Flecken in die reinesten Vollkommenheiten zu verwandeln pflegten. August hätte allerdinges so / wie ins gemein die neuen Fürsten /sich meisterlich mit dem Scheine beholffen; und der Stadt Rom einen blauen Dunst für die Augen; und aus denen Orten / wo sich etwas denckwürdiges mit ihm begeben / Heiligthümer gemacht; gleich als weñ er den Göttern in der Schoß sässe / die Tugend aber in ihm ihren eigenthümlichen Sitz hätte. Uber welcher Scheinheiligkeit der Fürsten man sich so viel weniger zu verwundern hätte; nach dem ihre Sinnenbilder die Berge mit gleichmäßiger Heucheley behafftet wären; Derer viel sich eusserlich in Schnee kleideten / inwendig Schwefel und Flamme verdeckten. Also wiese man bey Velitre Augustens geringe Geburts-Stelle / in einem zwar schlechten Gewölbe; welches man aber nicht anders / als den heiligsten Tempel mit keuschem Leibe und mit grosser Ehrerbietung betreten dörffte; auch die Einfältigen überredete: daß die Geister darinnen so wenig / als in andern Heiligthümern einigen Entkleideten vertrüge; ja ein neuer und unvorsichtiger Bewohner selbigen Ortes des Nachts von einer über natürlichen Gewalt halb todt wäre heraus geworffen worden. Alleine Augustens Thun hätte in eitel Scheinheiligkeit / und sein Leben nicht nur in einer unersättlichen Unzucht / sondern in einem Kreiße der ärgsten Laster bestanden. Zum Merckmahle seiner Grausamkeit diente: daß er des überwundenen Brutus Kopff unter die Seule des Kaysers Julius werffen / aus denen Gefangenen Vater und Sohn ums Leben kämpffen; und denen Fußfälligen den Trost gelassen: Sie würde ihr Begräbnüs in denen Magen der Raubvögel finden. Er hätte aller Götter gespottet / nach zerscheiterter Schiff-Flotte des Neptunus Bild von seinem Sitze gerissen und sich verlauten lassen: er wolte auch wieder dieses Meer-Gottes Willen dem Pompejus den Sieg zur See abzwingen. Wiewol er auch zwar aus angeno ener Demuth ihm zu Rom keinen Tempel zu bauen verstatten wollen; hätte er doch solches in andern Ländern / und allenthalben mit dem Beysatze der Stadt Rom / als einer ihm vermählten Göttin; wie auch: daß alle Stände zu Rom jährlich in die Grube des Curtius für seine Wolfarth ein[1202] grosses Geld opffern; etliche Städte von dem Tage seiner Dahinkunfft die Jahrs-Rechnung anfangen; und in letzten Willen die Erlebung seiner Herrschafft für ein Glücke der güldenen Zeit anziehen mögen / erlaubet; wie nichts minder viel silberne Bilder der Götter eigennützig verschmeltzet; und aus ebenmäßigem Geitze eine ziemliche Anzahl Bürger ins Elend verjagt hätte / um sich nur ihrer Corinthischen Gefässe zu bemächtigen. Die Zagheit hätte er fast in ieden Schlachten / sein böses Gewissen aber bey allen Gewittern spüren lassen; und sich zu solcher Zeit in die tieffsten Hölen versteckt / auch mit der Haut eines Meer-Kalbes /oder mit Feigen bedecket / aus gleichmäßigem Aberglauben: daß sie die Beleidigung des Blitzes abwendeten. Am allermeisten aber wäre seine Unzucht unersättlich gewest; weßwegen er von denen fremden Völckern / mit welchen er Frieden oder Bündnüße gemacht / auff eine neue Art ihr schönstes Frauen-Zimmer zu Geißeln erkieset; aus denen zwantzigen / welche zu Vestalischen Jungfrauen fürgestellet wurden /die heßlichste dem Heiligthume / die schönste seinem Bette geeignet / die zärtesten Kinder der edlen Geschlechte unter dem Scheine sie mit seinen Enckeln zu erziehen zu seinem Mißbrauche an sich gezogen; die noch nicht reiffe Claudia / und die schwangere Livia aus toller Brunst unzeitig geheyrathet; vielmahl unter dem Vorwand der Unpäßligkeit in Mecenas Hause geschlaffen; und schier aller schönen Weiber in Rom durch Dräuen oder Geschencke genoßbar gemacht hätte.

Die Gräfin von der Lippe stimmte Adgandestern bey / mit Versicherung: daß die geringsten Laster vom August wären ans Tagelicht kommen; von denen aber die Fürstin Asblaste nebst ihr auf der Ziegen-Insel alleine so viel wahrgenommen hätte: daß / wenn sie daran gedächte / ihr noch die Haare zu Berge stünden; und sie sich damahls mit einander berathen /durch selbst eigenen Tod / wenn es durch die Flucht unmöglich wäre / sich dieses zwar eusserlich güldenen / inwendig aber vom Unflate der Laster stinckenden Gefängnüßes zu entbrechen. Wiewol sie diesen Anschlag möglichst verstellen / und Asblaste sich selbige Nacht in ihre angewiesene Zimmer; auff den Morgen aber mit auffs Lust-Hauß des Apollo verfügen müssen. Dieses schimmerte von Gold und Edelgesteinen / und war rings umher dreyfach mit Wacholder-Bäumen umgeben; wie denn auch alle Gänge des wunderwürdigen Gartens darmit besetzt / alle Wacholder-Beeren aber mit unsäglicher Arbeit vergüldet warẽ. Wie durch die Seltzamkeit der Speisen gleichsam die Erde / die Lufft und das Meer erschöpfft war; also schimmerten auch alle Gerichte; insonderheit die zu Schau-Essen aus Wachs gemachten Bilder von Golde. Bey und nach der Mahlzeit erlustigte er seine Gäste mit allen Arten der Olympischen Spiele; bey welchen er zwölff Lorber-Kronen mit Golde und Diamanten reichlich ausgeputzt zum Preiß auffsetzte. Diese Götter selbst erlustigten sich mit einem Bogenschüssen nach einem hin und wieder durch künstliches Räderwerck lauffenden Drachen; zum Gedächtnüße des Pithonischen / welchen Apollo erlegt haben soll. Welchen Tag es denn so züchtig und ansehnlich hergieng: daß es schien: es wären diese Menschen / so den Tag vorher Vieh gewest / nunmehr in wahre Götter verwandelt worden.

Nach dem die Reye nun an die Fürstin Asblaste /als eine wahrhafftig keusche Vesta kam; verfügten sie sich alle des Morgens zu dem auf einem lustigen Berge liegenden / und recht in die rundte gebauten Lust-Hause der Vesta; welcher / weil durch sie der Geist der Erde fürgestellet wird / auch die Tempel rundt gebauet wurden. Es war mit eitel Bäumen oder Stauden umsetzt / welche feuerrothe Blumen und Früchte trugen. Inwendig waren eitel[1203] feurige Mahlwercke aufgestürtzt; insonderheit wie die des Servilius Tullus Haupt umgebende Flamme ihm die Römische Krone / die brennenden Lantzen den Römern den Sieg wieder die Sabiner / der opffernden Lavinia das Feuer die Emporklimmung ihres Geschlechtes wahrgesaget; die dem grossen Alexander auf den Hals dringenden Indianer erschrecket; den die Stadt Syracusa belägernden Nicias seine Feuerwercke beschirmet / und der vom Demetrius angezündete Wald die Spartaner gerochen; endlich wie unterschiedene Deutsche Frauen-Zimmer nicht anders / als die Priesterinnen der Persischen Diana durch unversehrende Betretung glüender Kohlen / und Betastung feuriger Brände ihre Keuschheit bewehret hatten. Die Taffel hatte sie in einer tunckeln Höle / theils wegen der übermäßigen Mittags-Hitze; theils: daß sie den Nutzen ihres heiligen Feuers angewehren könte / bestellet. Denn sie ließ ihr / wie Vestalische Jungfrauen /aufgeputztes / und zu Bedienung dieser Götter bestelltes Frauen-Zimmer in einem einwerts geschliffenem Stahl- oder Breñ-Spiegel / darinnen sich die Sonnen-Strahlen zusammen in einen Mittelpunct zwängten / eine gleichsam himmlische Flamme anstecken. Diese zündete das mitten in der Höle auffgesetzte /und aus eitel wolrüchendem Talcke und eingeamberten Wachs bereitete Bild der Porcia an /und erleuchtete durch das sie verzehrende Licht die Höle. Die auff allen Fall eben so hertzhafft / als Porcia zu sterben entschlossene Fürstin Asblaste hatte nicht ohne Nachdencken an den Fuß dieses brennenden Bildes schreiben lassen:


Hier brennet Porcia; doch ist ihr Brand ein Licht

Unglücklichen den Tod / die Ruhms-Bahn uns zu zeigen /

Wenn unser Geist sich soll fůr Glůck und Siegern neigen;

Wenn jenen thör'chte Gunst gönnt Gifft und Messer nicht;

Weil dem / der sterben will / kein Mittel nie gebricht.

Auch jagt ein glüend Brand nur Schrecken ein den Feigen.

Die Thränen / die hier falln / die Seuffzer / die hier steigen /

Sind Wehmuth / die mehr als Porcien anficht.


Die Kohlen / die sie schlingt / gebehrn ihr keine Pein.

Denn ihrer Liebe Glut / ihr sehnliches Verlangen

Des todten Vaters Geist / den Eh-Herrn zu umfangen

Ist heisser / als kein Brand um Schmeltz und Ertzt kan seyn.

So plagt und t \dtet nun der / der den Tod uns wehret.

Die aber lebt / die sich in Asche so verkehret.


Die Taffel verlängerte sich mit allem Fleiße biß in den sinckenden Abend; Da denn Asblaste einen Aufzug hundert Indianischer Frauen fürstellte; welche in einem künstlichen Tantze einen Holtzstoß aufbauten /selbten mit allerhand wolrüchenden Zunder anfüllten; darauff sich endlich ihre ziemlich lebhafft gebildete Königin setzte / welche zwischen denen krachenden Flammen ihren Leib dem Geiste ihres verstorbenen Ehgemahls aufopfferte. Welches Trauerspiel so artlich eingerichtet war: daß die meisten Zuschauer diese Verbrennung für die rechte Warheit aufnahmen. An dem lodernden Holtz-Stosse stiegen auch allerhand Lust-Feuer mit nachdencklichen Bildungen empor; welche sich endlich in einen feurigen Regen verwandelten; und das an einem erhobenen Orte aufgestellte Bild der Semele anzündeten; daß es hernach in Asche zerfiel / zu einer denckwürdigen Erinnerung: wie gefährlich es sey sich in der Liebe allzuhoch zu versteigen.

Lucius führte den neundten Tag sie auff das Lust-Hauß des Kriegs-Gottes; welches zwischen eitel rauen und unfruchtbaren Klippen lag. Seine Zierrathen bestunden in eitel Stürme / Brand und Schlachten abbildenden Gemählden. Die Taffel war auffs köstlichste bestellt / aber ohne Brod / vielleicht / weil nichts minder der feurige Kriegs-Stern / als der Krieg selbst die Saaten / ja gleichsam Laub und Graß versenget. Nach der Taffel erlustigte er seine Gäste mit einem künstlichen Roß-Tantze; darinnen Jupiter und Mars mit einander stritten; welcher unter ihnen zu der Hoheit der Stadt Rom am meisten beygetragen hätte. Jupiter hatte auff seiner Seite zwantzig Cretensische[1204] Schützen / Mars so viel Thracier mit Wurff-Spiessen. Dem Jupiter kam Juno mit zwölff Amazonen / dem Mars Venus mit so viel Liebes-Göttern zu Hülffe. Welche alle sich zwar kämpffende wunderseltzam durch einander vermischten / gleichwol aber in solchem Handgemenge allezeit eine richtige Ordnung / und eine den Seiten-Spielen gemäße Bewegung schauen liessen. Darzwischen wurden iedes Gottes Thaten wechselsweise heraus gestrichen / und insonderheit vom Jupiter gerühmet: daß er selbst das Capitolium zu seinem Sitze erwehlet / das vom Ariovist dem Mars wieder Rom gethane Gelübde unterbrochen / von der Juno: daß sie endlich zu Einäscherung ihrer eigenen Stadt Carthago Rom zu Liebe geholffen; vom Mars: daß er den ersten Stiffter Romulus selbst gezeuget; seine Wölffin ihm mit der Milch einen streitbaren Geist eingeflöst; von der Venus: daß sie den Eneas wieder die gehäßige Juno in Schutz genommen / ihr vorgehender Stern ihm in Italien den Weg gewiesen / von ihm den Julius gebohren; und eine Mutter des Julischen Geschlechtes wäre; welches Rom allererst zu der höchsten Macht und Glantze empor gehoben hätte. Der Kriegs-Gott erlangte endlich den Preiß /nemlich einen mit Diamanten umwundenen Grase-Krantz / den ihm / als er gleich in der Mitte der Kämpffenden zu halten kam / der aus der Höhe herab fahrende Geist der Stadt Rom auffsetzte.

Den zehenden Tag gieng der Zug auffs Lust-Hauß der Venus / welches an Lust allen andern den Preiß wegnahm. Denn es lag an der See in einem Myrten-Walde; darinnen mehr / als zwantzig Quellen aus den Klippen entsprangen / und mit ihren rauschenden Bächen nichts minder die Ohren / als Augen vergnügte. Unter diesen Klippen waren ihrer zwey einander gegen über; aus daher einem Eyskaltes / aus dem andern warmes Wasser in zwey neben einander stehenden und zum Baden geschickte Alabaster-Schalen spritzten. An der kalten war das Getichte des zur Blume werdenden Narcisses künstlich gebildet; und in den marmelnen Fuß eingegraben:


Narciß / der seinen Durst allhier zu leschen meinte /

Gerieth in sich verliebt durch dieses Quell in Glut;

Durch Kält' und Brand in's Grab. Alleine diese Flut

Die ihm zum Sterben halff / doch bald den Tod beweinte /

Bezeugt / wie sehr sie ihn des Lebens schätzet werth:

Weil sie die Blumen netzt / in die er ward verkehrt.


Massen denn an der Bach / in welche sich dieses Quell ausschüttete / viel tausend Narcissen wuchsen. An der Alabaster-Schale / in welche das warme Wasser fiel / stand das Getichte / wie Venus dem vom wilden Schweine angetasteten Adonis zu Hülffe eilet; den Fuß aber an den Dornen ritzet / und damit die weissen Rosen röthet. Am Fusse war in rothem Marmel zu lesen:


Diß Quell war vormahls Eyß /

Und iede Rose weiß /

Als Venus aber sie bespritzte durch ihr Blut /

Ward diese Purpur / jene Glut.


Die aus der Schale abschüssenden Bäche machten gleichsam ein kleines Eyland / ehe sie sich mit einander vereinbarten / welches mit eitel in voller Blüte stehenden Rosen-Sträuchen besätzt war; gleich als wenn an diesem Orte aller Jahrs-Zeiten Annehmligkeit stets mit einander verbunden wären. Mitten aber /wo sie zusammen ranen / stand ein Marmel-Bild; da die fünff Sinnen die in einer Muschel schlaffende Venus auf den Achseln trugen; und aus allen Oefnungen theils warmes / theils kaltes Wasser spritzten. Um den Fluß war eingegraben:


Das Rauschen dieser Bach liebkos't den zarten Ohren /

Durch ihr schön Silber wird iedwedes Aug' ergetzt /

Und der Geruch erquickt von Blumen die sie netzt.

Wem nicht ihr Wasser schmeckt / hat den Geschmack verloren.

Wer Wärmd' und Kůhlung sucht / der fühlt hier Glut und Eys.

Und so vergnügt die Bach vollkömmlich alle Sinnen.

Allein in dem besteht ihr allergröster Preiß:

Daß wir vergänglichen sie ewig sehen rinnen.[1205]


Diese gantze Gegend war auch von Rosen derogestalt angefüllt: daß derselben Geruch vieler Häupter einnahm. Das Lust-Hauß war mit denen künstlichsten Gemählden ausgezieret / in welchen ihre Geschichte abgebildet; die Speisen aus allen ersinnlichen Dingen / welche eine fühlende oder wachsende Seele haben /aufs köstlichste bereitet / und mit Blumen gezieret waren. Die erste Tracht bestand aus eitel Granat-Aepfeln / weil Venus sie in Cypern zum ersten gepflantzt haben soll. Auf der gantzen Taffel aber ward kein Wein gefunden; weil Antonia nicht die irrdische /sondern die himmlische Venus fürbilden wolte / welche die Weisen für ein Kind des Himmels ohne Mutter / und eine Feindin der Wollust / für ein Bild der Göttlichen Schönheit / eine Anreitzer in der Seele zur Liebe Gottes und der Tugend halten; und welcher Feyer auch zu Athen ohne Wein begangen werden müssen. Uber diß stellte sie in einem künstlichen Schauspiele die gewaffnete Venus; wie sie alle ihr zusätzende schädliche Gemüths-Regungen; und den himmlischen Liebes-Gott; wie er die fleischlichen Wollüste unter dem Bilde des ihn anfallenden halb- viehischen Pan überwand / so zierlich für: daß auch die / welche sich auff eine andere Uppigkeit verspitzt hatten / dennoch ihre Vergnügung fanden; biß in dem dritten Aufzuge des Schauspiels die vorhin mit eitel Sternen bekleidete Venus sich in ein Trauer-Gewand hüllete; und einem ieden nach der Reinigkeit seiner Liebe ein gnädiges / oder nach seiner Geilheit ein grimmiges Todtes-Urthel schrieb / ja so gar ihre Seelen theils in Ergetzligkeit / theils in Pein versetzte. Sintemahl diese Göttin nicht nur für eine Vorsteherin der Geburt / sondern auch des Todes und der Geister gehalten wird; weßwegen Canachus ihr Bildnüs aus reinesten Gold und Helffenbeine fertigte / das auf dem Haupte die Himmels-Kugel / in der rechten Hand einen Granat-Apffel / in der lincken ein schläffrichtes Mah-Haupt trug. Alleine zuletzte besudelte die sonst ihrer Keuschheit wegen berühmte Antonia das vorhergehende Gute mit einem schlimmen Beysatze / in dem sie das Gerichte des Paris zwischen der Juno / Pallas /und Venus in einem Tantze zwar wegen ihrer gäntzlichen Entblössung und unzüchtigen Stellungen höchst ärgerlich / iedoch so künstlich fürbilden ließ: daß iede Person ihre Meinung mit stummen Gebehrden so deutlich ausdrückte / als sie mit ihrer Rede schwerlich besser zu thun vermocht hätte.

Den eilfften Tag verfügten sie sich auff das in einem annehmlichen Forst liegende Vorwerg der Dianen; welcher keuschen Göttin Stelle Julia wenig keusch vertrat. Das aus eitel grünem Marmel und Wacholder-Holtze gebaute Lust-Hauß war mit denen köstlichsten Gemählden ausgezieret; welche der Kayser theils aus dem zweyhundert Jahr für der Trojanischen Einäscherung von denen Zazynthern aufgeführten / und vom Annibal verschontem Tempel / theils aus dem Auldischen eben so altem Heiligthume Dianens dahin hatte bringen lassen. Fürnehmlich war würdig zuschauen das Gemählde der sich aus den Netzen windenden Britomartis / des Timarete / des Nicons Tochter / der Dyctynnischen Dianen nachgemacht haben soll / und der Aufzug der geschwängerten Gespielen / welche die Diana zu versöhnen in ihren Körben allerhand Opffer in ihren Tempel trugen / und ihre Gürtel darein auffhiengen; ferner das vom Apelles gemachte Bild der Taurischen Diana / welche in der rechten Hand einen Pardel / in der lincken einen Löwen hielt; um sich aber herum viel aufgeopfferte Fremdlinge hatte. Am allerhöchsten aber ward geschätzt eine Taffel; darauff die Pellenische Diana alle Menschen / welche sie ansahen / wahnwitzig; alle von ihren Augen bestrahlte Bäume aber unfruchtbar machte / und der Früchte beraubte. Unter dem Lusthause stand[1206] ein künstlicher Spring-Brunn aus Corinthischem Ertzt und Marmel; in welchem die vom verliebten Fluße Alfeus verfolgte Diana sich und ihre Gespielen mit Kothe bekleibet; und also ihm entrinnet. Die Speisen waren eitel Wildpret; und von so vieler Art: daß es schien: es hätte das gantze Römische Reich alle Seltzamkeiten seiner Wälder und Gebürge dahin versammlet; und in denen Schau-Essen waren nicht nur alle nur ersinnliche Thiere / sondern alle Geschichte / die man von der Diana oder berühmten Jägern erzehlet / abgebildet. Nach der Taffel führte Julia ihre Gäste mitten in den Forst; da sie / nach dem die Jäger alter Gewonheit nach die falsche Diana um Erlaubnüs zu jagen angeflehet / und den ersten gehetzten Hasen / entweder weil ihr Fleisch schön machen / oder sie für andern Thieren ein groß Hertze haben sollen / der Liebe zu opffern fortgeschickt hatten / zum ersten in einer umgarnten Stallung mehr /als tausend Hasen / worvon aber die jungen alsbald abgesondert / und der Diana zu Liebe loß gelassen wurden; theils die Hunde erwürgen / theils ihre Gäste mit Pfeilen erlegen ließ. Hierauff kamen in die Stallung dreyhundert Füchse; welche von denen Jägern eine gute Zeit in die Lufft geprellt / und hernach allererst zu tode gehetzt wurden. Diesen folgten hundert Wölffe; welche mit so vielen Hunden einen blutigen Zweykampff hielten. Zweyhundert Rehe / die alle von der Götter Pfeilen fielen; ferner / hundert wilde Schweine; die von grossen Britannischen und Thracischen Hunden erlegt wurden. Endlich traten in die Stallung funffzig Hirsche mit grossen Geweihen /derer keines unter dreyzehn Enden hatte; wovon die meisten gleicher Gestalt der Zuschauer Pfeile fälleten / etliche aber dennoch über die höchsten Garne setzten. Nach dieser Erlustigung führte Julia die Versamlung in den nahe dabey gelegenen Thier-Garten; in welchen der Kayser alles dieses Wild aus Africa und Hispanien hatte bringen lassen. Da denn in einem gemauerten Kampff-Platze anfangs drey Luchse gegẽ drey Tiger; zuletzt ein wilder Ochse gegen einen Löwen kämpffen; die Uberwinder aber gleichwol mit Pfeilen getödtet wurden. Endlich verlohr sich Julia von der Gesellschafft / und ließ den Mercur ihre Gäste in ein lustiges Thal leiten; da sie denn auf einem mit fruchtbaren Bäumen überschatteten Felsen die Julia mit zwölff andern Frauenzimmern in Gestalt der badenden Diana fingernackt antraffen. Kurtz darauf hörten sie ein Gethöne der Jäger-Hörner / und Gebelle der Hunde. Worauff sich denn ein wolausgeputzter Jäger sehen ließ / und biß an diß Bad eine Hindin verfolgte. So bald aber Julia und ihre Gespielen ihn mit ihrem Wasser bespritzten / kriegte dieser armselige Acteon zu aller Zuschauer Erstaunung grosse Geweihe auff den Kopff. Worauff ihn seine eigene Hunde anfielen und in Stücke zerrissen. Niemand wuste zu sagen / wie es zugieng; und ich selbst als eine Zuschauerin weiß nicht zu errathen: Ob es Verblendung oder Zauberey gewesen sey. Wiewol nun diese Tage August die Fürstin Asblaste auffs freundlichste unterhielt; also: daß Terentia gegen sie eiffersüchtig zu werden begonte; blieb er doch iederzeit in den Schrancken einer solchen Bescheidenheit: daß Asblaste nunmehr durch die einmahl geschehene hefftige Bewehrung ihrer Keuschheit Augustens unziemliche Begierden überwunden / und sich in völlige Sicherheit gesetzt zu haben vermeinte. Weßwegen sie mit desto wenigern Sorgen sich den zwölfften Tag mit denen andern Göttern zu dem Vorwerge des Saturn verfügte; als bey dessen gramhafftigen Eigenschafft sie so viel weniger Liebes-Versuchungen vermuthete; der Kayser auch auff des Römischen Rathes bewegliche Bitte den folgenden Tag nach Rom auffbrechen wolte.

Der sonst dem sauersehenden Saturn ziemlich[1207] ähnliche Tiberius bewillkommte seine Gäste mit einer ungemeinen Freundligkeit / und zwar auf einem so annehmlichen Lust-Hause; welches zwar mit allerhand Sinnenbildern erfüllet war; in welchem seine selzamen Geschichte auf die Zeit und andere natürliche Dinge verständlich ausgelegt standen / sonst aber nichts unannehmliches in sich hatte. Er speisete zwar gar kein Fleisch; weil es unter der Herrschafft des Saturns nicht soll zuläßlich gewesen seyn; aber alle andere köstliche Gewächse unter der Sonnen waren hier beysammen; ja von denen säuerlichen Granat-Aepfeln wurden gleichsam gantze Berge aufgethürmet; und die Säder in Speisen waren mit denen köstlichsten Säfften alle säuerlich zugerichtet. Weil der bitter und sauere Geschmack diesem Gotte allein zukommen soll. Das Geträncke war der herrlichste Wein übers Meer auf den fernen Glücks-Inseln geholet; welchen er die Thränen des Saturn nennte; weil diesen Nahmen sonst das bittere Meer selbst führet. Nach der Taffel zeigte Tiberius / aus Andeutung: daß die Drachen und Schlangen dem Saturn gewiedmet sind / in einem gemauerten Gebäue die funffzig Ellen lange Schlange /welche der Kayser aus Africa dahin hatte bringen lassen / und hernach zu Rom im öffentlichen Schauplatze zu grosser Verwunderung des Volckes gewiesen ward. Und zwar auf diesen Eylande unter einer Menge von mehr als tausend kleinern Schlangen und Nattern / die der grossen / als ihrer erkiesten Königin / ich weiß nicht / durch was für Kunst eine güldene Krone auffsetzten. Hierauf stellte Tiberius in einem grossen Saale ein Schau-Spiel für: da auff einem in Gestalt einer Himmels-Kugel gefertigten Schauplatze die sieben Irrsternen mit einander stritten; welche unter ihnen das köstlichste Ertzt bereitete. Saturn stritt für die Nutzbarkeit seines Bleyes / Jupiter für die Zierde seines Zienes / Mars für die Nothwendigkeit seines Eisens / die Sonne für die Unversehrligkeit des Goldes; Mercur für die heilsame und durchdringende Krafft des Quecksilbers / Venus für die Pracht des Kupffers / der Mohnde für die Herrligkeit des Silbers / und führte ieder allerhand Ursachen seines Vorzugs an. Nach dem nun die übrigen Götter für das Gold den Ausschlag gaben / und erwehnten: wie alle andere Arten des Ertztes durch die Krafft der Sonne und des Feuers sich mühten die Vollkommenheit des Goldes zu erreichen; wie Jupiter sich selbst in Gold verwandelt / Mars seine Waffen / Mercur seinen Stab /Venus ihren Wagen / Diana ihre Hörner mit Golde ausputzten; machte Saturn der Sonne die Zeugung des Goldes strittig; und meinte selbte für sich zu behaupten; weil unter seiner Herrschafft unstrittig die rechte goldene Zeit gewest wäre. Da denn nach einem langen Streite der Ausschlag dieses Streits dahinaus fiel: daß die Sonne in den Bergen; der einfältige Saturn aber in den Hertzen der Menschen das köstliche Gold-Ertzt zeugte. Hierauf ward in einem Tantze die Zentner-Last der eisernen; die Beschwerligkeit der silbernen /und die Herrligkeit der güldenen Zeit; in welcher alles gemein gewest ist; das Meine und Deine keinen Krieg erregt; auch die Felder ohne Arbeit Früchte gebracht haben / fürgestellet. Worbey die vier und zwantzig Stunden die Götter singende beweglich anfleheten die güldene Zeit und die Gemeinschafft aller Sachen wieder einzuführen; das Ertzt des Goldes aber / welches ein schädliches Terpentin-Oel in sich stecken hätte /daran die Seelen der Menschen / wie die Vogel an dem Leime kleben blieben / aus der Welt verbannen möchten. Sintemahl damahls / als man von keinem Golde gewüst hätte / die rechte güldene Zeit gewest wäre.

Alldieweil aber August abermahls Schreiben empfieng: daß der König und Priester des Bacchus in Thracien Vologeses einen mächtigen Krieg erregt hätte / muste er sich der Gesellschafft[1208] entziehen; gab auch in Anwesenheit der Fürstin Asblaste Livien zu vernehmen: daß er die gantze Nacht mit nöthigen Anstalten der Reichs-Geschäffte zubringen würde. Worvon Livia Anlaß nahm Asblasten zu ersuchen: daß sie solche Nacht bey ihr im Zimmer schlaffen möchte. Asblaste gab ihren Willen unschwer darein; weil Livia ihr bey diesem Zustande befehlen konte / sie auch nichts böses argwohnte. Sie schlieff kaum drey Schritte von Livien gantz sicher; biß sie nach Mitternacht erwachte und gewahr ward: daß ihr iemand die Brüste betastete. Worüber sie einen so hefftigen Gall anfieng zu schreyen: daß ich und Liviens Frauen-Zimmer im Vorgemache darüber erwachten. August und endlich Livia selbst suchten Asblasten zu besänfftigen / und sie zur Liebe zu bewegen. Nach dem aber Asblaste aus dem Bette sprang / den Nacht-Rock über sich warff / den liebkosenden August mit Gewalt von sich stieß / und ihn einen Ehbrecher / Livien aber eine Kuplerin ihres eigenen Ehmanns schalt; fieng Livia /um übele Nachrede zu verhüten / an / Augusten zu entschuldigen: daß / weil sie sonst in dem der Asblaste aus Höfligkeit eingeräumten Bette zu schlaffen pflegte; wäre August irre gegangen / hätte also für die eingebildete Livia Asblasten angerühret. Diese aber war durch nichts zu bereden in selbigem Zimmer vollends zu übernachten / sondern sie kam mit zitternden Gliedern ins Vorgemach / und fiel ohnmächtig auf mein Bette: daß ich länger als eine Stunde an ihr zu reiben und zu kühlen hatte; ehe sie wieder ein wenig zu Kräfften kam. Mit diesem aber / (sagte die Gräfin von der Lippe /) gieng meine Angst allererst an; denn sie wolte für Unmuth: daß sie von Augusten so geile Betastungen gelitten hatte / ihr das Messer in die Brüste stossen / vorgebende: daß kein ander Wasser / als Blut / ihre Flecken abwaschen könte. Ich wand ihr aber mit genauer Noth das Messer aus / und hielt ihr beweglich ein: wie kein Leib / sondern nur die Seele durch den Werckzeug boßhaffter Einwilligung von Lastern besudelt zu werden fähig; der Selbstmord aber eine Wiederspenstigkeit gegen das Verhängnüs /welche das ihm anvertraute Leben nichts minder / als ein unbändiges Last-Thier seine aufgelegte Bürde halsstarrig von sich wirfft / eine Mißgeburt der Kleinmuth; und ein thörichtes Werck eines verletzten Gewissens wäre. Weßwegen Tarquinius und andere Obrigkeiten solche Leichen hätten lassen an die zu Bestraffung der Knechte aufgerichtete Creutze nageln. Asblaste aber versetzte mit: dieses hätte seine Weise; wenn ein tugendhafft Gemüthe mehr keine Anfügung Schimpfes und Schande zu besorgen hätte. Sie aber sähe ihre Ehre in der höchsten Gefahr für dem nach ihr wiegernden August. Und hiermit / als es kaum zu tagen begunnte / erhob sie sich unversehens aus dem Gemache / und lieff gantz verzweiffelt einem abschüßigen Felsen zu. Ob ich ihr nun zwar gleichsam schon auf der Fersen war; sprang sie doch von dar in das Meer. Die Göttliche Versehung aber schickte es so wundersam: daß die Fischer auf dreyen Nachen gleichen ihren Netzen zohen; und / als Asblaste ins Wasser fiel / in Meinung: daß ein grosser Fisch aus dem Netze springen wolte / die Netze zusammen zohen /also statt des Fisches die wunderschöne Asblaste aus dem Wasser zohen. Mein zwischen ihrem Geräusche vorhin nicht wahr geno enes Wehklagen kam den Fischern nun auch zu Ohren; daher sie mit ihrem seltzamen Fange so viel mehr ans Ufer eilten; und mir meine verlohrne Asblaste / der ich mich Lebenslang schon verziehen hatte / wieder überantworteten. Sie war mehr einer Leiche / als einem lebendigen Menschen gleich; und schoß ihr das Wasser häuffig aus Mund / Nase und Ohren. Gleichwol aber kam sie nach ein par Stunden durch meine und zweyer anderer Frauen-Zimmer Hülffsleistung wieder zu sich:[1209] nach dem wir sie ins Vorwerg an einen bequemen Ort gebracht hatten. August / als er diese Begebenheit erfahren / war nicht minder beschämt / als erschrocken. Daher er in höchster Eil zu Schiffe nach Minturne forteilte / und Befehl hinterließ / Asblastens auffs beste zu pflegen. Ihre zwey Söhne / Herrmañ und Flavius / welche der Kayser nebst dem jungen / aber sehr plumpen Agrippa und andern edlen Römern mit allerhand Kurtzweil hatte unterhalten / und die in dem Misenischen Seebusem liegende Seeplätze besehen lassen / musten so eilfertig mit nach Rom: daß sie ihrer Frau Mutter kaum die Hände zu küssen Zeit hatten. Worüber Asblaste abermahls so wehmüthig ward: daß sie nach ihrem Abschiede aus gefaster Einbildung sie ni ermehr wieder zu sehen / Sprache und Seele verlor / und in etlichen Tagen kaum aus dem Bette und wiederum zu Gesprächen gebracht werden konte. Wir blieben wol zwey Monate auf diesem Eylande; da ich denn noch genungsam an Asblasten zu trösten /und ihr einzuhalten hatte: daß der Himmel sie nicht ungefähr bey ihrer verzweiffelsten Entschlüssung aus dem Rachen des Meeres errettet; sondern zu noch etwas sonderbarem vorenthalten hätte; daher solte sie durch ihre Ungedult GOtt nicht beleidigen; und das ihr bestimmte Heil nicht mit Füssen von sich stossen. Alleine dieses Eylandes Lust-Garten war nunmehr Asblasten so sehr zu wieder / als die Insel Ithaca den Hasen / Creta und der Berg Olympus den Wölffen /Africa den Hirschen. Die wolrüchenden Kräuter stancken sie an; und für denen heilsamsten Früchten eckelte ihr. Daher sie an den Kayser eine demüthige Bittschrifft abgehen ließ: daß er zu ihrem Gefängnüße ihr unter einem kühlern Himmelsstriche einen andern Ort ausstecken möchte / weil sie so heisser Lufft entwohnet wäre. Welches denn auch so viel fruchtete: daß der Kayser verordnete uns auf das zwischen Corsica und Etrurien liegende Eyland Caprasia / so gleichfalls von den wilden Ziegen den Nahmen hat /zu führen. Wir hatten diß schon im Gesichte; als ein hefftiger Sud-Ost-Wind uns bey selbter vorbey trieb /und sich hernach in einen sechstagichten Sturm verwandelte / endlich unser Schiff nicht ferne von dem Munde des Flusses Iberus an einem Felsen zerschmetterte; also: daß ich mit genauer Noth auf einem Stücke Brete ans Ufer schwamm / und nach etlichen nicht erzehlenswürdigen Ebentheuern unser Deutschland wieder erreichte; biß auf den gestrigen Tag feste glaubende: daß die Fürstin Asblaste ihr Begräbnüs in dem Iberischen Meere gefunden hätte.

Fürst Adgandester lösete nunmehr die Gräfin von der Lippe in ihrer Erzehlung ab; mit der Vertröstung: es würde die tugendhaffte Asblaste ihnen die Uberbleibung ihrer Schiffarth und seltzamen Leben-Lauffs nicht mißgönnen; er müste nunmehr seinem Versprechen nach sich zu dem mit dem Kayser nach Rom gediegenen Fürsten Herrmann und Flavius wenden. Herrmann hatte das Glücke noch auf der Reise nach Rom des Kaysers Gewogenheit zu erwerben. Denn als er bey Minturne aus dem Schiffe gieng / von der aus selbtem aus Land angeworffenen schmalen Brücke mit den Füssen abgliet / und ins Wasser fiel; alle anwesende Römer aber hierüber einander nur für Schrecken ansahen / sprang der von Kind auf des Schwimmens gewohnte Fürst Herrman behertzt ins Wasser / erwischte den untersinckenden Kayser beym Arme / und brachte ihn aus augenscheinlicher Lebens-Gefahr glücklich ans Land. Der errettete August umarmete diesen jungen Fürsten / nennte ihn seinen Sohn; und versicherte ihn: daß er und sein gantzes Geschlechte dieser unvergeßlichen Wolthat genüssen solten. Dessen erste Frucht er und sein Bruder Flavius daran genaß: daß sie bey des Drusus Siegs-Gepränge wegen der[1210] in Deutschland geführter Kriege nicht als Gefangene mit eingeführet wurden; sondern mit dem Kayser den Tag vorher in Begleitung des jungen Agrippa und des Germanicus zu Rom einzogen. Nach dem auch Drusus kurtz hierauff an statt des Stadtvogts des Kaysers Geburts-Tag in der Stadt Rom mit allerhand Schau-Spielen und Jagten feyerte; der Kayser aber darbey das Unglück hatte: daß ihm an einem hauenden Schweine das Eisen brach / der neben ihm stehende Ausgeber Diomedes auch aus Furcht hinter den Kayser sprang; war der junge und zarte Flavius so behertzt: daß er mit seinem kleinen Eisen deñ schaumenden Hauer begegnete / und dem in Gefahr stehenden Kayser so lange Lufft machte / biß zwey Britannische Tocken diß wilde Thier anfasten / und August ihm ein ander Eisen durchs Hertze trieb. Wordurch Flavius die vorige Gnade des Kaysers nicht allein befestigte / und dem zaghafften Diomedes das Leben erbat / sondern diese zwey Fürsten erwarben durch ihre Ehrerbietung Liviens; durch ihre lebhaffte Freundligkeit aller edlen Römer Gewogenheit. Der Kayser ließ sie auch in der Gesellschafft des jungen Agrippa und Germanicus so wol in der Grichischen Sprache und der Welt-Weißheit / als in allen Ritter-Spielen und Kriegs-Ubungen fleißig unterweisen; wiewol beyde junge deutsche Fürsten / fürnemlich Herrmann in denen erstern einen guten Grund in Deutschland gelegt hatten; in denen letztern aber schon den Meister spielte; und es im Ringen / Rennen / Fechten / Schüssen / Spießwerffen den meisten jungen Römern zuvor that / also: daß der auf die Schenckel schwache Germanicus / welchen die Römer gleichsam für ein Wunderwerck zeigten; nicht nur an Schönheit / Geschickligkeit und Kräfften des Leibes ihm ohne Wiederrede nachgeben muste; sondern in der Beredsamkeit / in Fertigung Grichischer Getichte und denen Ritter-Spielen mit ihm eifferte; heyde also zu Erlangung der Vollkommenheit gegen einander angeflammet wurden. Im Schwimmen that es dem Fürsten Herrmann und Flavius kein Mensch in Rom gleich. Denn sie schwammen zu aller Verwunderung in voller Rüstung über die Tiber; beglaubigten also die Getichte des schwimmenden Cocles / daran die Römer biß auff selbigen Tag selbst gezweiffelt hatten; und verursachten: daß der Vorsteher der Stadt Rom Mecenas zur Ubung des Römischen Adels eine grosse mit Marmel umsetzte Schwemme mit vielen Unkosten erbaute / welche aus eitel warmen Brunnen angelassen ward. Wordurch der sonst zwar wegen Stärcke des Leibes wilde / aber träge / tollkühne und keiner guten Künste erfahrne Agrippa gleichwohl einen Trieb bekam sich derogestalt auffs Schwimmen zu legen: daß er sich meist auff den See-Küsten auffhielt / und den Nahmen des Neptun an sich nahm. So sehr sich nun Agrippa mit seinen knechtischen Sitten beym Kayser verhast machte; und den Glantz seines Vaters verdüsterte; also von ihm wahrhafft zu sagen war: der alte Agrippa sey aus Staube ein Stern / der junge aus einem Stern Staub worden; so beliebt ward von Tage zu Tage mehr und mehr Fürst Herrmann; also: daß der Kayser ihn fast täglich um sich hatte / ihn ausserhalb der Stadt Rom in den Lust-Häusern bey seiner Taffel speisen ließ; ihm nicht allein ein Wort frey zu reden enthieng / sondern auch auf seine Vorbitte viel Römer und Ausländer ihres Wunsches gewehrte. Daher als August den Drusus wieder in Deutschland schickte / ja er auch selbst / um dem deutschen Kriege desto näher zu seyn / sich in das Lugdunische Gallien zu reisen fertig machte / und er aus den ihm vom Rathe und Volcke zu Rom zu Giessung seiner Bilder geschenckte Gold und Silber / des gemeinen Heils der Eintracht und des Friedens Seulen fertigen / und diese nebst das Siegs-Bild auff dem zum Gedächtnüße des Kaysers[1211] Julius erbauten Rathhause aufsetzen ließ; Fürst Herrmann zu Augusten anfieng: Er wüste einen viel herrlichern Ort / wo die Bilder der Eintracht und des Friedens stehen solten. Als nun der Kayser fragte: wo denn? Antwortete Herrmann: das erste auf dem Vogesischen Gebürge / das andere auf dem Blocksberge; und solten das erste die zur Zwietracht so geneigten Catten / das andere aber die ohne Ursache wieder die Cherusker streitenden Römer daselbst auffthürmen. Augusten gefiel diese freymüthige Erinnerung so wohl: daß er dem Fürsten Herrmann nicht allein erlaubte an seinen Vater den Hertzog Segimer zu schreiben / und des Kaysers Neigung zum Frieden zu berichten; sondern er befahl auch dem Drusus mit den Deutschen / insonderheit denen Cheruskern einen billichen Vergleich zu treffen. Aber der Ehrgeitz des Drusus und die Verachtung seines Feindes schlug des Kaysers Befehl in den Wind; welche Thorheit aber er mit Verlust des Römischen Kriegs-Heeres und seines Lebens büßen muste. Unterdessen bemeisterte Fürst Herrmann mit seiner Gestalt und Anmuth die Gemüther zu Rom; darunter auch der edelsten Frauen; also: daß nach dem Livia dem Tiberius zu Ehren wegen besiegter Dalmater dem Römischen Frauen-Zimmer ein köstlich Mahl ausrichtete / und sie mit der wegen des Kaysers Liebe hochmüthigen Terentia in einen Wort-Streit verfiel; welche unter ihnen die schönste wäre; erkieseten sie ihn / als in ihren Augen den Schönsten hierüber zum Richter. Wiewol nun der verschmitzte Fürst Herrmann sich dieses Urthels durchaus nicht unterfangen wolte; nebst andren höflichen Entschuldigungen vorschützende: daß der Hochmuth über Götter Reckt zu sprechen iederzeit mit dem Tode des Richters wäre abgebüsset worden; so lagen ihm doch Livia und Terentia / ja das gantze anwesende Frauen-Zimmer auffs beweglichste um seinen Ausspruch an; ihn versichernde: daß wie ihr Zwist ohne diß mehr eine Kurtzweil / als ein ernsthaffter Streit wäre; die geringste Empfindligkeit ihm daraus erwachsen könte; weil sie sich selbst wol bescheideten: daß in Urtheilung über die Gestalt man ins gemein die Meinungen nach der Anzahl der Richter zehlte / und die / welche gleich unter ihnen das Recht verliere / an ihrem Ansehen schlechten Verlust leiden würde. Sintemahl der Purper nichts minder dem Maah / als der Rose gemein; die Schönheit auch eine Blume wäre; welche zuweilen übel rüche / und aus einem schlechten Erd-Reiche wüchse; ja weñ sie auch einen untadelhafften Grund hätte; dennoch nur für die Rinde /die Tugend aber alleine für die rechte Frucht eines Baumes zu achten wäre. Dannenher man offtmahls für einer übermäßigen Schönheit / wie für einem andere Gestirne wegstechenden Schwantz-Sterne mehr zu erschrecken / als sich in selbte zu verlieben hätte. Fürst Herrmann / als er die Unmögligkeit sahe sich loß zu würcken; bat mit tieffer Ehrerbietung: Sie möchten seinen Gehorsam für keinen Vorwitz / seinen Fehler für kein vorsetzlich Verbrechen ausdeuten; ihn aber vor keinen solchen Richter annehmen; von dessen Urthel man sich nicht an einen höhern ziehen könte. Hierauff fieng er an: Terentia hätte den schönsten Mund; Livia die vollkommensten Brüste. Alles Frauen-Zimmer konte hierüber sich des Lachens nicht enthalten; und die Geurtheilten nahmen seinen Ausspruch für eine Vorrückung ihrer Fehler auf; weil der Augenschein das unstrittige Gegenspiel wieß; indem an Terentiens Schönheit niemand nichts; als daß sie einen zu weiten Mund; und an Livien: daß sie zu schlaffe Brüste hätte / ausstellte. Wie ihn nun deßwegen Terentia rechtfertigte; versetzte Fürst Herrmann: Es wäre kein Richter zwar die Ursachen seines Ausspruchs zu eröffnen schuldig; er scheute sich aber nicht seine Meinung[1212] dennoch zu behaupten. Terentia drang alsobald darauff selbte nicht zu verschweigen. Worauff Fürst Herrmann anfieng: Wenn Terentiens Lippen nicht von Honig trieffen; würden die in dem Munde des beredten Mecenas wohnenden Musen darauff nicht ihre annehmliche Sättigung finden. Weil nun Terentia ihm so bald nichts entgegen zu setzen wuste; fragte Livia nach dem Grunde ihres empfangenen Urtheils. Herrmann begegnete ihr: Selbter stünde auff denen ihr nechsthin von dem Römischen Rathe auff gesetzten Porphyr- und Alabaster-Seulen geschrieben. Nach deme ihr aber Livia solchen fremde machte; fuhr er fort: Sind denn die Brüste einer so fruchtbaren Mutter / welcher zwey Söhne ihr das Recht dreyer Kinder zueigneten / nicht denenselben vorzuziehen / die mit Noth ein einiges Kind zu säugen gehabt? So wol Livia / als Terentia waren mit dieser Auslegung vergnügt / und alle Anwesenden musten nichts minder die Vorsicht dieses jungen Herrn niemanden zu beleidigen / als seine scharffsinnige Auswindung aus dem ihm gestellten Garne rühmen. Die freudige Julia versuchte an ihm noch alleine ihr Heil; und fragte: was denn Herrmann ihrer Gestalt für einen Mangel auszustellen wüste? worauff Fürst Herrmann augenblicks antwortete: Ihren Augen. Julia / welche mit ihren kohlschwartzen Augen gleichsam zwey lebhaffte Sternen beschämte; versetzte: worinnen denn ihr Gebrechen bestünde? welcher Herrmann alsofort begegnete: weil sie um die von ihnen getödtete Seelen sich hätten müssen in die Trauer kleiden. Julia erlangte hiermit ihre vollkommene Abfertigung; Terentia aber hatte inzwischen auf einen Einwurff gedacht; und fieng gegen den Herrmann an: Ihre Brüste wären darum: daß sie nur ein Kind gestillet hätten / so wenig verächtlich / als die Perlen-Muscheln; welche sich auch nur einer eintzelen Geburt rühmen könten; Nichts minder gienge der Purper-Schnecke an ihrer Köstligkeit nichts ab; ob ihre Fruchtbarkeit gleich nur in einem Tropffen bestünde. Fürst Herrmann versetzte: der Uberfluß thäte zwar wol der Seltzamkeit; woran sich die Mißgünstigen vergnügten / nicht aber der Köstligkeit / welche nichts minder schön / als nutzbar wäre / Abbruch; sonst würde Terentia die gütige Natur schelten / und die Muscheln ihrer schönen Augen; in welchen die Wehmuth so viel hundert Thranen-Perlen zeigte / ihre lebhafften Brüste / welche über und über mit Perlen beschüttet wären; ihre Blut-rothen Lippen / welche von dem überflüßigen Purper gleichsam auffspringen wolten / verächtlich halten müssen. Terentia ward hierüber stumm / und alles Römische Frauen-Zimmer über diesem jungen Fürsten nichts minder verwundernd / als vergnügt; sonderlich / weil sie die Höfligkeit und Scharffsinnigkeit nur für eine Geburt der Stadt Rom hielten; und in Gedancken waren: daß selbte so wenig das Alpen-Gebürge / als der Fenix die sändichten Wüsteneyen Arabiens überflügen könten. Insonderheit warff Terentia auff diesen Fürsten ein Auge; und sie empfand in ihrem Hertzen anfangs eine gewisse Ergetzligkeit /wenn sie ihn nur zu Gesichte bekam; hernach ein Verlangen seinen Ritter-Spielen und Kriegs-Ubungen zuzuschauen / noch mehr aber in seiner Gesellschafft zu seyn / und sich mit ihm in Gespräche einzulassen; insonderheit als August im Lugdunischen Gallien war. Hierdurch kam er auch beym Mecenas in verträuliche Kundschaft; dessen Hauß ohne diß ein Auffenthalt aller fürtreflichen Köpfe / nichts minder / als sein Leben ein Beyspiel der menschlichen Vergnügung war. Bey dem Fürsten Herrmann aber unternahm er sich gar einer sorgfältigen Unterweisung; und / wormit er ihm / als einem Fürsten[1213] die Weltweißheit so vielmehr verzuckerte; benahm er ihm alsbald anfangs den Irrthum des Pöfels und der Stoischen Weisen; Welche diese añehmliche Gefärthin als eine sauersehende Unholdin abbilden / uñ ihr nichts / als Strang und Messer in die Hand geben. Er zohe ihr diese abscheuliche Larve vom Antlitze / und lehrte ihn: daß weil der Zweck der unverfälschten Weltweißheit in der Rube des Gemüthes / und in der Freudigkeit eines ungefässelten Geistes bestünde; müste man aus allen an sich selbst auch verdrüßlichen Dingen eben so Wollust schöpffen; als man mit sauern Granat-Aepffeln die allzusüssen Speisen annehmlich machte. Diesemnach wäre es ein lächerlicher Aberwitz / wenn Zeno diese edle Göttin in eine Henckerin / und ihre Liebhaber in Ruder-Knechte verwandelte; ihre Taffel in Sand und Koth deckte / und nur Wasser und Gritze zur Kost auffsetzte. Wenn er ihr ein verschimmeltes Faß zum Zimmer einräumte; und nur Sack-Leinwand zum Kleide verlaubte / wenn er ihr eine schlammichte Tasche zum Behältnüß alles Vorraths anhienge; und einen knörnrichten Stab zum gantzen Beyschube ihrer Reisen mit gäbe; Gleich / als wenn die Göttliche Versehung nicht alle Geschäncke der Natur dem Menschen zum Gebrauche geeignet hätte: daß also diese hartnäckichte Bettlerin die Natur und das Glücke /wenn sie ihre milde Hand und Gaben mit Füssen von sich stiesse / zu trotzen sich nicht scheuete / und zwischen ihrem zerrissenen Mantel mehr Hoffart fürbleckte; als der zu gelegener Zeit sich seiner Gemächligkeit bedienende / im Fall der Noth aber sich auch mit Wasser und Brodt vergnügende Epicur unter seinem Goldenstücke und Scharlach-Mantel verborgen hätte. Die Weißheit wäre nichts minder / als die Natur eine Magd und Befehlhaberin Gottes; also könte weder ihr Zweck / noch ihre Anleitung einander zu wieder seyn. Hätte jene nun eine Güte in der Heßligkeit gefunden /würde sie gewiß eitel flennende Mäuler / hängende Wangen / krüplichte Rücken / und hinckende Hüfften / ja an statt der Trauben und Pomerantzen nur Schleen und Holtz-Aepffel haben wachsen lassen. Warum solte denn die Weißheit ihre Kräfften zu solchen Erfindungen anwenden / wie sie ihren Zucker vergällen möchte? Warum solte sie von den Rosen-Sträuchen ihre Purper-Blumen vertilgen; und nur der Dornen warten? Da sie doch GOtt dem Menschen als ein überirrdisches Geschäncke verliehen hätte: daß sie als eine Erfinderin vieler Künste und Werckzeuge die Gebrechen der Natur ersetzen; und als eine Meisterin des Lebens / eine Herrscherin der Gemüths-Regungen ihre Schwäche in Vollkommenheit versetzen solte. Ich weiß wohl / liebster Herrmann / fuhr Mecenas fort: daß die / welche in eitel Haaren von Wichtel-Zöpffen / mit rauchen Antlitzen wilder Männer / in Lumpen voller Unflat daher gehen / die reinlichte Weltweißheit eben so für ein verzärteltes Lustweib / als den Mecenas für einen Weichling schelten; aber ich bin versichert: daß jene bey ihrer Fähigkeit viel mehr Maaß zu halten; und / ob sie zwar nicht wilde und mörderisch aussiehet / doch hertzhafft zu seyn; als Mecenas sich so wol auf dem Rasen / und in Haare /als auf Marmel und in Seide seine Vergnügung zu suchen wisse. Denn in Warheit: Die / welche auf Sammet und Purper sitzen / empfinden am allerersten die Folterbanck; und die Spitzen des stachlichten Glückes. Jener Sauertöpffe Unschuld und Hertzhafftigkeit bestehet in einem unzeitigen Urthel / und einer ungedultigen Verzweiffelung; in dem sie auff fremde Fehler alle Flüche ausschütten / selbst aber lange Zeit das dräuende Gesichte des Unglücks nicht vertragen können; sondern durch Eigen-Mord wieder sich selbst wüten; Dahingegen der sittsame Epicur aus fremden und so gar seines Ehgenossen Lastern ein Oel der Tugend[1214] zeucht / und ein kräncklichtes Leben dem Sterben; ja den Auffenthalt in einem glüenden Ochsen einem unzeitigen / wiewohl Ehrsüchtigen Begräbnüsse fürzeucht. Daß der vergnügte Mecenas bey seinem unauffhörlichen Feber gesunder Vernunfft ist; und bey seinem nahe drey Jahr entpehrten Schlaffe doch die Ruhe seines Gemüthes nie verlohren hat; Dieses ist die unverfälschte Weißheit / welcher sich die Fürsten nicht schämen dörffen / und von der auch die Niedrigen ihre Vergnügung haben. Bey dieser kan der reiche Licin / und der arme Fabricius / der wollebende Apicius / und der mäßige Tubero nach Unterscheid der Zeit zu rechte kommen; und nichts minder der übermäßigen Wollust abbrechen; als die zu scharffe Bitterkeit der Zufälle verzuckern. Mit diesen Lehren unterhielt Mecenas den Fürsten Herrmann; und bestärckte selbte durch sein eigenes Beyspiel; in welchem er ihm seinen vollkommenen Lebens-Lauff abmahlete /und viel ihm / auch so gar mit seiner zänckischen und üppigen Terentia begegnete Zufälle / wiewol unter verblümten Nahmen erleuterte; und Anleitung gab: wie ein Weiser hierzu lachen könte; wenn ein Thörichter darüber wolte aus der Haut fahren. Wie er durch diese Unempfindligkeit des Kaysers Gunst; die Obsicht über gantz Rom erworben; bey dem Römischen Adel die Beneidung seines Auffnehmens verhütet; Augusten mehrmahls von den hitzigsten Entschlüssungen / ja von Niederlegung der Römischen Herrschafft / die ihm theils Agrippa / theils die Verdrüßligkeit der grossen Bemühung und öfftere Unpäßligkeit vergällete / zurück gehalten hätte. Nebst diesen Sitten-Lehren brachte er dem Fürsten Herrmann unter ihren Kurtzweilen / oder / wenn sie mit einander in denen Lust-Gärten die Zeit vertrieben / allerhand Künste / nemlich geschwinder Rechnung /einen von ihm selbst erfundenen Handgrieff so geschwinde zu schreiben / als einer redete; die Feld- und Wasser-Mässung ohne gewöhnlichen Werckzeug /und noch mehr andere Wissenschafften gleichsam spielende bey; also: daß dieser nicht nur unter die vollkommenste Unterweisung / welche nicht nach dem Staube roch / noch im Schatten der Einsamen /sondern in dem Lichte der erfahrnen Weisen begriffen ward / gerieth; sondern beym Mecenas gleichsam das Kind im Hause war. Wiewol ihm nun Terentia mehrmahls / theils durch ihre üppige Lebens-Art ärgerlich fiel / theils durch ihre Liebkosungen diesem jungen Fürsten offt die Neigung zu einer solchen Wollust /welche keine Aufwärterin der Tugend ist / beybringen wolte; waren doch die derselben wiedrige Sitten in seinem Hertzen so tieff eingewurtzelt: daß sie auch die empfindlichsten Versuchungen heraus zu reissen viel zu unvermögend waren. Denn ob zwar die angenommene Tugend nach Art des mit schlechter Erde mehrmahls vermengten Ertztes einen schlimmen Beysatz verträgt; so ist doch die Krafft der angebohrnen und durch die Sitten des Landes angewöhnten Tugend so starck: daß sie / wie das Oel / keinen schlechten Beysatz oder Feuchtigkeit mit ihr vermischen läst; sondern ihre köstliche Fettigkeit auch in den grösten Tieffen der Laster allezeit oben schwimmt. Uber diß stand des Fürsten Herrmanns Tugend in des Mecenas Hause und Terentiens Gemeinschafft gleichsam wie das Gold in dem Schmeltz-Ofen ihre richtige Prüfung aus. Sintemahl es unter eitel tugendhafften / und wo man zu sündigen weder Anlaß noch Gelegenheit hat /tugendhafft seyn eine so schlechte Kunst ist / als bey stiller See und gutem Winde einen Schiffer abgeben. Einer / den sein Blut nicht reitzet / ist mehr frostig; und den keine Schönheit locket / mehr eingeschlaffen / als keusch. Daher verdienet nur der / welchem sein frisches Alter / sein kräfftiger Leib / sein liebkosendes Glücke / das Vermögen seine Uppigkeit auszuüben geben / und welchem schöne Terentien Körner[1215] der Wollust fürstreuen / den Ruhm der Mässigkeit / wie ein Kriegs-Mann der Tapfferkeit / der durch ihm zusetzendes Feuer und Eisen sich hertzhafft durchgeschlagen hat. Salonine brach ein: So höre ich wol: Fürst Adgandester pflichte dem neuen Weltweisen bey; welcher unlängst keine nicht in Versuchung geführte Tugend darfür wolte gelten lassen; und daher daß Behältnüß der Vestalischen Jungfrauen für einen knechtischen Kercker der Seele / und die Einsamkeit für ein Fuß-Eisen der Tugend verdammte; hingegen seine Schüler in offentliche Huren-Häuser zu Anschauung der schändlichen Geilheiten führte; denen entblösten Weibern ihre Brüste betastete / und darbey sich einer kaltsinnigen Unempfindligkeit rühmte / um seinen Nachfolgern theils die Heßligkeit der Laster für Augen zu stellen / theils sie anzugewöhnen / wie sie die Versuchungen der Wollüste auch / wenn sie mit allen ihren Waffen ansätzten / mit unverwendetem Gesicht überstehen solten. Daher er auch Ulyssen für kein Bild der Tugend gelten ließ / weil selbter der Wollust keinen Streich auszuhalten / noch die liebreitzenden Sirenen anzuhören sich getrauet / sondern die Ohren verstopfft / und für seinem Feinde entlauffen wäre. Alleine diese Weißheit wolte nicht den Stich halten. Denn dieser Lehrer führte seine Schüler zwar leicht auff diese gefährliche Syrten; aber sie wieder heraus zu bringen war kein Rath; und wurden bey nahe alle Nachfolger des wollüstigen Aristippus. Seiner Schwester / welche hundert schöne Mägdlein in täglicher Gemeinschafft junger Edelleute zu Keuschheits-Märterern machen wolte / gieng es nicht besser. Denn ehe das Jahr vorbey war / giengen ihrer neun und neuntzig schweren Leibes. Adgandester antwortete: Er stimmte mit niemanden weniger / als mit dieses aberwitzigen Affter-weisen thörichter Meinung überein. Sintemahl ihm die menschliche Schwachheit / die angebohrne Neigung zum Bösen / und die Unvollkommenheit der Tugenden allzuwol bekandt wäre. In Anfechtungen müste freylich wol die Keuschheit eben so wol / als andere Tugenden den Siegs-Krantz verdienen. In die Stricke der Wollust aber selbst vorsätzlich rennen / wäre eben so närrisch / als wenn ein Schiffer mit auffgespannten Segeln in den Charybdischen Strudel rennen / und darmit seine Wissenschafft prüfen wolte. Sonderlich liesse es zwar sich allen andern Lastern die Stirne bieten / und selbte / wie Hercules die Ungeheuer / auffsuchen; für der Wollust aber wäre am rathsamsten Scythisch zu fechten; welche auff der Flucht mit ihren Pfeilen dem Feinde den grösten Abbruch thun. Mit dem Neide möchte man / wie Alcides mit dem Anthäus ringen /die Wollust aber müste man ihm nicht lassen zu nahe auf den Hals kommen / sondern sie wie Apollo die Gifft-hauchende Schlange Python von weitem erlegen.

Also machte es Fürst Herrmann; der in allem zugleich ein Lehrmeister seines jüngern Brudern Flavius; und bey seiner Gefangenschafft so vergnügt war: daß er bey nahe seines Vaterlandes darüber vergessen hätte; wenn selbtes ihm durch die Zeitungen von des Drusus Kriege nicht mehrmahls wäre ins Gedächtnüß gerückt / und deßwegen eine kindliche Sorgfalt in seinem Gemüthe erweckt worden. Denn ob ihm zwar sein kluger Lehrmeister mit gutem Grunde beybracht hatte: daß der Kampff wieder das Verhängnüß eine unfruchtbare Riesen-Stürmung des Himmels wäre; und wer schon unglückselig seyn solte / von der Last der vorsichtigsten Hülffs-Mittel erdrückt würde; ja seinen Aertzten unter den Händen vergienge; so kan sich doch ein großmüthig Hertz dieser zärtlichen Empfindligkeit und der Bekümmernüß für sein so süsses Vaterland unmöglich entschlagen; als dessen Liebe unserer Eltern / ja unsere eigene niederschlägt. Seine Sorge verfiel aber gleicher Gestalt nach und nach;[1216] weil / wie in unglücklichen Begebenheiten zu geschehen pflegt / anfangs durch zweiffelhaffte Zeitungen / endlich durch vergebene Vermäntelungen die Niederlage der Römer / und des Drusus Tod zu Rom ruchbar; und / ungeachtet der ausgesprengten Siege /gantz Italien in grosses Schrecken versetzt; ja August so bestürtzt ward: daß er alles Einredens ungeachtet /sich der Herrschafft begab; und es den Rath nicht geringe Müh kostete / solche ihm gleichsam wieder Willen wieder aufzudringen. Wiewol nun des Volckes zum Drusus getragene Neigung bey seinem Verluste eine nicht geringe Verbitterung verursachte / und daher Mecenas dem Fürsten Herrmann und Flavius rieth: daß sie sich bey Drusus Verbrennung auf dem Platze des Kriegs-Gottes nicht solten schauen lassen; so hieß sie doch August und Livia bey beweglicher Ablegung ihres Mitleidens nebst ihnen daher erscheinen. Und / weil sie ihn mit dem Nahmen des deutschen Drusus beehrten; so liessen sie ihnen auch gefallen: daß Herrmann und Flavius / als zwey deutsche Fürsten / die in einen gantz güldenen Todten-Topff zusammen gelesene Asche des Drusus in das Kayserliche Begräbnüs trugen. Ja / als über des Kaysers und Tiberius Lobrede der Römische Rath ihm auf der Appischen Strasse einen marmelnen Siegs-Bogen aufrichten / und in einer Uberschrifft eingraben ließ: Drusus hätte Deutschland überwunden; der großmüthige Herrmann aber darüber als einer ungegründeten Heucheley lachte; und wie Drusus nicht die Helfte Deutschlands gesehen hätte / deutsch heraus meldete /befahl der Kayser die Uberschrifft zu mäßigen; und über seine Siegs-Zeichen einzugraben: Von denen in etlichen Schlachten geschlagenen Deutschen. Sintemahl der damahlige Zustand all zu klar an Tag legte / wie weit es fehlte: daß die Deutschen im Kriege vom Drusus wären überwunden worden. Nach dem auch die Bürgermeister bey denen dem Drusus zu Ehren angestellten Spielen viel Deutsche auff Leib und Leben gegen einander zu fechten zwingen wolten; vermittelte es August dem Herrmann und Flavius zu Liebe dahin: daß nicht nur hierzu kein Cherusker / ja auch kein edler Deutscher / welcher nicht mit denen auch edlen Römern sich freywillig dem Kayser zu Liebe in Kampff-Platz verfügten / gezwungen ward; sondern auch hinführo jährlich mehr nicht / als zweymahl derogleichen Schau-Spiele gehalten / und zum meisten nur sechzig paar Fechter aufgestellt werden solten. Dahingegen vorher monatlich / ja zuweilen hundert und zwantzig Tage nach einander solches geschehen / und wohl zehen tausend Fechter auff einmahl denen blutgierigen Augen zur Kurtzweil aufgeopffert; ja so gar von denen / die nicht eben so reich /noch auch Raths-Herren / vielmehr aber nur Freygelassene waren / wieder das vom Cicero gemachte Gesetze / solche grimmige Ergetzungen angestellet wurden.


Alldieweil auch August ohne Schande und Verkleinerung der Römischen Hoheit den letzten dem Drusus versetzten Streich so schlechter Dinges nicht verschmertzen konte; oder vielmehr den Deutschen den Einfall in Gallien verwehren muste / schickte er zwar den Tiberius an Rhein; er ließ aber durch Livien dem Fürsten Herrmann an die Hand geben: daß er um der streitbaren Cherusker Gemüther zu besänfftigen an seinen Vater Hertzog Segimern umständlich schreiben solte: wie ehrlich und Fürstlich er und sein Bruder zu Rom gehalten würden; und wenn nur August von ihm einige Friedens-Zuneigung verspürte; sie von Rom erlassen zu werden sichere Ventröstung hätten. War also Herrmann abermahls der nützliche Werckzeug: daß selbiges mahl die Kriegs-Flamme zwischen diesen beyden Völckern nicht allzusehr zu Schwunge kam; sondern daß vielmehr[1217] ein Stein zu dem Friedens-Grunde mit den Cheruskern gelegt ward. Uber welcher Friedens-Hoffnung Tiberius zum andern mal die Bürgermeister-Würde und den Nahmen eines Römischen Feldherren erwarb; dem August aber zu Ehren der Monat / in welchem er das erste mahl Bürgermeister worden war / seinen Nahmen bekam.

Als Herrmann nun derogestalt gleichsam dem Kayser und dem Glücke in der Sches saß; zohe das Verhängnüs an dem Himmel eine trübe Wolcke zusammen; welche allen seinen Wolständ hätte einäschern können; wenn nicht seine Unschuld ihren Schlag auf ein ander Haupt gewendet hätte. Die geile Terentia hatte mit ihrem Zauber Liede dem wunderschönen Herrmann lange Zeit in Ohren gelegen; mit ihren hefftigen Liebesreitzungen aber bey ihm nichts als höflichen Schertz erworben. Weil sie nun nicht begreiffen konte: daß dieser junge Fürst / dem Liebe und Anmuth aus den Augen sah / und zwar in denselben Jahren: da das aufjährende Geblüte gleichsam auch gefrorne Menschen aufthauet / aus blossem Triebe der Tugend gegen ihren Liebreitz / welcher auch den Kayser bezaubert hatte / so unempfindlich seyn könte; vermochten ihre Gedancken ihr nichts so seltzames fürbilden; in welchem sie nicht die Ursache seiner Kaltsinnigkeit er grübeln wolte. Wenn ihr einkam: daß er sie als allzu alt / oder nicht schön genung / verschmähete / wolte sie bey nahe von Sinnen kommen. Denn keiner verdammten Seele Pein kan die / welche eine verschmähete Frau erduldet / übertreffen. Wenn ihr aber wieder das so vortheilhaffte Urthel einfiel /welches Fürst Herrmann mehrmahls für sie gefällt hatte; liebkosete sie wieder ihrer süssen Hoffnung /und raffte / wie zuvor / alle Waffen des Liebreitzes ihn zu fässeln / also itzt alle scharffsinnige Gedancken zusammen hinter das Geheimnüs seines Hertzens zu kommen. Wie sie nun einmahl auf des Mecenas Tiburtinischem Vorwerge der Meyen-Lust genaßen; und sie des Morgens früh vor Auffgang der Sonnen sich auff dem über die marmelnen Gewölber gepflantzten und meist mit ausländischen Gewächsen besetzten Lustgarten ergieng; hörte sie in dem Thale gegen den Fluß Anio eine annehmliche Stimme; welcher sie sich gemächlich näherte; sonderlich / als ihr selbte ie mehr und mehr bekandt fürkam / und sie endlich für des Fürsten Herrmanns erkennte; welcher aus einem Grichischen Schau-Spiele in der Person des auff der Helena Raub sinenden / und mit ihm selbst streitenden Paris gleich nachfolgende Reymen sang:


Der Sporn der Liebe reitzet mich /

Allein mich hemmt der Zaum der Ehren.

Sie meiden ist mein Hertzens-Stich /

Sie lieben / Seel' und Freund versehren.


Ja / wie soll ich und ein solch Weib

Vermengen Lieb' und Hertz zusammen /

Die tåglich ihren schnöden Leib

Aufopffert eines andern Flammen?


Denn / liebt sie gleich nur einen Herrn

Von hoher Würd' und vielen Gaben;

So mag ich doch auch Jupitern

Selbst nicht zum Neben-Buhler haben.


Fürst Herrmann hätte Zweiffels-frey weiter gesungen; wenn er nicht durch einen aus der Tieffe des Hertzens geholeten Seuffzer von Terentien wäre gestöret worden. Denn diß für Liebe brennende Weib meinte nun die Auslegung des ihr zeither verborgenen Räthsels aus dem Munde des allzu verschlossenen Herrmanns gehört zu haben; dessen Gedancken sie aus einer süssen Uberredung antichtete: daß er mit dem Kayser eyferte / und Terentien entweder gar nicht / oder nicht halb besitzen wolte. Sie bereuete aber alsobald den Vorwitz ihres unzeitigen Seuffzers / oder vielmehr das Unvermögen: daß sie mit ihren Gemüths-Bewegungen so gar nicht hinter dem Berge halten könte; sonderlich / als sie diese in ihren Ohren mehr als[1218] himmlische Stimme gäntzlich verstummen hörte. Gleichwol wolte sie sich nicht ferner bloß geben; verbarg sich also zwischen zwey Palm-Bäume / und enteusserte sich des Gartens: daß Herrmann weder ihr weiter gewar ward; noch wem er diesen Seuffzer zueignen solte / sich groß bekümmerte; am allerwenigsten aber dißmahl auf Terentien dachte. Sie hingegen saan nach / wie sie dem Fürsten Herrmann ihre gegen dem Kayser zeither bezeigte Gewogenheit auffs kaltsinnigste / ihre Liebe aber gegen ihm auffs feurigste entwerffen möchte. Weil sie nun auff alle seine Tritte Kundschafft legte / und folgenden Tag nach bereit untergegangenen Sonne erfuhr: daß er seinen gewöhnlichen Lustgang erkieset hätte / versteckte sie sich in ein an dem Flusse Anio liegendes Gepüsche; bey welchem Herrmann nothwendig vorbey gehen muste; fieng daselbst an den Brand ihrer Seele auszurauchen; und hierdurch nicht so wol ihr / als ihm den Stein seiner Schwermuth vom Hertzen zu weltzen. Zu allem Unglücke aber traff sichs: daß August den Mecenas selbigen Abend überfallen / und wegen Erweiterung der Römischen Stadt-Mauern mit ihm Unterredung pflegen wolte. Wormit er ihm aber so viel unvermutheter auf den Hals käme; hatte er seinen gantzen Aufzug hinter dem nechsten Lustwege zurück gelassen / und mit der einigen Livia diesen bekandten Lustgang erkieset; auf welchem er dem Fürsten Herrmann zuvor kam / und die einsame Terentia ihm eben gleich folgende Reymen mit vielen hertzbrechenden Seuffzern entgegen schicken hörte:


Verschmähstu / sch \nster Fůrst der Welt /

Die Seele / die sich dir zum Weyhrauch zůndet an?

Die einem Kayser zwar zum Schein ist beygethan /

Doch dich fůr ihren Abgott hålt;

Die zwar umarmet den August /

Dich aber schleust in Seel' und Brust.


Halt deiner Eyversucht doch ein:

Daß ich das Wunder-Qvell der Garamanten bin;

Daß wenn der Schatten fållt der Mitternacht dahin /

Pflegt heiß / deß Mittags kalt zu seyn.

Der R \mer Sonne bin ich Eys /

Dir / kaltes Nord-Kind / brenned heiß.


Du aber gleichst dem Brunne dich /

Der Fackeln zůndet an / wenn sie verloschen sind /

Und brennende lescht aus. Dein Liebes-Schwefel rinnt

In mein kalt Hertz / und peinigt mich.

Berührt dich aber meine Glut /

So bistu Schnee / gefrorne Flut.


Der Kayser / welcher sich von Terentien tausend vergeisterter Küsse zum Willkommen versehen hatte /erstarrte über dieser verächtlichen Verschmähung. Livia hingegt nahm durch das Gesträuche den an dem Flusse herab ko enden Herrmañ wahr. Welche Begebenheit ihm Terentiens Gesang noch mehr auslegte; ob selbter zwar seiner Klarheit nicht bedorffte. August kehrte hiermit auf dem Fuße um; und fuhr also fort ohne Beschreitung des Mecenatischen Vorwergs auff das Lust-Haus / welches des gefangenen Königs Syphax Wohnstatt gewest war. Fürst Herrmann aber /der den Kayser ebenfalls erblickt hatte / lenckte sich mit allem Fleiß von dem durch das Gepüsche gehenden geraden Wege ins Vorwerg / theils dem Kayser durch vorwitzige Ausspürung seiner einsamen Belustigung nicht verdrüßlich zu seyn / theils dem Mecenas von seiner Ankunfft Wind zu geben. Mecenas machte alsbald möglichste Anstalt zu des Kaysers würdiger Empfangung; etliche Leibeigne berichteten auch: daß sie seine Senffte und Wagen in der Nähe gesehen hätten. Alleine nach vielem Warten war kein Kayser zu sehen; und nach eingeholter Kundschafft /er mit seinem gantzen Auffzuge verschwunden. Mecenas verfiel hierüber in allerhand seltzame Gedancken; insonderheit / da er von der Einkehr in das einsame Lust-Haus des Syphar gewisse Nachricht erhielt. Am allermeisten ahnete Terentien nichts gutes / als sie verstand: daß August und Livia an dem Fluße Anio wären gesehen worden; allwo sie ihr Hertze so frey ausgeschüttet hatte. Es war ungefähr Mitternacht; als Lucinius ein Freygelassener[1219] vom Kayser ankam / und den Fürsten Herrmann abforderte. Dieser traff den Kayser an Gebährden und Gesichte so verstellt an /als er ihn vor niemahls gesehen hatte. Denn / weil Eyversucht nichts anders / als eine aus Liebe und Haß vermischte Mißgeburt / ja ein rechter Centaurus ist; kan ihre Begegnung nicht ohne Ungebährdung / und sonder Ausschüttung Feuer und Gifftes geschehen. Welche Entrüstung beym August so viel hefftiger war; weil Fürsten eben so empfindlich sind / wenn man ihnen ans Hertze rühret / als wenn man ihnen an den Zepter greifft; ja auch die Eyversucht gegen eine heimliche Buhlschafft so viel hefftiger / als gegen sein eigen Ehweib ist; so viel jene Liebe diese an Hefftigkeit übertrifft. Daher wie sie vorher dem so holdseligen Gestirne des Bäres ähnlich gewesen / also hatte nach ihrem Abfalle sie sich in die Grausamkeit eines Wald-Bäres verwandelt; Gleichwol aber hatte die Gegenwart des beliebten Herrmanns noch so viel Nachdruck: daß der Kayser nichts thätliches entschloß /sondern diesen Fürsten beschwur / ihm die Warheit nicht zu verschweigen; was zwischen ihm und Terentien / welche ihre Untreu bereit mit ihrem eigenen Munde verrathen hätte / für vertrauliche Gemeinschafft gepflogen worden wäre. Fürst Herrmann antwortete mit unverändertem Antlitze: Er hätte sich der Wolthaten des Mecenas gebrauchet; und Terentien mit derselben Ehrerbietung begegnet / die eines so edlen Römers Frau / und eines so grossen Fürsten Freundin verdiente. August versetzte: seine Unschuld dörffte keiner Vertheidigung; aber Terentiens Verbrechen eine unverfälschte Entdeckung. Herrmann begegnete dem Kayser abermahls unerschrocken: Terentia hätte gegen ihn mehr Gewogenheit bezeuget / und ihm mehr Liebes gethan / als er sich würdig schätzte; ob sie aber was unverantwortliches darunter angezielet / wäre er ein allzu unverständiger Ausleger; zumahl er niemahls wahrgenommen: daß Terentia auch einem Knechte ein sauer Auge gegeben / vielmehr aber auch dem gemeinen Pöfel mit aller Höfligkeit begegnet hätte. August ward hierüber so verwirret: daß er zu keiner gewissen Entschlüssung kommen konte. Endlich fieng er zum Herrmann an: So solte er denn seine Auslegung für keinen Traum halten: daß Terentia unter dem Zucker ihrer Freundligkeit nichts anders / als sein Hertze mit Galle / Herrmanns mit Giffte anzufüllen bemüht gewest wäre. So bald nun der Kayser dem Fürsten Herrmann Urlaub gegeben / befahl er seinem Geheim-Schreiber Thallo an den Mecenas diesen Befehl zu fertigen: daß er die Ehbrecherin Terentien für aller Menschen Augen verbergen / dem Thallo aber alle in ihrem Zimmer befindliche Schrifften abfolgen lassen solte. Weil nun des Kaysers liebster freygelassener Proculus / der auch selbst mit zu Tibur gewest war; aus Augustens Rückkehr und Gebährden was grosses besorgte; bestach er den Thallo mit fünffhundert Groschen: daß er ihm den Auffsatz des Kayserlichen Befehls eröffnete. Proculus erschrack hierüber auffs hefftigste; und weil er ihm übel bewust war; reñte er selbigen Augenblick Spornstreichs voran Terentien zu warnigen. Sie hatte aber die gantze Nacht keinen Schlaff in ihre Augen bracht; und auf den Morgen / weil ihr gleichsam die Welt zu enge /und die herrlichen Lustgärte eine abscheuliche Wüsteney waren / sich in das raue Thal an dem Flusse Anio verstecket; also: daß der ängstige Proculus sie kaum in etlichen Stunden auffinden konte. Er traff sie auff der Erde gantz erstarrt an; und er selbst bebte wie ein Aspen-Laub; also: daß beyde einander ohn einig Wort schon ihr Bekümmernüs entdeckten. Endlich erzehlte Proculus des Kaysers ertheilten Befehl / welcher genung zu verstehen gäbe: daß er hinter ein groß Geheimnüs müste kommen seyn. Itzt aber liedte es die Zeit nicht Weh zu klagen; sondern sie solte ohne[1220] Versäumung einigen Augenblicks ihre geheime Schreiben ins Feuer werffen / oder sonst aus dem Wege räumen. Er wolte inzwischen in selbiger Einöde ihres Befehles erwarten. Terentia eilte zwar ins Vorwerg; wie sie aber bey dem mittelsten Spring-Brunnen die Marmel-Stuffen hinauf stieg / begegnete ihr der auf der andern Stiege gegen über empor steigende freygelassene Euceladus mit noch sechs Untergebenen; welcher Angesichts mit dem Mecenas auffs Kaysers Befehl reden wolte. Terentia nahm sich eines freudigen Gesichts an / mit Vertröstung: daß sie ihn beym Mecenas gleich anmelden wolte. Weil ihr nun diese Auffseher so geschwinde auff den Hals kommen waren: daß sie unmöglich alle geheime Schreiben zusammen lesen und verbergen konte; sie auch bey ihrem Ehmanne ihr keinen fremden Ankläger wolte zuvor kommen lassen; weil doch des lasterhafftesten Menschen eigenes Bekäntnüß gleichsam allen andern das Maul stopfft; so gieng sie in des Mecenas Zimmer / schloß selbtes hinter ihr zu; und fiel bey seinem Bette für ihm auf die Erde nieder / redete ihn hierauff mit starrenden Augen also an: Mecenas / ich habe mich leider! genug befleckt; und dich zu sehr beleidiget! Meine Geilheit ist Ursache: daß das uhralte Königliche Geschlechte der Hetrurischen Lucumoner mit dir erleschen muß. Meine Eigensinnigkeit hat dich gezwungen / fast täglich eine neue Ehberedung mit mir auffzurichten. Meine unzeitige Bruder-Liebe gegen den aufrührischen Murena hat deinen Ruhm bey dem Kayser vergeringert; Mein Vorwitz aus dem anfänglichen Wesen deines Ansehens einen blossen Schatten /meine Uppigkeit dich zum Gelächter des Pöfels gemacht. Nach dem ich aber mit meiner Unsauberkeit die unvergleichliche Tugend des Fürsten Herrmanns zu besudeln mich gelüsten lassen; habe ich die Götter so sehr beleidigt: daß sie alle meine Anschläge haben zu Rauche / mein Gewissen zum Hencker / den geneigten Kayser zu meinem Tod-Feinde werden lassen. Weil ich nun mit nichts anderm meine Seele reinigen; deine Beleidigung vergnügen / Augusten versöhnen /und Herrmanns Unschuld ein Zeugnüs ablegen kan; als durch Verspritzung dieses schuldigen Blutes; so vergnüget euch alle mit dem / was zwar ein Behältnüs der edlen Seele / aber der verzweiffelten geringstes Wasser und eine verdrüßliche Uberlast ist; Gleichwol aber derogestalt zuweilen so nützlich angewehret wird: daß ihrer viel / denen man im Leben selbtes nicht gegönnet hat / nach dem Tode zu leben verlangt worden. Uber diesen letzten Worten stach sie ihr den versteckten Dolch biß ans Hefft in die Brust; und weil Mecenas herzu sprang / ihr auch den Dolch heraus zoh; war er von ihrem Blute derogestalt bespritzet: daß / als er die Thüre öffnete / Euceladus sich hierüber entsetzte / und ihn selbst auff den Tod für ver wundet hielt. Mecenas aber erkennte für grosser Gemüths-Verwirrung diesen Freygelassenen nicht einmahl; sondern rieff allein: daß iederman der sterbenden Terentia zu Hülffe kommen solte. Das Gemach ward zwar voll Volckes / aber Terentia hatte ihren Geist schon ausgeblasen. Worüber denn unter denen Freygelassenen und Mägden ein solches Heulen und Wehklagen entstand: daß es dem versteckten Proculus zu Ohren kam; und verursachte: daß er sich ohne Nachdencken des ihm daraus erwachsenden Verdachts in das Vorwerg und in das Zimmer / wo Terentia todt lag / verfügte. Als dieser den Euceladus bey der Leichen stehen sahe / und von ihm seiner Einbildung nach (weil ein böses Gewissen den Schuldigen auch aus einem Schatten einen Ankläger macht /) scharff angesehen ward / bildete er ihm nicht anders ein; als daß Terentia von des Euceladus Hand ermordet; und dieser ihn in Hafft zu nehmen gesinnet wäre. Daher er grieff er den blutigen Dolch / und schnitt ihm damit in einem Augenblicke zu aller Anwesenden Verwunderung die Gurgel[1221] ab. Der bestürtzte Mecenas aber sanck hierüber in Ohnmacht auff das mit beyder Blute bespritzte Bette; also: daß Enceladus einen seiner Gefehrten an Kayser abfertigte / und selbten so wol des gantzen Verlauffs verständigte / als neuen Befehl verlangte. August ward hierüber nicht wenig bestürtzt; muthmaste / das Geheimnüs seines Befehls wüste verrathen worden seyn; Proculus aber an Terentiens Verbrechen Theil gehabt haben. Diesemnach setzte er den Thallo / als welcher allein hierum wuste / zur Rede; brachte ihn auch durch angedreute Marter zum Bekäntnüße: daß er dem Proculus davon gesagt hätte / weil der Kayser ihm vorhin grössere Geheimnüsse zu vertrauen pflegen. Worüber August sich derogestalt entrüstete: daß er dem Thallo Arme und Beine zu zerschmettern / und des Proculus Leiche in Fluß Anio zu werffen befahl. Weil aber Terentia bereit tod war; und entweder seine alte Liebe aufwallete / also sich in Mitleiden verwandelte; oder weil er besorgte: daß aus Terentiens Schrifften etwan eine mit dem Proculus gepflogene und ihm selbst verkleinerliche Verträuligkeit ans Licht kommen möchte / kam er selbst zum Mecenas ihn zu trösten; beredete ihn auch unter dem Vorwand: es möchten einige zwischen ihm und Terentien gewechselte Schreiben bey seiner Unpäßligkeit vom Gesinde verrückt werden: daß er alle Brieffe in dem Vor-Saale / und zwar in des Kaysers selbsteigener Anwesenheit verbrennen ließ. Mecenas schöpffte bey des Kaysers Ankunfft zwar etwas Lufft; es hatte aber keinen Bestand; sondern die Kranckheit nahm von Tage zu Tage überhand: daß er selbst sein bevorstehendes Ende leicht wahrnahm /deßwegen seinen letzten Willen fertigte / und darinnen den einigen August zum Erben einsetzte / etlichen guten Freunden aber nur etwas weniges vermachte /worunter Fürst Herrmann mit aller seiner Rüstung und Pferden / Horatius aber mit seinen Büchern /unter welchen sich des Maro selbsthändige Eneis befand / die er zu Brundustum verbrennen wollen; Mecenas aber in ein güldenes Kästlein auffgehoben hatte / bedacht war. Weil es ja um dieses Tichters herrliches Werck nichts minder / als um das von ihm beschriebene Troja schade gewest wäre: daß es hätte sollen eingeäschert werden. Acht Tage hernach starb er zu grossem Betrübnüs des Kaysers und aller Gelehrten in den Armen des Horatius; welcher aber diesen Tod derogestalt empfindlich betrauerte: daß er dem neundten Tag nach ihm gleichfalls sein Leben beschloß; und nicht minder den Kayser zum Erben hinterließ. Aller dreyer Leichen Asche ward auf dem eussersten Esqvilischen Berge in das vom Mecenas selbst aus Marmel köstlich gebaute Grab gesetzet; und zwar des Mecenas Asche in einem Geschirre von Berg-Kristallen durch zwölff berühmte Tichter / des Horatius aber in einem Kruge von Corinthischem Ertzte durch neun edle in so viel Musen verkleidete Jungfrauen; und alle drey mit sinnreichen Grabeschrifften verehret. Es hatte aber in einer Nacht ein unbekandter Erfinder an ihr Grab folgende Zeilen eingraben lassen:


Die lebend nicht war werth / Mecenas Weib zu seyn

Verdient durch ihren Tod: daß sie in einem Grabe

Vermischt mit seiner Asch' an ihm die Ruhstatt habe.

So ist es Schade nun fůr ihn: daß ihn der Stein

So bald; fůr sie: daß er so langsam sie bedecket;

Weil in dem Leben sein' / im Tod' ihr Bestes stecket.


Fürst Herrmann setzte durch seine ruhmbare Bezeugung gegen Terentiens Anmuthungen ihm beym Kayser einen neuen Glücksstein ins Bret; also: daß er bey allen wichtigen Sachen ihm etwas zu vertreten anvertraute; welches für ein Kennzeichen der Kayserlichen Genade / und ein Aufnehmen seines Ruhmes zu achten war. Als August das Heiligthum der Eintracht einweihen / seinen und des Drusus Nahmen nicht allein über die Pforten schreiben / sondern auch ihrer beyden Bilder / wiewol[1222] nach dem Vorbilde des Jupiters und Apollo darein setzen ließ / hatte Fürst Herrmann die Ehre das Bild der Eintracht zu tragen /gleich als wenn August durch ihn die Deutschen und Römer vereinbaren wolte. Wie auch Livien und des Kaysers Mutter ein Tempel gewiedmet ward; überliefferte er Livien vom Kayser / als obersten Priester / die güldene Taffel / in welche die Ordnung des ihnen besti ten Gottesdienstes geschrieben stand. Ingleichen als Tiberius auffs neue wieder die Deutschen aufziehen / August Gallien in Ruhe zu erhalten dahin folgen muste; Cajus und Piso aber für des Kaysers glückliche Rückkunfft kostbare Schau-Spiele anstellten; und in selbten alle Völcker die Heldenthaten ihres Hercules auf den Schau-Platz brachten; ließ Herrmañ in einem Kampfe zu Fuße in Gestalt des deutschen Hercules für allen andern seine Geschickligkeit sehen. Ja der Kayser stellte die zwey deutschen Fürsten den Herrmann und Flavius seinen zweyen aus dem Geschirre schlagenden Enckeln dem Cajus und Lucius mehrmahls zum lobwürdigen Beyspiele der Sittsamkeit und Tugenden für. Sintemahl das Gute vom Schädlichen selten durch eigene Klugheit / mehrmahls aber aus anderer Beyspiele / und dem Ausschlage der Sachen unterschieden wird. Zugeschweigen: daß er dem Herrmann Anlaß gab / diese zwey freche Jünglinge / darunter der jüngste für den ältesten / im offentlichen Schauplatze das Bürgermeister-Amt zu begehren sich erkühnete; in ihrer Gesellschafft zur Bescheidenheit anzuweisen. Alleine ihre Unart war weder durch des Kaysers Sorgfalt; und daß er den Cajus zum Priester machte / in den Rath zu kommen /bey denen Raths-Herren zu sitzen und zu speisen erlaubte; noch durch des Fürsten Herrmanns Vorbild zu verändern. Sintemahl / wenn das menschliche Gemüthe schon einmahl verwildert ist / selbtes schwerer / als ein mit denen ungeheuersten Hecken verwachsenes Feld zu rechte gebracht werden kan. Ja ihre Verwegenheit stieg so hoch: daß Tiberius / (welchen der Kayser zum Römischen Zunfftmeister / und zum Feldherrn in Armenien erklärte / um durch dieses Ansehen des Cajus und Lucius Vermessenheit zu steuern /) es länger nicht zu Rom auszustehen getraute; sondern nach dem Beyspiele des Agrippa nach Rhodus zoh; welcher auch dem Marcellus als einer neuaufgehenden Sonne nach Mytilene / um selbtem in Erlangung der höhern Würden nicht am Wege zu stehen /noch / wenn er ihm etwas zuvor thäte / ihn zu verdüstern auswiche. Und vermochten weder Liviens Thränen / noch daß August im Rathe von ihm verlassen zu werden beklagte / den Tiberius in Rom zu erhalten /als welcher von ihnen Verlaub der Einsamkeit durch viertägichte Enteusserung der Speise erpreste. Nichts desto weniger wuste Herrmañ sich in allem seinem Beginnen derogestalt zu mäßigen: daß er keinen Fuß breit von der Tugend absetzte; durch seine Bescheidenheit aber nebst dem Flavius noch die Zuneigung des Caius und Lucius behielt.

Mitler Zeit als der verreisete Tiberius theils in Armenien den Tigranes zum Könige einsetzte; theils auf dem Eylande Rhodus der Weltweißheit oblag; schien das Glücke die dem Fürsten Herrmann zugethane Gewogenheit der Menschen zu beneiden. Denn nach dem der Kayser den Flaminischen Renne-Platz anwässerte / und um das wegen verminderter Austheilung des Getreydes unwillige Volck mit Schau-Spielen zu gewinnen / sechs und dreyßig Krocodilen durch aller hand Arten des Kampffes hinzurichten fürstellen ließ; wolte der halb wahnsinnige Agrippa / als ein eingebildeter Wasser-Gott / darbey seine Tapfferkeit und Geschickligkeit für andern Römern / welche diese Thiere nur durch Wurff-Spieße / und eingesenckte Angelhacken hinzurichten bemüht waren / schauen lassen. Diesen seinen Enckel Agrippa hatte August in seiner Kindheit noch nebst andern Ubungen im Schwien unterweisen lassen. Deñ wie er selbst ein fürtreflicher Schwi er[1223] war / also hielt er diese Kunst nichts minder / als Solon / der die Atheniensische Jugend durch ein Gesetze zu der Erlernung verband / für eine hochnöthige und nützliche Sache; und zwar auch selbst den Fürsten. Denn ob diese zwar nicht Perlen fischen / noch wie zur Zeit des Xerxes Scylias aus dem Schwimmen Schau-Spiele machen dörffen; so können sie doch leicht in eine Noth verfallen / aus welcher nichts / als diese Geschickligkeit ihr Leben retten kan. Dahingegen wegen dieser Unwissenheit in der Schlacht bey Salamine so viel Persische Fürsten; und als Himilco Meßina einnahm / so viel edle Sicilier ertrincken / und der grosse Alexander bey Risa über seine Ungeschickligkeit sich beweglich beklagen musten; der geharnschte Cocles aber in der Tiber /und Kayser Julius im Meere bey Alexandria mit ihrem Schwimmen nichts minder einen unsterblichen Ruhm erworben / als ihre Wolfarth erhalten. Agrippa / der sonst fast zu allem ungeschickt war / hatte doch aus des Fürsten Herrmanns Anleitung darinnen ziemlich viel begrieffen; daher machte er nicht alleine ein Handwerck / sondern suchte auch Ehre daraus. Es ward einer der grösten Krocodiln in den mit Wasser hochangespannten Renneplatz gelassen / als der in ein leichtes weisses seidenes Gewand gekleidete Agrippa aus einem eröffneten Eingange in diß Wasser sprang /und in einer Hand mit einer Sichel / in der andern mit einem Spieße diesem gri igen Thiere entgegen schwam. August / als ein Zuschauer dieser Lust /konte sich nicht enthalten bey dieser Gefahr mit Worten und Geberden alle Anwesenden um Rettung seines bereit in dem Rachen des Todes steckenden Enckels anzuflehen. Zumahl dieses grausame Thier den Agrippa zeitlich in die Flucht brachte. Die Angelhacken waren bereit verbraucht; die Pfeile fielen auf den Rücken vergebens; und es wäre um Agrippen sonder Zweiffel gethan gewest; wenn sich nicht Fürst Herrmann ins Wasser gestürtzt / den Krocodil anfangs mit seinem Degen geneckt / und Agrippen zu verlassen verleitet; hernach aber diesem Spieß und Sichel ausgerissen / und das ergrimmte Thier behertzt angegriffen hätte. Dieses schoß zwar wie ein Blitz auff ihn zu; aber er wiech schwimmende mit unglaublicher Geschwindigkeit nicht allein auf die Seite; sondern versätzte ihm auch mit der Sichel zwey tieffe Wunden in Bauch; ehe es sich umwenden konte. Als diß aber mit noch grösserem Grimme geschah; wendete sich Herrmann abermahls; und brachte dem Krocodile zwey noch tieffere Wunden bey; also: daß sich das gantze Wasser darvon röthete / und diß Ungeheuer nunmehr alle seine Bewegungs-Krafft zu verlieren schien. Wie ihm nun Herrmann den letzten Streich beyzubringen bemüht war / machte ihn das Geschrey des Volckes aufsichtig: daß ein ander entweder aus Unvorsichtigkeit der Bewahrer / oder auch durch Arglist ausgelassener Krocodil so nahe ihm entgegen schoß: daß er keine Zeit hatte ihm auszuweichen / sondern er den in der Hand habenden Wurffspieß ihm in den aufgesperrten Rachen schieben muste. Dieser Bissen hielt seinen Feind so lange auff: daß Herrmann die Seite des Crocodils erreichte; und weil selbter über dem Spiesse käuete / ihm durch drey Schnitte Zorn und Leben benahm; also zwischen dem Zuruffe des frolockenden Volckes unversehrt seinen erstern Sitz erreichte. Fürst Herrmann hätte den Kayser durch Eroberung eines Königreichs ihm nicht so sehr / als durch Errettung des albern Agrippa verbinden können. Denn es ist sich nicht über die Blindheit der Eltern zu verwundern: daß sie die Gebrechen ihrer Kinder nicht selten für anständige Maale ansehen; welche / wie das gläserne Schmeltz dem Golde / eine mehrere Zierde beysetzen. Sintemahl ihre thu e Affen-Liebe sie zuweilen in dem Schlamme der Wollüste erstecket; oder zwischen den Flammen der angereitzten Begierden der Ehrsucht[1224] aufopffert. Diesemnach ward Fürst Herrmann zu einem obersten Hauptmanne der Kayserlichen Leibwache erkieset / und solche höchste vor bey einem bestandene Würde diesem Helden zu Liebe nunmehr zertheilet. Hingegen aber / weil Agrippa seine verwegene That damit entschuldigte: daß Kayser Julius auch Rathsherren öffentlich hätte Fechter /und Königliche Kinder Täntzer abgeben lassen; ward durch ein Gesetze allen Rathsherren das öffentliche Fechten verboten.

Höret aber / wie der Puls des Glückes so wunderlich schlägt; und wie seine beste Bewegung mehrmahls ein Vorbote der gefährlichsten Kranckheit /also sich in selbtes zu richten so viel schwerer ist; weil es die Unbeständigkeit eines Weibes und die Leichtsinnigkeit der Jugend an sich hat. Die vom Tiberius verlassene Julia meinte hierdurch nunmehr die Freyheit erlangt zu haben ihre Laster auf öffentliche Schaubühne zu bringen; und aus ihren Heßligkeiten noch Ruhm und Ehre zu suchen. Gleich als wenn die Gemüths-Flecken hohe Standes-Personen eben so /wie die Nacht die Sternen lichter machte; Da doch in Sammet ein Schandfleck viel heßlicher stehet / als in einem halb-wöllenem Schäfer-Rocke. Sie erkühnte sich auf öffentlichen Plätzen mit verächtlicher Gesell schafft verschwenderische Gast-Mahle / und üppige Nacht-Täntze zu hegen; ja die schandbarsten Gesellschafften der Stadt Rom an sich zu ziehen. Wiewol nun die Wollust ins gemein derogestalt gearthet ist: daß sie wie eine Fliege in einerley Garten so begierig auff stinckende Blumen und Unflat / als die Biene auff wolrüchenden Klee fällt / so gelüstet sie doch auch nicht selten nach Art der Spinnen aus den edelsten Gewächsen Gifft zu saugen. Nach dieser Art warff Julia ein Auge auf des berühmten Marcus Antonius / und der grimmigen Fulvia Sohn Julius / welcher vom August nach seines Vaters Tode seiner Eltern gröstes Vermögen erhalten / auch durch einen an des Kaysers Geburts-Tage gehaltenen prächtigen Pferde-Streit / durch Anstellung einer seltzamen Jagt / und ein dem gantzen Rathe ausgerichtet köstliches Gast-Mahl seine Gewogenheit befestigt / ja endlich gar die Bürgermeister-Würde erlangt hatte. Diesen zu gewinnen brauchte sie ihre zauberische Kuplerin Phebe eine Freygelassene; die anfangs mit vielen Thränen das Elend der schönen Julia bejammerte / und des Kaysers gegen seine Tochter verübte Unbarmhertzigkeit verda te: daß er sie nach dem sauersehenden Agrippa dem gramhafften Tiberius verheyrathet / und hierdurch ihr nicht nur alle Lust / sondern auch die Hoffnung des ihr beym Mangel der Söhne nach des Vaters Tode von Rechtswegen zuständigen Kayserthums entzogen hätte. Wie sie nun den Julius Antonius für diesen Beschwerden die Ohren nicht verstopffen sah; fiel sie auff die Grausamkeit und das Unrecht; welches August an dem grossen Antonius verübt hätte; durch dessen Beystand er doch wieder den Brutus und Caßius obgesiegt hätte. Er solte die ihm angestammte Großmüthigkeit seines Vaters / den Löwen-Muth seiner Mutter der streitbaren Fulvia durch keine Furcht in seinem Gemüthe erstecken lassen; sondern durch eine hertzhaffte Entschlüssung das hohe Geschlechte der Antonier auf die fürlängst verdiente Staffel der Oberherrschafft versetzen / durch den Genüß der vollko ensten Julia sich beglückseligen; und bey dieser guten Gelegenheit / da ihm des Kaysers Tochter beyde Armen reichte / da Marcellus / Agrippa und Mecenas todt / der junge Agrippa wahnsiñig / Cajus und Lucius zwey rohe Buben / und Tiberius dem gantzen menschlichen Geschlechte verhast wäre / seine Scheitel auf einmahl mit Rosen und Lorbern kräntzen. Herrschafft und Schönheit hat in sich einen so kräftigen Schwefel / welcher in dem Feuer der Ehrsucht und Liebe stählerne Hertzen zerschmeltzet / die klügstẽ Köpfe einni et und verwirret. Also ward Julius Antonius durch die schmeichlerische Phebe gefangẽ /[1225] durch die in allen Arten des Liebreitzes den Meister spielende Julia aber derogestalt bezaubert; dz er keinen Tag ließ vorbey gehen; in welchem er nicht in den Mecenatischen Garten Juliens Geilheit seine Leibes-Kräfften aufopfferte; allen seinen Witz aber dahin verwendete; wie er sich und Julien zur Römischen Herrschafft empor heben möchte; als die sich öffentlich gegen ihm heraus ließ: Sie wünschte die Glückseligkeit Tulliens zu geniessen; und sie scheute sich nicht mir trockenen Augen über ihres Vaters blutige Leiche die bestürtzten Pferde zu jagen; wenn sie nur den Julius Antonius zugleich als ihren Ehmann und Kayser grüssen könte. Zwischen diesen Berathschlagungen fiel das der Flora zu Ehren gehaltene Feyer ein; da denn Julius Antonius aus dem Tempel unterschiedene vornehme Römer / und sein Ehweib Servilia Julien und ander edles Frauen-Zimmer mit sich in die Servilischen Gärte zur Mahlzeit nahm. Weil nun an diesem Tage fast iederman der Ehrbarkeit den Zaum schiessen ließ / und die Laster gleichsam keine Schande waren; gleich als wenn gewisse Zeit eben so wol das Böse gut / als unreiffe Früchte reiff zu machen mächtig wäre; bediente diese Gesellschafft sich unter diesem Scheine nicht geringer Freyheit. Julius Antonius redete mit Julien ab: daß sie bey einbrechender Nacht in dem Eck-Zimmer des eussersten Lusthauses ihrer gewohnten Lust sich bedienen wolten. Dieser kam auff bestimmte Zeit in das Lust-Hauß; ward daselbst an der Stiegen von der vermeinten Julia mit der empfindlichsten Umarmung und vielen Küssen bewillkommt / und empor in ein Zimmer geführt; da sie denn eine gute Stunde mit einander ihre Lust büßeten; iedoch weil sie in dem nechsten Zimmer darbey Leute vermerckten / kein Wort mit einander wechselten. Zuletzt / als sie beyde gesättiget zu seyn vermeinten / und Julius Antonius vom Bette auffstund; fieng die vermeinte Julia an: Mein allerliebster Schatz / Lepidus; wenn und wo werde ich dein mit so vieler Vergnügung wieder genüssen? Julius Antonius erkennte nunmehr an ihrer Stimme: daß diß nicht Julia / sondern sein eigenes Ehweib Servilia war; welche nichts minder / als er / in ihrer Liebe betrogen worden. Er schwieg eine gute Weile stille; in dem er wegen selbst eigener Gemüths-Verwirrung nicht wuste / was er entschlüssen solte. Er verstand zwar ihre Untreu und Verständnüs mit dem Lepidus / welcher des berühmten Lepidus mit des Brutus Schwester erzeugter Sohn / und nebst dem Fürsten Herrmann oberster Hauptmann der Kayserlichen Leib-Wache war. Aber er traute sich doch an Servilien diß nicht zu verdammen noch zu straffen; was er durch eigenes Beginnen billigte. Nach vielem Nachdencken antwortete er: Du bist betrogen Servilia; du hast keinen Lepidus / sondern deinen Antonius umarmet; und deine heutige Vergnügung hat dich gelehret: daß die blosse Einbildung fremdes Wasser zu Zucker mache. Servilia / welcher ihr Gewissen sagte: daß ein Ehweib keuscher / als ihr Mann zu seyn verbunden wäre / bebte und zitterte für Furcht und Schrecken; und sahe immer / wenn Antonius ihr seinen Degen durch den Leib treiben würde. Er aber fuhrt fort:. Ich verzeihe dir / Servilia / nicht nur zum Zeugnüs meiner Liebe dein Verbrechen; sondern erlaube dir auch: daß / weil du dir am Lepidus was angenehmers ersehen zu haben meinest; daß du ohne Scheu meiner deine Vergnügung bey ihm suchen magst; iedoch mit dem Bedinge: daß du mich euch beyde in eurer Liebe beysammen betreten lässest; nicht: daß ich ihm deßwegen einiges Unheil zufügen wolle; sondern: daß ich ihn hierdurch mir zu einem wichtigen Anschlage verbinden könne. Servilia fiel dem Antonius zu Fusse / danckte für seine Begnadigung; und versprach seinem Befehl treulich nachzukommen. Inzwischen war Julia durch eine irrsame Verwechselung in die[1226] Armen des Lepidus verfallen; und nach dem sie gleicher Gestalt in der Stille sich mit einander in dem Neben-Zimmer abgemattet / lernten sie auch allererst einander kennen. Lepidus erschrack so sehr in diesem / als Servilia im andern Zimmer: daß er mit Julien so weit sich vergangen; und auf allen Fall mit dem Grimme des Kaysers und des Tiberius seinen Untergang ihm auf den Hals gezogen hatte. Die nichts minder schlaue als unzüchtige Julia aber redete den Lepidus an: Glaube: daß zwar du in deiner Liebe geirret habest; ich aber bin heute meines fürlängst begehrten Zweckes durch deinen Irrthum gewehret worden. Lasse dir diesen Fehler nicht mißfällig seyn / welcher dir und mir einen Grundstein zu besserem Glücke abgeben / ja nicht nur den Genüß einer von so viel andern angebeteten Schönheiten zueignen; sondern dich auch in die Würde deines vom August arglistig gestürtzten Vaters versetzen; also Gelegenheit an die Hand geben kan / das unter das Bild des Julius schimpflich geworffene Haupt deines Oheims / des unvergleichlichen Brutus / über die Ehren-Maale beyder Kayser zu erhöhen. Der von Brunst noch rauchende / und wieder den Kayser im Hertzen noch immer Rache und Galle kochende Lepidus wuste / seinem Bedüncken nach /sein Glücke nicht zu begreiffen; verschwur sich also in allem Julien auf ihr blosses Wincken zu Gebote zu stehen. Nach diesen seltzamen Begebenheiten schieden alle bey später Nacht von sammen; und verfolgte Antonius bey Julien / Lepidus bey Servilien und Julien ihre einmahl angesponnene Liebe. Servilia sahe den Antonius von aller Eyversucht entfernet / ja er selbst gab ihr mehrmahls Gelegenheit an die Hand sich mit dem Lepidus zu vergnügen. Also ist die Ehrsucht die Sonne der Gemüths-Begierden / welche mit ihrem Feuer alle andere verdüstert / und alle vorige Regungen / wie das Koloquinten-Kraut alle Kräuter tödtet. Diesemnach bestellte sie den Lepidus auff eine gewisse Zeit in den Servilischen Garten; gab dem Antonius aber Wind und Schlüssel: daß er beyde beysammen in einem warmen Bade daselbst betrat. Antonius gebehrdete sich anfangs / als wenn er von Rache glüete / und das Qvell mit beyder Blute mehr wärmen wolte; als aber der nackte / und aller Waffen entblöste Lepidus sich gegen ihm auffs tieffste demüthigte; sich auch erbot für das ihm geschenckte Leben mit eben der Pflicht / als ein freygelassener verbunden zu bleiben / mäßigte er seinen ohne diß nur zum Schein angenommenen Grimm; und schwur endlich dem Antonius zu seiner angezielten Herrschafft über die Römer auch mit Darsetzung seines Blutes beförderlich zu seyn. Welches Lepidus so viel leichter entschloß; weil er Julien eben diß so theuer angelobt hatte. Inmittelst war diß eine ungemeine Begebnüs: daß Lepidus aus einem Nebenbuhler des Antonius vertrauter ward; als welchem durch die seltzame Würckung der Rache die Wermuth süsse schmeckte / die ärgste Beschimpffung unempfindlich fiel / da er nur Hoffnung hatte seinem doch so wohlthätigen Feinde so weh zu thun.

Durch das Band dieser Laster ward endlich eine vollkommene Verschwerung wieder Augusten und sein gantzes Hauß zu wege gebracht; Zumahl es denen Zusammenverschwornen am Anfange nicht fehlete. Sie hätten auch durch Hinrichtung des Kaysers solche bewerckstelligt / wenn nicht Fürst Herrmann /welcher fünfftausend Mann von der Leibwache meist Deutsche / und darunter tausend Batavische Reuter unter seiner Obsicht / und den Ruhm einer unveränderlichen Treue hatte / sie geschreckt und zurück gehalten hätte. Julia / welche den Antonius und Lepidus durch Unzucht in ihr Garn bracht; stellte dem Fürsten Herrmann auf vielfältige Art ein Fallbret; aber er stopffte die Ohren für diesem geilen Weibe sorgfältiger /[1227] als die Schlange für dem Beschwerer zu; also: daß sie nunmehr auf eine andere Arglist ihr Absehen gründen muste. Phebe suchte alle ihre Künste herfür; darunter die Liebesträncke und Zaubereyen nicht die geringsten waren; allein keine schlug bey diesem Fürsten an; und sahe die Boßheit in vergebener Bestürmung seiner Tugend als eines unversehrlichen Felsens sich nicht wenig beschämet. Durch öffentliche Gewalt ihn anzutasten verbot die in Händen habende Macht der Leibwache; und seine unvergleichliche Tapfferkeit; allen Verläumdungen aber war seine so vielmahl bewehrte Unschuld und fein grosses Gemüthe überlegen. Unter diesen zweiffelhafften Berathschlagungen fiel Julien der Sternseher Thrasyllus ein / der dem Tiberius die Vermählung mit Julien wiederrathen; sonst aber wegen seiner mehrmahls eingetroffenen Wahrsagungen sich in gantz Rom in grosses Ansehen versetzt hatte. Diesen zu gewinnen brauchte sie abermahls die arglistige Phebe; welche ihn anfangs unter dem Schein eines ihr von Julien zugeeigneten grossen Braut-Schatzes zur Liebe verleitete; hernach ihn beredete: daß wenn er durch seine Weißheit den verdächtigen Ausländer Herrmann aus des Kaysers Gnade werffen könte; würde er bey der ihm ungnädigen Julia sich nicht nur wieder einlieben; sondern auch grosse Belohnung zu gewarten haben. Thrasyllus versprach Pheben möglichst zu willfahren; iedoch bat er zu dessen kluger Einrichtung einige Bedenck-Zeit; weil er hierinnen gleichwol nicht ohne allen Grund verfahren / und seinen gantzen Ruhm auf einmahl in die Schantze setzen wolte. Nach etlichen Tagen meldete Thrasyllus: daß dem Kayser den zehenden Tag eine grosse Gefahr fürstünde. Weßwegen die Verschwornen schlüßig wurden ihren wieder den Kayser fürhabenden Entschlüssungen durch den Einfluß der Gestirne ein Gewichte beyzulegen; und also selbigen Tag ihm das Licht auszuleschen; sie könten gleich dem Fürsten Herrmann ein Bein unterschlagen oder nicht. Folgenden Tag aber ereignete sich dieser Zufall: daß in dem Kayserlichen Thier-Hause ein aus Deutschland gebrachter Bär loß rieß / und die drey grösten Adler erwürgte. Thrasyllus legte auff Befehl des Kaysers diß auff den Fürsten Herrmann derogestalt aus: daß der / welchen der Kayser so sorgfältig unterhielt / mit der Zeit den Römern die empfindlichsten Streiche versetzen würde. Wiewol nun Lepidus bey dieser Auslegung Augusten rieth: daß er diesen nachdencklichen Zufall nicht schlechter Dings in Wind schlagen solte / gab doch der Kayser ein Lachen darein. Inzwischen beredete Phebe einen Illyrischen Kriegs-Knecht; welcher unter des Fürsten Herrmanns Jägern bedient / und in eine Freygelassene Juliens verliebt war / durch Versprechung grosser Gnaden und der gewünschten Heyrath dahin: daß als auf besti ten Tag August in dem berühmten Lorber-Walde an dem Tyrrhenischen Meer / wo Eneas ausgestiegen seyn soll / gejagt hatte / und in einem schlechten Jäger-Hause übernachtete / erwehnter Illyrier sich durch die Wache unter dem Scheine den Kayserlichen Jäger-Zeug zur Anrichtung zu holen durchspielte; und biß an das Kayserliche Schlaff-Gemach kam. Zu allem Glücke aber ward der gleich die Wache untersuchende Fürst Herrmann gewahr: wie daselbst der Illyrier sein Jäger-Messer zückte / und recht gegen des noch schlaffenden Kaysers Bette sich wendete. Diesemnach sprang er herzu / fiel dem Illyrier in die Armen; und hielt den auff den Kayser gezückten Streich zurücke. Worüber er zwar in Hafft genommen / August erwecket; der Jäger-Knecht um die Uhrheber solcher Mordstifftung gütlich und scharff befraget /aber durch keine Pein nichts aus ihm gebracht ward; weil Phebe ihm vorher viel ausgepresten Maah-Safft eingegeben hatte / in Meynung ihn dadurch auff allen Fall des mißrathenden Mordes zu tödten; worvon er[1228] aber wegen seiner vermögenden Lebens-Kräfften nur wahnsinnig ward; also: daß er auf der Folter hundert Flüche wieder den Kayser / und so viel Lobsprüche für Pheben / und die Freygelassene / in die er verliebt war / ausstieß; und darüber seinen Geist verlohr. Lepidus und Fürst Herrmann waren beyde bey dieser Marter; jener um denen Verschwornen Nachricht zu geben; dieser um die wahrhafften Anstiffter zu erforschen; und sich selbst alles Verdachts zu entschütten; weil dieser Illyrier in seinen Diensten gewest war. Weil nun Fürst Herrmann von des Illyriers Buhlschafft wuste; und er in seinem Wahnwitze so viel von Pheben redete; rieth er beyde zu erfordern. Jene bekennte: daß Phebe im Nahmen Juliens ihr für drey Tagen nicht nur die zeither schwer gemachte Eh verwilliget; sondern auch eine ansehnliche Mitgifft versprochen hätte. Phebe ward hierüber befragt / leugnete es aber; ungeachtet es ihr jene beständig unter die Augen sagte. Worüber sie beyde abgesondert in Hafft kamen. Lepidus gerieth hierbey in halbe Verzweiffelung; also: daß er ihr im Gefängnüße Gifft beyzubringen entschloß. Alleine Phebe hatte sich selbige Nacht schon erhenckt; iedoch einen demüthigen Brieff an den Kayser zu lieffern einem deutschen Kriegs-Knechte / der den Kercker verwachte / vorher eingehändiget; in welchem sie die gantze Verrätherey ent deckte. Dem Kayser kam diß anfangs unglaublich vor; gleichwol ließ er sich alsbald durch eitel Deutsche / Juliens / Serviliens / des Lepidus und Antonius versichern; und ihr Geräthe versiegeln; bey dessen Untersuchung noch viel grausamere Dinge heraus kamen / als Phebe getichtet hatte. August zwar hierüber so bestürtzt: daß er ihm selbst keinen Rath nicht wuste; sich gute Zeit nicht sehen ließ; ja mehrmahls lieber Phebens als Juliens Vater zu seyn wünschte; und rund heraus bekennte: daß wie er für den Lebenden / also Rom bey der Nachwelt sich ewig seiner unverschämten Tochter würde schämen müssen; also dem Römischen Rathe die gantze Sache übergab; welcher den Lepidus und Antonius zum Tode; Servilien zu ewigem Gefängnüße verdammte; auch über Julien zwar dem Kayser zu urtheilen heimgaben; iedoch als dieser seine Tochter in einem Sacke ersäuffen lassen wolte / ihr das Leben erbaten; und daß sie also auf das Eyland Pandataria verwiesen / ihr aller Wein und herrliche Kost / wie auch aller Männer Gemeinschafft / wenn es August nicht absonderlich erlaubte /abgeschnitten / auch endlich vom Kayser die Ehe mit dem Tiberius zertrennet ward; welcher gleichwol Augusten ersuchte ihr die von ihm empfangenen Geschäncke zu lassen. Das Todes-Urthel ward am Antonius und Lepidus vollzogen / ihre Leiber mit Hacken in die Tiber geschleppt; viel andere mit Landes-Ver weisung / Ruthen und Gefängnüße gestrafft; hingegen Fürst Herrmann seiner aus denen auffgefundenen Schreiben und Bekäntnüssen erscheinenden Keuschheit und Treue halber vom Kayser umarmet; für einen Bürger / Freund / Ritter und Raths-Herrn der Stadt Rom erkläret.

Hierüber verfiel der Kayser mit dem Parthischen Könige Phraaten wegen Armeniens in Zwietracht; worzu er den zu seinem Nachfolger bestimmten Cajus als obersten Feld-Herrn erkiesete; und ihm zu seinem geheimsten Staats-Rathe den Mecenas Lollius; zu einem Kriegs-Obersten aber den Fürsten Herrmann mit fünfftausend Deutschen zugesellte; wiewol ohne diesen auch nichts wichtiges entschlossen werden solte. Der Kayser aber / welcher nach Art der Groß-Väter seine Enckel mehr / als seine eigene Kinder oder sich selbst liebte / opfferte in allen Tempeln zu Rom / und ruffte die Götter an: daß sie ihn mit der Gewogenheit des Pompejus / mit der[1229] Kühnheit Alexanders / und mit seinem Glücke begleiten möchten. Cajus segelte mit der ihm anvertrauten Kriegs-Macht gegen Syrien / stieg aber auf dem Eylande Samus aus / allwo ihn der von Rhodus ihm zuvorkommende Tiberius auffs höflichste bewillkommte / und mit einem gantz vergüldeten Renn-Schiffe / welches mit eitel in der Schiffarth berühmten Rhodiern besetzt war / mit hundert Fässern des besten Rhodischen Weines / mit etlichen Geschirren köstlichen Balsams / frühzeitiger Feigen / und dem unvergleichlichen Hundes-Gemählde des Protogenes / weßwegen Demetrius die Stadt Rhodis nicht mit Feuer zur Ubergabe zwingen wollen / beschenckte. Worüber zwar anfangs wiederum Cajus dem Tiberius so viel Ehrerbietung / als kaum einem Obern gehöret / erwieß; hernach aber auff des Lollius Vergällung und Einredung: daß Tiberius alleine ihn in der Nachfolge des Kayserthums abzustechen durch seine tückischen Künste anzielte / ihm kaum das Gesichte gönnte. Ehe aber diese Veränderung erfolgte / hielt Cajus allerhand verschwenderische Gastmahle / füllte sie mit Weine übermäßig an / und erwieß sich durchgehends mehr einen Bacchus als einen Feldherrn. Hingegen richtete Tiberius dem gesammten Kriegs-Volcke eine auskommentliche Mahlzeit aus; beschenckte den grösten biß zum kleinsten; tranck denen Kriegs-Obersten des Kaysers und Cajus Gesundheit zu; und erinnerte dieselben Hauptleute / welche durch seine Beförderung so hoch ko en waren /des gedrückten Tiberius nicht gar zu vergessen. Welches alles Lollius dahin auslegte: daß Tiberius das Kriegs-Volck dem Cajus abwendig; ihm selbst geneigt machen / und sie nichts minder zu einer gäntzlichen Neuerung der gegenwärtigen Herrschafft / als zum Auffstande wieder den Cajus bewegen wolte. Aus solcher Verhetzung hätte der unbändige Cajus sich am Tiberius gar vergrieffen; wenn nicht Fürst Herrmann seine hitzige Entschlüssungen gemäßigt /der schlaue Tiberius auch durch ungewöhnliche Demüthigung ihn besänfftiget hätte. Gleichwol schied Cajus ohne von ihm geno enen Abschied weg; und Lollius bemühte sich den Tiberius beym Kayser auffslärgste zu vergällen; also: daß er um sich alles Verdachtes zu entschütten selbst einen Aufmercker aller seiner Worte und Wercke verlangte; die gewöhnlichen Pferderennen und Kriegs-Ubungen unterließ; des Römischen Adels Gepränge ablegte / und die Tracht der Griechischen Weltweisen annahm. Ja Tiberius war des Cajus Schos-Kindern so verächtlich: daß ein junger Hauptmann von freyen Stücken sich gegen dem trunckenen Cajus erbot / sonder einiges Bedencken auff seinen Befehl zurück zu schiffen / und ihm des Tiberius Kopff zu lieffern. Welchen Meuchelmord Cajus verhangen hätte; wenn er nicht abermals vom Fürsten Herrmann durch bescheidene Einredung beruhiget worden wäre. Cajus erreichte hierauff Syrien / dariñen Lollius mit Fleiß das Kriegs-Volck über die Zeit aufhielt / um die Einwohner nach seinem Belieben zu schätzen; ja er führte selbtes nicht allein durch allerhand ungebähnte Umwege / wormit er die verschonte / welche ihn bestochen hatten; sondern er hinderte auch den zu Entsetzung der Stadt Artaxata voran gezogenen Censorin auff alle ersiñliche Weise an seinem Vorhaben. Endlich kam Cajus mit dem Römischen Heere gleichwol an den Phrat; traff auch den Phraates mit seinem Persischen Lager daselbst an. Wiewol nun die Persier viel stärcker als die Römer waren; auch beyde Ufer ein flaches Feld an der Seite hatten / da die Parthische Reuterey sich völlig ausbreiten konte / und derogestalt Fürst Herrmann nebst allen Römischen Kriegs-Obersten daselbst den Feind anzugreiffen wiederriethen; so erhielt doch des vom Phraates durch viel Gold und Edelgesteine bestochenen Lollius Meynung die Uberwage bey dem verwegenen Cajus; theils weil Lollius[1230] durch Heucheley sich seines Gemüthes völlig bemächtigt hatte; theils weil der Jugend die hitzigsten Rathschläge am anständigsten sind. Also musten dißmahl die Klugheit der unzeitigen Verwegenheit / und treuer Rathgeber heilsame Meynung den schlimsten Verräthereyen ausweichen. Das Römische Heer muste / ehe es von der beschwerlichen Reise verblasen konte / auf den Morgen nicht so wol wieder die Parthen / als den strengen Phrat kämpffen; worüber aber viel von dem Flusse verschlungen; und die / welche gleich das andere Ufer erreichten / von dem Feinde erschlagen wurden. Fürst Herrmann setzte zwar mit fünffhundert Batavischen Reutern auf dem festen Lande Fuß; aber / weil die Römischen Legionen mit ihrer schweren Rüstung ihn unmöglich entsetzen konten / muste er dem mit zwölff tausend Parthischen Edel-Leuten andringenden Könige Phraates nur dißmahl die Ehre der Oberhand lassen; und nach dem alle Bataver von so viel tausend Pfeilen / er auch selbst durch die Hand und den dicken Schenckel verwundet war / sich zurück ziehen. Gleichwol hörte Cajus und Lollius nicht auff das Kriegs-Volck gleich einer Heerde Schafe wieder den Strom und die über solcher Thorheit lachenden Parther anzutreiben. Als auch Fürst Herrmann die Unmögligkeit dem Cajus augenscheinlich fürstellte / und so tapfere Kriegs-Leute zu schonen erinnerte; kriegte er zur Antwort: Die vorhergehende Nacht wären zu Rom mehr junge Kriegs-Leute gezeugt worden; als ihrer diesen Tag darauff gehen würden. Endlich muste bey sinckender Nacht nur Cajus zum Abzuge blasen /den Parthen nicht allein den ohne sonderbahre Müh erworbenen Sieg mit Schimpff und Schaden überlassen; und noch darzu vertragen: daß ihm Phraates durch einen gefangenen Römer zurück entbieten ließ: Er wolte auf den Morgen ihm selbst eine Brücke von den erschlagenen Römern bauen helffen / wenn ihn die Lust sich mit den Parthen zu berüchen nicht vergangen wäre. So verwegen Cajus anfangs gewest; so verzagt war er nach diesem Verluste; besorgende: daß er nicht glückseliger / als Craßus und Antonius aus den Klauen der Parthen entrinnen würde. Also ist die Verachtung seines Feindes schon der halbe Verlust des Sieges; wie derselbe seine Kräfften zweyfach vergrössert / der zwar die Vollkommenheit seinem Gemüthe beylegt; niemahls aber sie ihm in seine Einbildung kommen läst. Den Fürsten Herrmann kränckte diese Niederlage in der Seele. Denn ob er zwar daran keine Schuld trug / sondern vielmehr diesen Tag den Ruhm eines unvergleichlichen Löwen-Muths erworben hatte; wuste er doch wohl: daß wenn ein Kriegs-Oberster drey Spannen seinem Feinde weichen muß /er zwölff Pfund von seinem Ansehen einbüße; und in verlohrnen Schlachten die tapfferen von den Furchtsamen selten unterschieden werden. Diesemnach besetzte er selbige Nacht den Strom nicht so wol wieder besorglichen Einfall der Parthen; als daß der ihm bereit vielfach verdächtige Lollius den Parthen seinen Anschlag nicht verrathen möchte / zum Theil mit Römischen Kriegs-Leuten / meist aber nur mit dem gemeinen Droß; und ließ um die Menge der dahin gestellten Bewahrer so viel mehr zu beglaubigen viel Wachfeuer anzünden. Er aber nahm alle Deutschen und den Kern von den Römischen Legionen / führte selbte in aller Stille eine gute Meilweges Strom-auff; da ihm denn ein erkauffter Armenier einen Furth durch den Phrat zeigte: daß die Reuter / derer ieder einen Fuß-Knecht auffs Pferd nahm / ehe der Feind das geringste merckte / überkam; das übrige Fuß-Volck / dem etliche Fahnen Reuterey in der Mitte die Gewalt des Stromes auffhielten; auch noch für Tage das andere Ufer erreichte; und in dem daselbst püschichten Felde noch mit einem Graben und Brust-Wehre verbaute. Mit anbrechendem Tage machte Cajus auffs neue Anstalt /als[1231] ob er wieder durch den Phrat setzen wolte. Wie nun die Parthen sich daselbst gegen ihn stellten; gieng Fürst Herrmann mit der deutschen Reysigen Zeuge ihnen in Rücken; erlegte derer zwar mehr nicht / als tausend Mann vom Hinterhalte; jagte aber dem Phraates ein solches Schrecken ein; sonderlich als er vernahm: daß die Römer sich schon auff der lincken Seite des Phrats verschantzt hatten: daß er den Römern Friedens-Handlung antrug; und noch selbigen Tag solchen auf einem mitten im Phrat gelegenen Eylande mit dem Cajus durch beyderseitige Erkiesung des Fürsten Artavasdes zum Könige in Armenien abredete. Beyde Phraates und Cajus bekräfftigten ihre neue Freundschafft durch herrliche Gast-Mahle; jener beschenckte auch den Fürsten Herrmann seiner erwiesenen Tapfferkeit halber; und weil er hörte; daß er des berühmten Surena Enckel / also von Ankunfft ein halber Parthe wäre / mit zwölff Arabischen Pferden /einer mit Diamanten reich versetzten Sebel / und einem mit Türkißen prangendem Köcher und Bogen. Lollius ließ hierüber / und wegen der dem Fürsten Hermann sonst mehr bezeigten Höfligkeit einiges Unvergnügen blicken; welches den trunckenen Phraates derogestalt verdroß: daß er ihn einen Verräther schalt / und dem Cajus alle vom Lollius erhaltene Nachrichten einliefferte. Weßwegen Cajus den Lollius zwar durch Gift hinrichten; dieser aber seinen Erben einen in diesem Feldzuge zusa en gescharreten Schatz von unglaublichem Werthe verließ; also: daß nach der Zeit seine Enckelin Lollia Paulina des Kaysers Cajus Buhlschafft auf einem mittelmäßigen Verlobungs-Mahle mit Perlen und Schmaragden alle Kleider und Glieder gleichsam verhüllete; und über eine Tonne Goldes an Edelgesteinen am Leibetrug.

Dieser Friede ward aber bald durch die Armenier selbst zernichtet; welche den Artarasdes der Königlichen Würde entsetzten / den Gotartzes an seine Stelle erhoben / und den Censorin mit dem meisten Theile zweyer Legionen erlegten. Cajus rückte hierüber zwar in Armenien / brach aber wieder des Fürsten Herrmanns Rath zugleich mit den Parthen; und suchte durch Bestechung des Persischen Stadthalters Donnes sich der vorhin dem Phraates abgetretenen Stadt Artagera zu bemeistern; ungeachtet ihm Fürst Herrmann einhielt: daß böse Wercke selten wol von statten giengen; und alles diß / was nach Verrätherey rüche / den guten Nahmen stinckend machte. Massen denn auch Cajus darüber gefärhlich vom Donnes verwundet ward; Fürst Herrmann aber mit seinen Deutschen diesen arglistigen Meuchel-Mörder in einem Berg- Schlosse besetzte / und dergestalt beängstigte: daß er in seinem eigenen Degen fallende sich zugleich auff einen brennenden Holtzstoß von einem Thurme stürtzte / und also die Thorheit begieng: daß er zeitlicher starb / als das Verhängnüs ihm bestimmt hatte; wormit er nicht längsamer sterben müste. Dem Fürsten Herrmann lag inzwischen bey der Unfähigkeit des verwundeten Cajus die gantze Krieges-Sorge auf dem Halse; da er denn theils durch seine und der Batavischen Reuterey Tapfferkeit den Parthen in vielen Scharmützeln nicht geringẽ Abbruch that; theils durch seine Klugheit zwischen ihnen und denen Armeniern allerhand Saamen des Mißtrauens und der Zwietracht ausstreute / insonderheit aber sich sehr wol der aus etlicher Gefangenẽ erprestem Bekäntnüße / wie in Persien wieder den Phraates ein mächtiger Auffstand sich ereignet hätte / bediente; in dem er bey solcher im Parthischen Läger erwachsenden Bestürtzung selbten unverzüglich auf den Halsrückte; und dem Phraates einen vortheilhafften Frieden abzwang / Krafft dessen er in die Entsetzung des Gotartzes willigen / und den Ariobarzanes zum Könige in Armenien belieben muste. Also ist die Geschwindigkeit im Kriege meist die Mutter des Glückes; und die[1232] haben insgemein grosse Thaten gethan / die nichts auff den folgenden Morgen verschoben haben. Die unabtrennliche Gefärthin grossen Glücks die Heucheley eignete diesen glücklichen Streich zwar dem nunmehr halb-wahnsinnigen Cajus zu; überredeten ihn auch gar: Er solte nicht ehe nach Rom kehren / biß er das Ziel des grossen Alexanders erreicht hätte. Aber alle vernünfftige Römer und der Kayser selbst musten hierinnen die Ehre diesem deutschen Fürsten lassen / und seine Tapfferkeit mit einer güldenen Krone belohnen. Ja daß dem Fürsten Herrmann nicht ein öffentliches Siegs-Gepränge erlaubt ward; stand ihm nicht der Abgang seines Verdienstes / sondern alleine die Beschaffenheit seines Vaterlandes / als einem Fremden im Wege / derer keiner noch zu Rom solches gehalten hätte. Jedoch ward er bey seiner Wiederkehr nach Rom mit so grossem Frolocken des Volckes / als einiger Sieger für ihm / und mit nicht geringerer Freude /als Tiberius vorher angenommen; ja aus diesem wieder die Parthen erhaltenen Sieg des Fürsten Herrmanns Königlicher Uhrsprung und das Recht solcher Hoheit zu genüssen bey Deutschen und Römern bekräfftiget. Sintemahl die Sibyllinischen Wahrsagungs-Bücher ausdrücklich vermochten: daß die Parthen von niemanden / als einem Könige überwunden werden könten. Also ist der Nachruhm von der Tugend so schwer / als der Schatten vom Lichte zu scheiden; und wenn schon die unvernünfftigen Griechen sich den schlauen Ulysses bethörẽ lassen: daß sie ihm den von des Hectors Blute gefärbten Schild des Achilles zu sprechen; so wirfft selbten doch das gerechte Verhängnüs durch Schifbruch und tobende Wellen auf das dem Ufer des Meeres gebaute Grab des hierzu besseres Recht habenden Ajax. So weit sich nun Hertzog Herrmanns Ruhm in der Welt ausbreitete / so sehr wuchs sein Ansehen zu Rom und die Gewogenheit des Kaysers gegen ihm im Hertzen; der / als er den Tiberius zum Sohne annahm; weil Lucius zu Maßilien / Cajus in Syrien gestorben war / sich zu grossem Nachdencken verlauten ließ: Wolte GOtt! Herrmann wäre ein Römer; ich wolte meinen Nachfolger nicht in meiner Freundschafft / sondern unter dem Volcke suchen.

Unterdessen zohe er doch hernach den Fürsten Herrmann zu denen wichtigen Rathsschlägen / und versicherte ihn: daß die Cheruskische Herrschafft durch Hülffe seiner Waffen in alten Stand; und so wol er Herrmann / als sein Vater Hertzog Segimer; da er anders nur denen Römischen Feinden nicht selbst anhängen wolte / in die Würde seiner Vor-Eltern versetzt werden solte. Alleine dieser Glantz seiner Tugend beginnte nun auch den neidischen Tiberius in die Augen zu stechen; und des Kaysers Gunst sein argwöhnisches Hertze gegen den Fürsten Herrmann zu vergällen. Seine Mißgunst verwandelte sich endlich in eine Tod-Feindschafft / als der Kayser über der Verrätherey des Cornelius Cinna nebst Livien und dem Tiberius nicht nur auch den Fürsten Herrmann zu Rathe nahm / sondern wie Tiberius seiner angebohrnen Grausamkeit nach den Cinna mit allen Verschwornen durch die grausamste Pein hinzurichten; Herrmann aber Livien beyfallende sie alle ungestrafft zu lassen einrieth / August der letztern Meynung so weit beyfiel: daß er den Cinna gar zum Bürgermeister machte. Massen denn Tiberius von selbiger Stunde an diesen Fürsten zu stürtzen alle Kunst seiner Arglist herfür suchte. Also ist diß / was gegen einem ein Magnet der Gewogenheit gewest / bey einem andern eine Ursache der ärgsten Gramschafft; welche Tiberius mit so viel mehrerm Rechte gegen den Fürsten Herrmann auszuüben vermeinte; weil er sich für dem Tiberius nicht nach Gewonheit der Knechtischen Römer demüthigte; als welche ihn nichts minder schon für den künfftigen[1233] Fürsten ansahen / als er diese Würde fürlängst in der Hoffnung verschlungen hatte. Sintemahl bereit in seiner Kindheit ihm vom Sternseher Scribonius gewahrsagt worden war: Er solte herrschen / wiewol ohne Königliche Zierrathen. Gleicher Gestalt hatte ihn dessen der Sternseher Thrasyllus versichert; welcher so gar von dem ihn aus Rhodus abzuholen kommendem / aber noch entferntem Schiffe zu sagen gewust hatte: daß es ihm fröliche Zeitung brächte. Dannenher weder auff seiner noch auf der Römer Seiten nichts / was zu Vermehrung seiner Hoheit einigerley Weise dienen konte / unterlassen; und er solchem nach als ein neuaufgehendes Gestirne / ja mehr als ein halber Kayser von iederman angebetet ward.

Zu des Tiberius Hasse gegen den Fürsten Herrmann kam zuletzt auch die Eyversucht; eine Unholdin / welche Laub und Graß zu versengen; die heilsamsten Kräuter zu vergifften; und wie der Neid bey fremdem Feuer zu erfrieren / also diese bey fremdem Schnee zu schwitzen gewohnt ist. Denn es war ein aus dem Cheruskischen Geblüte entsprossener Fürst in Deutschland der Chaßuarier und Dulgibiner Hertzog Nahmens Segesthes; ein Herr fürtreflicher Gestalt /grossen Gemüthes / und hauptsächlichen Verstandes. Weßwegen er nicht nur von dem Feldherrn Segimer zum Groß-Stadthalter über die Quaden; sondern auch in den Kriegen mit den Catten und Römern mehrmals zum Feldhauptmann bestellet worden war; und nicht geringe Merckmaale seiner Klugheit und Tapfferkeit erwiesen; ja nach dem Hertzog Segimer in dem vom Marbod nicht bemeisterten Deutschlande das gröste Ansehen hatte. Dieser hatte zu seiner ersten Gemahlin des Cimbrischen Königs Frotho Tochter; mit welcher er zwey Kinder / nemlich den Fürsten Siegesmund /und die wunderschöne Thußnelda / von welcher Vollkommenheiten ich nichts weiter erzehlen darff / erzeuget hatte. So lange diese Ehe tauerte / war weder Unglück noch die grossen Versprechungen der Römer mächtig Segesthens Gemüthe eines Nagels breit von der Liebe seines Vaterlandes abwendig zu machen /zu einem unvergeßlichen Merckmahle: daß der Wanckelmuth so wenig des weiblichen Geschlechtes / als die Beständigkeit des männlichen Eigenthum sey. Als es aber in Deutschland theils wegen der vom Könige Marbod; theils von den Römern erhobener Kriege so sehr durch einander gieng / und Fürst Segesthes zu Verhütung des eussersten Untergangs der zwischen dem Rheine und der Elbe gelegenen / und gleichsam von einem Ost- und West-Winde zugleich bestürmten Länder mit dem Römischen Land-Vogte Sentius Saturninus eine Zusammenkunfft beliebte; dieser aber jenen mit den allerersiñlichsten Höfligkeiten unterhielt / und insonderheit ihn durch seine drey überaus schönen Töchter auff alle Weise bedienen ließ; verliebte sich Hertzog Segesthes in die Mitlere derogestalt: daß er beym Saturnin um sie warb; und noch für seinem Abschiede selbte ihm vermählen ließ. Dieser neue Brand ersteckte in Segesthens Hertze schier alle Liebe des Vaterlandes; und ward er durch seine Gemahlin Sentia nichts weniger aus einem Deutschen in einen Römer; als Antonius durch Cleopatren aus einem Römer in einen Egyptier verwandelt. Der Kayser / um sich dieses Vortheils zu bedienen / nahm Sentien für seine Tochter an; beschenckte sie mit einem ansehnlichen Braut-Schatze; ließ ihn durch den Saturnin in seinen beyden Hertzogthümern der Chaßuarier und Dulgibiner befestigen / und der dem Cheruskischen Hause zukommenden / beym Fürsten Segimer aber durch so viel Unglücks-Fälle nicht wenig verfallenen Feld-Hauptmannschafft nebst mehr andern güldenen Bergen versichern. Massen denn auch dem Sentius Saturninus nicht so wol wegen einiger grossen über die Deutschen erlangten Siege[1234] / als weil er durch diese Heyrath ihnen nicht verächtliche Fässel angelegt hätte / ein Siegs-Gepränge verstattet ward. Hierdurch ward August auffs neue veranlast den Tiberius in Deutschland zu schicken; und nach Segesthens gegebenen Anschlägen die Caninefaten /Attuarier und Bructerer; als welche nunmehr den von dem Willen seines Ehweibes hängenden Segesthes wenig gutes zutrauten / und sich seiner entschlugen /zu überfallen. Inzwischen kam Saturnin nicht allein nach Rom; sondern brachte auch Segesthens zwey Kinder den Fürsten Siegesmund und die Fräulein Thußnelda zwar unter dem Scheine das wunderwürdige Rom zu beschauen / und mit dem Kayser die angefangene Freundschafft mehr zu bestärcken; aber eigentlich darum mit dahin: daß sie gleichsam als Geissel daselbst verbleiben / und Segesthen alle Gedancken von den Römern abzusetzen benehmen solten. August empfing beyde mit ungewöhnlicher Freundligkeit / gantz Rom aber die Fürstin Thußnelda mit grosser Verwunderung; wiewol weder sie / noch ihr Bruder von iemanden / ausser dem Kayser und Livien gekennet ward. Denn Segesthes wolte bey den Deutschen den Nahmen nicht haben: daß er so gut Römisch wäre; und seine Treue den Römern durch seine eigene Kinder verpfändete. Inzwischen vergnügte diese vorwitzige Stadt sich daran: daß ihrer Schönheit gleichen zu Rom noch nie gesehen worden war. Und die / welche zeither mit einander um den Vorzug der Gestalt gestritten hatten; hülleten wie die Gestirne für der aufgehenden Sonne nichts minder ihren Glantz /als Zwist ein. Uber diß ward ihre Schönheit mit einer so lebhafften Freundligkeit beseelet: daß die Anschauer ihr alsofort gewogen zu seyn genöthigt wurden; iedoch nicht zu urtheilen wusten: welchem Geschencke der Natur sie an ihr den Preiß des Vorzuges beylegen solten. Fürst Herrmann aber ward bey dem ersten Anblicke gleichsam ausser sich selbst entzückt. Denn ihm hatte die Nacht vorher nachdencklich getraumet: wie das Bild der Capitolinischen Venus in dem in voller Flamme stehendem Tempel sich mit beyden Armen um seinen Hals schrenckte / und er selbte aus solchem Feuer errettete; wofür sie ihm einen Schmaragd-Ring / in welchem zwey Löwen mit einander kämpfften / einhändigte. Diese Fürstin aber sahe nicht alleine dem ihm zuvor kommendem Bilde so vollkommentlich ähnlich; als wenn es aus Thußneldens Gesichte geschnitten wäre; sondern zu seiner grösten Verwunderung trug sie auch eben derogleichen Ring an ihrem Finger; also: daß er hierunter was sonderliches ihm angedeutet zu seyn unschwer ermessen / und daher nicht ohne ihm selbst angethanen Zwang bey Bewillkommung dieser unbekandten Landsmannin seine Gemüths-Regungen verdecken konte. Ja er muste sich für der Zeit und gleichsam nicht ohne Abbruch seiner wiewol angebohrner Höfligkeit ihrer Gemeinschafft entziehen; um seine Blösse nicht alsobald zu zeigen. Alleine er änderte hiermit zwar den Ort / aber nicht seine Kranckheit. Thußnelde kam ihm wol aus den Augen; nicht aber aus dem Gemüthe; ob schon ihr Bild in dieses sich bereit so eigen eingepregt hatte: daß es solches nicht anders / als ein Spiegel dem Gesichte unaufhörlich fürhielt. Denn die Unruhe seines Gemüthes ließ ihm weder einigen Schlaff zu; noch seine Gedancken auf etwas anders zu werffen. Er quälete sich hierüber derogestalt: daß er sich nicht traute nach Hofe / oder unter andere Gesellschafft zu kommen; sondern unter fürgeschützter Kranckheit drey Tage sich in seiner Einsamkeit mit seinen eigenen Gesprächen vergnügen muste. Er entrüstete sich mehrmahls über sich selbst: daß / da er vorhin über so viel fremde Liebes-Regungen den Meister gespielet hatte / nunmehr ein Knecht seiner eigenen werden; und das durch so viel Müh aufgethürmte Bild seiner Freyheit durch einen einigen Strahl eines[1235] annehmlichen Augenblicks eingeäschert sehen muste. Welch Erkäntnüs seiner eingebüsten Freyheit denn nach langem Kampffe seiner Seele eine gantz andere Bewegung in ihm gebahr; nehmlich ein Verlangen nach derselben Sonne / die sein Hertze mit so empfindlichem Feuer angesteckt hatte. Denn die Verliebten sind dißfalls anders nicht / als die Motten gearthet; welche sich von der schönen Flamme ziehen lassen / ob sie ihnen gleich schon die Helffte der Flügel versenget haben. Dem vierdten Tag wagte sich Fürst Herrmann wieder nach Hofe; da er denn diesen seinen Abgott seinem Bedüncken nach noch viel schöner / als das erste mahl / an Liviens Taffel antraff; und gleichsam mit seinen erstarrenden Augen an ihrem himmlischen Antlitze kleben blieb; also fast noch mehr / als vorhin seine Schwachheit mercklich gemacht hätte. Denn ob zwar sonst die Verwunderung eine Gefärthin der Neuigkeit ist; und sich durch öfftere Gemeinschafft nach und nach verlieret; so ist es doch viel anders mit der Liebe beschaffen; welche von Tag zu Tage wächset; und aus einem Funcken ein grosser Brand / aus einem Zwerge in weniger Zeit ein unüberwindlicher Riese wird; weil ihre Scharffsinnigkeit iedesmahl was neues erforschet / das einen neuen Zunder der Zuneigung abgeben kan. Die Begierde um diese Fürstin zu seyn wuchs in weniger Zeit so sehr: daß Fürst Herrmann sich überredete: er würde nicht leben können; wenn er nicht täglich durch einen Anblick dieser Göttin lebendig gemacht würde. Und wie er anfangs glaubte: daß die Natur durch sie ein in der Welt noch nie gesehenes Muster der Vollkommenheit; oder eine Schönheit / welche auch der alle irrdische Schrancken übersteigenden Einbildung genung thun könte / ausgearbeitet hätte; also gab er ihm nunmehr selbst nach: daß seine Liebe die Regungen aller Menschen überstiege. Als er hernach unterschiedene mahl ihrer annehmlichen Gespräche bey Livien und andern Frauen-Zimmer genaß; welches wegen allzu überirrdischer Schönheit sie zu beneiden für eine Beleidigung der Götter; ihrer Anwesenheit zu genüssen für ungemeines Glücke hielt; ward er offtmahls so entkräfftet: daß er durch allerhand Vorwand sich derselben entbrechen muste; ohne welche er nicht zu leben getraute; und wegen welcher er mehrmahls zweiffelhafft war: Ob das Verhängnüs ihn durch sie beym Leben zu erhalten oder zu tödten bemüht wäre / biß er nach und nach lernte: daß die Verliebten gleichsam an den Scheide-Weg des Lebens und Sterbens versetzt sind; und diß / was an ihnen lebet / so wenig ein rechtes Leben / als diß / was sie tödtet / ein wahrhaffter Tod sey. Worbey ihm diß nicht die geringste Pein verursachte: daß er durch keine Sorgfalt zu erfahren vermochte: wer die wäre; die sich so geschwinde der Botmäßigkeit über seine Seele angemast hatte. Deñ ob er zwar bey denen; welche Saturnin mit aus Deutschland gebracht hatte; so viel / wiewol auch nur wegen ihrer selbsteigenen Unwissenheit / muthmaßlich ergrübelte; auch aus der ihr von dem Kayser und Livien geschehenden Begegnung unschwer schlüssen konte: daß sie eine deutsche Fürstin hoher Ankunfft seyn müste; ward hierdurch doch das wenigste seines Zweiffel-Knotens aufgelöset. Hingegen heuchelte er zuweilen seiner Einbildung; wenn er sich bedüncken ließ: daß diese Fürstin ihn mit einem annehmlichern Anblicke / als andere Anwesenden betheilt hätte. Alleine diese süsse Gedancken verschwunden bald wieder als ein Traum; wenn er entweder wahrnahm: daß die unvergleichliche Freundligkeit dieser Göttin nicht anders / als die wolthätige Sonne eben so wol auff das geringste Graß / als die höchsten Cedern ihren Einfluß hatte; oder er bey Erwegung ihrer hervor leuchtenden Tugenden sich bescheidete: daß man auch die reineste Zuneigung eines Frauen-Zimmers ihm nicht ohne gäntzliche[1236] Verkleinerung ihres Ansehens einbilden kan; weil man die eigene Liebe zwar für eine untadelhaffte Würckung der vollkommensten Seelen; fremde aber allezeit für eine kleine Schwachheit hält. Alldieweil aber die Veränderung gleichsam ihre tägliche Kurtzweil mit der Liebe hat / verwandelte sich seine Sorge wieder in eine neue Hoffnung; da doch kein Liebhaber leicht darauff fussen soll; nach dem zwar die Abwechselung der Liebe gewiß / ihre Hoffnung aber sehr zweiffelhafft ist. Gleichwol aber heuchelte seiner Hoffnung eine gewisse bey der Einweihung eines Tempels sich zutragende Begebnüs. Diesen baueten die zwey Brüder Germanicus und der junge Tiberius Nero ihrem verstorbenen Vater Drusus zu Ehren auf; eigneten aber ihn dem Castor und Pollux zu. Der Kayser / Livia und alle Grossen / wie ingleichen die Fürstin Thußnelda fügten sich mit grosser Pracht in diß neue Heiligthum / und bemeisterte diese des Römischen Volckes Augen und Hertzen derogestalt: daß / als die Bilder des Castors und Pollux mit ihren umflammeten Häuptern auf zwey Opffer-Tische gehoben worden; selbtes dem obersten Priester zurieff: Er solte ihrer Schwester der schönen Helena nicht vergessen; welche nichts minder / als ihre Brüder unter die Sternen wären versetzt worden; und sich in der Gestalt dieser Deutschen oder vielmehr himmlischen Fürstin schauen liesse. Thußnelde ward hierüber beschämt; ersuchte daher den Fürsten Herrmann ihr mit einem Zeugnüße beyzuspringen: daß in Deutschland das Frauen-Zimmer ins gemein ihre geringe Gestalt übertreffe; und man ihr also ihre Gebrechen nicht durch übermäßiges Lob fürrücken möchte. Fürst Herrmann begegnete ihr mit tieffster Ehrerbietung; sie versichernde: daß sie über ihn das Recht einer vollkommenen Botmäßigkeit besässe; er aber nicht über seine Augen / welche weder in Deutschland / noch sonst in der Welt eine ihr nur biß an die Helffte kommende Schönheit gesehen hätten: daß sie ihr fürlängst seiner Seele gefälletes Urthel wiederruffen solten; noch auch über ihre Zunge: daß sie dem etwas unvernünfftig abbreche / dessen Vollkommenheit seine Gedancken nicht zu begreiffen vermöchten. Diesemnach er denn dem Urthel der Römer; mit welchen das sonst zwistige Deutschland dißfalls zweiffelsfrey einstimmete / unnachbleiblich beypflichten müste; wenn er nicht einer Göttin ihres gleichen für anständiger hielte: daß ihr lebhafftes Bild in das Heiligthum eines tugendhafften Hertzens; als ein Ertztener Nachguß in ein marmelnes Hauß versetzt würde. Thußnelde färbte sich hierüber und versetzte ihm lächelnde: Sie hätte zwar bey ihm als ihrem Landsmanne und einem so vollkommenen Fürsten Hülffe und Beystand zu finden gehoffet; sie müste aber ihre Vermessenheit nunmehr selbst erkennen /weil sie sich von Anfang bescheiden sollen: daß auch die Deutschen / wenn sie zu Rom wären / der Römer Meynungen / wenn schon irrig / beypflichten müsten. Herrmann antwortete: Er wolte in andern Dingen der Römer Wort nicht reden; hierinnen aber wäre kein Irrthum zu vermuthen; sondern vielmehr / weil iedes Volck das andere übertreffen wolte / etlicher Römer unpartheyisches Urthel gantz Deutschlands Meynung fürzuziehen; als welches an dem Ruhme ihrer Vollkommenheit Theil hätte. Ja er wäre versichert: daß wenn sie mit ihrem Ebenbilde gleich als wie das Ebenbild der Sonne der gantzen Welt ihr schönes Antlitz zeigen könte; ihres nichts weniger / als jenes allenthalben würde verehret werden; und Xerxes /welcher die Schwester des Castors aus so viel ausgelesenen Crotoniatischen Jungfrauen kaum zusammen setzen können / würde nach der schönen Thußnelda[1237] so viel Helenen mahlen können; als die Natur sie mit vollkommenen Gliedern beschenckt hätte. Thußnelda brach diesen Lobsprüchen ein; als welche die am ungernesten hören / die sie am meisten verdienen; und um den Fürsten Herrmann auf was anders zu bringen /sagte sie: Es wäre zwar zu enthengen: daß die eusserliche Gestalt noch der Farben und des Pinsels werth wären; als welche meist in übelrüchender Erde und blossem Schatten eben so wie die Schönheit des eitelen Leibes bestünden; aber die Verehrung der Sonnen dem Brunnen des Lichts und der Seele der Welt ließe sich einem so vergänglichen Gespenste / als die Schönheit wäre / ohne jener Entweichung nicht zueignen. Fürst Herrmañ fragte alsofort: ob sie nicht die Schönheit für ein besonder Geschencke Gottes hielte; oder nicht glaubte: daß diß / was dem Gestirne so ähnlich wäre / seinen Uhrsprung vom Himmel / und eine nicht geringere Würckung als die obern Lichter in denen Hertzen der Menschen hätte? Phryne hätte durch Entblössung ihrer schönen Brüste das schon abgefaste Verdammungs-Urthel von sich abgelehnt; nach dem des Hyperides Beredsamkeit die Schärffe der Richter zu erweichen viel zu ohnmächtig geschienen. Die Schönheit wäre eine Mutter der mächtigsten Königin der Welt / nemlich der Liebe; welche Götter und Menschen beherrschte. Sie wäre ein so kräfftiges Gestirne / welches die trüben Zorn-Wolcken der grimmigsten Feinde ausklärte; auffs Finsternüs der Unglückseligen mehrmahls einen lebhafften Freuden-Blick würffe / und denen Verzweiffelten aus ihrem Schiffbruche einen Genesungs-Weg zeigete; ja auch diß / was seinem eigenen Wesen nach entweder unangenehm oder heßlich wäre / mit einer Anmuth betheilete; also: daß Traurigkeit und Zorn in einem schönen Antlitze lieblich aussähe; daß die Thränen den schönsten Perlen / die wäßrichten Augen einem mit Regenbogen gefärbtem Gewölcke gleichte. Ja die Kranckheiten selbst sehen auf wolgebildeten Wangen; und der grausame Tod auf einem zierlichen Munde anmuthiger / als sonst aus. Das Unglück werffe seinen Schatten nach denen Schönen / wo nicht mit minderer Tunckelheit; iedoch mit geringerer Hartnäckigkeit. Die Wolcken der Rache und des Hasses / welche alles andere zermalmen / schertzten und spielten nur mit denen / welche den Zierrath des gestirnten Himmels in den Augen / der geblümten Erde auff allen Gliedern /und ein grosses Theil menschlichen Verhängnüßes in ihren Händen trügen. O des unglückseligen Gestirnes! O der vergänglichen Neben-Sonne! fieng Thußnelde seuffzende an. Denn in Wahrheit / wo die eitele Gestalt einen Platz unter den Sternen / oder den Blumen verdienet; weiß ich ihr keinen würdigern einzuräumen / als den die schädlichen Schwantz-Gestirne im Himmel / oder gifftiges Napel in Gärten hat. Sintemal die Schönheit wie jene; ie lichter sie brennen / nicht nur sich selbst; sondern gantze Städte und Länder einäschert; und nicht selten die reinesten Seelen vergifftet /also ein Vermögen ist / welches seinen eigenen Besitzer unglückselig; die aber / welche ein Auge drauff haben / unruhig macht; ja vielen sich aus einem Abgotte in einen Hencker verwandelt. Denn ihre Tochter die Liebe kehret zwar mit Jasmin in der Hand / mit Rosen auf dem Haupte in die zarten Seelen ein; hernach aber wütet sie mit Feuer und Schwerdt in ihrer eigenen Behausung. Dessen bewährtes Beyspiel die einige Helena seyn kan / in welche mich ein allzugütiges Urthel des Volckes verwandeln wil. Fürst Herrmann wolte zum Nachtheil der Schönheit / die er an Thußnelden anbetete / nichts verkleinerliches verhängen; setzte also ihr entgegen: Man eignete nicht selten denen heilsamsten Sternen den aus sumpfichten Erdreiche herrührenden Hagel und Ungewitter; denen gesündesten Kräutern aber von einem verterbten Leibe /oder aus Mißbrauche[1238] verursachte Würckung / und der Schönheit mit eben dem Unrechte / als der Sonne einen schädlichen Schatten zu; den der gifftige Eiben-Baum von sich würffe. Eine vollkommene Seele vertrüge nicht ein Behältnüs heßlicher Glieder; ja es könte nach vieler Weisen Urthel so wenig ein Zirckel ohne Mittelpunct / als ein wolgestalter Leib ohne ein gutes Gemüthe seyn. Dannenhero ins gemein niemand grosser Verrichtungen fähig zu seyn geachtet würde /als den die Natur auch mit eusserlicher Zierde zu begaben gewürdigt hätte. Fürnehmlich wäre diß ein unschätzbares Eigenthum der Fürsten; als wordurch die Natur gleichsam ihnen die Botmäßigkeit über andere bestetigte; welche sie durchs blosse Glücke erlanget hätten. Die Schönheit des Gebietenden verzuckerte gleichsam die Bitterkeit der beschwerlichen Herrschafft / sie erleichterte den Achseln ihre Last; also: daß das gemeine Volck / welches als ein Thier / das seine Vernunfft meist in den eusserlichen Sinnen hat /so viel williger gehorsamte; und dem das Hertze zueignete / der einmahl seine Augen gewonnen hätte. Weßwegen derselben Völcker Gewohnheit nicht allerdings zu verwerffen wäre / die den Wolgestaltesten zu ihrem Könige; und die Schönste zu seiner Gemahlin erwehleten. Die Fürstin Thußnelde versetzte abermahls: In ihren Augen wäre die Schönheit des Gemüthes alleine schön; des Leibes aber ein vergänglicher Wind / und eine mit Seiffe vermischte Wasser-Blase. Sie beliebte zwar ins gemein vielen / aber darum eben wäre ihre Bewahrung so viel gefährlicher. Wiewol auch zuweilen die gütige Natur eine schöne Seele mit einem zierlichen Leibe wie den Balsam-Geruch der Rosen / und Krafft der Granat-Aepffel mit Purper umhüllete; wäre doch diß ein blosser Zufall; und es steckte vielmahl in ungestalten Gliedern die tugendhaffteste Seele / wie die weisseste Perle in der höckrichten Muschel; der helleste Diamant in der rauesten Schale / das edelste Gold in der schwärtzesten Schlacke. Ja die Tugend selbst hätte keinen gefährlichern Stand / als in den Hülsen eines schönen Leibes. Die Anfechtungen des Glückes liessen zuweilen nach / und hätten ihre Ruh-Stunde; der Schönheit aber ein Bein unterzuschlagen / suchte die Wollust unaufhörlich Gelegenheit; alle ihre annehmliche Blicke würden ihr selbst zum Fallbrete; und ihre Liebhaber zu ärgsten Tod-Feinden. Keine Unschuld diente ihr zum Schilde; keine Hertzhafftigkeit wäre genung sich aller Versehrungen zu erwehren; und die keusche Lucretia so wenig / als die geile Lais unversehrlich. Fürst Herrmann hätte hierwieder noch gerne ferner der Schönheit das Wort geredet; wenn nicht die Einsegnung des Tempels sich geendiget; und August dem Herrmann / Livia Thußnelden ihr auf der Seite gehaltenes Gespräche zu unterbrechen durch ihren genommnen Abschied aus dem Tempel Anlaß gegeben hätte. Gegen Abend selbigen Tages ward in dem grossen Schauplatze zu Ehren des Castors ein Riesen-Tantz von zwantzig geharnischten Jünglingen / und dem Pollux zum Gedächtnüße ein Kampff mit Streit-Kolben / an welchen bleyerne Kugeln hiengen / gehalten; weil Pollux dieses Gefechte erfunden / Griechenland aber den Castor mit einem Tantze auf den Dreyschlag verehret haben soll. Wiewol nun dazumahl noch so gemein nicht war: daß Erlauchtes Frauenzimmer und Raths-Herren denen Fechtern zuschauten / so ließ doch August seinen Enckeln zu Liebe dieses mahl alle Grossen beydes Geschlechtes einladen; iedoch die Fechter nicht nackt / sondern köstlich / wiewol leichte angekleidet im Schau-Platze erscheinen. Weil aber um selbige Zeit der vorhin gantz helle Himmel sich in Regenwetter verwandelte / fand die Fürstin Thußnelda über der Pforte des Eingangs in dem Schauplatze / der sie zu ihrem Sitze leitete /[1239] durch eine unbekandte Hand mit Saffran in deutscher Sprache angeschrieben:


Der gantze Tag ist sch \n / die Lufft glåntzt wie Safier;

Nun du Thußnelde kommst / und's Schau-Spiel hat begonnen;

Umw \lckt die Sonne sich. Warum? sie weichet dir

Und schåmet sich zu stehn bey einer sch \nen Sonnen.


Wie aber Thußnelde an diesem schlechtes Vergnügen fand / und deßwegen diese Uberschrifft alsbald abzuthun anbefahl; also sahe sie nicht ohne innerste Gemüths-Kränckung / wie nicht allein unter denen in denen Antlitzen mit Zinober und Berg-blau seltzam gemahlten Fechtern so viel tapffere Deutschen zu diesem blutigen Kampffe genöthiget; sondern auch /wenn sie dem zornigen Pöfel nicht grausam genung auf einander raseten / auffs schimpfflichste geschmähet / und nach ihrer Athem-losen Abmattung mit einem Geträncke aus Lauge zu ihrem nur längerem Elende erquicket wurden. Worüber sie für Unwillen in ihrem Sitze die blauseidenen mit Golde durchwürckten Fürhänge; wormit Germanicus und Tiberius alle Gestüle des Adels hatte versehen lassen / fürzoh. Welches der nicht ferne davon sitzende Fürst Herrmann genau wahrnahm; und daher ihm Gelegenheit suchte bey dem Gast-Mahle / welches noch selbige Nacht Germanicus und Tiberius allen Grossen ausrichtete /gegen dem erstern und zwar der anwesenden Fürstin Thußnelde zu Liebe zu erwehnen: Es wäre eine allzugrosse Strengigkeit: daß die Römer ihre Gefangenen /und insonderheit aus denen streitbarsten Völckern /welche der Kayser selbst zu seiner Leib-Wache brauchte / zu selbsteigener Hinrichtung nöthigten. Germanicus antwortete: Es wäre ihm leid: daß aus dem / was er seinen Vorfahren in seinem Schau-Spiele nur nachgethan hätte / zu iemandens Unvergnügen gereichen solte. Er meinte aber: daß diese bey den Römern hergebrachte Gewonheit sich allerdings mit dem gemeinen Rechte der Völcker vertheidigen liesse; welches nicht nur die streitbaren / sondern alle Feinde ohne Unterscheid des Alters und Geschlechtes / ja auch die / denen man gleich nicht im ersten Eyver der Schlacht das Licht ausgelescht hat / zu tödten verstattete. Sintemahl bey diesen letzten der Tod nur verschoben / das Leben aber keines Weges geschenckt würde. Welches nicht nur das Beyspiel aller Völcker; der vom Pyrrhus abgeschlachtete Priamus / die auf dem Grabe Achillens geopfferte Polyxena / die von denen aus Corcyra getödteten Epidamnier / die vom Hannibal auff einmahl hingerichteten Römer / sondern auch die eigenen Sitten der Deutschen und Scythen erhärteten / da sie ihre Götter mit dem Blute der Gefangenen versöhneten. Fürst Herrmann versetzte: Er wiederspreche die Gewalt über das Leben und den Tod der Gefangenen nicht; aber die sich selbst / wiewol nur auf Gnade und Ungnade / und also sonder einige Bedingung Ergebenden zu tödten / oder auch die mit Zwang Gefangenen zu selbst eigener Auffreibung anzustrengen wäre beydes eine Härtigkeit / die in sich kein Maß hätte / und die Feinde zu verzweiffelter Verbitterung veranlaste. Denn ob zwar die ersten ihren Willen der Willkühr des Uberwinders unterwürffen; also: daß nichts beschwerliches wieder ihr Belieben ihnen zu begegnen schiene; so würde doch allezeit stillschweigend ausgedungen / was der Bedrängte nur auf den Fall der eussersten Wiedersätzligkeit verlieren könte / nehmlich das Leben. Ja / da einem Knechte Unrecht geschehe; wenn der Herr ihn mit unerträglicher Last bebürdete / mit unmenschlichen Straffen ausäderte; da kein Herr ohne richterliches Erkäntnüs seinen Leibeigenen tödten / oder denen wilden Thieren fürwerffen dörffte / und sich über ihn des Eigenthums verlustig machte / der ihm die Lebens-Mittel oder die Artzney entzöge / oder selbten auch gleich auf das Eyland des Esculapius ausladen liesse; wie viel mehr Unbarmhertzigkeit wäre es sich gegen die Ergebenen[1240] grausamer bezeigen; die auff die Gnade des Siegers ihre übrige Wolfarth gebaut hätten; und den mit den Klauen zerfleischen / der unter unsern Flügeln Schirm zu finden getrauet hätte. Weßwegen die / welche sich nicht überwinden könten / denen Ergebenden weniger als das Leben zu nehmen / die angebotene Ergebung denen Feinden auszuschlagen / und sie ihnen zu bedeuten schuldig wären: daß sie nach der Schärffe des Kriegs-Rechts das eusserste thun / und hinwieder erwarten solten. Sintemahl es zwar Rechtens ist / aus seines Feindes weggeworffenen Degen / für ihn Fessel /nicht aber Hencker-Beile schmieden zu lassen. Und wäre daher Scipio nichts minder wegen seiner Gerechtigkeit / als sonst wegen seiner Tapfferkeit zu rühmen: daß er von denen biß auffs eusserste verstockten Numantiern keinen zu tödten begehret / welche nicht selbst sich eigen beliebig hingerichtet hätten. Ja bey denen meisten Völckern wäre auch die Dienstbarkeit der sich selbst ergebenden viel leidlicher / als der Gefangenen. Die sonder einige ihre Einwilligung Gefangenen müsten freylich zwar dem Sieger den Nacken gedultig hinrecken; daher er es den Römern nicht für übel hielte: daß sie auf ihren Siegs-Geprängen sich an so viel sterbenden Feinden erlustigten; daß aber sich Freunde und Bunds-Genossen selbst unter einander aufreiben müsten / hiesse der Natur einen Zwang anthun / und die Menschen sich in ein wildes Pantherthier verwandeln. Germanicus bezohe sich zwar auf das Beyspiel des von den Römern getödteten Pometischen Fürstens / der vom Sylla erschlagener Samniter / der vom Julius niedergehauener Numidier. Uber diß / sagte er / wäre der denen Fechtern aufgedrungene Zwang nichts so abscheuliches; weil die zwey vertrautesten Freunde Juba und Petrejus auff diese Art einander selbst von der Uberlast des beschwerlichen Lebens geholffen hätten. Ja weil ihrer so viel durch eigenhändigen Tod sich aus der Dienstbarkeit versetzten / hätte ein Gefangener kein Bedencken zu tragen / auch diß gegen seinen Bruder auszuüben /was er gegen sich selbst zu thun nicht für grausam hielte. Fürst Herrmann aber bezohe sich auf viel mildere Sitten / derer bey den Römern für überaus grausam beschriener Völcker / und daß die über sich selbst habende Gewalt sich nicht gleich über andere ausdehnen liesse. Insonderheit aber wüste er nicht: wordurch es die Deutschen verschuldet hätten: daß sie mehr als andere zu so grimmigem Gefechte angestrenget würden? Es würden gewiß hierdurch dieselben /welche mit so fester Treue für das Römische Volck die Waffen geführet / sehr stutzig; die aber / welche aus eingewurtzeltem Mißtrauen ihnen noch die Spitze bietetẽ / mehr verbittert gemacht werden. Der kluge August hörte dieser Wortwechselung mit Fleiß zu /unterbrach aber selbte mit folgender Erklärung: daß mit seinem Wissen kein sich gutwillig Ergebender einen Fechter abzugeben / noch auch andere Gefangenen mehr / als einmahl den Kampff auszustehen gezwungen / sondern sodeñ bey nahe in völlige Freyheit gesetzet würden. Da auch hiewieder / insonderheit: daß man die tapffern Deutschen für andern hierinnen anspannete / etwas gehandelt worden wäre; wolte er solchem Mißbrauche zu so vieler verdienter Helden Vergnügung vollkömmlich abhelffen.

Diese Empfindligkeit des Fürsten Herrmanns vergnügte Thußnelden so sehr: daß sie noch selbige Nacht / als Germanicus und Tiberius zu denen auf den dritten Tag bestimmten Rennen die sämtlichen Gäste einlud / ihn unter dem Scheine der Landsmannschafft zu ihren Gefärthen erkiesete. Denn weil Pollux und Helena aus einem / Castor und Clytemnestra aus einem andern Ey / welches Leda gebohren / entsprossen seyn solten; pflegten in denen dem Castor und Pollux zu Ehren gehaltenen Ritter-Spielen allezeit die Helffte Frauen-Zimmer untermengt zu werden. Thußnelda[1241] nam folgenden Tag unter dem Vorwand sich über ihrem Aufzuge mit einander zu bereden Gelegenheit / dem Fürsten Herrmañ ihr Wolgefallen über dem / was er für die tapferen Deutschen den Tag vorher geredet hatte / zu bezeugen. Worüber sie denn durch die diesem Volcke angebohrne Verträuligkeit beyderseits ferner veranlast wurden / über die Bedrängungen Deutschlands anfangs zu seuffzen / hernach aber ihren innerlichen Unwillen gegen die herrschsüchtigen Römer auszulassen; ja ihr Unglück zu beklagen: daß sie das Verhängnüs in solchen Stand und an einen solchen Ort versetzt hätte; da sie ihren Feinden noch heucheln / und ihre Dienstbarkeit rühmen müsten. Endlich ließ Thußnelda aus dem innersten ihres Hertzen einen tieffen Seuffzer aus / und beschloß ihre Unterredung mit diesen Worten: Wolte GOtt! Unsere deutsche Freyheit hätte sonst keine Feinde / als die Ausländer, so würde ich mir über ihrer Gefaht kein graues Haar wachsen lassen. Aber leider! wir säugen den uns fressenden Krebs mit unsern eigenen Brüsten / und wormit ein deutscher Fürst dem andern könne zu Kopffe wachsen / schämet er sich nicht ein Fußschemmel der Fremden zu werden. Fürst Herrmann wolte für dißmahl Thußnelden nicht ferner in Pulß fühlen; um durch frühzeitige Sorgfalt ihr nicht Ursach zu Verschlüssung ihres Gemüthes zu geben; sondern redete allein ihrer beyder künfftigen Aufzug derogestalt mit ihr ab: daß sie wie die zwey Halb-Götter der Naharvaler / Alcis genennt / welche ohne diß die Römer für den Castor und Pollux auslegten / auf der Rennebahn erscheinen wolten. Auf dieser war zu dem einen Ziele auffgestellt das Bild des Lynceus; welcher den Castor getödtet / aber von dem Pollux wieder durch eine ihm auf den Hals gestürtzte Marmel-Seule erlegt worden. Das andere Ziel war das Bild des vom Pollux in einem Gefechte erschlagenen Anycus. Das dritte Ziel war der vom Blitz in Asche verkehrte Idas; als er den Pollux antasten wollen. Nach dem ersten Ziele ward in vollem Rennen mit dem Bogen / nach dem andern mit einem Wurff-Spiesse geschossen; nach dem dritten aber mit einer Lantze gerennet. Alle sassen auf schneeweißen Pferden; weil Castor und Pollux in einer Schlacht unter dem Aulus Postumius wieder die Latiner auff solcher Art Pferden für die Römer sollen gefochten; an solche ihre Pferde zu Rom beym Heiligthume der Vesta gebadet und den Sieg zum ersten angekündiget haben. Derogleichen Beystand und Ankündigung ihnen denn auch in dem Macedonischen Kriege wieder den König Perses nachgerühmet wird. Die Fürstin Thußnelda gläntzte für allen andern in ihrem Himmel-blauen mit eingewürckten güldenen Sternen schimmernden Kleidern; gleich als wenn eine solche Göttin nicht geringer als mit etwas himmlischem bekleidet seyn könte; aber vielmehr mit ihrer unvergleichlichen Schönheit und Lebhafftigkeit / mit welcher letztern sie nichts minder alle Römische Edelleute / als mit der ersten alles Frauen-Zimmer übertraff. In dem Rennen erwieß sie: wie diß ihr leichtestes Handwerck wäre. Fürst Herrmann und alle andere thäten ihr Bestes; um sich nicht so wol der aufgesetzten herrlichen Preisse / als der daraus erwachsenden Ehre fähig zu machen. Germanicus gewan den Preiß in der Lantze / Herrmann im Wurff-Spiesse; Thußnelde aber hatte dem Lynceus ins rechte Auge / welches zum innersten Hertz-Zwecke ausgesetzt war / einen mit folgenden Worten umschriebenen Pfeil zugeschossen:


Dem Lynceus in das Aug'. Es lehre dieser Schuß:

Daß Kunst der Tugend Magd / das Glück' ihr Knecht seyn muß.


Zu aller Anschauer höchster Verwunderung aber steckte des Fürsten Herrmanns Pfeil gerade auf Thußneldens Pfeile / und stand daran mit güldenen Buchstaben geetzt:[1242]


Nichts seltzam's: daß ein Pfeil den Pfeil trifft nicht so fern'.

Erzielt doch der Magnet den weitern Angelstern.


Denn die Gewonheit der Persen: da nemlich alle Pfeile der in Krieg ziehenden für dem Angesichte des Königs auf gewisse Art bezeichnet wurden; war bey denen Römern nunmehr auch / insonderheit bey derogleichen Lust-Spielen eingeführet; wormit ein ieder den seinigen von Fremden unterscheiden konte. Die über dieses Rennen gesetzte Richter verwunderten sich nicht wenig über diese Begebnüs / sonderlich /da die an denen zwey Pfeilen befindliche Schrifft klar genung erhärtete: daß beyde Schüsse nicht ungefähr /sondern aus rechter Kunst und Vorsatz geschehen waren; Gleichwol aber waren sie über der Zueigung des Preisses nicht wenig zweiffelhafft; ja dardurch am allermeisten verwirret: daß so wol Thußnelde / als Herrmann mit Anführung vieler dienenden Ursachen sich des Preißes enteusserten. Diesemnach sie denn nach selbst eigener Berathung des Kaysers beyde veranlasten mit einander durch ein neues Bogenschüssen zu gleichen. Viel tausend begierige Augen waren gleichsam an das Ziel angehefftet; da denn die Fürstin in ihrem Vorrennen dem Lynceus recht durch das lincke Auge / Fürst Herrmann aber recht durchs Hertze schoß; aus welchem ein derogestalt bezeichneter Pfeil gezogen ward:


Mein Pfeil fehlt zwar den Zweck / doch trifft er / was ich wil.

Denn Aug' und Hertz hat offt ein unterschieden Ziel.


Jedermann verwunderte sich abermahls über beyde so künstliche Schüsse; und zohe sie des Asterius Meisterstücke für; welcher in der Schlacht dem Könige Philippus Vermöge der daran befindlichen Schrifft einen ins Auge bestimmten Pfeil gleichfalls glücklich anbrachte. Weil aber die Augen einmahl zum Hertzzwecke ausgesetzt waren / und die Fürstin Thußnelde diesen Lynceus auf beyden Augen blind gemacht hatte / ward ihr im Pfeil-Schüssen der Preiß zugesprochen / und unter dem Zuruffen des Römischen Volckes von Livien überreichet. Hierbey aber nahm die kluge Thußnelda genungsam wahr: wie Fürst Herrmann ihr nicht nur mit Fleiße diesen Preiß zugelassen / sondern auch dardurch seine absondere Zuneigung mehr und mehr gegen sie bestärcket hatte. Weil nun die Unempfindligkeit nur gefrorner Hertzen / die Bewegung einer zarten Seele Eigenschafft ist /und ihr Zunder Feuer zu fangen nur einen Funcken darff / spielte sich in Thußneldens Hertze nach und nach eine solche Gemüths-Regung / von der sie selbst nicht wuste: ob ihr der Nahme der Gewogenheit / oder der Liebe anstünde. Denn diese zwey Bewegungen gräntzen so genau und nahe an einander: daß ihre Eigenthums-Herren sie selbst so lange Zeit nicht zu unterscheiden wissen; wo anders ein Mensch sich über die Gemüths-Regungen / und nicht vielmehr diese über ihn sich einer Herrschafft zu rühmen hat. Man nehme sie nur für eines oder das andern an / so würckte sie keine geringe Merckmaale ihrer Zuneigung. Denn als der gantze Hof mit dem Kayser zu Lanuvium sich aufhielt / und sie aus Deutschland Schreiben und Nachricht erhielt: daß Tiberius biß über die Weser gesetzt / denen Cheruskern nicht geringen Abbruch gethan / zum grösten Unglücke Deutschlands aber der großmüthige Feldherr Segimer Todes verblichen wäre; meinte die treuhertzige Thußnelda allerdings unverantwortlich zu seyn diese Nachricht dem Fürsten Herrmann / als welchem hieran so viel gelegen wäre / zu verschweigen; zumahl sie besorgte: daß doch August Segimers Todes-Fall für ihm so viel möglich verborgen halten würde. Dahero wie der Kayser und Livia nach erhaltener Post aus Deutschland Rath hielten / veranlaste Thußnelda in Gesellschafft nur zweyer aus ihrem Frauen-Zimmer den Fürsten Herrmañ mit ihr den eingefallenen Schau Platz der alten Lateinischen Könige und Evanders Burg[1243] zu beschauen. Wie sie nun dahin kam / fieng sie mit wäßrichten Augen an: Großmüthiger Herrmann und liebster Vetter; ich muß mich bald anfangs dieses Titels gebrauchen; wormit er theils so viel weniger über meiner Verträuligkeit sich wundere; theils meiner Auffrichtigkeit so viel mehr Glauben gebe. Ich bin Segesthens Tochter; den das Verhängnüs Saturnins Tochter Sentia zu heyrathen / diese aber ihn verleitet hat / mich zu einer Römischen Geißel zu machen. Wolte aber GOtt! ich hätte mit ihr nur eine Stieff-Mutter; Deutschland an ihm keinen Stieff-Vater bekommen! Alleine leider sich erfahre: daß wenn das Verhängnüs iemanden zu verterben beschlossen hat /läst es ihn anfangs von Vernunfft oder gar von Sinnen kommen. Denn Segesthes; welcher für die Freyheit Deutschlandes so viel mahl sein Leben gewagt; so viel Blut verspritzet / lässet nunmehr allem Ansehen nach die Hand sincken / und hilfft sein Vaterland selbst denen Römern dienstbar machen; gleich als wenn er mit der Zeit nicht auch würde einen Knecht der Römer abgeben müssen. Unsere schlauen Feinde verleiten ihn mit Vertröstung der Deutschen Feld-Hauptmannschafft; da er doch erwegen solte / mit was Unrecht solche dem Fürsten Herrmann entzogen; und wie August Segesthen hieran nichts / als den Schatten enträumen; das Hefft aber über das einmahl überwundene Deutschland keinem andern aushändigen werde. Er lege nicht übel aus / vertrauter Herrmann / meine freymüthige Hertzens-Ausschüttung. Denn die Liebe des Vaterlandes überwiegt die / welche man den Eltern schuldig ist. Ja zu bezeugen: daß ich seinem Rechte mehr / als dem Wachsthume meines Geschlechtes wol wolle; so werde ich gezwungen ihm die traurige Zeitung zu bringen: daß der einige Pfeiler der Deutschen Freyheit / nehmlich sein Vater der hochverdiente Feldherr Segimer verfallen und todt sey. Ich weiß wol: daß das Trauren einem frischen Schmertze allerdings nicht unanständig sey; aber das Heil des Vaterlandes / die Erhaltung seines Volcks /und die Hoheit seines Standes erfordern dißmahl von ihm trockene Augen / reiffen Rath / und eine hertzhaffte Entschlüssung. Ich bin ohne diß versichert: daß diesen Verlust sein Geblüte zwar nicht gar unempfindlich / seyn grosses Gemüthe aber nicht weibisch aufnehmen; weniger seine Klugheit es gäntzlich in Wind schlagen; sondern die Sorge dem Vaterlande zu helffen das kräfftigste Hülffs-Mittel wieder dieses Betrübnüs seyn werde. Hertzog Herrmann hörte Thußnelden mit unverwendeten Augen / und unverändertem Antlitze an; so lange sie redete. Als sie aber beschloß; fiel er auff das eine Knie / umarmete Thußneldens / die diß zu verwehren vergebens sich bemühte; und fieng an: Ich würde den Tod meines Vaters nachdrücklicher zu betrauren haben; wenn das gütige Verhängnüs diesen Verlust nicht durch das Geschäncke einer so vollkommenen Freundin ergäntzt /und Deutschland mit einer so grossen Schutz-Göttin versorgt hätte. Die Noth und der Befehl derselben; in welcher Hand das Verhängnüs mein Glück und Unglück vertrauet hat / erfordert freylich / mein Bekümmernüs nicht für eine todte Leiche / sondern für die Erhaltung des kranckenden Vaterlandes anzugewehren. Aber die übermäßigen Wolthaten der Fürstin Thußnelda verbinden mich so wol als Deutschland /nicht alle Kräfften dorthin und zu seinem eigenen Besten; sondern zum minsten die Helfte zu einem unvergeßlichen Danck-Maale gegen sie als unsern Schutz-Stern anzuwenden; dessen holden Anblick das scheiternde Vaterland nichts minder / als ich kluger Wegweisung bedürfftig bin. Thußnelde / welche ohne diß diese nachdenckliche Demüthigung nicht gerne[1244] ihr /wiewol der Treue und Verschwiegenheit halber genungsam geprüfftes Frauen-Zimmer sehen lassen wolte / nöthigte den Fürsten zum Wiederauffstehen; und kamen sie hierüber in Berathschlagung: Ob Fürst Herrmann heimlich; oder mit Vorbewust und Einwilligung in Deutschland reisen solte? Dieses letztere hielt Herrmann für rathsamer; weil der ihm für so viel treue Dienste verbundene August ihn mehrmahls versichert hätte: daß er auff Segimers Todes-Fall ihm nicht nur zur Herrschafft der väterlichen Lande / sondern gar zu allen Vor-Elterlichen Würden behülflich seyn wolte. Diß aber wiederrieth Thußnelda beständig. Denn / sagte sie / weil die Wolthaten zeitlicher ihr Andencken / als die Rosen ihre Blätter verlieren; die Staatssucht auch mit keiner Tugend grössere Unverträgligkeit hat / als mit der Danckbarkeit; dörffte die Hoffnung auff Augustens grosse Vertröstungen ein schlechtes Gebäue aufführen. Zumahl der Kayser weder sein selbst / noch sein Versprechen zu erfüllen mehr mächtig wäre; nach dem die ihn in Händen habende Livia und Tiberius eben diß und ein mehrers Segesthen mit vielen Betheuerungen versprochen hätten; dessen sie beyde zugleich unmöglich habhafft seyn könten. Diesemnach wäre es nichts minder in diesem Falle rathsam / als durchgehends eine grosse Klugheit sich eines solchen Herrn entbrechen / der sich durch Vergeltung von Wolthaten nicht entbinden kan. Denn diese würden zwar iederzeit gerne angenommen / der Wolthäter aber nicht gerne für Augen gesehen; ja wenn einem seine Schwäche vollends die Hoffnung treue Dienste auszugleichen benehme / verwandelte sich das erste Erkäntnüs in eine Abscheu; und weil die Verbindligkeit nicht auszuleschen wäre /trachtete man gar den Gläubiger zu vertilgen. Wenn aber auch August so wol den Vorsatz als das Vermögen hätte dem Fürsten Herrmann wol zu thun; würde doch der vom Segesthes neu entworffene Vorschlag die Chautzen zu bemeistern dem Kayser die Hände binden; und für diesen zur Dienstbarkeit geneigten Fürsten etwas auffzuheben / mit dessen Schatten August immer fort seine Hoffnung speisen; ihn selbst aber an der Angel führen könne. Worüber ihr / wenn sie daran gedächte / das Hertze in tausend Stücke zerspringen möchte; auch nichts anders glaubte: denn das die Stieff-Mutter Sentia ihren Vater bezaubert /oder wenigstens verbländet hätte. Herrmann befließ sich der bestürtzten Thußnelde zu Liebe auff allerley Weise die Schuld von Segesthen auff seine Gemahlin zu schieben / und zu behaupten: daß es leichter wäre gegen ein gewaffnetes Heer / als ein liebreitzendes /und zugleich Ehrsüchtiges Weib bestehen. Denn ihre Herrschafft bemächtigte sich ihrer eigenen Gebieter; und dehnete ihre Gewalt über alle Schrancken der Leibeigenschafft aus. Sie verwechselte den Genüß ihres Leibes mit der Botmäßigkeit über seine Seele; sie vergällte das Hertz gegen seine Kinder; sie verhärtete sein Gemüthe wieder seine eigene Wolfarth; und weil die grössesten Riesen für ihrer Schwäche erliegen müsten / wenn sie schon alle ihre Vernunfft und Kräfften zusammen fasten; wäre sie keinem Dinge besser / als dem kleinen Fische zu vergleichen / der ein mit vollem Segel durch Schaum und Wellen streichendes Schiff / wie der Kapzaum ein schäumendes Pferd hemmete und anhielte. Hierauf gab er bescheidentlich nach: daß Thußneldens Rath auff unumstoßliche Seulen gegründet; und es in Geheim von Rom sich zu machen sicherer wäre; wiewol August deßhalben eine Ursache vom Zaune zu brechen / und Gelegenheit ihn für Feind zu erklären nehmen könte. Allein es läge ihm ein ander Stein auff dem Hertzen;[1245] der seiner Reise am Wege läge / den er aber auf die Seite zu räumen sich nicht überwünden könte. Thußnelden war dieser tunckele Einwurff zwar etwas nachdencklich; iedoch hatte sie ihre Unterredung schon so vertiefft: daß sie nicht vorbey konte nach diesem Hindernüße zu fragen. Herrmann färbte sich hierüber / und antwortete nach einem kurtzen Stillschweigen und Seuffzer: Vollkommenste Thußnelda /mein blosses Stillschweigen ist schon Redner genung meine Schmertzens / iedoch begreifft es in dem / daß ich nichts sage / bey weitem nicht alles / was meine Seele in ihr empfindet. Thußnelda stellte sich; als wenn sie seine Meynung gar nicht verstünde / und antwortete: Es wäre unschwer zu ermessen: daß das Schweigen keinen richtigen Abdruck der Gedancken abgeben könte; nach dem so gar die Sprache ein unvollkommenes Nachgemählde des Gemüthes wäre. Sie glaubte wol: daß nichts schlechtes seine Entschlüssung hemmete; alleine solchen Helden müsten auch Klippen aus dem Wege treten. Alle Unterfangungen in Zentner-Sachen dörfften ein Loth Vermässenheit; und die Rathschläge wären zuweilen denselben Gewächsen gleich zu halten / die man nicht müste lassen reiff werden. Denn wie diese mit ihrer Säuerkeit den angenehmsten Geschmack machten; also schlügen frühe und unreiffe Schlüsse offt glückseliger aus / als die man gleichsam durch allzusorgfältige Ausbrütung verärgerte. Hertzog Herrmann fieng hierauff mit einem freudigen Gesichte an: Er würde sich niemahls unterwunden haben ihr mit eröffneter Hindernüs seine innerliche Wunden zu entdecken; wenn sie nicht der Vermässenheit selbst das Wort geredet; und ihm dardurch zwar seine Beschwerde nicht zu erleichtern; iedoch seiner innerlichen Glut durch diese Ausrauchung ein wenig Lufft zu machen Anlaß gegeben hätte. Sein Anliegen wäre dieses grosse: daß er von einer so vollkommenen Fürstin so viel; an ihm selbst aber so wenig Vergnügen findete; welches hingegen ihr einiges Belieben an ihm geben könte. Gleichwol aber hielte er diese seine Regung ihm mehr für eine Ehre / als für ein Leiden; weil er dardurch den Ruhm erlangte: daß er fähig wäre nichts minder eine so grosse Pein auszustehen; als nichts anders / denn die gröste Vollkommenheit lieb zu gewinnen. Thußnelde röthete über diesen letzten Worten ihre ohne diß denen frischen Morgen-Rosen gleiche Wangen / und versetzte ihm lächelnde: Sie wüste gar wol ihre Gebrechen / und die Art so höflicher Fürsten; welche meistentheils ihrer gemeinsten Verbindligkeit den Nahmen einer so hefftigen Liebesregung gäben; in Meynung: daß das Frauen-Zimmer sich nichts minder / als einfältige Kinder an den Schalen der Sachen zu belustigen pflegte. Sie nehme es inzwischen entweder für einen Schertz auf; oder vergnügte sich mit der blossen Wolgewogenheit eines so vollkommenen Fürsten. Herrmann versetzte: Es wäre nichts minder eine Art der empfindlichsten Grausamkeit einen Krancken überreden: daß er gesund sey; und das hefftigste Feuer der Liebe einen zu Wasser machen wollen; als eine Verdoppelung der Pein; wenn man diese gewaltsame Glut in der Höle des Hertzens zu erstecken trachtete. Mit dem letztern hätte er sich zeither fast zu tode gequälet; daher hoffte er: ihre Gütigkeit würde nicht verhängen: daß die Entdeckung seiner inbrünstigsten Liebe ihm nur deßwegen den Lebens-Athem erhalten hätte; wormit er durch ihre Unbarmhertzigkeit in eusserste Verzweifelung versetzt würde. Ihm wäre nicht unbekandt: daß die Liebe nichts minder als Epheu ohne einige Wartung das gröste Wachsthum erlangte; ja daß sie eben so durch Verachtung wie glüende Steine durch angespritztes Wasser mehr erhitzet würden; aber seine Liebe überstiege ohne diß die Grösse aller andern / und seine Seele wäre geschickter eingeäschert / als mehr angezündet zu werden.[1246] Dem Himmel würde zwar zugetrauet: daß er durch Donner und Blitz der Erde Fruchtbarkeit beförderte; aber vielfältig mahl mehr nützete ein sanffter Regen. Also würde sie an seinem durch ihren gütigen Anblick angezündeten und nach und nach verglimmenden Hertzen ein süsser Opffer genüssen; als wenn sie durch ihre unbarmhertzige Strahlen selbtes auff einmahl in Grauß und Staub verwandelte. Die leutselige Fürstin begegnete ihm hingegen: wenn sie nicht wüste: daß die Härtigkeit kein nothwendiges Kennzeichen eines züchtigen Gemüthes wäre; sondern sich auch ohne Befleckung der Ehre eine unerlaubte Anmuthung mit Glimpff ablehnen liesse; würde sie schier gezwungen werden ihn mit einer ernstern Gebehrdung anzuweisen: daß er derselben nichts abheischen solte / was sie zu erlauben selbst nicht berechtiget wäre. Aber sie wolte zum minsten ihre Gelindigkeit dardurch erweisen: daß sie ihm selbst so viel Zeit enträumte; seine Entschlüssung zu überlegen; als seine Regung sich wieder zu bestillen von nöthen / er aber die Ehre hätte ohne fremde Hülffe genesen zu seyn. Deñ Zeit und Abwesenheit wären nicht nur die aufjährenden Bewegungen der Jugend zu dämpffen; sondern auch tieff eingewurtzelte Entschlüssungen zu vertilgen mächtig. Ich gestehe es / antwortete Herrmann: daß die Kühnheit meiner Liebe keiner Entschuldigung; ihre Hefftigkeit aber keiner Verschwindung fähig / und weder die Zeit /noch einige andere Kräfften selbte zu tilgen geschickt sind. Denn wie die von dem Schweiße der Morgenröthe empfangene Perle so feste verwahret ist: daß selbte ohne Zerdrümmerung der Muschel / und Tödtung ihrer Mutter ihr nicht kan entfremdet werden; also wird das in meinem Hertzen so fest verschlossene Bild Thußneldens der unschätzbaren Perle dieser Welt ohne gäntzliche Zernichtung meines Wesens mir nimmermehr geraubt / ja die selbtes verwahrende Flamme meiner Liebe durch den von ihrer Grausamkeit mir zuwachsenden Tod selbst nicht ausgelescht werden. Diese Worte brachte der tapffere Herrmann mit so durchdringender Gebehrdung für: daß Thußnelden die Augen übergiengen; und sie sich kaum erholen konte ihm wiewol mit halbverbrochenen Worten zu sagen: Lebe Herrmann / dem Vaterlande und derselben zu Liebe; welche dir mehr als gewogen seyn würde; wenn sie ihr selbst iemanden zu lieben gebieten könte. Hertzog Herrmann / welcher sich ehe von Thußnelden eines Todes-Urthels / als einer so holdseligen Erklärung versehen hätte / wuste für Freuden kein Wort aufzubringen / sondern senckte sich nieder ihre Knie zu umfangen. Thußnelde aber reichte ihm solche Erniedrigung gleichsam zu verwehren ihre Hand / die er als ein sicheres Pfand nicht nur ihrer Gewogenheit / sondern wahrhafften Liebe mit der höchsten Empfindligkeit küssete / biß sie selbte zurück zu ziehen genöthiget ward; weil eine ihres Frauen-Zimmers sich ihnen näherte / und Bericht brachte: daß der Kayser den Rath geendiget / und Livia nach ihr gefragt hätte. Welche denn Thußnelden nicht ohne Nachdencken etliche Tage nicht von ihrer Seiten ließ; also: daß Hertzog Herrmann keine Gelegenheit zu finden vermochte / den letzten Schluß seiner Reise verträulich abzureden.

Inzwischen kam ein deutscher Edelmann zum Hertzog Herrmann / der sich unter die vom Segesthes nach Rom gehende Gesandschafft verstecket hatte; und brachte ihm vom Fürsten Ingviomer Schreiben des Innhalts: Daß Tiberius etliche mahl mit den Deutschen sonder einigen Vortheil geschlagen; ja der Ritter Stirum ihn bey nahe selbst erlegt hätte. Hertzog Segimer wäre auch bereit fertig gewest denen Bructerern zu Hülffe zu kommen. Dieses zu hintertreiben hätte Tiberius die seinem Sohne zu Rom wiederfahrende Wolthaten mit vertrösteter Freylaß- und Versprechung[1247] güldener Berge heraus gestriechen; iedoch nichts zu erhalten vermocht; sondern nur von Segimern zur Antwort bekommen: daß er lieber seinen Sohn in Band und Eisen / als sein Vaterland dienstbar wissen; auch ehe sterben / als sein Land von der Gnade eines Ausländers besitzen wolte. Zuletzt hätte Tiberius in einem Schreiben ihm noch angeboten: daß / wenn er nur ruhig bleiben / und denen Caninefaten und Attuariern keine Hülffe leisten wolte; der Kayser ihm wieder die Quaden unter seine Botmäßigkeit lieffern / und den Vannius seines Reiches entsetzen wolte. Uber Erbrechung dieses Schreibens wäre Hertzog Segimer augenblicklich über einen Hauffen gefallen / hätte im gantzen Leibe eine übernatürliche Hitze bekommen; also: daß sein Verstand alsofort wäre verwirret / und nach dreyen Stunden / ungeachtet aller Artzney-Mittel / sein Helden-Geist aus dem Gefängnüsse des sterblichen Leibes zu grossem Betrübnüs gantz Deutschlands befreyet worden. Daher man nicht anders schlüssen könte / denn daß dieser Brieff mit einem flügenden und überaus hefftigen Giffte müsse seyn angestäubt gewest. Er hätte zwar inzwischen /als nechster Anverwandter / statt seiner bey den Cheruskern ein und andere gute Anstalt machen / und denen bedrängten Deutschen mit zehen tausend Cheruskern Beystand leisten wollen; allein dem erstern hätten sich etliche herrschsüchtige Köpffe entgegen gesetzt / die grosse Macht des Tiberius aber die Bructerer und Cherusker über die Weser zu weichen; wie auch Segodun und die Cattenburg zu verlassen. Also stünden nun die Cherusker in höchster Bekümmernüs und Verwirrung; wüsten sich auch auff keinen andern Ancker / als alleine auf ihn / als ihre noch einige Hoffnung / zu verlassen. Hertzog Herrmann ward über solcher Todes-Art seines Volckes und dem Nothstande seines Volckes so wehmüthig: daß ihm etliche Thränen auf Ingviomers Brieff fielen. Sintemahl doch auch die Helden nicht Hertzen aus Ertzt /und Augen aus Diamant haben. Vom Kayser Urlaub zu nehmen / schiene nach der zwischen den Römern und Cheruskern auffs neue entstandener Feindschafft so viel mehr gefährlich; ins geheim zu entweichen wäre nicht allein ein undanckbares Mißtrauen / sondern schiene auch seinem Treu und Glauben abbrüchig zu seyn; welches die redlichen Deutschen ihrem Leben weit vorsetzten. Weil nun Hertzog Herrmann bald anfangs / als er gefangen einbracht ward / dem Kayser sein Wort: ohne seinen Willen nirgendshin zu entweichen / gegeben / August aber den Fürsten Herrmann dessen nie ausdrücklich erlassen hatte; standen ihm diese erhebliche Bedencken allerdinges im Wege seinen Vortheil zu ersehen; und sich aus des Kaysers Gewalt zu ziehen. Denn ob wol denen festgesetzten Gefangenen das Recht der Flucht in alle Wege zustehet; leidet doch diß einen Absatz; wenn ein Gefangener mit nichts gewaltsamen / sondern allein mit seinem Angelöbnüs zu bleiben beschrenckt wird. Ob nun wol Hertzog Herrmanns gantzer Zustand samt seiner Gefangenschafft durch seine in Armenien geleistete Kriegs-Dienste / und seine zu Rom erworbene Würden verändert zu seyn schien / hielt er doch die Hoheit der Fürsten an ihr selbst für unveränderlich; und ihr Wort so hoch: daß desselbten Beobachtung keinen spitzfindigen Absatz vertrüge; und ein Fürst Treu und Glauben zu halten verbunden sey; wo gleich einem Niedrigen über die Schnure zu hauen übersehen werden könte. Denn wenn Treue und Auffrichtigkeit gleich in der gantzen Welt verschwinde; solte sie doch in den Hertzen eines Fürsten ihre Wohnstatt behalten. Diese Bedencken hielt er auffs neue seiner geliebten Thußnelde für / welche denn entweder ihrer Wichtigkeit halber / oder weil das in ihren Hertzen sich ie länger ie mehr vergrössernde Liebes-Feuer an seiner annehmlichen Anwesenheit[1248] abzukühlen verlangte / ihre erstere Meynung verließ und seiner Gedancken ward: daß er noch zu Rom bleiben / und seinem Vetter Ingviomer inzwischen die Beobachtung seiner Länder anvertrauen solte. Wie denn auch der Kayser ihm nach etlichen Tagen selbst den Tod seines Vaters vermeldete; und andeutete: Er möchte zu Rom bleiben / biß Tiberius zurück käme / und er den wahren Zustand Deutschlands vernähme / also deßhalben mit ihm ein sicheres Abkommen treffen könte.

Hertzog Herrmann theilte bey dieser Beschaffenheit gleichsam sein Hertze; in dem die eine Helffte sich an der Gewogenheit Thußneldens erquickte / die andere aber sich über dem Nothstande seiner Unterthanen schier zu Tode grämete. Hierüber kam Tiberius und Segesthes nach Rom; bey welchem letztern sich Hertzog Herrmann durch seine unvergleichliche Leibes- und Gemüths-Gaben; insonderheit aber durch die Erklärung: daß er bey so verwirrtem Zustande Deutschlands Segesthen / als einem Fürsten des Cheruskischen Hauses / die Feldhauptmannschafft für allen Fremden von Hertzen gönnte / derogestalt einliebte: daß er ihm nicht nur versprach beym Kayser sein Wort aufs beste zu reden / und die Herrschafft über seine väterliche Länder zu wege zu bringen; sondern auch hernach / als August Segesthen noch zuvor kam / und vermerckte: wie er den um ihn so sehr verdienten Hertzog Herrmann allerdings zum Besitzer der Cheruskischen Länder wissen wolte / ihm seine Tochter Thußnelda zu mehrer Befestigung ihrer alten Freundschafft zu vermählen antrug. Und dieses zwar geschahe eben selbigen Tag / als August ihm andeutete: daß er mit Segesthen zu Beherrschung seines Erbtheils nunmehr in Deutschland verreisen möchte; und / wenn er denen Feinden der Römer keinen Beystand leistete / als er von ihm sich keines Weges versähe; wäre Sentius Saturnin noch befehlicht ihm wieder alle Cheruskische Feinde hülffbar zu seyn. Hertzog Herrmann / wie groß sein Gemüthe gleich war / vermochte diese zweyfache Glückseligkeit kaum zu begreiffen; Sintemahl er Thußneldens Besitzthum weit höher / als die Beherrschung der gantzen Welt schätzte. Thußnelda ward ebenfalls von Segesthen über der angezielten Heyrath vernommen; welche denn dem Willen ihres Vaters zu gehorsamen ohne einige Bedingung sich erklärte; weil sie hierdurch nichts minder die höchste Vergnügligkeit der Welt; und wornach ihre Seele zeither in geheim geseuffzet hatte / zu überkommen hoffte.

Alleine / wie ins gemein eine grosse Windstille ein Vorbothe eines grossen Ungewitters ist; also ward der diese zwey Verliebten anblickende Soñenschein bald in eine schwartze Betrübnüs-Wolcke verwandelt. Gleich als wenn das Verhängnüs auch denen tugendhafftesten Gemüthern nicht zutraute: daß selbte nicht bey ununterbrochener Glückseligkeit solten in Wollüste versenckt / und wie der zärteste Alabaster von so vielen Thau-Tropffen anlachender Anmuth flüßig gemacht werden; oder weil es vor hatte durch den Vorschmack so vieler Bitterkeiten die letztere Añehmligkeit so viel mehr zu verzuckern. Tiberius kriegte in dem Tempel der Venus / welchen Pompejus über seinen Schauplatz gebauet hatte / die schöne Fürstin Thußnelda das erste mahl zu Gesichte. Dieser Anblick verwirrte anfangs seine Augen: daß sie nicht zu unterscheiden wusten: ob sie einen Menschen /oder die Göttin solchen Heiligthums erkieseten; bald hierauf aber nahm er sein Gemüthe derogestalt ein: daß er sich für geendigtem Opffer entfernen / Livien aber bekennen muste: daß er ausser Thußnelden kein Frauenzimmer nimmermehr seines Beyschlaffs / weniger seiner Liebe / am wenigsten seines Ehbettes würdigen wolte. Von welcher Heftigkeit der Liebe Tiberius so gar erkranckte / sonderlich / als sich mit ihr die Eyversucht vereinbarte / und Tiberius durch seine Kundschaffter die Heimligkeit erforschte: daß Thußnelda[1249] schon dem Fürsten Herrmann ihr Hertze geeignet hatte. Daher Livia genöthigt ward ihm hierinnen hülffbare Hand zu leisten; ungeachtet sie alles ausländische Frauen-Zimmer für ihren allbereit zum Kayserthume bestimmten Sohn viel zu geringe / oder doch ihrem Absehen nicht vorträglich / ja den Kayser solcher Heyrath selbst wiedrig schätzte. Nach dem sie nun durch viel kräftige Vertröstungen seiner erstern Schwachheit mercklich abgeholffen hatte; beredete sie mit dem Tiberius: daß er beym Fürsten Segesthes /Livia bey Thußnelden ohne einigen Umschweiff sein Wort anbringen solte; in Meynung: daß beyde dieses ungemeine Glücke mit beyden Händen umarmen würden. Weil ihren Gedancken nach der Pöfel nur nach Liebe / Fürsten aber nach ihrem Vortheil heyratheten. Tiberius richtete durch seinen ersten Vortrag bey dem Ehrsüchtigen Segesthes so viel aus: daß er ihm zu willfahren sich allerdings verknipffte / wenn er anders sich seines dem Hertzog Herrmann bereit gegebenen Jaworts mit Ehren entbrechen könte. Dieses war der einige Rügel / welcher nicht so bald aus dem Hertzen dieses von seiner Geburts-Art sonst ziemlich entfernten Deutschen wegschüben zu lassen möglich schien. Sintemahl doch die veränderten Gemüther nichts minder / als die in fremde Länder versetzten Gewächse noch allezeit etwas von der Eigenschafft ihres Uhrsprungs behalten müsten. Alleine Segesthens hochmüthige Gemahlin Sentia war nicht nur Meisterin über ihres Ehmanns Hertz; sondern auch über die Natur; brachte es also unter dem Schein: daß Vermöge der Römischen Gesetze / denen er sich in der Stadt Rom allerdings bequemen müste / auch würcklich vollzogene Vermählungen aus geringern Ursachen aufflößlich / die Staats-Gesetze auch aller Verwandschafft; die Vergrösserung seines Geschlechtes allem andern Absehen überlegen wären; so weit: daß Segesthes den dritten Tag seine Tochter dem Tiberius zu verloben versprach. Viel anders aber lieff es auf Liviens Seiten ab. Denn Thußnelde setzte ihrer Heyraths-Werbung entgegen: daß des Tiberius wie anderer so grosser Leute Liebe ins gemein Schertz oder Versuchung wäre; und sie ihr von ihm so viel weniger Zuneigung einzubilden hätte; weil die liebreitzende Julia ihn zu vergnügen viel zu kalt gewest wäre; nach ihrer Ehtrennung aber er ein Gelübde kein Weib mehr zu heyrathen gethan hätte. Diesemnach sie sich denn für seine Gemahlin zu geringe / für sein Kebsweib zu vornehm schätzte. Als aber Livia mit grossen Betheuerungen sie seiner ehlichen Liebe versicherte; schützte sie für: daß ihrer beyder Vermählung ihrem Geschlechte nachtheilig / dem Tiberius aber noch schädlicher seyn würde. Denn ihrerseits würde diese Verknipffung ihrem Vater / welchen ohne diß seine Sentia allen Deutschen verdächtig machte / den ärgsten Haß ihres Vaterlandes auff den Halß ziehen; Tiberius aber nichts minder als Antonius durch Cleopatrens Heyrath sich der Römischen Herrschafft verlustig machen. Sintemahl die Römer nichts unleidlicher / als fremden Frauenzimmers Hoheit in Rom vertragen könten. Livia bemühte sich zwar eusserst ihr diese Bedencken auszureden / und einzuhalten: wie Kayser Julius mit der Königin Cleopatra und Eunöe so verträulich gelebt / August des König Cotisons Tochter zu heyrathen für gehabt hätte; insonderheit aber nunmehr des Römischen Kayserthums Verfassung so feste gesetzt wäre: daß kein Mensch das Hertze hätte des Kaysers Liebe oder anderes Thun zu rechtfertigen. Alleine Thußnelda sagte Livien rund heraus: daß sie dem Fürsten Herrmann bereit verlobt wäre; und also in ihrer Gewalt nicht stünde auch dem grösten Herrscher der Welt mit dem zu betheilen / was sie schon diesem Helden mit ihres Vaters Willen zugeeignet hätte. Hiermit muste Livia für dißmahl abziehen. Wie[1250] sie aber vom Tiberius erfuhr: daß Segesthes schon auf einen andern Weg und seine Seite gebracht war; meinte sie den vorhin vergebens angetasteten Baum der Beständigkeit durch noch einen kräfftigen Hieb /wordurch viel Heldinnen geworben worden / zu fällen; und Thußnelden durch fürgestellte Veränderung des väterlichen Willens / welcher allezeit den Kindern am heilsamsten zu rathen pflegte; durch fürgebildete zuläßliche Bereuung übereilter Verlöbnüsse / und die ihr hierdurch zuwachsende höchste Würde der Welt /nach welcher so viel tausend Seelen lächseten / zu gewinnen. Alleine die tugendhaffte Thußnelde nahm alle diese Lockungen für dieselbigen Sonnen-Strahlen an; welche / um den Himmel mit den schwärtzesten Wolcken zu verstellen / die unsaubersten Dünste empor ziehen; blieb also wie ein unbeweglicher Fels aus ihrer ersten Entschlüssung stehen. Wormit auch Livia und Tiberius ihnen so viel weniger Hoffnung machen / und sie mit weitern Versuchungen nicht quälen möchten; beschloß sie ihre Beantwortung mit diesen nachdrücklichen Worten: daß kein menschlicher Witz / keine Gewalt der Welt / ja das Verhängnüs selbst nicht durch was anders / als den Tod ihr und Hertzog Herrmanns Bündnüs zu zerreissen mächtig wäre. Als diese Wellen an Thußneldens so fest geanckerter Liebe nun auch zerscheitert wurden; wolte Segesthes mit dem Nachdrucke seiner väterlichen und mit denen hefftigsten Bedreuungen ausgerüsteter Gewalt durchbrechen. Thußnelda aber / nach dem sie mit tieffster Demuth und kindlicher Ehrerbietung das steinerne Hertze ihres unerbittlichen Vaters nicht zu erweichen vermochte; rührte ihm durch Fürstellung der denselbten zuhängenden Göttlichen Rache / welche das einmahl feste Band der heiligen Eh aus irrdischem Absehen zerreissen; und der unglückseligen Heyrathen; welche man durch Zwang verknüpffte / sein Gewissen; ihm vorbildende: daß diese zwar ein zusammen gedrungener / aber die Gemüther keines vereinbarender Knoten; oder vielmehr eine Sonnen-Finsternüs der Seele wären; da zwar die zwey grossen Welt-Lichter auff einem Puncte zusammen gehefftet schienen / in Warheit aber von einander nicht nur weit entfernet stünden; sondern auch der Glantz des allerschönsten Welt-Auges durch solche Vermählung entkräfftet und gleichsam verlescht würde. Als aber der glüende Stein des unbarmhertzigen Vater-Hertzens durch die Thränen dieser ängstigen Tochter noch immer mehr entzündet ward / und Segesthes Thußnelden auf den Fall fernerer Weigerung Laub und Graß versagte; fiel sie endlich mit halb-verzweiffelnder Wehmuth ihm zu Fuße; erzehlte / so viel ihre Jungfräuliche Schamhafftigkeit zuließ / die dem Segesthes vielleicht fremden Laster des Tiberius. Insonderheit / wie er in der Schwälgerey und Unzucht gantz ersoffen wäre / bey dem bekandten und von dem August selbst aller Ehren entsetzten Huren-Wirthe Sestius Gallius etliche Jahre zubracht / sich bey Tische von eitel nackten und unkeuschen Weibern bedienen lassen; seine Gemächer mit den schandbarsten Bildern und Büchern /seine Lustgärte und Hölen mit den ärgerlichsten Säulen angefüllet; und / nach dem ihn endlich seine unersättliche Geilheit auf unnatürliche Lüste verleitet / ihn alles Frauenzimmer angestuncken; also Segesthes zu erwegen habe: Ob sie diesem garstigen Unflate ihre reine Seele ohne eusserste Entsetzung wiedmen könte. Wie Segesthes aber dennoch unbeweglich blieb / zohe sie einen unter ihrem Rocke verborgenen Dolch herfür / reichte selbten dem Segesthes / und beschwur ihn bey der Liebe / welche die Natur in die Hertzen der Elterlichen Seelen pflantzete: Er möchte mit diesem Stahle ihr lieber den Drat des Lebens / als das Verlobungs-Band des Fürsten Herrmanns zerkerben; Weil sie doch mit keinem andern leben könte / sondern mit seinem Verluste ohne / diß[1251] Athem und Seele einbüssen müste. Segesthes ward hierdurch derogestalt gerühret; sonderlich / als er sie gantz erblassen und halb todt zur Erden sincken sahe: daß er sonder einiges Wort sich aus dem Zimmer entbrach / und in den Vorgemache ihrem Frauenzimmer befahl Thußneldens wahrzunehmen. Diese blieb bey nahe zwey Stunden /ungeachtet aller gebrauchten Erquickungen / in dieser Unempfindligkeit; und zwar vielleicht zu Erleichterung ihres übermäßigen Schmertzens. Denn die Ohnmacht hindert mehrmahls: daß man die Galle des Unglücks nicht allerdinges schmecket; und erhält die bißweilen im Leben / die sonst bey völligem Erkäntnüs ihres Elends verschmachten / oder für übriger Bestürtzung Verstand und Vernunfft verlieren würden. Wie sie sich nun gleich ein wenig erholte; ward sie doch von einer solchen Schwachheit und Hertzklopffen bedrängt: daß sie bettlägerig bleiben muste. Und der Kummer: daß ihre andere Seele Hertzog Herrmann von diesem Unfalle zu seiner Beunruhigung nicht Wind bekommen möchte; ließ ihren Augen nicht den wenigsten Schlaff zu. Wiewol ihr nun alle Glieder bebten / und sie fast keinen Finger nach ihrem Verlangen rühren konte; so gab ihr doch / als sie vernahm: daß Tiberius folgenden Tag Liviens Geburts-Tag mit einem prächtigen Gastmahle feyern wolte /und seinen verhasten Neben-Buhler den Hertzog Herrmann gleichfalls eingeladen hatte / die Sorge für sein Heil so viel Kräfften; daß sie ihm schrieb: Weil sie aus wichtigen Ursachen den Tiberius für seinen Todfeind-hielte; möchte er bey seiner Taffel; worvon er sich freylich ohne seine Haß zu verärgern nicht entbrechen könte / seines Lebens wol wahrnehmen. Herrmañ kam also mit der ihm vorgesetzte Behutsamkeit zum Tiberius / rührte keine Speise an / worvon nicht der Kayser und Livia vorher gessen hatten; ließ ihm Wasser und Wein seine Deutschen einschencken. Tiberius nahm dieses wahr; und hatte es Noth: daß die ser Meister in Verstellungen seine Empfindligkeit nicht mercken ließ. Bey der letzten Tracht ward eine Schüssel voll der allerschönsten Pomerantzen-Aepffel / welche der Land Vogt in Egypten Livien als eine besondere Seltzamkeit geschickt hatte / aufgetragen; Dahero Tiberius selbte selbst vorlegte. Unter diesen war eine / welche keine Blätter mehr am Stiele hatte / mit dem ärgsten Giffte angemacht. Aus sonderbahrer Fürsehung Gottes waren noch einem andern Apfel die Blätter abgefallen; den Fürst Herrmann zu allem Glücke überkam / und ohne Schaden auf des Tiberius Erinnerung verzehrte; der ihm bestimmte vergifftete aber kam in die Hände Otacillens; welche anfangs eine freche Freygelassene und des Tiberius Buhlschafft gewest; nunmehr aber dem edlen Cäsonius Priscus vermählt war; den er hernach zu seinem Wollust-Meister machte. Also ist es bey Hofe kein Wunder: daß stinckende Fliegen mit einem Fluge sich von dem Misthauffen des Pöfels biß an die Fürstlichen Taffeln erheben. Ja es waren zu Rom nunmehro die Laster so hoch ans Bret ko en: daß man sich nicht schämte durch Aemter und Bestallungen ihrem Wachsthume Vorschub zu thun. Otacilla aber hatte den Apfel kaum gekostet; als eine übermäßige Hitze ihren gantzen Leib entzündete; und sonder einig ander Wort / als: ich bin vergifftet! niedersanck; hierauff in einem Augenblicke Eys-kalt und zugleich Stein-todt ward. Alle Anwesenden erstarreten und verstummten; Und weil sie den wegen aller Boßheit verdächtigen Tiberius nicht anzuschauen getraueten / sahen sie selbst einander gleichsam fragende an: ob sie bey einer solchen Gifft-Taffel sich länger auffhalten solten? August selbst veränderte sich hierüber nicht wenig; als welchem zwar des Tiberius Mordstücke nicht unbekandt waren; iedoch nicht begreiffen konte: warum er diß bey ihm so beliebte Weib hinrichten solte? Livia hingegen maßte[1252] sich dieses Dings ängstig an / ließ Otacillen alsbald in das Neben-Gemach tragen; und verfügte: daß die Aertzte ihr möglichst beyspringen solten; wiewol wegen besorglicher Gifft-Zeichen ihrem eigenen Ehmanne sie zu beschauen nicht erlaubt; sondern sie noch selbigen Abend von einem vertrauten Weibe in die Todten-Tracht gekleidet / und den dritten Tag verbrennet / die Aertzte aber / die sie gleich nicht gesehen hatten / gezwungen wurden / zu bestätigen: daß sie am Schlage gestorben wäre. Der bey so viel Boßheit abgehärtete Tiberius veränderte hierüber weder Antlitz noch Gebehrden. Denn die Laster kamen ihm damahls nach vollbrachter That nicht grösser / als vorher für. Hertzog Herrmañ / ob er wol aus Thußneldens Schreiben ihm die Rechnung machte: daß dieser auff seinen Hals angezielte Streich auff einen fremden Nacken abgeglitten wäre / hielt doch für das beste Mittel solchen Nachstellungen zu entkommen / wenn er keinen Argwohn von sich blicken ließe. Daher / als alle andere ihrer Bezeugung halber bekümmert waren / unterhielt er den Tiberius mit gantz unnachdencklichen Gesprächen. Weil aber Tiberius in allen Dingen / fürnehmlich aber in kühnen Unterfangungen für nöthig hielt das Eisen zu schmieden / weil es noch warm war; liebkosete er diesem in seinen Gedancken schon tausend mahl ermordeten Fürsten so sehr / als iemahls; wiewol er auf wiederholete Warnigung Thußneldens auff fürsichtiger Hute stand; ja als endlich Thußnelde aus besorgter Gefahr dem Hertzog Herrmann des Tiberius Heyraths-Werbung zu seiner höchsten Bestürtzung eröffnete / und er ihrer ihm unauffhörlich anliegender Bitte sich von Rom in Sicherheit zu begeben Folge zu leisten beschloß; bezeugte er gleichwol gegen dem Tiberius eine ungemeine Verträuligkeit; um seine Entfernung so viel sicherer einzurichten; suchte ihn also öffterer /als vormahls beim; worüber er zum andern mahl im Lebens-Gefahr verfiel. Denn es hatte Tiberius eine vom Tacfarinas aus Numidien ihm geschickte und gekirrte Schlange gleichsam zu seinem Schoß-Kinde oder Spiel-Vogel / die mit ihm aus einer Schüssel aß /in einem Bette lag; und auch Fremden sonder die geringste Beschädigung sich um den Hals und andere Glieder wand; also: daß Hertzog Herrmann auch mehrmahls mit diesem so wol gewöhnten Thiere Kurtzweil getrieben hatte. Eine in Wahrheit ungemeine Gemeinschafft! nicht so wol wegen des zwischen Menschen und Schlangen befindlichen Unterschieds; als weil Tiberius ein viel gifftiger Hertze / als dieser Wurm Zähne hatte. Wie nun Hertzog Herrmann auff sein Ansuchen von der Rennebahn mit dem Tiberius nach Hause ritt / um etliche neuangeko ene Africanische Pferde zu beschauen; hatte Tiberius bestellt ihm anzudeuten: daß iemand wegen des Kaysers mit ihm reden wolte; also er den Fürsten Herrmann alleine im Zimmer / die Thiere eines Neben-Gemachs aber mit Fleiß offen / und eine daselbst verwahrte Schlange heraus ließ; die den auch bey Ersehung des gifftigen Wurmes gantz sicheren Fürsten Herrmann; welcher in Meynung: es wäre die gekirrte / ihr noch die Hand reckte / grimmig anfiel / und in den Arm bieß. Worüber er selbte alsofort von sich schleuderte /und mit dem Fuße ihr den Kopff zerquetschte: daß sie nach langer Windung des halb-lebenden Schwantzes todt blieb; Gleich als wenn dieser Held auch in Erwürgung der Schlangen dem Hercules gleich werden müste. Hertzog Herrmann aber / als er seine Wunde aufschwellen sahe / gieng alsbald aus dem Zimmer /und befahl denen Auffwärtern alsofort einen Wund-Artzt herbey zu schaffen. Zu seinem Glücke aber war unter des Tiberius Knechten ein Marser / welches um den Fucinischen See in Italien wohnende Volck von der Circe Sohne entsprossen seyn / und eben so wohl /als die Ophiogenes am Hellespont / und die Psyllen in Africa eine Tugend das Gifft auszusaugen haben soll; Dieser[1253] unwissende: daß die Schlange durch Verwundung dieses Fürsten dem Tiberius einen so grossen Dienst gethan hätte / sog ihm das Gifft alsbald aus; also: daß Hertzog Herrmann zwar hierdurch genesete / ihm auch deßwegen die Freyheit bey seinem Herrn ausbat; dieser aber seine Wolthat bald mit dem Tode büssete; in dem Tiberius ihn folgende Nacht in die Tiber werffen ließ. Inzwischen hatte Livia dem Kayser des Tiberius Liebe entdecket / und um seine Einwilligung sich beworben. Als dieser aber ihr zu verstehen gab: Tiberius wäre bey solchen Jahren und in dem Stande: daß er der Göttin Rom zu freyen und sie durch keine fremde Kebs-Weiber eyversüchtig / sondern vielmehr durch Erkiesung einer angenehmen Priesterin sie ihm geneigt zu machen bedacht seyn solte / und derogestalt auf Heyrathung einer Römerin anzielte; verfügte er sich in den Tempel der Capitolinischen Juno; und thät ein hochbetheuerliches Gelübde: daß er nimmermehr keine andere / als Thußnelden ehlichen wolte. Welches Livia dem Kayser abermahls fürtrug; und unter dem Fürwand: daß das Kayserliche Haus / welches ohne diß auf so wenigen Augen beruhete / allerdings von nöthen hätte: daß es durch anderwertige Verheyrathung des Tiberius befestigt würde; weil doch kein Kriegs-Heer / keine Freunde so feste Schutz-Wehren eines Hauses und Reiches wären; als eine gute Anzahl Kinder. Wie nun August hierüber nachzudencken sich erklärte; also bestürtzte Livien und den Tiberius Segesthens Erzehlung überaus / was Thußnelde für verzweiffelte Erklärung von sich gegeben hätte. Nichts desto weniger entschloß sich Livia Thußnelden mit Liebes-Träncken zu gewinnen / und Tiberius verschwor sich den Fürsten Herrmañ durch Meuchel-Mord aus dem Wege zu räumen. Diese zwey hatten nun mit der innersten Hertzens-Kränckung /fürnehmlich aber Herrmann / welchem nicht so wol seine Gefahr / als Thusneldens unauffhörliches Bitten endlich zu solcher Entschlüssung brachte / Abschied /und zum scheinbaren Vorwand seiner Reise die Gelegenheit wahrgeno en die auf des Kaysers Befehl aus Egypten nach Ostia zu Schiffe überbrachte hundert Ellen hohe marmelne Spitz-Seule zu beschauen / welche König Psammirtaus zu Hieropolis aufgerichtet hatte / August aber hernach auf dem grossen Renne-Platze zu Rom auffsetzen ließ. Als nun Hertzog Herrmann nach Ostia kam / diß neue steinerne Wunder betrachtet hatte / und unter dem Scheine das alte Merckmaal / wo das die Mutter der Götter von Peßinunt überbringende und gestrandete Schiff von der einigen Vestalischen Jungfrauen Claudia mit ihrem Gürtel loßgezogen worden war / zu beschauen / ihm ein fremdes Schiff zu dingen sich gegen dem lincken versäudeten Munde der Tyber mit nur zweyen deutschen Dienern verfügte; folgten ihm in einem Nachen zwölff wolgerüstete Kriegs-Leute / welche / so bald sie nach ihm ans Ufer ausstiegen / den Fürsten Herrmañ meuchelmörderisch antasteten. Diesen aber begegnete er /wiewol ohne gehörige Rüstung nebst seinen treuen Deutschen mit unerschrockenem Helden-Muthe; durchstach auch bald beym ersten Anfall ihre zwey Anführer. Inzwischen hatten seine Getreuen auch dreyen das Licht ausgelescht / worüber die übrigen sieben entweder aus beywohnender / oder bey Ausübung böser Stücke auch die Verwegensten befallender Zagheit die Flucht nach ihrem Nachen nahmen. Gleichwol aber erwischte Hertzog Herrmann noch einen; und weil er unter denen fünff Todten einen für des Tiberius Freygelassenen erkennte / dräute er dem zuletzt Gefangenen den Tod / wo er nicht die Anstifftung dieses Meuchelmords ihm auffrichtig bekennen würde / davon er ohne diß schon Wind hätte / und aus dem für seinen Füssen liegende Anführer unschwer den Uhrsprung ermessen könte. Dieser bekennte alsofort:[1254] daß Tiberius sie zu dieser bösen That mit Dräuen und Versprechungen angestifftet hätte. Worauff er ihm denn dieses Bekäntnüs in einem nahe darbey gelegenen Fischer-Hause schrifftlich ausfertigen muste; und damit sein Leben errettete. Hertzog Herrmann war froh über diesem glücklichen Ausschlage; insonderheit da der erforderte Wund-Artzt seiner zweyen Getreuen empfangene Wunden von keiner Gefährligkeit zu seyn befand; er aber hierdurch eine so wichtige Ursache erlangte beym Kayser zu entschuldigen: daß er wegen eines so mächtigen Feindes / als Tiberius wäre / und der / vermöge beygelegten Bekäntnüsses /ihm so verrätherisch nachstellte / nicht wieder nach Rom zu kehren getrauet hätte. Sintemahl die Unschuld selbst unter den Händen ihrer Feinde eine Verbrecherin würde; eines für Gefahr gewarnigten Sicherheit aber ein Sterbens-würdiges Laster wäre. Hierbey sagte er dem Kayser Danck für so viel Gnade und Wolthaten; ihn versichernde: daß / so viel seine Ehre und die Freyheit Deutschlands vertragen würde / er ein Freund Augustens und der Römer zu bleiben gedächte. So bald Hertzog Herrmann dieses Schreiben bestellt / setzte er sich mit den Seinen in ein nach Maßilien gleich abgehendes Jagt-Schiff. Inzwischen suchte Livia Thußnelden in ihrer anhaltenden Leibes- oder vielmehr wegen Entfernung Hertzog Herrmanns sich vergrössernden Gemüths-Kranckheit heim; bezeugte gegen ihr das empfindlichste Mitleiden. Und weil sie sonderlich über Hertz-Klopffen klagte / gab sie einer Cheruskischen Edel-Frauen / welche Thußnelda bey sich hatte / ein Gläßlein voll nach Ambra rüchenden Wassers; welches sie noch von dem berühmten Artzte Musa bekommen hätte / und Thußnelden wol zuschlagen würde. Diese treuhertzige Frau aber; welcher Liviens Liebeswerbung nicht unbewust war / war so sorgfältig: daß sie Thußnelden keine Speise noch Artzney beybrachte / die sie nicht vorher an ihr selbst versucht hatte. Als sie nun auch von Liviens Ambra-Wasser nur drey Tropffen in einem Löffel Wein gebraucht hatte / ward sie im Haupte derogestalt verwirret: daß sie dem Tiberius in den vom August der Chalcidischen Minerva gewiedmeten Tempel nachlieff / und im Angesichte des Kaysers und Liviens dem Tiberius um den Hals fiel / ihm wie eine Klette anhieng / ihn küssete / und mit Noth von ihm loß zu machen und auf die Seite zu bringen war. Nicht nur Livia / welche leicht den Uhrsprung dieser Wahnsinnigkeit errathen konte; sondern auch Tiberius / welcher um das von einer berühmten Zauberin bereitete Wasser gute Wissenschafft hatte; sintemahl er darzu einen Pusch seiner Haare und das abgeschnittene von Nägeln hatte geben müssen / erschracken über diesem Zufalle derogestalt: daß der Kayser beyder Veränderung deutlich warnahm / und muthmaste: daß diß eine Würckung eines vielleicht für Thußnelden bereiteten Liebes-Tranckes wäre. Wie er denn auch hernach von Thußnelden / die hierüber nicht nur eusserst bestürtzt / sondern wegen ihres gefährlichen Zustandes halb verzweiffelt ward / erfuhr: daß die Streithorstin / also hieß die Frau / nach Gebrauch dieses Wassers so wahnsinnig worden wäre. Welches Livien und den Tiberius bey herfür blickendem Argwohne des Kaysers so ferne verhitterte: daß jene von Thußnelden mit empfindlichen Worten ihr Wasser zurück fordern; dieser aber die Streithorstin als ein unzüchtiges Weib anklagen; und in seinem Hause / wie hernach in gantz Rom / die gewöhnlichen Empfang- und Gesegnungs-Küsse verbietẽ ließ. Der Kayser schlug sich noch mit seinen Gedancken; was er wegen des für Liebe halb unsinnigen Tiberius entschlüssen solte; als ihm des Herrmanns Schreiben wegen des vom Tiberius angestiffteten Meuchel-Mords zukam; das ihn denn derogestalt entrüstete: daß er den zu Ostia gefangenen im Meere zu ersäuffen /[1255] die übrigen Rottgesellen aufzusuchen; und dem Tiberius befahl: daß er noch für Abende aus Rom / und biß auff fernere Verfügung sich nach Capua begeben solte. Thußnelde kriegte noch selbigen Tag hiervon Wind / und würckte diese ihre erfreuliche Zeitung mehr / als alle bißherige Artzneyen / in dem sie des andern Tages schon so viel Kräfften hatte sich aus dem Bette zu machen. Wormit auch der Kayser theils Thusnelden aus fernerer Gefahr zu setzen / und dardurch bey denen Deutschen in keinen übeln Nachklang verfallen; theils auch des Tiberius mit ihr wieder sein anders Absehen angezielte Heyrath unterbrechen möchte; ertheilte er dem Fürsten Segesthes den dritten Tag seine Abfertigung; uñ befahl ihm unter dem Scheine seines Erlaubnüßes: daß er nach nunmehr genugsam bewehrter Treue gegẽ die Römer seine Tochter Thusnelde wieder mit in Deutschland nehmen möchte. Livia / welche von dem Abschied nehmenden Tiberius noch auffs flehentlichste ersucht worden war / ihn Thusneldens durch alle eusserste Mittel fähig zu machen; erschrack hierüber so sehr /als wenn es um den Verlust ihrer eigenen Buhlschafft zu thun wäre. Denn es giebt so thörichte Mütter / welche die Regungen ihrer Söhne zweyfach in ihrem Hertzen fühlen / und wieder die Natur sich in ihr eigen Geschlechte verlieben. Weil sie sich nun nicht unterwinden dorffte dem hierinnen verdrüßlichen Kayser einiges Wort einzureden / bey Thusnelden aber nichts fruchtbarliches auszurichten getraute /dachte sie auffs wenigste einen Nagel in diesem Entwurffe zu befestigen / und durch Segesthens Verbindligkeit des Tiberius Liebe und Hoffnung in gantzen zu erhalten. Nach dem sie nun den Segesthes schon so weit ausgenommen hatte: daß er durch nichts leichter / als durch den ihm fürgehaltenen Schatten der Ehre zu bländen wäre / stifftete sie den berühmten Sternseher Thrasyllus an / Segesthen wahrzusagen: daß er durch Hülffe des Tiberius der Deutschen Feldherr /Thusnelde aber eine Römische Kayserin und Mutter vieler nachfolgenden Kayser werden würde. Weil nun dieses Chaldeers Worte bey nahe höher / als des Apollo Wahrsagungen gehalten wurden; insonderheit aber Tiberius ihm umständlich erzehlt hatte: wie alle seine Andeutungen auf ein Haar eingetroffen / er selbst zu Rhodus / als er ihn wollen ins Meer stürtzen / sein ihm zuhängendes Unglücke aus den Sternen wahrgenommen; ja ihm bey Ersehung eines von ferne segelnden Schiffes angedeutet hatte: daß selbtes ihm die von Livien zu wege gebrachte Erlaubnüs wieder nach Rom zu kehren mitbrächte; so nahm Segesthes auch dieses betrüglichen Sternsehers erkaufften Worte für einen unveränderlichen Schluß des Verhängnüßes auff. Sintemahl wol klügere hierinnen geirret / und nicht gewüst haben: daß die dem Nothzwange der Gestirne beypflichtende und daraus wahrsagende Weißheit / als eine Närrin ins Krancken-Haus zu verdammen / und mit eitel Niese-Wurtz zu speisen sey; ja sich das menschliche Gemüthe ist sein eingebildetes Glücke derogestalt verliebet: daß es auch an sich selbst ungläubliche Sachen nicht nur für möglich /sondern für eine schon in Händen habende Gewißheit annimmt. Massen denn Segesthes durch seines Ehweibs Sentia ehrsüchtige Rathgebungen / und das Thrasyllus Wahrsagung in seiner Hoffnung derogestalt verhärtet ward: daß hernach weder Thusneldens Thränen / noch Hertzog Herrmanns Wachsthum in Segesthens Hertzen des Tiberius Heyrath / noch Deutschlands auf den Herrmann fallende Wahl ihm die Hoffnung seines Vaterlands Haupt zu werden /benehmen konte. Gleichwol nahm Segesthes und Thusnelde auff des Kaysers eigene Erinnerung den zehenden Tag nach Hertzog Herrmanns Abreise zu Rom Abschied; und segelte von Ostia mit gutem Winde geraden Weges auf Gallien zu; allwo Segesthes in den Rhodan einzulauffen /[1256] und so ferner nach Deutschland zu reisen für hatte. Sie kriegten den vierdten Tag bey aufgehender Sonne allbereit das Vorgebürge von dem Eylande Ilva ins Gesichte; als sie zugleich zwey Schiffe recht auff sich und zwar von beyden Seiten zusegeln sahen; welches dem Segesthes verdächtig fürkam / und er deßwegen mit seinen Leuten sich auff allen Fall zur Gegenwehr rüstete. Demnach aber der Wind gerade Ost war / rieth der Steuer-Mañ nach Corsica in den Fluß Tavola / an welchem Marius die Stadt Nicäa mit Römischem Volcke besetzt hätte /einzulauffen; Weil es sonst in diesem wilden Eylande gefährlich wäre; ja vermuthlich diese zwey Raub-schiffe Corsen auf hätten. Die Schiff-Leute thaten ihr bestes / sonderlich / als sie die zwey andern Schiffe /ungeachtet des veränderten Lauffs / ihnen folgen / und alle Segel aufspannen sahen. Alleine diese waren so wol besegelt / und in zweyen Stunden dem Segesthes so nahe: daß die Schiffer Nicäa zu erreichen nicht getrauten; sondern gerade an dem Corsischen Ufer / wo das berühmte Schutz-Altar zu sehen ist / zu stranden riethen. Diß billigte die Fürstin; weil sie aus einer gleichsam heimlichen Eingebung / oder in Ansehung dieses Altars daselbst aus der Gefahr zu entrinnen hoffte. Die Räuber ereilten sie dennoch zwey Stunden für Abends drey Meilen vom Lande / und setzten auff beyden Seiten ihnen hefftig zu; also: daß ob zwar Segesthes auf einer / und die gerüstete Thußnelda auff der andern Seiten durch ihre und der ihrigen tapffere Gegenwehre die Enterung hinderten; sie dennoch von denen so häuffigen Pfeilen fast alle verwundet wurden. Endlich erreichten sie bey dem Schutz-Altare in der daselbst sich ins Meer ausgüssenden Bach das Land. Allein die dieser Gegend besser kundige Räuber setzten auff Corsica so geschwinde Fuß / als die Flüchtigen; ungeachtet diese jene mit dem hinterlassenen Schiffe und der darinn befindlichen Beute zu sättigen gedachten. Diesemnach sich denn der Schiffs-Streit nunmehr in eine Feld-Schlacht verwandelte; Wiewol Segesthens Theil hier alsobald den kürtzern gezogen haben würde; in dem der Räuber über hundert; ihr Gegentheil aber nicht dreyßig streitbare Männer / das übrige ohnmächtige Weiber waren; wenn nicht anfangs diese an einem Felsen den Rücken frey gehabt / hernach aus dieser sich gleichsam zu ihrer Errettung zerspaltenden Stein-Klippe einen unvermutheten Entsatz bekommen hätten; und zwar zu der Zeit: als schon über zwölff Mann erlegt waren / die hertzhaffte und von Blut trieffende Thußnelde zwar noch Hertzens genung / aber keinen Athem; Segesthes auch sich gantz verblutet und entkräfftet hatte. Als die Noth derogestalt recht an Mann kommen war / drang ein in einem güldenen Harnische gerüsteter Held mit noch zwantzig streitbaren Kriegs-Leuten aus dem Munde einer Hölen herfür; welcher denen Bedrängten nicht nur Lufft machte / und den auff den Segesthes von dem obersten Räuber gezückten Streich aufffieng; sondern auch die ebenfalls abgematteten Räuber so hertzhafft anfiel: daß sich der Streit alsofort / ungeachtet der ungleichen Zahl / in ein gleiches Gefechte /bald darauff aber / weil schon dreyßig der kühnesten Räuber ins Graß gebissen hatten / ihrer seits in die schimpflichste Flucht auff ihre Schiffe verwandelte; und derogestalt nicht nur Segesthes mit seinem überbliebenen Volcke / sondern auch das Schiff / darauff das zurück gebliebene Frauen-Zimmer bey nahe für Angst Seele und Geist verloren hatte / errettet wurden. Es war allbereit ziemlich dunckel / als dieser Kampff sich endigte / und also die Personen schwerlich zuerkennen. Gleichwol aber waren die gläntzenden Waffen Thußnelden; weil Segesthes inzwischen für Mattigkeit zur Erde gesuncken war / ein genungsames[1257] Kennzeichen das Haupt dieser ihnen gleichsam vom Himmel gefallener Helffer zu erkiesen. Diesemnach sie denn sich ihm näherte / und nach abgezogenem Helme ihm mit der tieffsten Ehrerbietung nicht so wol als einem Erretter / als einem Schutz-Gotte für solche Erlösung danckte; iedoch zugleich als ein Unglück entschuldigte: daß sie demselben die ihr anständige Demüthigung nicht erzeigte / welchen sie wegen so seltzamer Erscheinung und so unvergleichlicher Tapfferkeit nicht wol für einen Menschen halten dörffte. Dieser hingegen verkleinerte seinen geringen Dienst /den er in Verjagung der Räuber ihnen geleistet hatte; als welche Menschen schon wegen der in ihrem Hertzen steckenden Boßheit auch die derselben anklebende Zagheit im Busen trügen. Uber diß hätte er ihnen vielleicht mehr / als sie ihm zu dancken; indem er durch ihre Hülfe von diesem gefährlichen Raub-Ufer; an welchem sein von Ostia abgelauffenes Schiff für sieben Tagen gestrandet hätte; an einen sichern Ort zu entrinnen hoffte. Thußnelde hörte dieser annehmlichen und ihr in etwas kentbaren Stimme sorgfältig zu; diese letztere Erzehlung aber lösete ihr vollends das Rätzel auff; und weil sie diesen ihren Schutz-Gott für den wahrhafften Hertzog Herrmann erkennte / fiel sie ohne einige fernere Antwort ihm mit beyden Armen ihn küssende / und sein Gesichte mit tausend Freuden-Thränen netzende um den Hals. Dieser / weil er ihm der Fürstin Thußnelde Reise von Rom nicht träumen lassen; noch sie aus der angenommenen männlichen Sprache erkennen konte / stand wie ein unbewegliches Marmel-Bild; und wuste ihm diese zwischen Helden ungewöhnliche Liebkosungen nicht auszulegen; biß Thußnelda endlich selbst anfieng: hastu denn / mein liebster Herrmann / zwischen diesen rauen Felsen ihre unempfindliche Unart angenommen: daß du von deiner geliebten Thußnelde die wenigste Regung nicht empfindest. Herrmann / der sich gleichsam von einem Meere der grösten Glückseligkeit überschwemmt befand; wuste ihr mit nichts anders / als eben so viel Küssen seine Freude auszudrücken; und hätten sie hierüber bey nahe Segesthens gantz vergessen; wenn nicht ein Chaßuarischer Edelmann kommen / und Thußnelden / wo sie ihn hintragen solten / befragt hätte. Thußnelde näherte sich hierauff mit dem Fürsten zum Segesthes; und weil ihm bereit die beschwerlichen Waffen abgenommen waren; wolte sie ihn wieder lassen zu Schiffe bringen. Hertzog Herrmann aber rieth das Schiff nur mit genungsamer Mannschafft zu besetzen / er wolte für den Segesthes / sie / und ihr Frauenzimmer schon einen bequemern Aufenthalt anweisen. Hiermit befahl er etliche Kühn-Höltzer anzuzünden; führte sie also durch den Steinfelß vermittelst einer engen Höle in ein aus eitel Klippen gehauenes und wol abgetheiltes Gebäue; welches nur von dem innern und zwar kugel-rundten Hofe in die Zimmer Licht bekam / auswendig aber um und um von denen abschüßigsten Bergen / welche auch die Gemsen nicht beklettern kunten / umgeben /und derogestalt für allen sterblichen Augen / welche nicht durch diesen Eingang gar hinein kamen / verborgen ward. In dieser gleichsam andern Welt wurden sie von einem alten Greiß empfangen / der nicht nur dem mit steten Ohnmachten befallenen Segesthes /sondern auch allen andern dahin gebrachten Verwundeten mit sehr heilsamen Wund-Kräutern zu Hülffe kam. Welche Sorge denn die halbe Nacht zurücke legte. Auff den Morgen befand sich Segesthes nach einem sanfftem Schlaffe um ein gut Theil besser; ward auch theils erfreuet / theils verwirret; als er seine zwar auch an unterschiedenen Orten des Leibes verbundene / aber bey guten Kräfften sich befindende Tochter nebst dem Fürsten Herrmann und dem alten Greiße zu ihm ins Zimmer kommen sahe. Nach dem diese nun ihre Ehrerbietung abgelegt / berichtete[1258] Thußnelda Segesthen: daß Herrmann ihr gestriger Erlöser / dieser Alte aber ihr gutthätiger Bewirther wäre. Segesthen giengen die Augen über / und sein Hertze ward hierdurch derogestalt bewegt: daß er gegen den Fürsten Herrmann von freyen Stücken anhob: Er würde nunmehr gewahr: daß es höchste Unvernunfft wäre ihm fürsetzen durch menschliches Absehen des Verhängnüsses Ziel zu verrücken. Diesemnach er zwar seinen Fehler nicht umstehen könte: daß er mit denen Gedancken seine Tochter dem Tiberius zu vermählen / schwanger gegangen wäre. Nach dem aber er und seine Tochter nunmehr ihm Leben und Freyheit zu dancken genöthiget würden; wolte er dem durch das Mittel obliegender Vergeltung ihn leitendem Himmel gehorsamen; und also seine unwiederruffliche Einwilligung zu seiner und Thußneldens Heyrath hiermit ertheilen; diesem fremden Wolthäter aber inzwischen sich zu einem zwar dieser Orten unvermögenden doch danckbaren Schuldner verbinden. Wie nun Herrmann und Thußnelde dieser annehmlichsten Erklärung halber Segesthens Hand mit tieffster Demüthigung küsten; also verband dieser Alte Segesthen und den andern Krancken abermahls ihre Wunden; brachte es auch dahin: daß Segesthes den dritten Tag sich in den im Mittel dieses Wunder-Gebäues befindlichen Garten um frische Lufft zu schöpffen bringen ließ; darinnen beyde Verliebte mit denen süssesten Unterredungen / theils unter sich selbst / theils mit ihrem eyßgrauen Wirthe ihnen die Zeit verkürtzten. Welcher in Anwesenheit des sorgfältigen Segesthens erwehnte: daß er des an dem Ufer des Meeres stehenden Schutz-Altares gewiedmeter Priester wäre / und in dieser Einsamkeit theils wegen der diesem Orte zugeeigneter Heiligkeit / theils wegen seiner Armuth in diesem sonst gefährlichen Orte zwar sorgfältig lebte; weil er nur von denen auf dem Gebürge erkletterten Wurtzeln sich unterhielte; iedoch zwischen diesem Mangel der höchsten Vergnügung genüsse. Sintemahl man doch in dieser Welt auch bey dem scheinbarsten Wolstande sich mehr in wenigerm Elende / als in vollkommener Glückseligkeit auffenthielte. Beydes so wol das Altar / als dieses verborgene Gebäue wäre ein Gemächte des Dädalus. Denn nach dem er / wie beym Minos in Creta / nach erbautem Irrgarten; also bey dem Könige Cocalus in Sicilien nach viel verfertigten Kunst-Stücken in Ungnade verfallen; hätte er sich von Agrigent in dieses damals noch unbewohnte / und ziemliche Jahre hernach allererst von einer Ligurischen Hirtin Corsa durch Anleitung eines überschwimmenden Ochsen ausgespürte und besetzte Eyland geflüchtet; und der Nachwelt zum Gedächtnüs /dem Cocalus aber zu Hohne dieses Gebäue ausgehauen; als welches nicht nur an Festigkeit das von ihm bey der Stadt Camikum in Sicilien erbaute Schloß übeträffe; in dem ein einiger Mann mit Herablassung eines leicht wieder durch gewisse Kunst-Räder in dem engen Eingange aufheblichen Felsens aller Welt Gewalt auffhalten könte; sondern an Liebligkeit der kalten und warmen Brunnen / die in dem Garten in wunderwürdige Marmel Kessel eingefast waren / wie nichts minder der edlen Garten-Früchte den Sicilischen Bau wegstäche. Insonderheit war nicht allein denckwürdig zu schauen / sondern kam auch denen Kranckenden überaus zu statten / die in einem Felß vom Dädalus gehauene Schweiß-Höle; in welcher sich noch viel gesündere warme aus der Erden empor steigende Dünste versamleten; und denen darinnen Schwitzenden die geschwächten Lebens-Geister erquickten; als welche in dem Selimutischen Gebiete Siciliens sich in die vom Dädalus vorher bereitete Höle versamletẽ / und einen allzustarck rüchenden Schweffel mit sich führten. Endlich zeigte er ihnen auch ein Thür-Gerüste zu einem unterirrdischen Gange /[1259] welcher zwey Meilen lang biß zu dem See der Diana ausgetragen hätte / von der Zeit aber als einem Scharffrichter nichts minder über die Felsen /als andere Herrligkeiten durch ein Erdbeben wäre verfället worden. Weil nun Dädalus an diesem Orte nicht nur sein Leben ruhig verführet / sondern auch beschlossen; (worbey er ihnen denn das vom Dädalus ihm selbst gebaute Grabmaal zeigte) hätte er vorher dem Schutz-Gotte dieses Eylandes das am Ufer des Meeres in Stein gehauene Altar erbauet; welches die Einwohner so hoch / als die Trojaner das vom Himmel gefallene Bild der Minerva / und die Stadt Pesinunt das eben so überkommene Bild Cybelens hielten; er auch von ihnen deßwegen dahin zum Priester bestellt wäre / und iederman festiglich gläubte: daß kein Mensch in diesem Gebäue sich einiger Feindseligkeit unterfangen könte. Hertzog Herrmann lächelte über diesem letztern; und sagte unvermerckt zu Thußnelden: Wenn er an Segesthens so erfreuliche Erklärung gedächte / müste er mit diesem Priester und den Corsen schier eines Glaubens werden. Derogestalt brachten sie mit höchster Vergnügung / weil sie in ihrem Schiffe alle Nothdurfft und Erfrischungen bey der Hand hatten / biß in den siebenden Tag zu; da sie denn nach empfangenen Segen von diesem guthertzigen Priester Abschied nahmen; welchem sie aber vergebens einige Geschencke einnöthigten / und von ihm zur Antwort kriegten: daß Wolthaten bezahlt zu nehmen eben so thöricht wäre / als den Preiß des Geldes durch Einmischung geringer Schlacken zu vergeringern. Hierauff setzten sie mit einem sanfften Sud-Ostwinde ihre Reise zwischen dem Eylande Capraria und dem heiligen Vorgebürge / als der eussersten Nord-Spitze vor Corsica nach Gallien ohne einigen fernern Anstoß fort.

Sie kamen den siebenden Tag durch des Marius aus dem Rhodan ins Meer gemachten Graben in der Stadt / die von dem daselbst erbauten Tempel der Ephesischen Diana den Nahmen führt / glücklich an; stiegen im Hafen aus / und reiseten zu Lande durch Gallien gerade auf Mayntz zu; da sie denn von denen Römischen Stadthaltern / als welchen nicht unbewust war: wie hoch Segesthes beym August angesehen wäre / allenthalben wol unterhalten wurden. Wie sie nach Mayntz kamen / erhielt Hertzog Herrmann / welcher zwar durch Gallien unkentbar gereist / nunmehr aber vom Segesthes seinem Schweher-Vater entdeckt worden war / von diesem daselbst hin den Tag vorher angekommenen Sentius Saturnin die Nachricht: daß der Kayser ihn befehlicht hätte / ihm nicht alleine zum Besitz seiner väterlichen Länder beförderlich zu seyn; sondern auch mit ihm hinfort verträuliche Nachbarschafft zu pflegen. Wie sehr diß nun diesen Fürsten vergnügte / so bekümmert erfuhr er den Tag hernach aus einem vertrauten Schreiben: daß Tiberius durch Livien beym Kayser ausgesöhnt / er auch bereit in Deutschland zu kommen unterweges wäre / und in zehen Tagen erwartet würde. Weßwegen Saturnin vom August Befehl erhielt / alle Kriegs-Völcker in Gallien zusammen zu ziehen; wormit der mit Segesthen wieder die Chautzen abgeredete Feldzug so viel früher bewerckstelliget / und diese streitbaren Völcker unvermuthet überfallen werden möchten. Bey welcher Beschaffenheit er nicht für rathsam hielt seinen Tod-Feind Tiberius zu Mayntz zu erwarten; sondern er eilte unter einem wichtigen Vorgeben nach Hause /nehmlich: daß er seine ohne Haupt gleichsam in der Irre gehende Cherusker von aller Verleitung benachbarter Völcker zurück hielte. Daher ihn denn nicht allein Saturnin mit einer ansehnlichen Reuterey biß auff seine Landes-Gräntze begleiten ließ; sondern die Fürstin Thußnelde kriegte auch Verlaub nit denen Chaßuariern nach Teckelnburg / als[1260] dem Hertzoglichen Sitze abzureisen. Segesthes alleine blieb zurücke / um mit dem Tiberius den bevorstehenden Feldzug abzureden.

Inzwischen kam Hertzog Herrmann zwar in wenig Tagen auff seine Gräntzen; aber das auch den Wind an Geschwindigkeit übertreffende Geschrey war ihm schon zuvor kommen; und hatte seinen Vetter Ingviomer den tapfern Fürsten der Bructerer / als seinen bißher gewesenen Stadthalter mit einer ansehnlichen Anzahl des Cheruskischen Adels ermuntert / ihm biß an den Eder-Strom entgegen zu ziehen. Auf der Gräntze aber begegnete ihm bey nahe das halbe Land; weil sein blosser Nahme auch dieselben / welche bey denen verwirrten Zeiten für Bekümmernüs gantz verzagt oder gar todt gewest waren / gleichsam auffs neue lebhafft machte. Sintemahl nicht nur Unterthanen ihnen von einem neuen Fürsten eben so grosse Hoffnung machen / als die Schiff-Leute von einem glücklichen Gestirne; ja sie bilden ihnen von dieser neuaufgehenden Sonnen ein: daß er besser als der abgelebte Fürst seyn werde / wie gut er es gleich gemacht hat; sondern die in der Fremde ausgeübten Helden-Thaten hatten auch zu so grosser Hoffnung einen bewehrten Grund gelegt. Also ward er zwischen dem Gedränge des frolockenden Volckes nach Deutschburg begleitet; gleich als wenn er die entfremdete Glückseligkeit Deutschlands wieder nach Hause brächte. Ja keine Cheruskische Seele lebte / welche nicht zeither diesen tapffern Fürsten zu haben / nunmehr aber lange zu behalten seuffzeten. Jedoch war diß bey Herfürbrechung eines so wunderwürdigen Fürstens nicht zu verwundern. Sintemahl iede Neuigkeit ein Licht ist / welches vieler Augen an sich zeucht und sie verbländet. Denn weil der Mensch für sich selbst sterblich / die Sterbligkeit aber abscheulich ist / kriegt er für allen veralternden / was sich zum Untergange neigt / ein Grauen / und hengt sich an das / was von seiner frischen Geburt zu wachsen anfängt. Weil nun der erste Ansprung entweder der Irrweg oder die rechte Bahn des gantzen Lebens / fürnehmlich aber der Anfang im Herrschen denen gefährlichsten Fehltritten unterworffen ist; raffte Hertzog Herrmann alle Gemüths-Kräfften zusammen in seinem Thun die rechte Maaß zu halten / und auf kein falsches Ziel abzukommen. Wie er nun die Geschichte voriger Zeiten / insonderheit aber die Deutschen im Kopffe hatte; also erforschte er für allen Dingen von Ingviomern den gegenwärtigen Zustand seines Landes / die Neigungen des Adels / das Vermögen des Volckes / die Bündnüße und Kräfften der Nachbarn / um aus dieser beyder mehrmahligen Erfolg / nicht aber aus einer einzelen Begebenheit und einem blinden Glücks-Falle von allen künfftigen Fällen vernünfftig zu urtheilen. So bald er ihm hatte huldigen lassen; beehrte er die alten Bunds-Genossen des Cheruskischen Hauses mit Gesandschafften / fürnehmlich aber trug er denen Catten / welche ins gemein denen Cheruskern über Achsel gewest waren / seine Freundschafft für / und legte ihnen für Augen: daß nichts als dieser Völcker Mißhelligkeit fremder Macht in Deutschland Thür und Thor aufgesperret hätte. Er beschenckte die treuen Diener seines Vaters; bekräfftigte seiner Vorfahren Gesetze / und erfreute wolverdiente mit Freyheiten. Er entschlug sich mit fleißigster Auffsicht aller Neuigkeiten; ob zwar sonst neue Fürsten ins gemein für alber halten in die Fußstapffen voriger Herrscher zu treten; ob sie schon ihre eigene Eltern gewest. Gleichwol aber vergnügte er sich nicht mit den Siegs-Fahnen seiner rühmlichen Ahnen; sondern wie er ihm ehe zu sterben fürsetzte / als etwas ihrer Tugend unähnliches und ihrem Ruhme verkleinerliches zu beginnen; also hielt er ihr gelassenes Ziel für seinen Ansprung /[1261] und mühte sich ihnen es bevor zu thun. Wiewol auch ohne diß von Alters her der Deutschen schönster Purper-Rock / Schild und Spieß der Jugend erste Zierrathen waren; sie auch nichts minder als die Celtiberier ein tapfferes Pferd höher als ihr eigenes Blut hielten; so brachte doch Hertzog Herrmann über diß auf; daß der Adel zu Hochzeiten und allen andern Freuden-Versamlungen gerüstet erschien / um hierdurch nicht allein der einreissenden Kleider-Pracht (die selten für Frost und Hitze dienet / den Feind nicht verwundet; aber ihn wol zum Angrieffe und Beute reitzet) zu steuern / sondern auch ieden zu Handthierung der Waffen zu gewöhnen. Er höhnte die sich eines Wagens bedienenden Männer; und also lernte ein ieder reiten. Kein Feyer ließ er ohne Kriegs-Ubungen vollbringen / und hiermit ward das Gefechte eines iedweden Cheruskers Handwerck. Ins Läger dorffte man keine niedliche Speise bringen / die harten nicht einst kosten / kein ungewaffnetes Weib sich darinnen blicken lassen. Dem Heere ließ er keine Wagen / ausser die das grosse Geschütz führten / nachziehen; sondern ieder Kriegs-Mann muste sein unentpehrliches Geräthe und Kost tragen. Alle andere Spiele und Kurtzweilen verwandelte er in Waffen-Ubung; alle seine Geschencke und Gaben waren entweder schöne Pferde / oder blinckende Waffen; Und sein gantzes Gebiete im Frieden kriegerisch; welcher sonst die Waffen verrostern / und die frischesten Gemüther welck werden läst. Er befestigte den Gottesdienst durch das Beyspiel seiner eigenen Frömmigkeit; und vertraute mehr auf Göttlichen Beystand; als auf den zerbrechlichen Fürsten-Stab. Er war bey seinem sechs und zwantzig-jährigen Alter ein vollkommener Meister über seine Gemüths-Regungen; wolwissende: daß wer ein Fürst über andere seyn will / es müsse vorher über sich seyn; welches letztere schwerer ist / als das erste; weil dieses nur ein Sieg eusserlicher Stärcke / jenes aber der Vernunfft über das Gemüthe; und ein Thun von grösserer Wichtigkeit ist. Sintemahl die Schwachheit unzeitiger Gemüthsregungen einen Fürsten um sein gantzes Vermögen bringt /das in seinem einigen Ansehen besteht. Alle Sachen betrachtete er in ihrem wahrhafte Wesen / nicht aber in ihren bländenden Schatten. Kein Zorn bemächtigte sich seiner Vernunfft / keine Mißgunst seines Hertzens; und daher sagte er in lachendem Muthe denen Fehlenden die Warheit; und denen / die was rühmliches ausübten / gab er noch einen Sporn sich in grösseres Ansehen zu bringen. Er beschämte die Verleumdungen durch Verachtung und tapffere Thaten; wiewol er in allem Thun so behutsam verfuhr: daß selbtes nicht zweyerley / und also eine böse Auslegung vertrug. Denn Fürsten werden nicht nur eigene /sondern auch so gar fremde Fehler wie dem Mohnden Finsternüsse; welche doch nicht sein eigener / sondern des Mohnden Schatten sind / zugeeignet / ja auff ein Haar und einen Augenblick nachgerechnet. Hingegen wendete er alles Vermögen an / den Nahmen eines guten Landes-Fürsten zu bekommen. Kein Schlaff war ihm zu süsse / keine Lufft zu rau / keine Kälte zu strenge / keine Hitze beschwerlich die Reichs-Geschäffte zu verschieben; wenn es gleich ohne Verminderung seiner Gesundheit und ohne Gefahr seines Lebens nicht auszurichten war. Denn er hielt ihm anständiger sich nach Art eines Schwantz Gestirns mit herrlichem Glantze einzuäschern; als eine todte Kohle in der Erde unverweßlich zu bleiben. Gleicher Gestalt verdeckte er auffs sorgfältigste die Blössen seiner Staats-Diener / und die Schwäche seines Reiches; weil ihm unverborgen war: daß wie der Mittel-Punct bey einer gerade stehenden Seule; also das eusserliche Ansehen bey grossen Herrschafften die einige Ursache ihres so festen Standes sey; Herentgegen ein schon seitwerts sich neigendes Riesen-Bild auch mit einem Finger;[1262] und das gröste Kayserthum / wenn es schon einmahl ihm hat die Brüste betasten / und ein Fürst ihm in die Karte sehen lassen / von einem mittelmäßigen Feinde über einen Hauffen geworffen werden könne. Er straffte grosse Verbrechen an wenigen /übersahe die kleinen an vielen. Er hielt seinen Gewalthabern / als denen Armen seiner Macht / kräfftigen Schutz; und räumte die / welche sich an seinem Vater vergrieffen hatten / aus dem Wege. Als er einem Edelmanne / welcher mit Hertzog Segimers Feinden heimlich zugehalten hatte / den Kopff wolte abschlagen lassen / und seine Geschlechts-Freunde solches im Kercker zu vollziehen baten / antwortete er ihnen: der Gerechtigkeit würde nicht ihr Recht gethan; wenn es an einem unrechten Ort geschehe; und ein für ihres verdammten Mannes Leben ein ansehnliches Stücke Geld anbietende Frau bescheidete er: Die Gerechtigkeit liesse sich durch aller Welt Schätze nicht bezahlen; dahero stünde es auch ihm nicht zu sie zu verkauffen. Nichts desto weniger überwog seine Gnade iederzeit die Schärffe der Richter; und die Belohnungen theilte er nach dem schweren; die Züchtigungen nach dem leichten Gewichte aus. Er ließ der Zeit nicht nur seinen Lauff; und bückte sich denen Verfolgungen des Glücks bescheidentlich aus; nach dem die Ungedult eine Mutter schädlicher Mißgeburten; die Hoffnung eine Uberwinderin so gar des Verhängnüsses ist; sondern er behielt bey Glück und Unglück einerley Gesichte; und die Vollkommenheit seines Gemüthes nicht anders / als ein Löwe in iedem Stücke eines zerbrochenen Spiegels das Bild seines gantzen Leibes. Also: daß der sonst so unerschrockene Fürst Ingviomer sich selbst offt / und insonderheit eines mahls / als Quintilius Varus die Deutschen so ins Gedrange brachte / auch Segesthes ihm die verlobte Fürstin Thußnelde zu vermählen rund abschlug / darüber verwunderte; und auff seine Befragung: Ob ihm denn Deutschlands Unterdrückung und seiner Braut Verlust nicht zu Hertzen gienge? Vom Hertzog Herrmann zur Antwort bekam: die Natur hätte dem Menschen ein Hertze in die lincke / keines in die rechte Seite gesetzt; weñ sie beym Wolstande keines bedörfften /beym Unglücke aber ihre Hertzhafftigkeit bezeugen solten. Ja seine Großmüthigkeit wuste aus ieder Noth eine Tugend / seine Klugheit aus dem Verlust einen Vortheil zu machen / und seine Erfahrenheit mit iedem / ja auch mit wiederwärtigem Winde zu schiffen; und bey zweyen unvermeidlichen Ubeln nach dem Beyspiel eines lieber auff einer Sand-Banck strandenden / als auff einer Klippe zu scheutern gehenden Schiffers das erleidlichste zu erkiesen.

Wie es nun viel zu weitläufftig fallen würde alle absondere Fälle zu vernehmen / darinnen unser Herrmann alles dieses angewehrete; also läst sich doch nicht verschweigen / wie er bey dem Römischen Feldzuge wieder die Chautzen und Longobarden nicht nur sein Gemüthe bey sich ereignenden Gelegenheit seine Herrschafft zu vergrössern gemäßiget / sondern auch seinen Unwillen zu verstellen / und sich unzeitigen Mitleidens zu enteussern gewust habe. Tiberius / Saturnin und Segesthes drangen Deutschlande biß ins iñerste Hertze; bemeisterten nicht nur die denen Cheruskern so wehrte Chauzen / sondern legten auch so gar der Elbe empfindlichere Fessel / als Xerxes dem Meere an. Die Cherusker fühlten alle Tage mit Einlauffung einer traurigen Zeitung über die andere in ihrem Gemüthe einen Donnerstrahl; also lagen sie ihrem Hertzoge Tag und Nacht mit Thränen an / ihren alten und lieben Freunden in ihrer eussersten Noth beyzuspringen. Herrmann aber stillte sie darmit: Man wäre einem Schiffbruch-leidenden Freunde nicht seine Hand zu reichen verbunden / wenn man allem Ansehen nach selbst von ihm in Abgrund gezogen werden solte. Seine Hülffe würde auff[1263] Seiten der Chautzen wegen der allzugrossen Macht der Römer umsonst /und der Cherusker Untergang seyn. Die eigene Liebe gienge fremder für; und ein Fürst solte lieber seine Nachbarn / als seine Unterthanen weinen sehen. Ja seine Hülffe dörffte denen Chauzen noch darzu mehr schädlich als vorträglich fallen; weil sie sich hierauff verlassen und alles auf die Spitze setzen / die vom Tiberius aber ihnen noch angetragene leidliche Friedens-Vorschläge ausschlagen möchten. Welches letztere er dem Fürsten Ganasch treuhertzig gerathen /sich auch zum Vermitler angeboten hätte; ungeachtet er wüste: daß nichts gefährlicher sey / als auch auf Ansuchen oder aus Pflicht einem Rath geben; weil dessen Güte nach dem ungewissen Ausgange geurtheilt / und alle schlimme Zufälle dem klügsten Rathgeber zugemässen würden. Hierbey setzten ihm nicht nur die Chauzen / sondern auch die Bructerer / Chamaver / Angrivarier uñ Friesen mit dieser empfindlichen Versuchung zu: daß sie ihm über sich die deutsche Feldhauptmannschafft eigenbeweglich antrugen; und einhielten: Er könte ohne Verkleinerung seines Hauses / ohne übeln Nachklang bey der Nachwelt diese von seinen Vor-Eltern so viel hundert Jahr erhaltene Würde nicht aus den Händen lassen / und sie dem wanckelmüthigen Segesthes / oder vielmehr seinem herrschsüchtigen Weibe / eines schlechten Römischen Edelmanns Tochter / und zwar zu ewiger Schande aller deutschen Fürsten / von den Römern zu enträumen verstatten. Hertzog Herrmann seuffzete zwar über diesen an sich selbst allzuwahren Bewegungs-Gründen; sahe auch wol: daß der Ruhm seiner Tapfferkeit in Gefahr und Zweiffel gerathen würde. Sintemahl der wenig Wesens von der Tugend machen könte / der nicht viel nacht der Ehre fragte. Gleichwol aber ließ er sich weder die übele Nachrede hitziger Köpffe; nach den Schatten ohnmächtiger Vertröstungen zu einem unzeitigen Eyver bewegen / sondern hielt für verantwortlicher ein Theil von seinem grossen Namen / als sein gantzes Reich einzubüssen. Welches letztere besorglich war / weil die grosse Macht der Römer / wie in einem halben Zirckel die Cherusker schon durch Besetzung der Cattenburg /der Festung Segodun / Alison / und Fabiram umzingelt hielten / und alle Tage an unterschiedenen Orten in seine durch so lange Kriege an Vorrath und Mannschafft ausgesogene Länder einbrechen konten / auff der Catten Hülffe sich nicht zu verlassen / Marbod auch selbst am Rücken zu fürchten war. Dahero er denn seinen eigenen hierzu geneigten Räthen einhielt: Einem gemeinen Manne gienge es hin / wenn er auch nach was unmöglichem strebte; Ein Fürst aber solte sich nicht einst in was gefährliches verlieben. Der meisten Reiche Untergang rührte daher: daß ihrer Fürsten übermäßige Ehrsucht nicht die Umschreckung ihrer Macht / und das Gewichte des von ihnen verlangten Dinges überleget hätten. Den hefftigsten Streit aber in Hertzog Herrmanns Gemüthe erregte: daß die Römer nach überwundenen Chautzen nunmehr auch die Angeln und Longobarden / derer Nahmen sie kaum gehöret / also keine Beleidigung zur Ursache des Krieges anzuziehen hatten / mit aller Macht angrieffen; also denen Cheruskern in Rücken kamen / und mit Behauptung der Elbe sie vollends gar umschlossen. Wie nichts minder: daß der durch diesen glückseligen Streich und Unterdrückung des ihm verhasten Fürsten Ganasch hochmüthige / oder durch seiner Gemahlin Sentia Liebkosen / und des Tiberius grosses Versprechen gantz umgewendete Segesthes dem Fürsten Herrmann Thußnelden zu vermählen rund abschlug; Sie auch dem Tiberius würcklich übergeben hätte / wenn sie nicht auff unsers Hertzogs Warnigung sich zu der Cattischen Hertzogin geflüchtet hätte. Nicht nur die Cherusker / sondern auch die Angeln und Longobarden stellten[1264] beym erstern dem Fürsten Herrmann der Römer Herrschensucht /und die aus ihrer Uberwündung auch denen Cheruskern unzweiffelbar zuwachsende Dienstbarkeit vor Augen; als welche von Römern sich keiner andern Gnade / als am letzten gefressen zu werden / versehen möchten. So viel augenscheinliche Beyspiele: daß nach dem die Fürsten mit den Römern stets einzelicht gefochten / die halbe Welt unters Joch verfallen wäre / solten doch denen Cheruskern die Augen aufthun /daß sie mit ihnẽ wieder aller Feind in Gemeinschafft der rechtmäßigen Gegenwehre träten. Aber auch dieses war nicht genung: daß Hertzog Herrmann seinen Vorsatz sich vorher in sich selbst zu befestigen / ehe er mit den Römern bräche / geändert / oder seine Furcht und Abneigung von den Römern hätte mercken lassen. Sintemahl er vernünfftig vorher sahe: daß König Marbod / welcher gegen die Cheruskische Macht mehr keine Eyversucht zu fassen Ursache hatte / die Longobarden unmöglich Hülff-loß / und die Römer über der Elbe festen Fuß setzen lassen könte. Uber diß erwog er: wie das sonst so beschwerliche Unglück diese tröstliche Eigenschafft habe: daß es nichts minder viel Mitleider / als der verfinsterte Mohnde viel Anschauer habe; also gar: daß zuweilen die / welche einen bey seinem scheinenden Glücks-Stern gar zur Eule gehabt haben; ihn bey seinem Nothstande als einen edlen Fenix bejammern. Mit welcher unnützen Gewogenheit das veränderliche Glücke gleichsam die Scharte seines verterblichen Hasses auswetzen wolte. Wiewol zuweilen einige mehr aus edler / als kluger Entschlüssung sich auf die Seite der Unglücklichen schlügen; und den Dorn in ihre Hand stächen / den sie ihrem Nachbar aus der Zehe gezogen hätten. Wormit er theils seiner Räthe frühzeitige Anschläge ablehnte; theils die Longobardischen Gesandten vergnügte / auch durch Betheuerung seiner Gewogenheit ihre Freundschafft erhielt /und sie selbst zum Erkäntnüs brachte: daß sein Zustand nicht vertrüge / sich in ihre Gefährligkeit zu vertieffen. Hingegen erhielt er hierdurch des Kaysers Gewogenheit; und hemmte darmit dem neidischen Tiberius den Ziegel; welcher nach der Gelegenheit sich an ihn zu reiben begieriger / als ein Fisch nach der Lufft schnapte. Welche Vorsicht denn die Sicherheit seiner Herrschafft ohne die minste Verkleinerung seiner Auffrichtigkeit unterbaute. Denn ob wol der köstliche Purper-Rock eines Fürsten ohne einigen Fleck des Betruges seyn soll; und kein Sonnen-Staub einiger Untugend so klein seyn kan / welchen man nicht so reinen Gestirnen ansehe; als Fürsten seyn sollen; so ist doch ihnen unverwehret; daß sie denenselben /welche sie in ein Unglücks-Garn arglistig zu verwickeln trachten / ein ander Gesichte weisen / als ihr Hertze ist; oder vernünfftig verbergen / was sie im Schilde führen. Sintemahl ein kluger Herrscher zwar sich mit keiner Lügen behelffen soll; aber für einem ieden sein Hertz auszuschütten nicht schuldig; und einen Betrüger mit seinem eigenen Netze zu fangen wol berechtiget ist. Alle diese Klugheit bekleidete Hertzog Herrmann mit einer angenommenen Einfalt; gleich als wenn er des Tiberius gefährliche Anschläge / und die denen Cheruskern hieraus erwachsende Gefahr nicht ergründete. Wenn ihm auch schon ein und ander selbte fürzustellen vermeinte / fertigte er selbten darmit ab: daß nichts weiter das Ziel der Wahrheit verfehlte / als Argwohn. Dieser bildete ihm ins gemein unzeitig ein: daß die gantze Welt sich wieder ihn rüstete / nicht anders als die Schiffenden vermeinten; alle Gebürge lieffen von ihnen zurücke. In Staats-Sachen gäben auch Zwerg-Bäume einen Riesen-Schatten hoher Cedern von sich; sonderlich / wenn die Sonne eines Reiches auff- oder zu Golde gienge; welchen die allzusorgfältigen meist für dem wahrhafften Wesen[1265] umarmten. Nichts desto weniger machte dieser kluge Fürst allenthalben solche Anstalt auff den Gräntzen / als wenn er sich täglich eines feindlichen Einfalls zu versehen hätte; und in seinem Gebiete Kriegsverfassungen; gleich als ob er einen mächtigen Feind zu überziehen im Wercke begrieffen wäre; also: daß er derogestalt vorher nicht anders / als ein zum Kampfe bestimmter Auer-Ochse / welcher seine Hörner an harten Bäumen versuchet / seine Kräfften prüfete; weil doch allererst in der Noth aus dem Steigereiff etwas wagen mehr einem Fechter / als Fürsten zukommt; wegen seines Fürhabens aber anfangs die Nachbarn / hernach sein Volck / endlich seine eigene Staats-Diener sich in ihrer Einbildung betrogen schauten; und sein Absehen weniger / als wo eine sich durch die Dornen windende Schlange endlich mit dem Kopfe durchfahren würde / vorsehen konten. Welche Klugheit so viel weniger zu tadeln ist; weil die Natur darmit: daß sie unser Hertze so tieff in das verborgene unser Brust versteckt / uns selbst darzu Anweisung gethan hat. Deßwegen haben nicht nur die klugen Römer der Göttin der Rathschläge ein Altar unter die Erde gebaut / sondern die Bienen / wenn man sie in durchsichtige Bienstöcke setzet / überziehen vorher derselben Glaß / ehe sie ihre andere Arbeit anfangen. Ihre heilsame Würckung machet auch wahr: daß sodenn / wenn man mehr nicht als die Helffte seines Thuns zeiget / die andere Helfte aber verbirgt und zum Stichblate behält / eine solche Helffte mehr / als das gantze unsers Vorhabens sey; wenn man sich nemlich mit selbtem auff einmahl bloß giebt. Fürnehmlich aber veursachte diß zurücke halten bey iederman grosses Nachdencken; weil Hertzog Herrmann sich vorher durch so viel behertzte Entschlüssungen sehen lassen; und die / welche ihn recht kennten / diß für keine zweiffelhaffte Zagheit ausdeuten konten. Denn durch Zeigung seiner Fähigkeit; durch Verbergung seines Anschlages machet man eine Kleinigkeit seiner Kräfften ansehnlich; eine Mäßigkeit unbegreiflich und sich selbst zum Wunderwercke. Ja die Thorheit selbst verliert ihre Schande und den Nahmen einer Mißgeburt; wenn sie nur nicht ans Tagelicht kommt. So vorsichtig er nun seine Heimligkeiten verbarg; so meisterlich wuste er durch das Bleymaaß seiner Scharffsichtigkeit die Tieffen fremder Gemüther /und zwar auch des versteckten Tiberius zu ergründen; also: daß die Römischen Adler nirgendshin kamen; wo sie Herrmann nicht in Gedancken schon gute Zeit vorher hatte flügen sehen. Dieser arglistige Römer machte ihm zwar wieder die Larve einer absondern zum Fürsten Herrmann tragender Freundschafft für die Augen; und um selbten in den Krieg wieder die Longobarden und endlich den König Marbod einzuflechten / versprach er ihm allen Beystand zu Erlangung der deutschen Feld-Herrschafft. Aber diesen blauen Dunst vertilgete der kluge Herrmann mit einem andern Nebel. Denn ob er wol wuste: daß eine einmahl zerfallene Freundschafft einem zerstückten und zu ergäntzen unmöglichem Edelgesteine; ein versöhnter Feind auch einem heute gläntzenden / morgen rosternden Ertzt-Geschirre / oder einem ausgemahlnen und bald wieder wäßrichten Moraste ähnlich; ja gleichsam des menschlichen Gemüthes Eigenschafft wäre / dem Beleidigten gram zu seyn; so reichte er doch dem Tiberius beyde Armen seiner Freundschafft durch scheinbare Vertröstungen und öfftere Beschenckungen. Wiewol sich sein Hertze von Tag zu Tage /besonders wegen des ihm zum andern mahl abspenstig gemachten Segesthes von ihm abneigte; und er für nichts mehr / als dem Greuel aller Tugenden / und mit dem Tod-Feinde seines Vaterlandes Bindnüs zu machen Abscheu trug. Unterdessen verhüllete Hertzog Herrmann seine innere Entschlüssung so künstlich: daß Tiberius alle Tage sich des würcklichen Beystandes versahe;[1266] und gleichwol nach vieler Monathe Auffziehung sich über keine muthwillige Aeffung beklagen konte. Hingegen brachte Herrmann durch seine sich noch i er vergrössernde Kriegs-Anstalt denen Longobarden so viel zeitlicher den Beystand des Königs Marbod zu wege; ob er schon unter der Hand den Longobardischen Hertzog Wilhelm nachmahls versicherte: daß er sich von den Cheruskern ehe der Hülffe / als eines Wiedrigen zu versehen hätte. Sintemahl Marbod ihm die Rechnung machte: daß das eingebildete Bindnüs der Römer und Cherusker nicht so wol auf die Longobarden / als Marckmänner das Absehen hätte. Also gelten und würcken alle Sachen nicht nach der Eigenschafft ihres Wesens / sondern nach dem Schatten ihres bländenden Ansehens. Dahero auch ins gemein nicht nur albere / sondern auch scharffsichtige sich an der Schale der Dinge vergnügen; und die wenigsten derselben den Kern erkennen lernen. Wie nun Herrmann hierdurch bewehrte: daß eine nach Beschaffenheit der Zeit gebehrdete Stirne nichts minder / als die Klugheit im Gehirne und die Unerschrockenheit im Hertzen nöthig sey; also wolte er hernach zeigen: daß bey sich ereignender Gelegenheit was fruchtbares zu stifften / seine Entschlüssung keines Hebers / seine Tapfferkeit keines Spornes von nöthen hätte. Denn nach dem die Römer bey der Zusammenrinnung der Havel und Elbe von denen Longobarden und Marckmännern den unglücklichen Streich bekamen; und Tiberius theils wegen verzweiffelter Uberkunfft über die Elbe in dem Longobardischen Gebiete / theils sich anderwerts an denen Marckmännern zu rächen an dem Strome hinauf biß zu denen Hermundurern zohe; und nun zwischen diesen beyden Völckern ein beständiger Krieg vermuthet war; schickte Hertzog Herrmann an König Marbod eine Gesandschafft um mit ihm wieder die Römer ein Bündnüs zuschlüssen. Den Tag aber / als der Gesandte nach Marbods-Stadt kam / verglich sich Marbod mit dem Tiberius; daher jener mit seiner Botschafft hinter dem Berge halten / und seinen Verrichtungen einen andern Firnis anstreichen muste. Nichts desto weniger schöpffte der schlaue Tiberius einen nicht geringen Argwohn hieraus; daher er sein Kriegs-Heer unter dem Sentius Saturnin grossen Theils bey den Chauzen / Bructerern / und auff die Cheruskischen Gräntzen verlegte; um diesen streitbaren Völckern die Flügel zu verschneiden; wormit sie sich nicht über die Römischen Adler empor schwingen möchten. Alleine der vorsichtige Herrmann fand durch seine angebohrne Anmuth ein Hefft sich aus dieser Schwerigkeit zu reissen. Denn wie es für viel höher zu schätzen ist aller Gewogenheit / als vieler Ruhm zu erlangen; die Höfligkeit aber die gewisseste Angel edler Gemüther / ja gleichsam eine Bezauberung der Unhold ist; also wuste Hertzog Herrmann hiermit gegen den tapffern Saturnin den Meister zu spielen / und sich seines Gemüthes durch freundliche Bewillkommung und allerhand Ehrenbezeigungen zu bemächtigen. Worzu ihm denn Saturnins vom Herrmann bereits vorher geschöpffte Meynung leicht die Bahn brach; weil doch die / welche man schon hoch schätzt / leicht die Staffel beliebt zu werden erreichen können. Wiewol dieses letztere nicht so wol von unserm eigenen Beginnen / als von einem gewissen Einflusse des Gestirnes / das etlichen eine Magnetische Krafft anderer Hertzen an sich zu ziehen einflösset /den Uhrsprung hat; oder zum minsten seine Vollkommenheit erreicht. Durch dieses Band ward Saturnin so gefässelt: daß er ohne den Hertzog Herrmann schier nicht seyn konte; sondern von der Festung Alison mehrmahls nach Deutschburg kam / um seiner annehmlichen Gesellschafft zu genüssen; allwo er theils mit allerhand Ritter Spielen / theils Jagten und andern Kurtzweilen höchstvergnüglich unterhalten ward. Wie nun Saturnin[1267] dem Tiberius aus einer angebohrnen Abneigung / oder wegen seiner Laster von Hertzen gram war; und er deßwegen denen Deutschen / welchen Tiberius zu Kopffe wachsen wolte / so viel möglich /beym Kayser die Stange hielt; also ward Saturnin durch einen besondern Zufall in seinem Fürnehmen gestärcket. Denn als ihm Hertzog Herrmann auf dem Blocks-Berge eine Jagt bestellt hatte / und sie um Mitternacht schon aus ihrem Nacht-Lager aufwaren desto zeitlicher in die Stallung zu kommen / traffen sie noch für anbrechendem Tage auff einer gähen Klippe ein Wahrsager-Weib an / welche von eitel besondern Kräutern einen Kreiß um sich gemacht; inwendig aber selbten mit eitel dinnem Sande bedeckt hatte. Für dem Kreiße kniete ein Kriegs-Mann in Römischer Tracht / welcher die Wahrsagerin um seine zu Rom verlassene Buhlschafft / und etliche andere künftige Zufälle; endlich um das Glücke des Kaysers / des Tiberius und Saturnins befragte. Die Wahrsagerin /welcher die Haare gantz ungekä t um den Kopf flohen / und welche einen weiten weißen uñ nirgendswo gegürteten oder zugeschlingten Gürtel an hatte / und sich an einen mitten im Kreiße stehenden Wacholder-Baum lehnte; fieng an etwas unvernehmliches zu murmeln; darnach setzte sie den lincken Fuß in ein mit Wasser gefülltes küpffernes Becken; wusch denselben / und trocknete ihn an ein weiß Gewand; nahm den aus Eisen-Kraute geflochtenen Krantz vom Haupte /hieng denselben über sich an einen Wacholder-Ast; und nach dem sie den lincken Arm samt der lincken Brust entblöst hatte / schlug sie mit einer Tamarinden-Ruthe sieben mahl an die Wacholder-Aeste: daß die daran hangenden reiffen Beeren häuffig herunter fielen. Diese nahm sie niederkniende / betrachtete eine iede darvon gegen dem durch die Bäume scheinenden Mohnden auffs genaueste; hernach setzte sie von diesen Beeren in den Sand eine Schrifft zusammen; welche sie mit vielen zwerch über einander gelegten Weiden-Zweigen unterscheidete. Zuletzt machte sie den von Kräutern gemachten Zauber-Kreiß auff / und nach dem sie die Tamarinden-Ruthe zerbrochen / die Kräuter aber in das küpfferne Becken zusammen gelesen hatte / rieff sie: Ließ dein und anderer Verhängnüs; und hiermit sprang sie in das dickeste Gepüsche. Weil aber in einem Augenblicke ein so hefftiger Sturm-Wind entstand; welcher die stärcksten Bäume mit ihren Wurtzeln auszureissen dräute; fieng Saturnin / welcher mit dem Hertzog Herrmañ hinter einer zwießlichen Tanne dieser Gauckeley zugesehen hatte /lachende an: Dieser Einfältige wird nun wol schwerer seine Wahrsagung zusammen lesen; als welche für Zeiten aus denen mit einem Buchstaben bezeichneten / und von der Sibylle ausgestreuten Blättern muste erkieset werden. Nichts desto weniger sahen sie: daß dieser Mensch ihm einen kyhnenen Spaan anzündete /und der Wahrsagerin Beeren-Schrifft mit Fleiß untersuchte. Daher sie sich dem Orte näherten / dem über Zusammenreymung der Wahrsagung fast aller eusserlichen Sinnen beraubten Römer zusahen / und ihn endlich folgende Reymen zusammen flicken hörten:


Nach dreyen Jahren wird dein Absehn treffen ein /

Wenn Gifft den Lebens-Drat dem Kayser wird verkürtzen.

So denn wird auch Tiber das Haupt der R \mer seyn /

Der von Tarpejens Felß den Saturnin wird stůrtzen.


Saturnin / welcher diese letzten Worte nicht ohne Bestürtzung vernahm / fuhr aus einem ihn überlauffenden Eyver diesen sorgfältigen Rathfrager mit hefftigen Worten an: welch böser Geist verleitet dich über des Kaysers Leben und Hauß die Zauberer zu fragen? Weist du nicht: daß du Leben und Vermögen hierdurch verschertzet hast? Dieser / als er sich umkehrte / und den ihm allzuwol bekandten Römischen Feld-Hauptmann Sentius vor sich sahe / erstarrte[1268] wie ein Scheit / oder als ein von dem Blitz entseelter Leich nam. Endlich erholete er sich ein wenig; und nach dem er dem Saturnin zu Fuße gefallen / bat er nur um sein Leben; welches er nach dem Kriegs-Rechte; weil er als ein Hauptmann über hundert Kriegs-Knechte ohne seiner Befehlhaber Bewilligung diß fürgenommen / verlohren zu haben bekennte. Ausser dem aber meinte er genungsam entschuldigt zu seyn; weil Tiberius selbst ihm nicht diese Wahrsagerin (welche für kurtzer Zeit in Rom gewest wäre / und dem Augustus etliche Wahrsagungen in seinen Arm eingeschnitten hätte) um sein und des Kaysers Begebnüsse zu befragen befohlen hätte. Diesen Fragen hätte er aus Vorwitz seiner Buhlschafft / und aus sonderbahrer Verbindligkeit des Saturnins künfftiges Glück zu vernehmen beygesetzt. Denn er wäre Scribonius; welcher unter dem Saturnin zum ersten den Kriegs-Gürtel umgemacht / auch von ihm itzige Staffel erlangt / auff des Kaysers Befehl aber von dieser berühmten Wahrsagerin / welche mit denen tieffsinnigsten Druyden in verträulicher Gemeinschafft lebte / und ungeachtet der ihr vom Kayser und Livien zu Rom verordneten herrlichen Verpflegung / doch dieses wegen vieler zu der Wahrsagung bewehrter Kräuter berühmte Gebürge mit denen Liebligkeiten Italiens nicht hätte verwechseln wollen / so gar unterschiedene Geheimnüße / die ihm die Chaldeer nicht zu eröffnen gewüßt / erlernet hätte. Saturnin antwortete ihm: Es solte zwar für diß mahl seinem Verbrechen die Straffe nachgesehen seyn; er solte sich aber forthin entweder dieses Aberglaubens / oder des Krieges enteussern. Er kam hierauff zwar mit dem Hertzog Herrmann in die Stallung /und die Jagt gieng mit Erlegung vieler Bären und wilder Schweine glücklich ab; aber Saturnin war allezeit in tieffen Gedancken; ob ihm schon Hertzog Herrmann durch vorgebildete Eitelkeit der Zauberey alle Traurigkeit auszureden sich eusserst bearbeitete. Ja es wurtzelte in dem Gemüthe des Saturnins ein unversöhnlicher Haß wieder den Tiberius hingegen eine nicht geringe Gewogenheit gegen die von ihm gedrückte Deutschen ein. Weil doch das menschliche Gemüthe dem schwerlich hold bleiben kan / von dem es seinen Untergang zu besorgen hat; und die neu-angesponnene Feindschafft die ältere nicht nur verdüstert / sondern auch verursacht: daß man sich auff dieser ihre Seite schlägt. Diesemnach denn die Chautzen und andere gleichsam gefässelte Deutschen vom Saturnin nicht als Uberwundene / sondern als Bunds-Genossen gehalten; und des Tiberius wieder die Cherusker zu Rom angesponnene Anschläge durch Saturnins Vorschrifften zu Wasser gemacht wurden. Nachdem auch Saturnin die Römischen Waffen von Deutschland unmöglich gar abhalten konte; brachte er es doch beym Kayser so weit: daß selbte von dem Fürsten Herrmann abgelehnt / und gegen den über die Römische Hoheit einen allzugrossen Schatten abwerffenden Marbod zu gebrauchen bestimmt wurden.

Die Fürstin Thußnelda lebte inzwischen bey der Cattischen Hertzogin des Fürsten Arpus Gemahlin so verborgen: daß Segesthes und Tiberius das wenigste von ihrem Auffenthalt erfahren konten. Gleichwol aber unterhielt sie den Fürsten Herrmann mit ihrer holdseligen Brieff-Wechselung. Und ob wol dieser die zwischen ihnen beschlossene und vom Segesthes zweymahl beliebte Heyrath zu vollziehen bey Thußnelden beweglich anhielt; so machte doch diese fromme Heldin wegen besorgten väterlichen Unwillens allerhand Schwerigkeit / und Hertzog Arpus /welcher durch Thußneldens Vermittelung mit dem Cheruskischen Hertzoge verträuliche Freundschafft aufrichtete / wiederrieth solches noch zur[1269] Zeit deßhalben: daß der für toller Brunst gleichsam wütende Tiberius so viel ehe gegen die Cherusker in Harnisch gebracht / und Saturnin seinem Eydam Segesthes zu Liebe das bißherige gute Verständnüs mit dem Fürsten Herrmann abzubrechen verursacht werden dörffte. Weil nun Thußnelda bey den Catten in sicherer Verwahrung wäre / solte er der Zeit / welche alle Dinge doch endlich zu ihrer reiffen Vollkommenheit brächte / noch ein wenig nachsehen. Die Cherusker und Catten stünden zwar wieder in ziemlicher Verfassung / um auf allen Fall den Römern die Spitze zu bieten / und August selbst wiederstrebte des Tiberius ungesunder Liebe. Allein die / welche mit dem Lichte der Vernunfft / und nach der Richtschnur der Klugheit einen gewissen Zweck zu erreichen gedächten / vertiefften sich nicht ausser eusserste Noth in die gefährlichen Strudel ungewisser Zufälle. Von den Klippen guter Hoffnung liesse sichs zwar leicht biß an das Ufer des glückseligen Eylandes sehen; aber es wäre zwischen beyden Enden eine tieffe Klufft befestigt. Diesemnach wäre es besser dem Glücke die Gelegenheit benehmen mit uns nach seinem Belieben zu spielen / als desselbten mit so viel Gefahr Meister werden. Das Verhängnüs / welches ihr heiliges Band der Ehe augenscheinlich selbst gestifftet hätte / würde schon der Gelegenheit diesen Nothzwang auffbürden: daß sie beyden Verlobten selbst die Hand reichen müste / um sie in den Hafen ihrer verlangten Vergnügung zu ziehen. Also muste nur Hertzog Herrmann sich mit Gedult fassen / ungeachtet er seiner Liebsten Abwesenheit so lange Zeit nicht ohne die hefftigste Gemüths-Kränckung vertragen konte. Alleine das Glücke mühte sich entweder dem großmüthigen Herrmann noch ein Bein unterzuschlagen / oder das Verhängnüs wolte seine Treue noch besser prüfen. Daher die für dem Tiberius versteckte Fürstin Thußnelda aus ihrer Verdüsterung einem andern unter Augen leuchtete / um vielleicht dem Fürsten Herrmann zu beglücken: daß er die zwey grösten Häupter Europens zu Neben-Buhlern gehabt / auch beyden den Preiß abgerennt hätte. Diese Begebnüs aber / sagte Adgandester / kan diese Erlauchte Versamlung nicht unverfälschter / als aus dem Munde der Cattischen Hertzogin vernehmen; als welche nicht nur eine gegenwärtige Zuschauerin; sondern eine wahrhaffte Schutz-Göttin unser Hertzoglichen Braut abgegeben hätte. Diese aber lehnte die Erzehlung von sich höflich ab; weil sie selbst mit in die Geschichte eingeflochten wäre / und sich ehe dieser Gesellschafft zu entbrechen Ursache hätte; wenn ihre Begierde derselben auffzuwarten sie nicht zurücke hielte. Es könte aber die sich ohne diß in der Schuld befindende Gräfin von der Lippe alle so wol vergnügen / als sie vertreten; weil sie von allem die genaueste Wissenschafft hätte. Einer solchen Fürstin Anmuthen war der Gräfin ein genungsamer Befehl; und daher fieng sie ohne Umschweiff die verlangte Erzehlung derogestalt an:

Es sind wenig Jahre: daß König Marbod auff einer Jagt an der Bojischen und Hermundurischen Gräntze ein siedend heißes Quell / welches mitten aus einer kalten sich kurtz darauff in den Enger-Fluß stürtzenden Bach seinen Uhrsprung nimmt / bey Verfolgung eines daraus auffgejagten und von dem heissen Wasser rauchenden wilden Schweines erforschet hatte. Weil man nun solches für ein heilsames Mittel wieder viel Kranckheiten erkennet / also daselbst für Inn- und Ausländer zu bequemem Auffenthalt etliche zierliche Häuser erbauet / und diesen Ort mit grossen Freyheiten begabet hatte; riethen dero Aertzte auch der gefährlich erkranckenden und hier anwesenden Fürstin Erdmuth: daß sie sich dieses warmen Bades gebrauchen solte. Eine Thußnelden / wiewol aus blosser Gemüths-Kranckheit zustossende Schwachheit; und daß Erdmuth vorerwehnte[1270] Cattische Hertzogin gleichsam ohne die annehmliche Thußnelde nicht leben konte; verursachten: daß diese jener Reise-Gefärthin war; Wiewol sie / um so viel unbekandter zu bleiben / nur die Stelle einer adelichen Jungfrau bekleidete. König Marbod / so bald er von der Dahinkunfft einer so grossen Fürstin Nachricht erhielt; ließ selbte mit allerhand Nothdurfft und Erfrischungen versorgen. Der Ritter / welcher diß überbrachte / wuste seinem Könige den grossen Helden-Geist und die Klugheit dieser Fürstin / wie auch die Schönheit ihres Frauenzimmers nicht genungsam zu rühmen; Daher er unter dem Vorwand einer Jagt mit wenig Edelleuten unbekandter Weise in diesen warmen Brunnen kam. Und weil die Fürstin mit dem andern Frauenzimmer in einem rund gewölbten Saale badete / worinnen ein von weissem Marmel gemachtes Behältnüs durch verborgene Röhren das vorhin eine gantze Nacht abgekühlte Wasser in sich bekam /nach selbiger Landes-Art aber dieser Platz dem Vorwitz aller dahin kommenden unverschlossen stand /kriegte Marbod diß / was er verlangte / unschwer zu Gesichte. Aber so leicht die Rose zwischen andern Blumen / ein Diamant unter andern Edelgesteinen /der Mohnde bey andern Sternen zu erkiesen ist; so geschwinde fiel dem Könige für andern die unvergleichliche Gestalt Thußneldens ins Gesichte; oder die Liebe kroch vielmehr durch diese zwey Pforten ihm in das innerste seiner Seele. Der Schnee ihrer zarten Glieder steckte in diesen nicht so wol von unter-irrdischem Schwefel / als von ihren lodernden Anmuths-Strahlen erhitztem Wasser Marbods Hertze mit unausleschlichen Flammen an. Sein Gemüthe beklagte: daß sein Leib allzu wenig Augen hätte sich durch Anschauen einer mehr / als irrdischen Schönheit zu ersättigen. Je mehr er aber sie anschauete; so viel mehr ward sein Verstand verfinstert / und sein Geist entseelet. Denn die Schönen verbländen mit ihrem Glantze wie die Sonne / und tödten mit ihrer Lebhafftigkeit /wie das Feuer. Ja Marbod war in einem Augenblicke schier gantz ausser sich. Denn seine Seele hatte ihr eine andere Wohnstatt nehmlich den herrlichen Tempel dieser himmlischen Fürstin erwehlet; und es schiene von seinem Leben nichts / als die Empfindligkeit grössester Schmertzen übrig geblieben zu seyn. Weil er nun seine eigene Ohnmacht an sich erkennte; war er willens / sich nicht / wie er wol anfangs ihm fürgesetzt hatte / erkennen zu geben; sondern zu Verhütung seiner Schwachheit sich wieder zu entfernen. Aber Thußneldens Anmuth zohe seine Augen mit unsichtbaren Ketten nachdrücklicher / als der Nordische Angel-Stern die Magnet-Nadel an sich. Daher er nach Art derselben Weltweisen / welche nur um die Sonne anzuschauen gebohren zu seyn vermeinten / sein Gesichte nie von ihr verwendete / auch von dar zu scheiden sich nicht überwinden konte / biß die Zeichen zum Ausbaden durch eine Glocke gegeben / und alle Zuschauer zu entweichen genöthiget wurden. Unter wehrender Ankleidung des Frauenzimmers erholte sich Marbod gleichwol so viel: daß er unter dem Nahmen eines vom Könige um ihre Gesundheit zu vernehmen abgeschickten Marckmännischen Ritters bey dem Herausgehen der Hertzogin den Saum des Rockes / ihrem Frauen-Zimmer aber die Hand zu küssen Erlaubnüs bat. Es wäre aber diese Vermessenheit dem Könige bald übel gerathen; weil er bey Anrührung Thußneldens schneeweißer Hand gantz erstarrete; also daß er mit genauer Noth / iedoch nicht ohne Anmerckung seiner Veränderung / so wol seiner Gefärthen / als der Hertzogin denen folgenden Fräulein die ausgebetene Ehrerbietung bezeigen konte. Weßwegen auch die Fürstin Erdmuth bald darauf mit Thußnelden / als sie an der Bach auf einer Wiesen sich ergiengen /schertzte; und ihr / wie sie eine Marckmännische Land-Frau so bald[1271] werden könte / lächelnde vorhielt. Marbod war kaum in seinen Königlichen Sitz ankommen; als er seine vierzehnjährichte wunderschöne Tochter Adelmund / derer Mutter die berühmte Gothonische Fürstin Marmeline vor zwey Jahren gestorben war / in den warmen Brunnen die Hertzogin Erdmuth annehmlich zu unterhalten abfertigte. Diese kam mit einem prächtigen Aufzuge daselbst an / und erzeigte der Hertzogin nicht allein alle ersinnliche Höffligkeiten / sondern beschenckte sie und das gesamte Frauenzimmer mit vielen Köstligkeiten / insonderheit aber mit Perlen / Diamanten und Granaten /welche in den Bojischen Wässern und Gebürgen gefunden werden. Nach dem auch diß Bad der Hertzogin sehr wol zuschlug / und sie sich bey ziemlichen Kräfften befand; lud die Fürstin Adelmund die Hertzogin und ihr Frauenzimmer in einen eine Meile von dar gelegenen Königlichen Garten / welcher wegen der köstlichen Spring-Brunnen / der seltzamen Gewächse / der fruchtbaren Bäume / der lustigen Gegend und des mit vielerley Wild erfüllten Thier-Gartens für den herrlichsten in Deutschland gehalten ward. Insonderheit waren um selbige Gegend so viel Fasanen zu schauen: daß sie mit dem Flusse Phasis um den Vorzug zu kämpffen schien. Als diese Versamlung des Frauenzimmers in der verträulichsten Erlustigung sich befand / und in einer von eitel Muscheln und Korallen besetzten Höle bey dem hin- und wiederspritzenden Wasser wegen damahliger Mittags-Hitze sich abkühlete / kam ein Edelmann / und deutete der Hertzogin an: daß König Marbod schon im Garten wäre. Sie war auch kaum aus der Höle durch einen überlaubten Gang zu einem marmelnen Spring-Brunnen kommen / als der König in prächtiger Tracht mit vielen Grossen seines Hofes ihr begegnete; und sie und alle ihr Frauenzimmer auffs höflichste bewillkommte. Diese aber wurden auffs höchste bestürtzt /als sie nunmehr wahrnahmen: daß der sie für etlichen Tagen im warmen Brunnen heimsuchende Edelmann eben der König Marbod selbst gewesen wäre. Weßwegen denn die Hertzogin nichts minder sich / als die Ihrigen entschuldigte: daß sie aus Irrthum ihm nicht mit gehöriger Ehrerbietung begegnet wären. Marbod versetzte: es könte eine so vollkommene Fürstin mit ihrer so außerlesenen Gesellschafft gegen niemanden sich einigerley Weise gebehrden: daß sich nicht auch ein König darmit zu vergnügen hätte. Mit welchen annehmlichen Wortwechselungen sie denn einander biß zu der an der Seite des rauschenden Wassers unter einem goldgestückten Persischen Zelt zubereiteten Taffel unterhielten. Bey welcher Thußnelde alsbald wahrnahm: daß Marbod ein besonders Auge auff sie hatte; indem er bey seiner angemasten Freude doch allezeit eine Schwermuth mercken ließ; und wenn er mit Thußnelden nur etliche Worte wechselte / oder sie nur ansahe / iedesmahl seine Farbe veränderte. Denn weil das Feuer der Liebe an Geschwindigkeit den Blitz übertrifft / die Seele aber gleichsam im Blute schwimmet / kan diese schier keine Bewegung ohne seine Aufwallung empfinden. Gleichwol unterhielt Marbod Thußnelden am allermeisten mit Gesprächen; und vergnügte sich gleichsam: daß seine Veränderung ie mehr und mehr die Verwirrung seines Gemüthes an Tag gäbe / und sein Antlitz der erste Vorredner seiner Liebes-Werbung würde. Hiermit hatte Thußnelde über der Taffel bey solchen Anmerckungen so tieff in das Hertze Marbods gesehen / als wenn die Natur ihm ein Fenster an die Brust gesetzt hätte. Denn die / welche ihre eigene Liebe schon prüfen gelernet / verstehen leicht auch fremder Verliebten stumme Sprache; und ihre Augen geben nicht weniger rechte Fern-Gläser ab / welche so gar die verborgensten Gedancken erkiesen; sie selbst als das allergeistreichste Theil des Menschen /[1272] in welchem die Seele wohnet / die Jäger unser Begierden / die deutlichsten Dolmetscher unsers Hertzens / die Mahler unser Gedancken / die Mäckler unser Liebe / ja gleichsam unsere Gebieter / alle andere Theile des Menschen aber nur ihre Dienstboten sind. Dieses Urthel ihrer Scharffsichtigkeit ward dardurch so viel mehr bestärcket: daß König Marbod /als Thußnelde aus Höfligkeit einem Edelmanne die Giß-Kanne aus der Hand nahm / und ihm das Hand-Wasser reichen wolte / einen unschätzbaren Ring mit einem Sardonich in das Giß-Becken Thußnelden zum Geschencke fallen ließ; welchen der Samische König Polycrates um eine Scharte in sein übermäßig und daher so viel mehr verdächtiges Glücke zu machen /ins Meer geworffen / ein Fisch aber ihm wieder in seine Küche; hernach August aus den Schätzen Cleopatrens nach Rom gebracht / und in das Heiligthum der Eintracht gewiedmet; letztens aber dem Könige Marbod / als ein Zeichen seiner Freundschafft zum Geschencke überschickt hatte. Thußnelde konte aus Höfligkeit diese grosse Gabe nicht verschmähen; iedoch / weil sie aller Welt Schätze mit einem andern /als ihrem Herrmann / in verbindliche Eintracht zu treten allzu verächtlich hielt; erweckte ihr diese verdächtige Freygebigkeit eine nicht geringe Unruh des Gemüthes; welche auff die Nacht noch mehr vergrössert ward / als sie vernahm: daß Marbod um ihren Uhrsprung und Zustand die Hertzogin Erdmuth so genau befraget; wiewol eine ihr annehmliche Antwort erhalten hatte: daß sie eines Cattischen Grafen Tochter wäre / und bereit das Gelübde ewiger Keuschheit geleistet hätte / zu dessen Kennzeichen sie denn nach Art der derogestalt verlobten Jungfrauen einen Ring im Finger trüge; in dessen Rubin zwey ackernde Fliegen / als Merckmaale unversehrlicher Jungfrauschafft gegraben wären. Weil aber alle Kühlungen der Liebe nur ihr Feuer vergrössern / ward König Marbod von zweyen Gemüths-Regungen / nehmlich der Liebe und Furcht / nicht nur beunruhigt / sondern gepeinigt; also: daß er bey nahe die gantze Nacht kein Auge zu zuthun vermochte. Denn jene scheinet zwar ein aus dem Himmel eines schönen Antlitzes gezeugeter Engel zu seyn; aber Furcht und Zweiffel wegen des ungewissen Genüßes verwandelt sich in dem Hertzen des Liebenden in eine höllische Unholdin. Nach langer Abmergelung und veränderter Berathung; wie er Thußneldens Gewogenheit gewinnen / und das bey den Deutschen so heilige Gelübde der Keuschheit zernichten möchte / fiel er endlich in einen Schlaff / oder vielmehr in eine halbe Ohnmacht; die von einer vollkommenen nur dardurch entschieden war: daß er noch durch allerhand ängstige Träume gequälet / und endlich mit Schrecken erwecket ward. Weil er nun den Tag vorher schon die Cattische Hertzogin auff eine Jagt eingeladen hatte; die Sonne aber bereit die Spitzen des blauen Gebürges bestrahlte / muste er seine träumende Unruh nur mit der wachenden verändern /und zu solcher Lust sich anschicken. Die Fürstin Adelmund hatte sich als eine Diana darzu gerüstet; und solcher Gestalt sich auszuputzen dem Cattischen Frauen Zimmer Pferde / Waffen und ander Geräthe herbey schaffen lassen. Marbod hatte Thußnelden den Tag vorher nur als ein Frauen-Zimmer verwundernd angesehen; diesen aber sahe er sie zu Pferde als eine streitbare Heldin. Er hatte sie als eine Halb-Göttin verehret; nunmehr aber ward er gezwungen sie als eine völlige anzubeten. Denn sie saß als eine lebhaffte Amazone zu Pferde; im Rennen und Schüssen that sie es allen Rittern zuvor; und erlegte zweymahl so viel Wild / als iemand anders. Denn kein Hirsch war[1273] ihr zu geschwinde; kein Bär zu grausam / und kein Luchs zu erschrecklich. König Marbod thät auch im Jagen sein eusserstes / um seine Tapfferkeit sehen zu lassen; und sich derselbigen Jägerin zu bemächtigen; welche mit ihren Pfeilen diese Wildnüs am Wilde arm machte; durch ihre Schönheit und Anmuth aber sie mit unschätzbaren Blumen bereicherte; welche auf ihren Lippen und Wangen viel beständiger / als in dem Rosen- und Lilgen-Monate blühen. Thußnelde setzte nach Erlegung eines Thieres alsofort dem andern nach; Marbod aber verlohr niemahls die Spur dieser wunderwürdigen Hindin; welche nichts minder die Vollkommenheit derselben / welche Hercules dem Euristheus liefferte / übertraff; als er von einem grösseren Wütterich / nehmlich der Liebe zu derselben Einholung angereitzet ward; und meinte so viel Steine in ihr Liebes-Bret eingesetzt zu haben; so viel wilde Thiere er in ihrem Angesichte erlegte. Weil er aber stets nur ein Auge auf diese / das andere aber auf Thußnelden hatte; als nach welcher seine eigene Seele auff die Jagt zoh; versahe es Marbod bey Verfolgung eines Bären: daß er mit dem Pferde stürtzte; und von diesem wegen seiner Verletzung so viel mehr verbitterten Thiere auffs grimmigste überfallen; von der Fürstin Thußnelde aber / welche einen Wurff-Spieß selbtem mitten durchs Hertze jagte / zu grossem Glücke entsetzet; und hierauff auf ein ander Pferd gebracht ward. Marbod / welcher sich hierdurch ihr das Leben zu dancken verpflichtet erkennte / hätte ihr gern ein verdientes Danck-Opffer erstattet / oder vielmehr Gelegenheit gehabt / ihr die Wunden seines Hertzens zu entdecken; aber diese flüchtige Daphne wolte auch dieser grossen Sonne Deutschlands nicht Stand halten; sondern sie rennte in die düstersten Hecken; also: daß sie Marbod bey nahe zwey Stunden vergebens suchte. Wie er nun für Mattigkeit lächste /und sein Pferd für Müdigkeit sich kaum bewegen konte / leitete ihn das Wiegern eines Pferdes auf eine Pfad; welcher ihn kurtz darauff zu eben dem aus einem rauen Felsen springenden Quell leitete; darauff Thußnelde saß / und ihren Durst mit diesem kristallenen Wasser leschte. Marbod kriegte mit ihrem ersten Anblicke gleichsam ein neues Leben; sprang also vom Pferde / umarmete sich bückende ihre Knie; und redete sie alsofort an: Warum fleuchstu so sehr für mir / du Gebieterin meiner Seele? hast du für Marboden grössere Abscheu / als für dieser traurigen Einöde? Wilstu dich aber für Licht und Sonne verstecken / so mustu / Sonne des Erd-Kreißes / dich von dir selbst zu entfernen den Anfang machen. Bistu von der Hitze des Mittags gezwungen deine anklebende Zunge mit dieser Eyß-kalten Flut abzukühlen; so überlege / was eine verliebte Seele für Pein erdulde; und erquicke sie aus Erbarmnüs nur mit einer Hand voll deiner holdseligen Gewogenheit. Glaube: daß der Blitz deiner Augen mein loderndes Hertze nicht anders / als die Glut die um selbte schwermende Mücken schon eingeäschert habe; wenn aber du vom Balsam deiner Gegen-Liebe nur wenig Tropffen in diese Asche fallen läst; wird es als ein neuer Fenix daraus lebhaffter / als vor gezeuget werden. Vollkommene Göttin! sey nicht einsamer / als diese Wildnüs; noch unbarmhertziger / als diese Felsen; in dem jene meine Gesellschafft so willig verträget; diese aber uns beyde nicht erdürsten lassen. Sorge nicht: daß meine Liebe die Flüchtigkeit dieser Bach / sondern die Aehnligkeit des ewigen Feuers habe. Ich habe vor dir nur eine /wiewol dir nicht vergleichliche Fürstin lieb gewonnen; und es hat meine Flamme nichts / als der Todt ausleschen können; der ihr zwar das Tacht der erblichenen Marmeline entzogen hat; Gleichwol aber lebet ihr Gedächtnüs in meinem ihr gewiedmeten Gemüthe; und unserer beyder Geister vergessen nicht auch noch so viel reiner[1274] sich mit einander zu umarmen. Wie viel mehr hastu dich / du Ausbund aller Vergnügungen /einer unausleschlichen Liebe zu versichern; weil deine Tugenden täglich mehr Oel in die brennende Ampel meines Hertzens / als die Adern dieses Gebürges Wasser in diß Quell zu flössen haben. Weil dir nun die Natur eine Botmäßigkeit über alle Augen / deine Tugend über die Seele Marbods verliehen hat; so verschmehe nicht die dir vom Verhängnüße heut angebotene Herrschafft über die streitbaren Marckmänner /und die Völcker des halben Deutschlands. Da dir aber auch diß zu verschmählich ist / so habe doch zum minsten Mitleiden mit dem für Liebe vergehenden Marbod / und glaube: daß der Siegs-Preiß des Grimmes nur an der Menge der Todten / der Liebe aber an Vielheit der Genesenden bestehe. Marbod drückte diese Worte mit einer solchen beweglichen Art aus: daß man das Leiden seiner Seele an seinem Antlitze klar genung abgebildet sah. Thußnelden war iedes liebkosende Wort ein neuer Donner-Keil; sie setzte ihm aber mit einer mehr ernst als freundlichen Gebehrdung diese Antwort entgegen: Wenn es in meiner Gewalt stünde einen so grossen König zu lieben /würde meine Verweigerung billich den Titel des Wahnwitzes verdienen. Denn wie könte mein Wille mit Vernunfft dem wiederspenstig seyn / dessen Tapfferkeit so viel Völcker übermeistert / und dessen Tugend der Flüchtigkeit des Glückes einen Stillstand zu bieten gewust hat? Wie möchte ich Albere so viel Kronen verschmähen; für welche so viel Menschen ihre Kinder / ihr Blut / ja ihre eigene Seele aufopffern? Aber so hat den Platz meiner Scheitel schon ein ander Krantz / und die Höle meines Hertzens schon eine andere Gottheit eingenommen; also: daß ich mich selbst; weil ich mein Eigenthum nicht mehr bin / niemanden ferner vergeben kan. Diesemnach überwünde / großmächtiger Marbod / hierinnen nunmehr auch dich / nach dem du ausser dir nichts mehr zu überwältigen hast. Denn sein selbst mächtig seyn / ist das gröste Kayserthum; mit der Unmögligkeit aber einen Krieg anfangen / heisset alle vorige Siegs-Kräntze mit Füssen treten. Erwege: daß die ersten Regungen unsers Gemüthes nur Versuchungen / die hefftigsten auch am unbeständigsten sind. In dreyen Tagen wird die auffwallende Hitze deiner Begierden sich abkühlen / und deine Klugheit dir einhalten; wie unbedachtsam der grosse Marbod eine schlechte Edel zu seiner Gemahlin erkieset habe; und wie ungedultig die streitbaren Marckmänner eine fremde Dirne zu ihrer Königin leiden können. Du selbst wirst wahrnehmen / wie unsere blinden Regungen uns mehrmahls verleiten: daß wir in unser eigen Unglück auff der Post rennen /und über Auszimmerung unsers eigenen Fallbrets schwitzen. Da du dich aber selbst überwindest / wird dieser herrliche Sieg noch mit zwey andern begleitet seyn. Denn nicht nur ich / sondern auch die Tugend /der ich mich vermählet habe; werden deßwegen deine Schuldner ersterben / und an statt der bald faulenden Rosen / auf deine Scheitel einen Krantz von Palmen und Lorbern winden müssen. König Marbod hörte diese Ablehnung mit nicht geringer Bewegung / als ein Verbrecher sein Todes-Urthel an. Weil er aber vermeinte: daß Thußnelden nichts / als ihr Gelübde der Keuschheit am Wege stünde; setzte er diesem entgegen: das Gelübde der ewigen Jungfrauschafft thäte der Natur selbst Gewalt an; und der Vorsatz nicht zu lieben stünde so wenig in unser Gewalt; als die Eigenschafft des Brennens von dem Feuer abzusondern. Unmögligkeiten aber könten so wenig in Gelübden /als in andern Verbindnüßen uns einen Nothzwang aufhalsen. Da aber ja diese Gelübden einige Krafft hätten; würden selbte doch sodenn ausleschen; wenn das Verhängnüs uns selbst einen andern Weg leitete;[1275] oder uns die Natur selbst ungeschickt machte selbigem länger Folge zu leisten. Zu geschweigen: daß /weil das Verhängnüß in seinem Lauffe gantz unveränderlich / in seiner Strengigkeit unerbittlich wäre; so wenig durch Gelübde / als durch die Opfferung weißer Lä er-Köpffe diß / was der Himmel schon über uns beschlossen / abgelehnet werden könte. Machte sie ihr aber noch ihres Gelübdes halber ein Gewissen; wäre er erböthig statt ihrer fünff hundert andere Jungfrauen ewiger Keuschheit zu wiedmen / und also der von ihr verehrten Gottheit die Pflicht mit Wucher zu erstatten. An welcher Vertretung sie so viel weniger zu zweiffeln hätte; weil er als zugleich oberster Priester der Marckmänner das Band aller Gelübde aufzulösen befugt wäre. Thußnelda hörte diesen von dem Rauche der Begierden gantz verbländeten Vortrag mit nicht mindern Unwillen / als Aergernüs an; daher sie ihm nicht ohne Hefftigkeit begegnete: Wenn GOtt unerbittlich; unser Unglücke gantz unablehnlich wäre; müste man nicht nur die Gelübde / sondern alle Gottesfurcht aus der Welt verbannen. Des Verhängnüsses Schlüsse hätten nichts minder ihre Beschrenckung /als die Handlungen der sterblichen Menschen; und es hielte GOtt mehrmahls die zum Schlagen schon gezückte Hand zurücke; weñ die Boßheiten sich durch Andacht für ihm demüthigten. Da aber auch der Ausschlag der Dinge bereit für unser Geburt von dem Verhängnüße unveränderlich besti t wäre; rührte doch auch unser Gebet und Gelübde von seinem Zwange her; als ein uñachbleiblicher Werckzeug / der den Ausschlag dieser Fürsehung verbesserte; uñ also denẽ Lasterhaften ein schli es / denen Fro en ein gutes Urthel zu wege brächte. Das Gelübde der Keuschheit könte auch nur denen unnatürlich vorkommen / welche wie das wilde Vieh ihren Begierden keinen Kapzaum der Vernunfft anzulegen wüsten; und gleichsam als gantz andere Geschöpffe von tugendhafften Gemüthern so weit / als unvernünfftige Thiere vom menschlichen Geschlechte entfernet wären. Denn zwischen GOtt und einer durch Gelübde ihm verlobten Seele geschehe eine genauere Vermählung / als durch irrdische Heyraths-schlüsse zwischen zwey Ehleuten. Daher hätte in der Andacht die Vertretung durch fremde so wenig / als im Eh-Bette statt; und würden nicht nur seine fünffhundert / sondern hundert tausend genöthigte Jungfrauen bey GOtt nichts minder für Wechsel-Bälge / als sie für eine Abtrünnige und Eydbrüchige gehalten / ihr Verbündnüs aber von keinem fremden Priester / sondern nur von der Gottheit / der sie sich verlobt hätte / auffgelöset werden. König Marbod setzte hierauf abermahls mit allen ersinnlichsten Liebkosungen / und halb-verzweiffelten Bezeugungen an Thußnelden; aber sie lehnte sie mit einer hertzhafften Großmüthigkeit ab; beschloß auch ihre Abmahnung mit diesen Worten: Ihre Seele würde sich ehe dem Gespenste / welches auch die hertzhafftesten nicht mit unverwendeten Augen ansehen könten / als dem Marbod sich vermählen; und in seiner Gewalt möchte es vielleicht wol bestehen / einmahl ihr todtes Gerippe / nimmermehr aber ihren beseelten Leib zu umarmen. Marbod wütete nun nicht mehr nur für Liebe / sondern er schäumte für Verzweiffelung und Grimm. Denn wie Liebe und Glücke ins gemein einen so starcken Trieb haben: daß sie alle Pfosten der Vernunfft aus ihren Angeln zu heben mächtig sind; also ist insonderheit die Liebe gekrönter Häupter sehr unleidlich / und die Zärtligkeit ihrer zu überwinden gewohnten Hertzen kan unschwer auffs empfindlichste verwundet werden. Daher er seinen Degen entblöste; die gantz ungewaffnete Thußnelda aber /welche alle ihre Pfeile und Wurffspieße verschossen /den Degen auch im Gestrittig verlohren hatte / einen tödtlichen Streich zu empfangen vermeinte / und daher auf allen Fall solchen mit dem leeren Bogen so viel möglich zu versetzen gedachte. Alleine Marbod fieng an um sie einen Kreiß zu scharren;[1276] aus welchem sie ohne Enderung ihrer harten Erklärung nicht ohne Spott zu ko en bedräuet ward. Er hatte diesen Kreiß aber noch nicht halb vollendet; als eine Natter unversehens empor sprang / und den König in die Hand stach: daß er darüber den Degen fallen ließ. Thußnelde / welche wol wuste: daß aus der Noth eine Tugend / und aus einem blossen Zufalle ein Bewehrung seiner Meinung / oder gar ein Wunderwerck zu machen die gröste Klugheit wäre; machte ihr diese Begebnüs also fort nütze / und fieng an: Siehestu wol / Marbod; daß die Götter das ihnen angethane Unrecht selbst rächen; wenn Menschen solches nicht thun wollen oder können. Weil aber Marbod hierüber nicht nur erstummete / sondern als wenn er von der Hand GOttes gerühret wäre / erstarrete; war Thußnelde um ihres Beleidigers Genesung bekümmert. Wie sie denn ein denen Nattern schier gleich gebildetes Kraut abropffte / solches mit einem Steine zerklitschte / und dem Marbod aufband; weil sie von der Artzney zwar keine eigentliche / iedoch so viel Wissenschafft hatte: daß die Natur unterschiedenen Kräutern eusserliche Merckmaale / worzu sie dienende Artzneyen sind / eingepreget / und deswegen das für die Schlangen-Bisse dienende Schlangen-Kraut /den Schlangen die dem Miltze heilsame Kapern gleich gebildet; und das dem brennenden Krebse abhelffende Erd-Beeren-Kraut mit einem absondern Feuer und Röthe bezeichnet habe. Marbod ließ diese Verbindung zwar geschehen / seine zitternden Glieder aber waren mit Schrecken / und sein Antlitz mit Schamröthe angefüllet; welche Farbe hier nicht die frohe Morgenröthe der aufgehenden / sondern die traurige Abendröthe der verfallenen Tugend-Sonne war; daher er auch sonder Abschied und Verlierung einigen Wortes sich zu Pferde setzte / und spornstreichs in das dickste Gepüsche verbarg; gleich als wenn er noch von tausend Nattern vefolgt würde. Denn die Furcht hat das gröste Leibzeichen unter allen Gemüthsregungen; sie ist zwar die glaubhaffteste / aber auch die schli ste Rathgeberin ihres Gemüthes / und die ärgste Verbländerin der Augen; Denn sie siehet / was gar nicht ist; sie machet aus nichts etwas / und aus einer Ameiße einen Krocodil. Der Fürstin Thußnelde hingegen war ein grosser Stein vom Hertzen geweltzet. Denn weil sie Marbods plötzliche Veränderung für eine Würckung des Aberglaubens hielt / nichts aber mehr / als dieser / die Gemüther der Menschen umkehren kan; glaubte sie: daß Marbods so lichten Loh brennende Liebe schon wieder zu Wasser wordẽ wäre. Weßwegẽ sie sich noch einmal aus dem frischen Quell erquickte / und sonder einiges Bedencken wieder zu der Cattischen Hertzogin zu kehren gedachte. Sie ritt einen kurtzen Weg durchs Gehöltze / als sie auf eine gedrückte Strasse gerieth / und bald darauf ein Geräusche gegen ihr ankommender Reuterey vernahm; welcher sie auszuweichen nicht für nöthig achtete / weit sie die Ankommenden für Marbods Jäger hielt. Sie ward aber kurtz darauf / iedoch so spat: daß sie nicht mehr ausweichen konte / der Römischen Tracht gewahr; mit welcher die meisten bekleidet waren. Nach dem sie iedoch auch Deutsche darunter erblickte / und in Marbods Gebiete sich von den Römern keiner Gewalt-That versah / ritte sie getrost auff sie zu. Sie war etwan drey Schritte von ihnen entfernet; als der im ersten Gliede zwischen zweyen Römern reitende Deutsche sie mit diesen harten Worten anfuhr: Finde ich dich in dieser Wüsteney / du Ungehorsame? Fasset alsofort die Boßhaffte: daß sie ihrem Vater nicht mehr entfliehen könne. Diese Worte waren Thußnelden kein so harter Donnerschlag / als das zornige Antlitz ihres ergrimmten Vaters; als aus welchem sie alsofort den Segesthes erkennte. Sintemahl dieser in Gesandtschafft des Kaysers Augustus nebst dem Cajus Silus /welcher in Ober-Deutschland[1277] über das Römische Kriegs-Volck gesetzt war / und dem Stertinius zum Könige Marbod reisete / diesen entweder wegen des auf ihn angezielten Krieges sicher zu machen; oder /weil Tiberius dem Kayser auffs beweglichste anlag die Cherusker vollkommen zu unterdrücken / sich der Marckmänner: daß sie jenen nicht zu Hülffe kämen /zu versichern. Weßwegen es auch Tiberius nunmehr dahin brachte: daß der dem Hertzog Herrmañ allzu geneigte Saturnin nach Rom beruffen / und Quintilius Varus an seine Stelle zum Landvogte gesetzt ward. Die zwar überaus bestürtzte Thußnelde war gleichwol so hurtig: daß / ehe sie iemand von den Reisigen anrühren konte / sie aus dem Sattel auf die Erde sprang; und für dem Segesthes auf die Knie fallende ihn auffs beweglichste anflehete. Er möchte sein väterliches Hertz gegen der nicht versteinern / welche kindliche Liebe und Gehorsam in ihrem Hertzen unversehrt behalten / auch niemahls was ihren Geschlechte verkleinerliches begangen hätte. Segesthes antwortete ihr mit nicht freundlicher Gebehrdung: Du solst / sichere dich / mir als Richter / nicht als Vater Rechenschafft thun. Aber welch Unglück führet dich in dieser Tracht hieher? Welchem Thußnelde versetzte: Sie hätte sich auf der vom Könige Marbod angestellten Jagt verritten. Segesthes stutzte; und hielt gleichwol so viel an sich: daß er in so vieler Personen Anwesenheit um ihre Begebnüße nicht fragte; sondern sie zu Pferde sitzen /und von den Reisigen beobachten hieß. Silius aber fieng an: Sie müsten aber gleichwol erfahren; weil Marbod dar zu seyn gesagt würde / wo er zu finden wäre. Thußnelde berichtete ihn: daß der König aller Vermuthung nach sich auch verritten / und dem Verlaß nach auf einem Lust-Hause; welches über eine Meile / ihrem Muthmassen nach / von dar nicht entfernet wäre / übernachten solte. Unter diesem Gespräche kamen sie an einen Quer-Weg; da sie denn ein grosses Gethöne von Jagt-Hörnern vernahmen; welches sich nach und nach näherte. Es kam auch alsofort ein Jäger voran gehauen / um wegen des darbey sich befindenden Marbods zu fragen; wer die Ankommenden wären. Diese schickten alsbald einen Edelmann mit dem Jäger zurück um dem Könige ihre ohne diß schon vorher vergewisserte Ankunfft an zu zeigen /und seine Anverweisung zu vernehmen. Dieser brachte alsofort zurücke: Sie möchten verziehen / der König wolte sie alldar empfangen / und mit sich auf ein nicht weit entferntes Lust-Hauß nehmen. Diß erfolgte / wiewol mit abermahls nicht geringer Gemüths-Veränderung Marbods; als er mitten in diesem Hauffen die allererst verlassene Thußnelde gleichsam als eine Gefangene führen sahe. Daher er sich unmöglich enthalten konte zu fragen: Wie seine schöne Jägerin unter sie verfallen wäre? Segesthes / weil er entweder darfür hielt: daß Marbod Thußnelden schon kennte / oder ihre Beschaffenheit bey so viel sie keñenden Römern unmöglich verholen blieben wäre /ja er sich auch sonst ihr nicht anmassen könte / antwortete: Er hätte mit Wiedererlangung dieser seiner Tochter ein seltzamer Wild / als vielleicht der König nicht gefangen; weil er sie für halb verlohren / oder auch gar für tod gehalten. Marbod wolte durch fernere Nachfrage nicht unzeitigen Vorwitz begehen / sondern saan den gantzen Weg nach: warum Thußnelde von ihrem Vater so lange abwesend gewest seyn / und dieser sie aller Anzeigung nach so unfreundlich halten müste? Nach dem er aber nichts beständiges ergrübeln konte / kamen sie in den Garten / worinnen Marbod Segesthen / den Silius und Stertinius mit ihren Leuten nach Würden bewirthete. Segesthes nahm Thußnelden selbst zu sich / verschloß sich alsbald mit ihr in dem innersten Zimmer / und befahl ihr mit entblöstem Degen: Sie solte alle Umstände und Ursachen ihrer Flucht bey Verlust ihres Lebens andeuten.[1278] Thußnelde fiel Segesthen abermahl zu Fuße; und fieng an: die Ursache wäre ihm allzuwol bewust; in dem es eben dieselbe wäre / weßwegen sie lieber ihr Leben aufopffern / als dem lasterhafften Tiberius ihre schon dem Fürsten Herrmann verlobte Seele wiedmen wolte. Ihre Zuflucht wäre ihre nechste Base die Cattische Hertzogin Erdmuth gewest; welche sie mit in warmen Brunnen / und vollends in diesen Garten bracht / auch zeither bey ihr die mütterliche Auffsicht vertreten hätte. Diese würde ihrer Wahrheit selbst mündliches Zeugnüs geben; weil sie in einem andern Lust-Hause eben dieses Gartens sich auffhielte. Segesthes antwortete ihr kein Wort; verschloß sie aber im innersten Gemache; weil er zu der Taffel abgefordert ward. Inzwischen verfügte sich Marbod nach kurtzer Bewillkommung der Gesandten geraden Weges zu der Cattischen Hertzogin um von ihr Thußneldens Heimligkeiten auszulocken. Denn so viel die Kälte des Erschrecknüßes bey ihm nach und nach laulichter ward; so sehr fieng die Liebe in ihm wieder an zu glimmen. Er beklagte sich alsbald: daß die Hertzogin Thußneldens Stand / als einer Tochter von so hohem Fürstlichen Hause / verschwiegen / und dardurch verursacht hätte ihr nicht die gehörige. Ehrerbietung zu erzeigen. Die Hertzogin Erdmuth antwortete: Marbods Höfligkeit hätte der Niedrigsten ihres Frauen-Zimmers so viel Ehre angethan: daß eine Fürstin darmit wol vergnügt seyn könte. Aber sie mochte wol vernehmen: wer Thußnelden zu einer Fürstin erkläret hätte? Marbod versetzte: Ob sie ihr denn mißgönnte: daß Thußnelde des Chaßuarischen Hertzogs Segesthes Tochter wäre? der Erdmuth schoß hierüber das Blat; gleichwol fragte sie: wer dem Könige deßhalben Versicherung gethan hätte? Marbod antwortete: daß Thußnelde Segesthens Tochter sey /habe ich aus seinem Munde; doch könte er nicht verschweigen: daß sie nichts minder seine Gefangene /als sein Kind sey. Was Segesthes? fieng Erdmuth an; wo ist der? und welch Unstern hat ihm seine tugendhaffte Tochter seiner strengen und unrechtmäßigen Gewalt eingehändigt? Marbod fieng an: Sie kan den Segesthes selbst hier im Garten finden und rechtfertigen. Aber wie mag sie die väterliche Gewalt ungerechter Strengigkeit beschuldigen? Erdmuth sahe sich so weit eingeflochten: daß sie nicht zurück konte; zu dem meinte sie durch diese Eröffnung der Freyheit Thußneldens vielleicht ein Thor aufzuthun; daher sie getrost heraus sagte: Weil die Ehe die allerverbindlichste Freundschafft / auch mehr eine Vereinbarung der Seelen / als der Leiber seyn solte; ja nichts ungeschickter zu seyn schiene / als nach eines andern Gemüthe und Neigungen lieben sollen / so kaum Herren erlaubet ihre leibeigenen Knechte dieser Freyheit zu entsetzen; wie viel weniger könte Segesthes entschuldigen: daß er seine Tochter wieder ihr vorher genehm gehabtes Gelübde den gramhafften Tiberius zu heyrathen zwingen wolte? Marbod stutzte abermahls über seinem so mächtigen Neben-Buhler; und / weil er durch das Gelübde Thußneldens eine gelobte Keuschheit angedeutet zu seyn vermeinte / wolte er der Hertzogin mit mehrern Ausforschungen nicht beschwerlich seyn; noch / weil er mit sich selbst noch nicht eines war / sich ferner heraus lassen / sondern gab seiner Tochter Adelmund mit / die Fürstin Erdmuth zu unterhalten. Er aber konte hierauf die gantze Nacht kein Auge zuthun. Denn eines Theils quälten ihn die seiner Liebe am Wege stehenden schier unüberwindlichen Schwerigkeiten; andern Theils aber kitzelte er sich mit der Hoffnung: daß er vielleicht Thußneldens Hertze gewinnen k \nte / weñ er sie dem Tiberius aus den Zähnen rückte. Gleichwol bedachte der schlaue Marbod wol: daß die Einbildung mit dem Verlangen sich ins gemein vermählte; und seinem Vermögen mehr Kräffte zueignete / als sie wesentlich wären;[1279] daher ihre Tochter die Hoffnung als eine grosse Verfälscherin der Wahrheit von der Keuschheit wol müste gemäßiget werden. Diese aber schien zu ihrer Ausübung Zeit zu bedürffen. Denn durch dieser ihre langsamen Umschweiffe ko t ein Vorsichtiger zu dem Mittel-Puncte einer erwünschten Gelegenheit; und auff dem langsamen Maul-Esel der Gedult weiter / als mit dem Renn-Thiere einer gähen Entschlüssung. Diesemnach er denn auff den Morgen die Gesandten bedeuten ließ: weil er nur auf eine zweytagichte Lust in diesen Garten kommen wäre; wolte er sie in seinem Königlichen Sitze hören; und noch selbigen Tag dahin aufbrechen; sie aber könten nach ihrer guten Gemächligkeit vor- oder nach reisen. Er verschaffte auch: daß auff ihren Befehl allerhand Vorgespan und Vorschub bey der Hand seyn / sie auch unter Weges wol unterhalten werden solten. Als die Cattische Herzogin den so schleunigen Aufbruch vernahm / verlangte sie beym Segesthes vorhero eine Unterredung. Dieser entschuldigte es auffs höflichste durch den Vorwand: Er wäre itzt nicht so wol als ein Hertzog der Chaßuarier / sondern als ein Gesandter des Kaysers dar; also müste er wegen der zwischen den Römern und Catten schwebender Mißhelligkeiten auch den Schatten aller verdächtigen Gemeinschafft von sich entfernen. Erdmuth verbieß diese schimpfliche Abweisung / und ersuchte ihn um der unter ihrem Schirm dahin gebrachten Fürstin Thußnelde Ausfolgung. Segesthes ließ ihr hönisch zu entbieten: Wie viel ihre angemaste Gewalt für der väterlichen einen Vorzug / und ob die Catten auch in dem Gebiete der Marckmänner zu befehlen hätten? Die um Thußnelden und den Hertzog Herrmann bekümmerte Hertzogin nahm zum Könige Marbod hiermit ihre Zuflucht; und weil er ihr und ihrer gantzen Gesellschafft nicht nur ein sicher Geleite ertheilet / sondern auch vollkommenen Schutz in seinen Ländern versprochen hätte; möchte er die vom Segesthes eigenmächtig geschehene Entwehrung Thußneldens durch dieser ihrer so werthen Base Befreyung wieder ergäntzen. Marbod hingegen schützte hierwieder für: Alles / was in der Gesandten Häuser käme / oder seine Zuflucht dahin nehme / wäre nichts minder / als sie selbst und ihre Gefärthen heilig und unversehrlich; also: daß auch die ärgsten Missethäter mit Gewalt aus solcher Verwahrung nicht gezogen werden könten; in dem ieder Gesandte seines Fürsten Antlitz / sein Hauß seines Königs Hof fürbildete; und durch die einmahl beliebte Annehmung der Botschaft ausser dem Gerichts-zwange desselben Fürsten / zu dem die Gesandtschafft käme / gleichsam durch eine still schweigende Handlung Vermöge des Völcker-Rechts gezogen würde. Ja wenn er auch kein Gesandter wäre / könte mit Fug kein Mensch ihm seine eigene Tochter entwehren; als über welcher Leben und Todt nichts minder die Deutschen / als die Perser und Römer unverschrenckte Gewalt / und in ihren Häusern das peinliche Recht zu hegen Macht hätten. Insonderheit aber wären die Väter bey denen Ebreern und andern Völckern der Kinder Gelübde zu zernichten befugt. Hingegen hätte die Fürstin Erdmuth zu seiner flüchtigen Tochter keinen rechtmäßigen Anspruch; sondern sie zielte nur sie demselben in die Hände zu spielen; welchen er zu seinem Eydame nimmermehr belieben; sondern ihr vielmehr die Kehle selbsthändig abschneiden würde. Die Cattische Herzogin führte hierwieder zwar aus: daß Thußnelde weder eine Gefärthin der Gesandtschafft wäre / noch sich dahin geflüchtet hätte; wiewol auch derselben Häuser sonder ausdrücklicher Abrede keine Freystädte den Flüchtigen abgeben könten. Segestes hätte durch Gewalt-That Thußneldens sich bemächtigt; daher könte sie auch mit Gewalt ihm genommen werden. Denn der sonst unversehrlichen Gesandten Thätligkeit könte man durch Beschütz- und[1280] Abnehmung des Raubes gar wol begegnen / ja sie gestalten Sachen und anderer Völcker Beyspiele nach gar tödten. Segesthens angeführtes absondere Vater-Recht gienge eine eintzele Person an / und käme wieder das allgemeine Recht der Fürsten und Völcker in kein Ansehen. Wiewol jenes auch wieder Thußnelden / die bereit zu ihrem Verstande / und fürlängst ausser seinem Hause und Brodte kommen wäre / so genau nicht ausgeübet / noch ihr einiger Heyraths-Zwang aufgedrungen werden könte / sonderlich / weil Thußnelde niemanden in Segesthens Hauß eindringe / dieser auch ihr Gelübde gebilliget; Marbod aber noch für Annehmung der Römischen Botschafft ihr und darunter Thußnelden Schirm und Sicherheit versprochen hätte. Beydes hörte König Marbod zwar ausführlich an; aber bey der über Thußneldens Zustande erwachsenden Berathschlagung hatte er seine eigene Vergnügung zum vornehmsten Absehen. Weil nun Segesthes sich bereit so weit heraus gelassen hatte: daß Thußnelde sich einem ihm unbeliebigen Eydame zu vermählen vorhätte / hielt er das von der Hertzogin Erdmuth angegebene Gelübde der Keuschheit nichts minder / als die schon verrathene Standes-Niedrigkeit für einen blauen Dunst; führte derohalben den Fürsten Segesthes in einen annehmlichen Spatziergang; hielt ihm ein die Wichtigkeit der von der Cattischen Hertzogin angezogener Gründe; und wie er Vermöge seines ihr ertheilten sichern Geleites auf allen Fall sie in den ersten Stand zu setzen gezwungen werden würde. Weil er aber ihm / als einem so grossen Fürsten nicht gerne weh thun / noch der Römischen Gesandschafft bey vorhabender neuen Bündnüs einigen Argwohn seiner Abneigung verursachen wolte; traute er es bey der Hertzogin zu vermitteln / hielt es auch der Billigkeit zu seyn: daß Thußnelde seiner Verwahrung biß zu Ausmachung des Haupt-Streites überlassen würde. Er gebe ihm hiermit sein Königliches Wort: daß er Thußnelden keinem / welchen Segesthes zum Eydame verschmehte / ausfolgen lassen wolte. Segesthes / nach dem er etliche mahl im Garten nachsinnende auf- und abgegangen war / erklärte sich Marbods Vorschlag anzunehmen; und als er durch seine Tochter Adelgund eben diß der Cattischen Hertzogin vortragen ließ; erhielt sie gleicher Gestalt ihre Genehmhabung; weil sie Thußnelden nirgends /als in der Gewalt ihres Vaters unsicherer zu seyn schätzte. Marbod ward über dieser fast unvermutheten Einwilligung höchst vergnügt; nahm also die hierzu nicht unwillige Thußnelde in seine Gewehr / und in seiner Begleitung auff ein an dem Fluße Caßurgis bey Marbods-Stadt auf einem steilen Felsen liegendes Schloß; welchem nicht nur die Römische Gesandschafft / sondern auch die Cattische Hertzogin folgte. Segesthes trug bey der Verhör im Nahmen des Kaysers dem Könige ein Bündnüs zu Beschirmung ihrer Länder wieder alle künfftige Feinde an; und fieng darbey an: daß Marbod kein grösser Merckmaal seiner zu den Römern tragender Neigung an Tag geben könte; als wenn er ihm als ein einem Römischen Bunds-Genossen seine Tochter / und hierdurch zugleich dem Tiberius seine Braut ausfolgen liesse. Marbod verordnete etliche seiner Räthe mit der Botschafft hierüber ausführlich zu handeln. Inzwischen reitzte er nichts desto weniger die Pannonier und Dalmatier mit Versicherung seiner Hülffe zum Aufstande wieder die Römer an. Die Fürstin Thußnelde ließ er inzwischen auffs herrlichste in der Gesellschafft seiner Tochter Adelgund bedienen; und gegen Segesthen bezeigte er eine absondere Gewogenheit. Nach dem er ihm eine feste Einbildung seiner Freundschafft nach und nach eingepregt hatte; nahm Marbod Segesthen einsmahls nach der Abend-Mahlzeit / als er ihn in gar guter Laune[1281] und von dem Weine so viel freyern Gemüthes zu seyn vermeinte / bey der Hand / führte ihn an ein Fenster des Schlosses / daraus man bey nahe das halbe Königreich der vertriebenen Bojen übersehen konte. Hierauff lobete er Segesthens hohe Ankunfft / seine unvergeltbare Freundschafft / die er den Römern geleistet hätte; und daß er ihm für sie ein neues Bündnüs zu wege zu bringen so sehr angelegen seyn liesse. Alleine ihn bedünckten schon seine Wolthaten grösser zu seyn / als sie ihm vom Kayser vergolten werden könten. Wenn man aber diese so hoch brächte / würden sie ins gemein mit Haß belohnet /oder gar als Laster verdammet. Diese schädliche Würckung wäre den Römern nichts seltzames / als welche mehrmahls ihre eigene Erhalter ins Elend gejagt / oder gar von Felsen gestürtzt hätten. Oder /wenn sie es am besten meinten / zahlten sie ihre grösten Gläubiger mit einem Eich- oder Lorber-Zweige; mit einem gemahlten Rocke / oder einem beinernen Stabe. Denn in ihren Schatz-Cammern wäre diß ihr gröstes Haupt-Gut: daß sie einer Hand voll Rauch einen unschätzbaren Werth zueigneten. Fürnehmlich aber schienen sie es mit dem Segesthes derogestalt zu spielen; welchem sie die deutsche Feld-Herrschafft mit so grossen Betheuerungen versprochen / mit so leichtem Undanck hinterhalten; ja den ihm so abholden Herrmann zeither gleichsam auff den Händen getragen / und dem Segesthes zum Gegen-Gewichte gemacht hätten. Er hingegen könte den Quadischen König Vannius zu einem Beyspiel seines danckbaren Gemüthes der gantzen Welt fürstellen. Sie wären beyde Deutschen; diesen aber möchte man mehr Gutes zutrauen / wenn man mit ihnen kriegte / als den Römern / wenn man schon ihr Bunds-Genosse wäre. Weil der Römer Freundschafft nun so verdächtig /ihre Treue so ungewiß / und ihr Absehn so veränderlich wäre; stünde er billich an sich durch Bündnüße mit dem Kayser / sonderlich aber mit dem gefährlichen Tiberius zu vertieffen; er würde auch bereit den Silius und Stertinius gar schlecht abgefertigt haben; weñ er nicht Segesthen / als einem deutschen Fürsten / bessere Begegnung / als den Römern / die vorhin ihr feindselig Gemüthe gegen die Marckmänner hätten blicken lassen / schuldig wäre. Diesemnach wäre er zwar geneigt mit den Römern in Ruhe / nicht aber ihnen durch Bindnüs verbunden zu leben; welches letztere er mit dem Segesthes und seinen deutschen Bunds-Genossen auffs festeste zu schlüssen erböthig wäre; ihn versichernde / daß er sein Haupt nicht sanffte legen wolte / biß Segesthes in dem übrigen Deutschlande zum Feldherrn erkoren; und dardurch ihr Vaterland in Eintracht / und ausser der Ausländer Gefahr / sein Fürstliches Hauß aber in den alten Glantz versetzet seyn würde. Segesthes solte hierbey vernünfftig unterscheiden: daß man von guten Worten sich nicht sättige; denn sie bestünden in einem blossen Athem; und von Höfligkeit nicht lebte; denn sie wäre ein zierlicher Betrug. Mit dem scheinbarsten Lichte bländete man das Geflügel / welches man berücken wolte. Daher wäre es zwar böse einem nicht gute Worte geben; wenn schon die Wercke nicht böse wären; aber es wäre viel ärger: daß gegen ihn die Römer keine böse Worte ausliessen; ihm aber auch nichts gutes thäten. Das beste hingegen wären rechtschaffene Wercke / wenn man nicht viel Werckes oder Großsprechens davon machte. Dieses letztere versicherte er ihn auf Deutschen Treu und Glauben; und hiermit tranck er Segesthen eine Kristallen-Schale mit Weine zu; diese Betheuerung beysetzende: daß er in diesem Glase ihm sein halbes Hertze und seine vollkommene Freundschafft überliefferte. Segesthes / dem diese Gemüths-Ausschüttung dienliches Wasser auff seine Mühle war / hörte den König mit grosser Vergnügung / und nahm sie an mit aller Ehrerbietung; ja mit einer erfreuten[1282] Umarmung. Er bekennte: daß die Römer ihn zeither freylich mit Winde gespeiset und mit leeren Vertröstungen geäffet hätten. Ja seine durch den Wein so viel mehr begeisterte Treuhertzigkeit ließ sich deutlich heraus: daß er den Römern selbst eine geraume Zeit nicht allerdings getraut hätte; und kein grösseres Glücke ihm zuwachsen könte; als wenn er sich auf die Achsel eines so mächtigen deutschen Fürsten lehnen / also den gefährlichen Rohrstab ausländischer Macht nicht mehr zu seiner Stütze wieder die ihm gehäßigen Cherusker / als derer Hertzoge er seine wiederspenstige Tochter Thußnelde ein für alle mahl nicht vermählen könte / brauchen dörffte. Er hätte diese dem Tiberius wol verlobet; aber nicht nur Thußnelde hassete ihn ärger / als Spinnen; und der Kayser selbst bezeigte über des Tiberius Fürhaben nicht schlechten Unwillen. Hiermit wäre auch alles diß / was man ihm zu Rom versprochen / stecken blieben. Gleichwol aber wäre die Macht der Römer so groß: daß man ihre Feindschafft zu verhüten alles eusserste thun müste. Diesemnach er zwar dem Könige Marbod hiermit die Hand reichte alles das / was er verlangte / einzugehen. Nach dem aber Boßheit und Klugheit die zwey Bots-Leute der gantzen Welt wären / erinnerte sie diese jener Fallstricken behutsam fürzubeugen. Insonderheit hätten sie nöthig auch ihre Gedancken in ihrem Hertzen so enge zu verschlüssen: daß zu sagen kein Schweiß-Loch offen bliebe / wordurch sie eusserlich herfür dringen könten. Augen und Gebehrden wären Verräther der Seele; Silius und Stertinius aber verschlagene Auskundschaffter der Gedancken. Daher müsten sie am wenigsten mercken lassen / was sie am sehnlichsten verlangten. Und es möchten die Sitten-Lehrer die Heucheley für ein Laster schelten / wie sie wolten; so wäre sie doch der Staats-Klugheit eine grosse Tugend; und dieselbte Lufft / wormit die Fürstliche Gewalt sich nicht anders / als ein Kameleon nährete. Hierbey liessen sie es beyde dißmahl beruhen; nur: daß sie noch unterschiedene Schalen einander zutrancken / und dardurch ihre Verträuligkeit bestärckten. Marbod ward insonderheit hoch vergnüget: daß er Segesthen nicht nur / wen Thußnelda zu heyrathen verlangte / heraus gelocket; sondern auch über sein Hertz einen ziemlichen Vortheil erlangt hatte. Folgenden Morgen aber / als Marbod bey Segesthen im Zimmer war / sagte man dem Könige an: daß in der Elbe ein Stier ungewöhnlicher Grösse gefangen / und selbter des Nachts in einem Netze auff dem Flusse Cassurgis biß an die steinerne Brücke geflöst worden wäre. Diese Seltzamkeit gab ihm Anlaß nicht allein Segesthen / den Silius und Stertinius dahin zu leiten; sondern er ließ auch seine Tochter Adelgund die Fürstin Erdmuth und Thußnelden dahin führen. Der aus dem Wasser gezogene Fisch übertraff an Grösse aller Einbildung; denn er war neun Ellen lang. Marbod befahl hierauf dieses neue Wunder auffzuhauen; bey dessen Erfolg denn ein güldener Arm-Ring in dem Bauche des Stiers gefunden ward. Jedermann ward hierüber sorgfältiger als die Einwohner auf dem Eylande Chios / nach dem die Fischer einen güldenen vom Vulcan gemachten Dreyfuß aus dem Meere zohen. Marbod alleine stellte sich anfangs bekümmert / und vermeldete: Nach dem er der Fürstin Thußnelde des Polycrates Ring verehret /schiene das Glück durch Erstattung eines andern eben so gefährlich / als mit dem Polycrates zu spielen; welchem der König in Egypten bey der auf gleichmäßige Art geschehenden Wieder-Erlangung seines in die See geworffenen Ringes den Untergang allzuwahr gewahrsagt hätte. Segesthes hingegen nahm den Ring in die Hand / und nach dem er selbten auffs genaueste betrachtet hatte; fand er auf dem eingefasten grossen Rubine das Bojische Wapen / nehmlich einen aufgelehnten Löwen / und[1283] des ersten Bojischen Königs Siegfests Nahmen; um den Ring inwendig ins Gold aber folgende Worte in der Gallier Sprache eingegraben: Wenn die Elbe dieses von dem sterbenden Siegfest ihr gewiedmetes Opffer dem ersten Könige der Marckmänner wieder geben wird; beschencket ihn die Emß mit einer zweyfach-verlobten Braut; das Verhängnüs aber mit einer glückseligen Mutter / mehr als hundert tapferer Reichsfolger. Jederman hörte mit grosser Verwunderung Segesthens aus dem Ringe gelesene Worte; Marbod selbst stellte sich als ungläubig an; biß er solche gleichfalls gelesen; und ward dieser Ring allen Grossen / ja auch der Fürstin Erdmuth und Thußnelde gegeben diese wunderwürdige Wahrsagung anzuschauen; welche die einige war / die diese für einen künstlichen Betrug des Marbods hielt; und als die unzehlbare Menge der zugelauffenen Marckmänner hierüber jauchzete / auch zu Freuden-Feuern und andern Lustbezeigungen allerhand Anstalt machten / in grosse Schwermuth verfiel; weil sie sich nun auffs neue eines gefährlichen Liebes-Sturmes besorgte. Marbod und seine grossen Gäste kamen hierauf wieder auffs Schloß; uñ wormit er dieses Ringes ebentheuerliche Wahrsagung so viel mehr bestärckte / ließ er aus seinem Schatze einen andern Ring herbey bringen; welchen der letzte Bojische König ebenfalls aus einem in dem Flusse Caßurgis gefangenem Fische geschnitten hatte. Derselbe Ring hatte eben so wol König Siegfests Wapen / Nahmen und diese Worte in sich: Als die Bojen hier festen Fuß setzten; empfieng der Fluß dieses Geschencke; giebt es auch nicht ehe als bey ihrer vorstehenden Entfernung wieder. Die Anwesenden wurden hierüber noch mehr verwundernd; weil dieses letzten Ringes Wahrheit allbereit durch die Austreibung der Bojen bestetigt ward. Silius fürnehmlich konte beyde Ringe nicht genungsam betrachten; und vermeldete: daß er nunmehr der Lycier Gewonheit von den Fischen künfftige Dinge zu erforschen nicht unbilligen könte; und in seiner Meynung so viel mehr bestärcket würde: Es hätten die von der Eitelkeit gereinigten Gemüther der Menschen eine Krafft noch weit entfernete Zufälle vorher zu sehen. Ja er hielte den zu Capua etliche Monat für des Kaysers Julius Ermordung gefundenen Grabestein des Capys; darauff sein Tod bey Ausgrabung seiner Gebeine bestimmet war / nicht für eine Erfindung des Brutus oder Caßius. Hierauff ward der Tag mit einem prächtigen Mahle und allen ersinnlichen Luftbezeigungen hingebracht; ja folgende Nacht sahe man viel Meilen im Umkreiße die Berge mit spielenden Lust-Flammen gekrönet. Der Tag war kaum angebrochen / als die anwesenden Reichs-Stände den König Marbod durch zwölff Gesandten um Beschleunigung der vom Verhängnüße gleichsam anbefohlenen Heyrath anfleheten. Worauf er sich deñ zum Segesthes verfügte / ihn des gefundenen Ringes erinnerte / ihm auch vorstellte: wie dessen Wahrsagung augenscheinlich auf seine und seiner an der Emß gebohrnen Tochter Heyrath zielte. Wormit auch kein Mensch an dieser Auslegung zweiffelte: hätte das gütige Verhängnüs es so wunderlich geschickt: daß Segesthes selbst zum ersten diesen Göttlichen Befehl zu Gesichte bekommen / und ihm andeuten müssen. Beyder Hertze hätte ihnen schon bey der vorgestrigen Verträuligkeit gesagt; und ihre Gemüther durch einen geheimen Magnetzug dahin geleitet; wohin sie das Verhängnüs nunmehr mit dem Finger wiese. Weil nun kein kräfftiger Siegel ihrer Freundschafft / als die Vermählung seiner Tochter seyn könte; Gott auch[1284] solche zu einem Grund-Steine des Glückes für sein Königreich / und zu einer Wurtzel seines Königlichen Stammes bestimmt hätte / versehe er sich: daß Segesthes ihm mit geneigter Hand das Kleinod überreichen würde; Welches der Himmel schon zu seinem Eigenthume außersehen hätte. Segesthes gab seine Willfährigkeit ehe mit seinen Augen / als mit der Zunge dem Marbod zu verstehen. Denn sein Ehrgeitz / welcher ihm / als einem Anherrn so viel Marckmännische Könige als Enckel fürbildete; und der bey ihm eingewurtzelte Aberglauben wegen des Ringes hatte sein Gemüthe so verfinstert: daß er kaum an Hertzog Herrmanns zu Thußnelden habendes Recht / noch an sein dem Tiberius gethanes Versprechen / am wenigsten aber an die von beyden bevorstehende Gefahr gedachte. Diesemnach er denn dem Könige also fort Thußnelden sonder einige Bedingung versprach; und auf Marbods Gutbefinden seiner Tochter Einwilligung / jener aber durch den Silius vom Kayser / oder vielmehr dem Tiberius die Begebung seines Anspruchs an Thußnelden zu wege zu bringen übernahm. Segesthes gieng also in das Zimmer Thußneldens / berührte anfangs überhin diß / was mit ihr wegen Ehlichung des Tiberius für gegangen wäre. Hernach fuhr er fort: Es entschuldigte das Verhängnüs selbst ihre Wiederspenstigkeit; in dem diß gestern ihn und sie an den König Marbod verwiesen; welcher mit samt seinen Reichs-Ständen diesen Morgen schon um ihre Heyrath geworben hätten. Das Glücke mit einem so mächtigen Könige vermählet /und eine Beherrscherin so vieler Völcker zu seyn /überstiege schier seinen Wunsch / und vermuthlich ihre selbsteigene Hoffnung; also zweiffelte er nicht: daß sie mit beyden Händen annehmen würde / was zehn ihres gleichen zu vergnügen genung wäre. Nicht so wol er / als der Himmel wäre der vermählende Vater; und die Göttliche Versehung führte sie zum Könige Marbod ins Braut-Bette. Dem Verhängnüße wiederstreben wäre vergebene Arbeit; weil es den mit den Haaren nachzüge / welcher ihm nicht freywillig folgte; und daher in seine anleitende Fußstapffen zu treten / die höchste Klugheit. Thußnelde fiel Segesthen mit thränenden Augen zu Fuße; danckte ihm für seine wolgemeinte Vorsorge; und daß er die dem Verhängnüsse selbst wiedrige Heyrath des Tiberius nunmehr erkennte / auch ihre Entschuldigung mehr für kein Laster hielte. Aber auch Marbods könte GOtt nicht gefällig seyn: weil dardurch die nichts minder vom Segesthes als ihr dem Hertzog Herrmann so betheuerlich gelobte Ehe zerrissen werden wolte. Der aus dem Fische geschnittene Ring wäre ein Betrug des Marbods / und kein Wunder-Zeichen des Verhängnüßes; mit dessen Lichte die Finsternüs seines boßhafften Gemüthes erleuchten wollen / ärger wäre / als die Boßheit selbst. Denn es wunderte sie nur / wie niemand aus so viel klugen Leuten die Falschheit der Gallischen Schrifft / wie sie / wahrgenommen hätte; nach dem die Bojen zu Zeiten König Siegfests nicht die itzige Sprache der Gallier; sondern der Celten; auch nicht glatte / wie im Ringe / sondern gebrochene Buchstaben gebraucht hätten. Daher flehete sie ihn wegen des heiligen Verhängnüßes / welches den ihr Gewalt zu thun vorhabenden Marbod schon durch einen Natterbieß abgewiesen hätte / demüthigst an: er möchte sie dieser einmahl zu belieben unmöglichen Heyrath überheben. Segesthes veränderte hierüber unterschiedene mahl Farbe und Gebehrden; begegnete ihr daher mit ziemlicher Hefftigkeit: Sie solte ihr den thummen Wahn mit der unvernünfftigen Liebe des Herrmanns nur als einen eitelen Traum aus den Augen streichen; und in Auslegung des Wunder-Ringes sich nicht klüger / als so viel scharffsichtige[1285] Leute zu seyn; oder: daß das Verhängnüs nicht solche Wunderdeutungen in eine mehr leßbare Schreib-Art den Menschen zum besten verwandeln könte / bedüncken lassen. Allzu genaue Scharffsichtigkeit in überirrdischen Dingen würde zur Blindheit / und Unglaube zum Fall-Brete. Denn weil das Verhängnüs allezeit seine verborgene / das Glücke seine absondere Ursache hätte / müste man sich nicht zu sehr auff das Absehen der Vernunfft / und die Klugheit scheinbarer Rathschläge stämmen. Das Verhängnüs wäre die weiseste Richtschnur; und das Glücke die vorsichtigste Wegweiserin unsers Thuns; die wo man weder vor / noch hinter sich gewüst / durch Felß und Wellen eine Ausflucht eröffnete. Dahingegen unsere Anschläge querwegs lieffen / und die gewissesten Dinge krebsgängig würden; weil jene die Vermessenheit menschlicher Rathschläge auffs grausamste zu straffen ihr für Ehre / und das Verhängnüs der wachsamsten Sorgfalt überlegen zu seyn für ihre Eigenschafft hielte. Diese Strengigkeit solte Thußnelde / da sie ihr Glück und die väterliche Gewogenheit nicht mit Füssen von sich stossen wolte / wol erwegen; und an dem Könige Marbod behertzigen: daß in der Welt niemand so elende wäre / der nicht am Himmel seinen Glücks-Stern stehen hätte: am Herrmann aber: daß die Thorheit selbten offt verkennte; oder die Hartnäckigkeit mehrmahls das regnende Sieben-Gestirne mit der heiteren Venus verwechselte; oder gar einen Irrwisch für einen Leit-Stern erkiesete. Weil nun einen blinden auff seinem Irrwege zu lassen eben so unverantwortlich als eigene Thorheit wäre; müste er / als Vater /end- und ernstlich befehlen ihr Gemüthe zum Gehorsam; und ihr Vorhaben zu der nur wenig Tage auffschieblichen Hochzeit zubereiten. Die biß in die innerste Seele bestürtzte und halb-verzweiffelte Thußnelde antwortete Segesthen nun nicht mehr mit voriger Demuth; weil das Gewölcke ihrer Bestürtzung das Licht ihrer Vernunfft mercklich vertunckelte: Ich bin schon bereitet zu sterben; meine Lebens-Zeit aber ist mir viel zu enge: daß ich mich einen Königs-Mörder zu ehlichen geschickt machen könte. Ich wil sterben; ehe ich eine Eydbrüchige gegen den tugendhafftesten Hertzog der Cherusker; und eine Magd eines Wütterichs seyn wil. Ich wil sterben / und mit meinen von aller andern Schuld reinen Händen nur wieder mich Grausamkeit üben lassen / wormit ich sie zu keinem Werckzeuge der Untreue brauchen dörffe. Seiner Freyheit sich enteussern ist viehisch; sie ihm aber nehmen lassen / knechtisch. Wer sich des Lebens halber zum Sclaven machen läst; versteht nicht: daß die Dienstbarkeit ein todtes Wimmern / kein Leben sey. Wer nicht für Ruhm schätzt sein Leben zu verschwenden um die Tugend nicht einzubüssen; hat weder Ehre noch Leben in sich. Daher werde ich ehe aufhören Segesthens Tochter / als Hertzog Herrmanns Braut und Liebste zu seyn. Mich vergnüget schon: daß es rühmlicher ist eines solchen Heldens Gemahlin zu werden würdig / als es würcklich seyn; ja / daß es besser ist durch den Tod seine Braut zu seyn aufhören; als durch Ehlichung eines andern sich unwürdig machen im Leben seine Braut zu seyn. Segesthes ward über diesen letzten Worten so erbittert: daß er den Degen zückte / und Thußneldens Vater zu seyn vergessen hätte; wenn nicht die aus dem Neben-Gemache hervortretende Fürstin Erdmuth ihm in die Armen gefallen / und durch ihre Leitseligkeit diese trübe Wolcke zertrieben hätte. Gleichwol rieß er sich voller Zorn aus dem Zimmer; und erwartete mit Ungedult Marbods in dem Seinigen; welcher endlich kam und erzehlte: daß Silius an des Kaysers Genehmhabung der zwischen ihm und Thußnelden angezielten Eh nicht zweiffelte; weil er bald anfangs des Tiberius Heyraths-Werbung zu wieder gewest wäre; und die Staats-Klugheit für rathsamer hielte mit seinem Unvergnügen[1286] ein vortheilhafftig Bindnüs erlangen; als mit seiner Ergetzligkeit ihm einen mächtigen Feind erwecken. Heyrathen wären Vermählungen der Bürger / Bündnüße aber der Fürsten. Stertinius hingegen / als ein Schoß-Kind des Tiberius / hätte hierüber viel Schwerigkeiten erreget / und dieses Werck sehr weit geworffen. Nichts desto weniger hätte er ihm rund ausgesaget: daß / weil Thußnelde dem Tiberius niemahls ihr Wort gegeben / hätte er kein Recht / weniger aber ein solches zu ihr / wie der Vater und das Verhängnüs; ja seine eigene Königliche Macht und der würckliche Besitz Thußneldens ihm zueignete. Also müste er geschehen lassen / was Tiberius für Empfindligkeit zu Rom hierüber schöpffen möchte; wie hingegen dieser ihm nicht wehren könte; was er in seinem Gebiete für gut befindete. Jedoch wolte er nicht gerne mit den Römern zerfallen; weil doch die Freundschafft zwischen denselben am beständigsten wäre / die ihre Kräfften noch nie gegen einander versucht hätten. Segesthes hingegen erschreckte den Marbod überaus; als er ihm Thußneldens beharrliche Wiedersetzligkeit / und den Vorsatz ehe zu sterben /als den Hertzog Herrmann zu lassen eröffnete; und zugleich einrieth selbter durch enge Bestrickung sich so viel mehr zu versichern / und durch Schärfe andere Gedancken in Kopff zu bringen. Sintemahl doch der Zwang das beste Versicherungs-Mittel wäre; und ein zweiffelhaffter Zweck ehe durch eusserste Entschlüssung / als mitlere Rathschläge erreichet würde. König Marbod aber / welcher behertzigte: daß allzu grosse Schärffe nur eine Gebährerin der Verzweiffelung /und eine Stieff-Mutter der Liebe sey / wolte sich so bald hierzu nicht entschlüssen / sondern setzte Segesthens Meynung entgegen: daß ihre Wiedersetzligkeit zwar dem Hertzog Herrmann und seinen Verleitungen / Thußnelden aber selbst eben so wenig beyzumässen sey / als der Salbey die Tödligkeit / welcher heilsame Blätter die Kröte vergifftet hat. Und weil der Eigenschafft der Liebe nichts mehr / als die Würckungen des Hasses / nehmlich Gewalt und Grausamkeit zu wieder; die unzerbrechlichen Felsen / welche Hammer und Feuer nicht nachgeben / vom linden Regen ausgewaschen / und durch ein hanfenes Seil abgenützt werden; traute er ihm durch gelinde Mittel mehr / als durch Hefftigkeit auszurichten. Denn das weibliche Geschlechte wäre nicht nur so schön; sondern entzündete auch das männliche wie das Feuer; ja es vermöchte Länder und Städte einzuäschern; Daher müste man auch mit selbtem so behutsam / als mit der Flamme umgehen. Es hätte nichts minder Rauch als Licht; dieses leuchtete denen Behutsamen / jener aber schlüge denen Unvorsichtigen in die Augen / und preste ihnen Thränen aus. Jenen wäre Glut und Liebe eine lebhaffte Wärmde / diesen eine tödtende Einäscherung. Massen denn auch König Marbod die Anstalt machte: daß folgenden Tag fünff und zwantzig Ritter im Namen der Marckmänner und anderer zwischen der Elbe und Weichsel ihm gehorchender Völcker Thußnelden eine Königliche Krone und vier und zwantzig Fürsten-Hüte zu ihren Füssen legten / sie anflehende: daß sie ihre Frau und Beherrscherin zu werden solche nicht verschmähen möchte. Thußnelde hörte diese Gesandschafft zwar mit bestürtztem Gemüthe / und sahe diese Geschencke mit einem verächtlichen Auge an; beantwortete sie aber mit einem freundlichen Munde: Sie wäre nicht aus der Lehre derselben gramhafften Weltweisen; welche Kron und Zepter als ein verdammliches Ding von sich stiessen /und in einem geflickten Bettlers-Mantel oder Wein-Fasse ihre Ehrsüchtige Demuth versteckten; sondern sie schätzte die Ehre so vielen Völckern fürzustehen für eine danckwürdige Gabe des Verhängnüßes / ja für eine halbe Vergötterung; weil Fürsten gleichsam ein Mittel-Ding zwischen GOtt und den[1287] Menschen wären / und mehr / als viel tausend Niedrige Gutes stifften könten. Aber die Ruhe des Gewissens wäre ein so köstlicher Schatz: daß alles Kronen-Gold der Welt gegen ihr Bley / und alle Edel-Gesteine für Bohnen zu halten wären. Jenen Schatz aber müste sie wegstossen / wenn sie diesen aufhiebe; Da doch jener Verlust auch dem Feinde nicht zu gönnen wäre; diesen aber viel verschmehet hätten / die ihn gleich mit Rechte zu besitzen vermocht. Sie wüste wol: daß einige das Unrecht für ein der Herrschafft nicht unanständiges Ding und so gar Meineyd für zuläßlich hielten. Alleine diß hiesse GOtt spotten / die Gerechtigkeit zur Eule machen; und den Diebstahl eines Stockes verdammen; eines Königs-Stabes aber billichen. Daher solten sie ihr verzeihen: daß sie ihnen und diesem Gepränge den Rücken kehren müste. Denn sie wäre entschlossen ihr Antlitz ehe dem Tode / als dem Könige Marbod und seiner Krone zu zuwenden. Mit welchen Worten sie auch sich in ihr innerstes Zimmer zurück zoh. Kurtz darauff kam die Fürstin Adelgund und setzte Thußnelden mit allen ersinnlichsten Liebkosungen zu: daß sie die Mutter-Stelle so wol über sie / als so viel sie anbetende Länder zu führen sich erbitten lassen möchte. Thußnelde hingegen verzuckerte ihr Nein einer wunderwürdigen Anmuth: und schloß: Sie könte auff diese Art ihre Mutter nicht seyn; sonder vorher ihre Selbst-Mörderin zu werden. Sintemahl die / welche der Tugend sich enteusserten /nicht lebendig / sondern nur umgehende Leichen wären; und Hertzog Hermann / in dem sie mehr / als in ihr selbst lebte / nicht würde können ihre Untreue vernehmen und unentseelet bleiben. Seiner Tochter Adelgund folgte König Marbod auf dem Fusse / und drückte seine Liebe mit so grossen Versprechungen aus: daß aller anderen Frauen-Zimmer Hertzen / ausser Thußneldens / hierdurch hätten können bewegt werden; welche aber ihm mit der höchsten Bescheidenheit das unauflößliche Band zwischen ihr und dem Cheruskischen Hertzoge / und die Ermessung seiner besorglichen Empfindligkeit aus Marbods eigener Liebes-Hefftigkeit einhielt; und nach dem sie wahrnahm: daß Marbods großmüthiges Hertze ehe mit vernünfftigen / als eussersten Entschlüssungen zu lencken wäre; heuchelte sie ihm mit diesem Schlusse /über welchen er ihr nichts ferners zumuthen solte: Wenn sie nicht den Fürsten Herrmann liebte / wolte sie keinen andern als Marboden heyrathen. Als nun aber etliche Tage nach einander diese und viel andere Zusetzungen von ihr nicht anders / als die Wellen von einem unbeweglichen Felsen zurück prellten; machte sich der ergrimmte Segesthes mit dem letzten Sturm an sie; und nach dem er in hundert beschwornen Dräuungen ihr Laub und Graß versagt hatte; schloß er: Du hast nunmehr die Wahl / entweder in einem Königlichen Bette zu schlaffen / oder im stinckenden Kercker zu verfaulen. Thußnelden flossen anfangs die Thränen als eine Bach aus den Augen; gleich als wenn die / welche der Uhrsprung ihrer Liebe gewest /nunmehr ein Spring-Brunn ihrer Schmertzen seyn solten. Hernach aber versiegen sie auff einmahl; entweder weil ihr Hertzeleid schon alles Wasser in ihr erschöpfft hatte / oder der trockene Schmertz hefftiger als der nasse ist; in dem durch seine Ubermaaß sich diese trübe Flut nicht anders als etliche andere Wasser zu versteinern pflegte. Endlich fieng sie nach etlichen tieffen Seuffzern bey Segesthens Beschlusse diese durch stetes Hertz-Klopffen mehrmahls unterbrochene Worte an: Ich erkiese mir nicht allein den Kercker und den Tod / sondern dancke auch darfür als eine väterliche Mitgifft. Denn ein tuhendhafft Gemüthe läst ihm lieber die Uberbleibung seines Lebens abstricken / welche ohne diß ungewiß / und ins gemein nicht gar lang ist; als daß es durch ein schimpfliches Leben das[1288] gröste Theil seines hinterlegten verunehren solte. Und es ist viel ärger / um den Tod zu vermeiden / also leben: daß man des Lebens nicht würdig ist; als dem Tode selbst in die Armen rennen /wenn man nur den Ruhm verläst: daß man länger zu leben würdig gewest wäre. Sintemahl ohne diß das Glücke beneidet / die Lebenden gescholten werden; die Unglücklichen aber Mitleiden / die Todten Ehren-Seulen erlangen. Segesthes ward hierüber mehr / als vorher niemals entrüstet; uñ nach dem er seinen Degen halb ausgezogen / iedoch bald wieder stürmerisch in die Scheide gestossen hatte; brach er noch derogestalt aus: Du solst deine Hartnäckigkeit ärger /als du dir träumen läst / büssen. Denn wer seiner Gefahr spottet / dessen spottet sie bald wieder. Hiermit entbrach er sich mit höchster Ungedult aus dem Zimmer / und lag dem Könige Marbod an / ihm selbst zum besten die Cattische Hertzogin aus seinem Reiche / seine ungehorsame Tochter aber in ein strenges Gefängnüs zu schaffen. Beydes ward auch derogestalt in wenigen Tagen vollstreckt; in dem die Hertzogin Erdmuth biß an die Saale geführet / Thußnelde aber in ein unter dem Sudetischen Gebürge auf einem hohen Stein-Felsen gelegenes Schloß gantz einsam eingesperret ward. Von diesem / meldete die Gräfin von der Lippe / habe ich umständlichen Bericht geben können. Weil ich nun das Glücke hatte mit Thußnelden / wiewol nicht an einem Orte / eine Gefangene abzugeben; Die Unwissenheit aber bey niemanden vermuthlicher und verantwortlicher / als bey Eingekerckerten ist / als wird Fürst Adgandester den Verfolg so viel glaubhaffter nachtragen können. Dieser fand sich alsofort darein / und fieng an: Ehe Thußnelde noch so feste verschlossen ward / kam Tiberius nach Meyntz / Stertinius aber verständigte ihn alles / was sich mit ihr begeben hatte. Worauff Tiberius vom Könige Marbod zwar die Abfolgung seiner Braut höflich suchte; Segesthen aber einen nachdencklichen Dräu-Brieff schrieb; und im Fall er ihm nicht zum Besitz seiner Tochter verhülffe / ihm rund heraus sagte: daß er ihn nicht allein des geschenckten Landes zwischen dem Meyn / der Saale / und dem Brunnen der Weser an dem Gabretischen Gebürge /sondern auch seines an der Emß ererbten Hertzogthums entsetzen wolte. Segesthes / wie eiffrig er vor für König Marbods Heyrath gearbeitet / so bestürtzt war er itzt. Denn die hefftigsten Bewegungen der Begierden sind doch ein unfehlbares Kennzeichen der grösten Gemüths-Ohnmacht. Daher er entweder aus Furcht / oder wenigstens zum Scheine beym Marbod anhielt dem Stertinius und Silius / welcher nunmehr aus gleichmäßiger Furcht für den Tiberius reden muste / die ohne diß zu seiner Liebe allem Ansehen nach unbewegliche Thußnelde folgen zu lassen. Marbod aber antwortete ihnen ins gesamt: daß ein König /der ihm liesse den Purper seines Ansehens / und seine Braut abtrotzen / seine Schwäche zeigte / und Anlaß gäbe / ihn auch vollends seines Reichs / ja seines Lebens zu berauben. Sintemahl die Antastung seines Zepters nur die angenommene Hoheit eines Fürstens /ohne die ihrer so viel hundert tausend vergnügt lebten / die Bekränckung aber seines Hertzens ihn als einen Menschen beleidigte / welchen er nicht ausziehen könte. Weil er nun Thußnelden fahren zu lassen nicht verantwortlich / Stertinius aber anderer Gestalt etwas bündiges zu schlüssen nicht für thulich hielt / musten Segesthes / Silius und Stertinius nach etlicher Monate vergeblicher Handlung nur unverrichteter Sachen Abschied nehmen; wiewol Segesthes dem Tiberius nicht traute / sondern unter einem scheinbaren Vorwand seinen Weg durch das Land der Hermundurer zum Quintilius Varus einrichtete / um ihm selbten bey so verwirrtem Zustande zum Freunde zu machen. König Marbod / der bey solcher Beschaffenheit den Krieg mit den Römern für Augen sah / und nach der Richt-Schnur der Staats-Klugheit wol[1289] verstund lincks und recht zu seyn / auch mit zweyen Antlitzen vor und hinter sich zu sehen / kehrte nunmehr seine Deichsel gantz anderwerts hin; schloß noch selbigen Tag mit denen heimlich anwesenden Gesandten der Pannonier und Dalmatier das verlangte Bündnüs; und bewegte den Quaden-König Vannius zu einer ansehnlichen Kriegs-Bereitschafft. Hingegen schlieff Tiberius auch nicht / sondern stellte sich so wol selbst / als durch den Sentius Saturnin und Silius in gute Verfassung. Welche überaus grosse Krieges-Rüstung der Römer dem Quintilius Varus so viel mehr Gelegenheit gab die Cherusker / Bructerer / Sicambrer / Catten und andere Völcker zwischen dem Rhein und der Elbe auffs eusserste zu drücken. Sintemahl sie sich theils für der grossen Römischen Macht nicht rücken dorfften; theils ihre Ungedult verschmertzen musten / um dieses wieder den Marbod auffziehende Gewitter nicht ihnen auf den Hals zu ziehen. Insonderheit aber beseuffzete Hertzog Herrmann / dem die Fürstin Erdmuth Thußneldens Gefahr und Gefängnüs umständlich berichtet hatte / sein und seines Vaterlandes Nothstand. Wie er nun einst des Nachts diesen schwermüthigen Gedancken nachhieng / kam ein langer weisser Geist bey hellem Monden-Schein für sein Bette; ergrieff ihn bey der Hand / und redete ihn mit diesen gantz verständlichen Worten an: Es ist Zeit /Herrmann / daß du deiner ertrinckenden Thußnelde zu Hülffe kommst. Herrmann / der ohne diß etliche Stunden gantz wache war / und diß für keinen Traum annehmen konte; antwortete ohne Bedencken: Ich wils thun; stand auch von Stund an auff; nahm drey der bewehrtesten Ritter zu sich; und ritt mit selbten in Jäger-Tracht noch für Tage fort; nach dem er mich mit wenigen Worten zu seinem Stadthalter verordnete /und beredete: daß er in unauffschieblichen Reichs-Geschäfften den Hertzog Ingviomer ins geheim / und ohne des Quintilius Varus Vorbewust heimsuchen müste. Er lenckte aber bald gegen der Saale / allwo er sich und seine Gefärthen wie Marckmänner auskleidete. Keiner unter diesen wuste / wohin sein Anschlag wäre / ja Herrmann selbst nicht; in dem Vertrauen: daß weil der Himmel sein Auffwecker gewest wäre /würde er auch sein Wegweiser seyn. Zumahl ihm die Cattische Hertzogin zwar: daß Thußnelde auf einem Berg-Schlosse gefangen sässe / nicht aber den eigentlichen Ort zu wissen gemacht hatte. Herrmann setzte seinen Weg gleichwol durch das Gebiete der Hermundurer gegen Marbod-Stadt / allwo er etwas gewisses zu vernehmen hoffte / getrost fort. Also kam er an der Elbe nahe an das Sudetische Gebürge; und ob zwar in einem dicken Walde ihn ein erschreckliches Donner-Wetter überfiel / ließ er sich doch an der Reise nichts auffhalten. Denn ihm ahnte etwas ungemeines / und sein Hertz sagte ihm ein absonderes Ebentheuer wahr. Nach des gantzen Tages verdrüßlicher Reise brachte sie der Weg gerade an den Elbe-Strom; da sie denn theils der Mangel eines Abweges / theils die sie nunmehr überfallende stockfinstere Nacht an diesem Ufer zu bleiben nöthigte. Der offtere Blitz zeigte ihnen zwar auff der andern Seite des Flusses etwas Strom-auff ein hohes Gebäue; aber in Mangel der Schiffe konten sie dahin nicht gelangen; sondern die breiten Aeste etlicher dicken Bäume musten ihnen für ein Dach dienen. Das Gewitter schien fast gar verzogen zu seyn / als ein erschrecklicher Schlag / darvon nicht nur sie / sondern der Erd-Boden erbebte / in vorerwähntes hohe Gebäue in Gestalt einer langen Feuer-Seule einschlug; worauff denn alsofort der Himmel sich ausklärte / und der Mohnde ihrem Augenmaße nach über die Erde empor kam. Herrmann befahl hierauf seinen Gefärthen etwan einen andern Weg / oder eine Hütte zur Ubernachtung zu suchen. Wie er nun derogestalt gantz alleine an der Elbe[1290] saß / sahe er von ferne einen kleinen Nachen den Strom herab fahren; in Meynung: daß etwan seine Ritter einen Schiff-Mann zur Ubersetzung errufft hätten. Alleine / wie dieser Nachen kaum eines Bogen-Schusses von ihm war / stieß er so harte an einen entweder unter dem Wasser verborgenen Baum oder Felß / daß er sich umkehrte; und an statt: daß alles für seinen Augen verschwand / ihm nur ein einiger Gall ins Gehöre; und der ihm vorhin erschienene Geist ins Gesichte fiel; ihm zuruffende: Es ist Zeit / Herrmann / zu helffen. Dieser warff augenblicks seinen Rock von sich /sprang in den Fluß / und schwam gerade mitten in Strom; darinnen er denn also fort etwas / das selbter herab trieb / zu Gesichte bekam; also sich mit demselben armte / und ans Ufer brachte. Er hatte noch ein Stücke zu schwimmen / als seine drey Ritter mit etlichen in einer nicht ferne von der gefundenen Kohl-Hütte angezündeten Kyn-Höltzern zurück kamen /und ihres aus dem Wasser mit einem Menschen steigenden Hertzogs Zufall nicht begreiffen konten. Herrmann / welcher bereit wahr genommen hatte: daß seine Beute zwar ein Weibes-Bild / aber ohne Regung war / ließ ihm dieses alsofort beleuchten; Er sanck aber bey dem ersten Anblicke für todt zu Bodem. Wiewol diß nun die Ritter auffs empfindlichste erschreckte / vergassen sie doch nicht ihre Vorsorge den Hertzog zu kühlen / dieses allem Ansehen nach geringe Frauen-Zimmer zu reiben; und sie auffzuheben /wormit ihr das eingetrunckene Wasser zum Halse heraus schüssen konte. Welches letztere denn zu athmen anfieng / ehe Hertzog Herrmann sich wieder besinnen konte. So bald diß aber geschach; waren seine erste /wiewol verbrochene Worte: Ist sie todt? Wie sie ihn aber versicherten: daß sie an ihr Leben verspürten; kam er wieder so weit zu Kräfften: daß / nach dem er das zwar Lufft-schöpffende / aber noch mehr todt als lebende Frauen-Zimmer mit einem tieffen Seuffzer geküst hatte / sie ihn zu Pferde setzen und gegen der Kohlen-Hütte leiten konten; dahin denn auch ihrer zwey die aus dem Wasser gezogene mit unter sich gekehrtem Antlitze trugen; und beyde mit etlichen von dem Kohl-Weibe über den glüenden Kohlen gewärmten Tüchern rieben. Hertzog Herrmanns Hertze wallete inzwischen so tief zwischen Furcht und Hoffnung: daß er mehr einem träumenden / als wachenden gleich war; biß das Frauen-Bild nach und nach ein und anderes Glied zu regen / und die Augen zu öffnen begonte. Diesemnach denn Hertzog Herrmann sie kniend umarmte und anredete; Wilstu / meine Sonne / mich Todten nicht mit deinen Strahlen lebendig machen? Sie sahe ihn hierauff zwar mit starren Augen / aber sonder einige andere Bewegung an. Wie nun Herrmann mehrmahls nichts minder seine Liebe / als Mitleiden auffs kläglichste ihr vorhielt; holete sie einen tieffen Seuffzer / und bewegte die Lippen. Endlich fieng sie /wiewol sehr unverständlich an: Leb ich? und nach einer guten Weile: Ich Elende! wil mich auch der Tod nicht haben: daß mich nur das Leben mehr martern könne; welches doch ich nicht haben mag? Dem Hertzog Herrmann schossen die Thränen häuffig über die Wangen / und er antwortete ihr: Lebe / lebe mein Leben: daß ich nicht sterbe; du aber mich liebest! Sie hingegen machte hierüber eine grausame Gebehrdung / sagende: Liebe! Liebe! besser sterben und nicht lieben / als leben / und deine Höllen-Pein fühlen! Herrmann küste inzwischen ihr die Hand; welche sie aber weg zoh / und anfieng: Hilff Gott! leb ich noch unter der Henckerey derer / die unter dem Schein der Liebe meine Tod-Feinde sind? Und eine Weile darauff: Also leben / ist kein Leben; sondern nur nicht auffhören zu sterben. Worauff sie noch etliche verwirrte Worte heraus ließ / und zu schlaffen anfieng. Daher denn die Ritter dem Hertzoge riethen: daß / da er[1291] diesem Frauen-Zimmer das Leben und was gutes gönte / müste er ihr und ihm selbst die Ruhe gönnen. Welchem er denn derogestalt nachkam; wiewol sein und ihr Schlaff öffters Merckmaale ihrer Unruh von sich gab. Er enteusserte sich des Schlaffes mit dem tagenden Morgen. Daher er denn von dieser wol zwey Stunden nach der Sonnen Auffgange Schlafenden kein Auge verwendete / und / so viel mahl sie Athem holete / gleichsam eine neue Krafft bekam / ja sich sie zu umarmen aus Beysorge den Schlaff ihr zu stören kaum enthalten konte. Endlich erwachte sie; und sahe nunmehr bey gesundem Verstande den Fürsten Herrmann vor ihrem Gesichte. Träumet mir? fieng sie an / und hob sich von ihrem armseligen Bette des guthertzigen Kohl-Weibes auff. Keines Weges / meine Seele / meine hi lische Thußnelde / versetzte Herrmann; und umarmte sie mit einer unbegreiflichen Hertzens-Freude. Ist es glaublich: daß ich lebe / und zugleich dich / mein Leben /hier finde? fuhr sie fort; welcher er antwortete: daß sie an beyden nicht zu zweiffeln / sondern GOtt für ihre Erhaltung zu dancken / auch zu glauben hätte: daß er itzt allererst mit ihrer Wiederersetzung wieder zu leben anfienge; weil er durch die Sorge für sie täglich mehr / als zehnmahl wäre entseelet worden. Sintemahl eine verliebte Seele / wenn sie nicht weiß / was seine Geliebte leidet / eben diß / ja ein mehrers deßhalben ausstehe; weil sie es nicht weiß; nach dem die Furcht alles Böse vergrösserte / wie es die Hoffnung verkleinerte. Mit diesen liebkosenden Wortwechselungen brachten sie wol eine halbe Stunde zu / ehe eines das andere / wie sie zusammen kommen wären / zu fragen vermochte. Endlich machte die ihre Freude kaum begreiffende Thußnelde hierinnen den Anfang; welcher denn Herrmann auffs kürtzeste erzehlte: wie ein guter Geist ihn an die Elbe geführet / und sie aus dem Wasser zu erretten geleitet hätte. Worauff sie auff ihre Knie zur Erden sanck / und der Göttlichen Versehung / der himmlischen Beschirmerin für diß Wunderwerck ihrer Erlösung inbrünstig danckte. Sie hingegen berichtete: daß König Marbod nach vergebens geschehener Liebes-Werbung sie in ein an der Elbe gelegenes Schloß eingesperret; das Wetter aber in den Thurm eingeschlagen; und weil sie zu allem Glücke sich in einem Neben-Zi er befunden / ihre Ohren nur etwas betäubet / ihre Bewahrer aber getödtet / die Thüren des Gefängnüsses eröffnet / ja ihr eigentliches Wohngemach nebst etlichen andern gantz eingeäschert hätte. Dieser Gelegenheit und Uglücks hätte sie sich zu ihrem Vortheil bedienet; und weil die übrigen Einwohner des Schlosses für Schrecken gleichsam in starrende Seulen wären verwandelt worden; hätte sie sich über den Grauß der eingeworffenen Gebäue herab gearbeitet / und an dem Ufer einen Fischer-Kahn gefunden / mit welchem sie sich über den Fluß zu setzen bemühet; weil sie aber wegen Unerfahrenheit im Schiffen das Ruder eingebüsset / hätte sie der Strom mitgenommen / und so viel sie sich erinnerte / den Kahn über und über gedrehet; also: daß / was sich ferner mit ihr begeben / das wenigste zu sagen; wol aber ihr Leben GOtt und dem / welchem sie es ohne diß als ein Opffer fürlängst gewiedmet / zu dancken hätte. Hertzog Herrmann muste bey dieser Erzehlung die unbegreifliche Vorsorge Gottes nicht allein durch eine innerliche Andacht verehren; sondern er brach auch / seine Augen gegen den Himmel wendende / in diese Worte heraus: Du allsehendes Auge der Göttlichen Versehung! wie deutlich zeigestu doch in deinen Schickungen: daß du uns Menschen für dein angenehmes Eigenthum hältest; und / um diß nicht zu verlieren / keinen Blick von uns verwendest Warlich /deine Gestalt ist voller Ohren; denn du hörest auch das ohnmächtige Winseln derer in unterirrdische Kercker versteckter Elenden; dein Antlitz hat[1292] nicht nur /wie das von den Griechen gemachte Bild des Jupiters drey Augen / welche Himmel / Erde und Hölle durchdringen / das verborgene / gegenwärtige und künfftige erkiesen; sondern es ist ein mehr als hundertäugichter Argos; ja alles voller Augen; denn du siehest auch in stockfinsterer Nacht unsere Gefahr; und kein Haar kan ohne deine Vorsehung von unser Scheitel fallẽ. Dein Hertze flösset uns mit mehr Brüsten / als eine Isis gehabt / die süsse Mutter-Milch deiner unerschöpflichen Gütigkeit ein; wormit iederman sich an dem Uberflusse deiner Wolthaten sättigen könne. Wer wil nun / ausser ein Unmensch / zweiffeln: daß du unser Glück und Unglück nach dem Gewichte deiner Gerechtigkeit abgemässen / ja uns noch eine Zugabe deiner Barmhertzigkeit beygeleget hast / ehe wir von dir gemacht worden; und uns daher für kein so geringschätzig Ding bey dir zu halten haben / daß dir nur einen Augenblick unser Andencken entfallen könte? Sintemahl aus gegenwärtigem Falle augenscheinlich erhellet: daß die Göttliche Weißheit auch dieselben Dinge / welche die allerverwirresten Zufälle zu seyn scheinen / nehmlich die Ergiessungen der Regen / den Blitz der donnernden Wolcken / Gewitter / Schiffbruch und Erdbeben auff seinem Finger abwiege; wormit selbte als Werckzeuge nicht nur seines Zornes / sondern auch Erbarmens den für gesetzten Zweck erreichen / unsere Kercker erbrechen / und unsere Fessel zerschmettern. Darum last uns nur auch GOtt; welchem kein irrdischer Werckmeister an Fleiß und Klugheit es zuvor thut / über uns und die Zeit die Auffsicht und Eintheilung anheim stellen; und des uns anvertrauten Pfundes behutsam wahrnehmen! Böses und Gutes rinnet aus diesem einigen Brunnen; darum last es uns auch mit einerley Gesichte annehmen; und versichert leben: daß uns niemahls nichts Böses denn zu unserm Besten begegne! Hierauff berathschlagten sie; wie sie nun ihre Rück-Reise sicher anstellen solten; nach dem zwar allem Ansehen nach iederman Thußnelden für todt und unter dem Grause des mehrentheils eingeäscherten Schlosses begraben zu seyn erachten würde; Gleichwol aber in dem Gebiete des so wachsamen Marbods sich lange auffzuhalten nicht sicher / und keine Behutsamkeit genung; ja diese zuweilen die erste Verrätherin eines Geheimnüßes wäre. Diesemnach sie denn von dem einfältig- und guthertzigen Kohl-Manne nach einer danckbaren Beschenckung Abschied nahmen / sich aber so lange verbargen / biß ein Ritter in dem nechsten Dorffe ein geringes Kleid und Pferd erkauffte / und dahin brachte; welches einer unter ihnen an statt seines / das er Thußnelden zur Verkleidung geben muste / gebrauchte. Nach dem auch auff der Cheruskischen Gräntze Varus viel Römisches Kriegs-Volck zusammen führte / das Saturnin wieder den Marbod führen solte /Thußnelde auch noch zur Zeit ihre Vermählung nicht für thulich; und beym Hertzog Herrmann sich aufzuhalten für bedencklich hielt; richteten sie ihren Weg gegen der Catten Haupt-Stadt Mattium ein; allwo Hertzog Arpus mit seiner Gemahlin Erdmuth Hoff hielt; theils mit diesem Hertzoge noch mehr Verträuligkeit bey so gefährlichem Zustande Deutschlands /da Varus ihrer Freyheit vollends das Messer an die Gurgel setzte / zu stifften; theils Thußnelden wieder in die treuen Hände dieser tapfferen Fürstin zu überantworten. Sie kamen in dreyen Tage-Reisen aus dem Gebiete des Königs Marbod sonder den geringsten Anstoß; ungeachtet das Geschrey ihnen schon zuvor kommen war: daß die vom Marbod gefänglich gehaltene Thußnelde in einem vom Donner eingeäscherten Schlosse verfallen; Marbod aber hierdurch fast in Verzweiffelung[1293] versetzt worden wäre; in dem ihn theils die Hefftigkeit seiner Liebe / theils sein über so strenger Verfahrung ängstiges Gewissen beunruhigte. Als sie aber schon über die Cattische Gräntze in einen Wald kamen / hörten sie ein erbärmliches Geschrey und ein Geräusche von Pferden sich ihnen ie mehr und mehr nähern; weßwegen sie sich ein wenig aus dem Wege in ein Gepüsche setzten. Nach dem sie aber wahrnahmen: daß von neun Reutern ein Frauen-Zimmer von schöner Gestalt und nicht geringem Ansehen / wiewol mit zerstreuten Haaren und zerrissenen Kleidern gewaltsam fortgeschleppet ward; war Thußnelde die erste / die diesen Räubern die unanständige Beute abzunehmen erinnerte; wormit sie und Hertzog Herrmann nebst denen drey Rittern solche also fort ansprengten; und ehe sie ihrer recht gewahr wurden / fünff Räuber entweder tödteten oder aus dem Sattel hoben; die vier übrigen aber auf die Flucht und ihre Beute zu verlassen nöthigten. Diß Frauen-Zimmer / welches sie für ihr vom Himmel zugeschickte Schutz-Geister hielt / wuste nicht Worte genung zu finden für ihre Erlösung zu dancken; berichtete hiernebst mit zitternden und erblaßten Lippen: Sie wäre Rhamis des Cattischen Hertzogs Ukrumer Tochter / und eine Braut des Dulgibinischen Fürsten Segimers / des Segesthes Brudern. Diesem zugeführet zu werden wäre sie auf dem Wege begrieffen gewest; aber von einem Schwarm mehr als fünffhundert meist Römisch gekleideter Kriegs-Leute überfallen; und an diesen Ort geschlept worden / unwissende wie das Gefechte mit ihren viel schwächern Begleitern abgelauffen seyn würde. Hertzog Herrmann und Thußnelde bezeugten gegen dieser Fürstin ein absonderes Mitleiden; und versprachen sie in ihrer Gesellschafft ihrem Herrn Vater in der Stadt Bicurg / dahin sie ohne diß der Weg trüge / zuzubringen. Hertzog Herrmann aber bedreute mit gezücktem Degen zwey der noch lebenden Räuber zu entdecken / wer sie wären; und auff wessen Befehl sie diesen Raub begangen hätten? Der eine war so verstockt: daß er ihm lieber das Schwerdt in Därmen umwenden ließ; als ihm einiges Wort abzubringen war; der andere aber sagte umständlich heraus: daß Quintilius Varus / der sich in diese Fürstin verliebt hätte; als er in seinem Durchzuge vom Fürsten Ukrumer aufs herrlichste wäre bewirthet worden /von ihrer Abholung Kundschafft erlanget / und sechshundert Reisigen ihr auffzulauern / und sie ihm zu entführen befehlicht hätte. Hertzog Herrmann bieß über dieses Römers Frevel-That die Zähne zusammen; und schwur / die Deutschen entweder dieses Jochs zu entbürden / oder das Leben nicht zu haben; zwang auch diesen Räuber ihm zu folgen. Sie ritten etwan eine halbe Meile fort / und kamen auff ein blanckes Feld; wurden aber alsofort dreyer Hauffen gegen sie ankommenden Kriegs-Volcks gewahr; für welchem sie sich zwar wieder in den Wald zu verstecken vermeinten; weil aber ihre Pferde von der starcken Reise abgemattet waren / wurden sie bey Zeite eingeholet und umringt. Gleichwol aber zohen jene wenige von Leder; und ermahnte sie Hertzog Herrmann mit dem Degen ihnen einen Weg und Ausflucht zu eröffnen. Es gab aber ein Ritter / der den Vordrab führte /und die Fürstin Rhamis erkennte / ihnen ein Zeichen des Friedens; weil sie keine Feinde wären. Hierauff näherte sich auff dieses Ritters Nachricht alsofort der Führer des erstern Hauffen; sprang vom Pferde um die Fürstin Rhamis zu empfangen; welcher denn hiermit für den Hertzog Segimer / der seiner Braut entgegen kam / erkennet ward. Als dieser mit der Fürstin Rhamis sich unterhielt / kam der andere und dritte Hauffen auch darzu; dessen Führer denn alsofort Hertzog Herrmann und Thußnelde für Segesthen erkennte; welcher mit tausend Caßuariern gegen dem Meyne gieng / um das von dem[1294] Tiberius an dem Fluße Werre geschenckte / oder als ein ihm vielmehr durch Erbgangs-Recht zu gefallene Stücke Landes bey bevorstehendem Römisch- und Marckmännischen Kriege in bessere Verwahrung zu nehmen / und bey dieser Gelegenheit seinen Bruder Segimer begleitete. Es ist unschwer zu ermässen / was diese Zusammenkunfft beyden für Gemüthsänderung gegeben; welche sich so viel mehr vermehrte; als Segesthes sie beyde starr ansahe / bald erblaste / bald sich wieder färbte; endlich zum Segimer anfieng: Mein Bruder / wenn ich nicht vom Könige Marbod eigenhändige Nachricht hätte: daß meine Tochter vom Blitz erschlagen wäre; solte ich mir einbilden hier so unverhofft mein Kind / als du deine Braut zu finden. Thußnelde dieses hörende /drehte sich mit dem Pferde um / und gab dem Pferde die Sporne sich zu flüchten. Segesthes wolte ihr folgen; Hertzog Herrmann aber wiedersetzte sich ihm mit gewaffneter Hand; aber es waren in einem Augenblicke wol zwantzig Schwerdter über dem Cheruskischen Hertzoge und seinen ihm beystehenden Rittern. Die Fürstin Rhamis dieses schende / fieng erbärmlich an zu wehklagen / und den Hertzog Segimer zu beschweren: Er möchte diese tapffere Ritter / welche sie für einer Stunde aus den Händen der grausamsten Räuber errettet hätten / nicht so undanckbar aufopffern lassen. Segimer ritt also darzwischen / und mahnete seinen Bruder von solcher Gewalt-That ab. Segesthes aber antwortete: Kennestu nicht den Räuber meiner Tochter Herrmann? Dieser versetzte: O du undanckbarer Guckuck; ist das der Lohn: daß ich dir zweymahl das Leben errettet / und deine tugendhaffte Tochter noch für wenig Tagen aus dem Rachen des Todes gerissen habe? Dessen ungeachtet; fuhr Segesthes nicht nur selbst in seiner Gewalt-That fort; sondern befahl auch seinem gantzen Hauffen sich des Cheruskischen Hertzogs als seines Tod-Feindes zu bemächtigen. Segimer ward hierüber nicht wenig erbittert; und setzte sich dem Segesthes selbst entgegen / also: daß beyde Hauffen mit darüber in ein blutiges Gefechte geriethen; und sich allerseits sonder eigentliche Erkiesung: wer Feind oder Freund wäre / einander erwürgten. Massen denn / ungeachtet die Fürstin Rhamis / wie auch die zurückkommende Thußnelde / und zwar um so viel mehr von denen Chaßuariern erkennt zu werden / mit entblösten Brüsten sich zwischen die Streitenden einmischten / und nach dem Beyspiel der Sabinischen Frauen beyder Zorn und Blutstürtzung zu unterbrechen bemühten; nahm doch ihre Verbitterung keine Kühlung an; weil Segesthes die Seinigen auf den Hertzog Herrmann bedreulich anfrischte / Segimer aber den Erlöser seiner Braut Hülff-loß zu lassen für die schimpflichste Kleinmüthigkeit hielt. Also fochten Hertzog Herrmann und Segimer zwar als zwey Löwen; aber nach dem der letzte in den rechten Arm verwundet ward: daß er den Degen nicht mehr brauchen konte / dem ersten sein Pferd getödtet / ihm auch wol sieben Wunden angebracht wurden / über diß Segesthens Hauffen wol dreymahl des Segimers überlegen war / wurden die drey Cheruskischen / und nicht wenig Dulgibinische Ritter erlegt / die wenigen übrigen in die Flucht bracht; und Hertzog Herrmann blieb ohnmächtig auf dem Platze liegen. Worüber Thußnelde sich über ihn streckende ein so klägliches Geschrey anfieng: daß es alle Menschen / ausser den Segesthes; ja einen Stein zum Erbarmnüs hätte bewegen mögen. Ob nun wol Segimer und Rhamis dem Segesthes mit harten Worten seiner verübten Grausamkeit halber zusetzten / Thußnelde auch ihrem Vater das Gewissen rührte und einhielt: Wie Hertzog Herrmann sie aus der Elbe und dem Tode errettet hätte; ließ er sich doch das minste bewegen; sondern /weil die unvernünftigen Gemüths-Regungen ihre eigene Blindheit für fremde Flecken / und Schielenden[1295] auch die vollkommensten Spiegel für schlimm halten / schüttete er wieder den Hertzog Herrmann und Thußnelden allerhand hefftige Schelt-Worte aus; ja als Herrmann sich ein wenig nur erholet / ließ er Ketten bringen / sie beyde darmit belegen / und auff einem Wagen wegführen; seinem Bruder meldende: Er möchte ihm seine Braut / welche nichts minder /als Thußnelde bey ihrer wolgemeinten Scheidung etliche / wiewol nicht gefährliche Wunden bekommen hatte / heim / oder / wohin es ihn bedünckte / führen. Denn nach dem er sich seines Feindes angemast hätte / verlangte er seiner Gemeinschafft nicht mehr / Segesthes kam hierauff mit seinen Gefangenen nach Henneberg / allwo er dem Fürsten Herrmann / welcher seiner Meynung nach ihm allein an Erlangung der obersten Feldherrschafft im Wege stand / allem Vermuthen nach das Licht ausgelescht hätte / weil doch die Feindschafft den Tod des Verhaßten für den Hafen seiner Sicherheit / und der Ehrgeitz die Einäscherung seiner Neben-Sonne für seinen Leit-Stern hält / weñ er nicht ein Schreiben vom Tiberius daselbst gefunden hätte / welcher zu Damasia in Rhetien sich auffhielt / und an der Donau und Lech Anstalt zum Kriege wieder den Marbod machte. Darinnen beschwerte er sich über den Segesthes: daß er seine ihm versprochene Tochter einem Feinde der Römer verlobet / hierdurch nicht allein zu ihrem so grausamen Tode und Kränckung seines Gemüthes / sondern auch dem Kayser zu grossem Mißtrauen Ursach gegeben hätte. Diesemnach solte er diese Scharte nunmehr durch einen ansehnlichen Vorschub an Vorrath und Hülffs-Völckern auswetzen; und sich derogestalt sehen lassen: daß der Kayser ihn für einen Freund oder Feind zu unterscheiden / und wegen der deutschen Feldherrschafft auff sein oder des Fürsten Herrmanns Wageschale das Gewichte zu legen wüste. Dieses Schreiben hatte bey Segesthen einen solchen Nachdruck: daß er auff einmahl alle Hoffnungs-Ancker verlohr; welche er auff die Grösse des Marbods gegründet hatte. In dem der listige Tiberius Segesthens Schwäche fürlängst hatte kennen lernen: daß es ihm nehmlich um die Würde der Feldherrschafft zuthun wäre; und kein unter das Eyß verschlossener Fisch so sehr nach der Lufft / als er nach diesem Winde schnappte. Denn in Wahrheit die Kunst sich eines fremden Willen zu bemächtigen beruhet bloß allein an dem Erkäntnüße; mit was für einer Handhabe ein Mensch zu fassen sey; und daß man ihn an dem Seile zu sich leite / daran er selbst gerne gehet. Sintemahl doch keine Sache ohne Hefft / kein Mensch ohne eine besondere Neigung ist; in dem einer die Ehre /der ander den Eigennutz / der dritte die Wollust zu seinem Abgötte hat; ja zuweilen das niedrigste Absehen etlicher Leute erster Bewegungs-Zirckel ist / und der / welcher diesen trifft / den Schlüssel zu der verschlossenstẽ Menschen Hertzen / und die Botmäßigkeit über ihren Willen in seinen Händen hat. Bey so gestalten Sachen schrieb Segesthes an Tiberius: daß ihn keine besondere Gewogenheit zum Marbod; sondern theils seine Ohnmacht ihm Thußnelden aus den Händen zu winden / theils sein Absehen den Römern auch mit Enteusserung seines Kindes ein vortheilhafftiges Bündnüs zu wege zu bringen / ihm seine Tochter zu verloben gezwungen hätte. Es schiene aber der Himmel selbst an diesem Zwange keinen Gefallen zu haben; weil er mit Donner und Blitz die vermeintlich todte Thußnelde aus ihrem Gefängnüße gerissen / und seinen Feind den Fürsten Herrmann zu einem Werckzeuge selbte seiner väterlichen Gewalt einzulieffern gebraucht hätte. Also wäre er nunmehr nicht allein willig und mächtig diese zwey zu des Tiberius Liebe und Rache auszuantworten; und in dem Marckmännischen Kriege sich nicht als einen Bundsgenossen / sondern als einen Römischen[1296] Bürger zu bezeigen. So sehr diß Schreiben den Tiberius vergnügte.; so sehr bestürtzte ihn eben selbigen Tag die einkommende Nachricht: daß der Quaden König Vannius mit achtzig tausend Mann über die Donau gesetzt / und Carnunt zu belägern vor hätte; Marbod aber mit einem mächtigern Heere gegen die Vindelicher / und mit einem andern sein Feldhauptmann Bercka gegen den Meyn und Rhein im Anzuge wäre. Denn dieser kluge und streitbare Fürst nahm den Verlust seiner Thußnelde zwar nicht / wie etliche / die aus der Unempfindligkeit Ehre suchen; noch wie ein Weichling /dessen Thränen niemahls verseigen / weibisch an; sondern er suchte die Linderung seines Schmertzens in dem Geräusche der Waffen; und nach dem Beyspiele jenes Römers / der eben den Tag in den Rath kam / als sein einiger Sohn gestorben war / seinen Trost in den Armen und in der Schos des gemeinen Wesens zu holen. Tiberius / welcher bereit ein Schreiben gefertigt / und dariñen dem Segesthes befohlẽ hatte / dem Hertzog Herrmann durch Gifft aus den Wege zu räumen / ward durch diese Zeitung gezwungen eine gantz andere Farth zu erkiesen; wormit er hierdurch nicht die Cherusker denen Caßuariern oder gar den Römern auff den Hals hetzte. Diesemnach er den Silius zum Segesthes schickte / zwischen ihm und dem Hertzog Herrmann einen Vergleich zu treffen /und durch des letztern Freyheit die Cherusker zu verknipffen: daß sie nicht denen Marckmännern beypflichteten / noch den Segesthes an der versprochenen Hülffs-Leistung hinderten. Gleichwol aber traute er weder einem noch dem andern Deutschen; sondern befahl: daß sechtzig tausend Gallier da und dort in Deutschland zu Besetzung der Festungen am Rhein /am Meyn und an der Weser rücken solten; wormit er die alten Besatzungen leichten und gegen den Marbod ins Feld führen könte. Als Tiberius derogestalt mit seiner Zurüstung alle Hände voll zu thun hatte; ward er durch eine aus Istria einlauffende Zeitung: daß nach denen von dar gegen die Donau abgeführten Legionen gantz Illyricum wieder die Römer die Waffen ergriffen hätte / überaus erschrecket; und wenig Tage hernach dardurch fast gantz entseelet: daß alle zwischen der Teiße und Euxinischen und Adriatischen Meere gelegene / und mit dem Könige Marbod verbundene Völcker wieder die Römer auffgestanden / und bereit über achtmahl hundert tausend Männer im Anzuge wären / theils denen in Pannonien und Deutschland stehenden Römern in Rücken zu gehen / theils in das Hertze Italiens einzubrechen. Diese Gefahr wuchs täglich mit allen neu-ankommenden Berichten; und der Kayser selbst schrieb von Rom: Es schiene: daß sich Himmel und Erde wieder die Römer verschworen / Rom auch nach der Schlacht bey Canna nie in gefährlicherm Stande gesteckt hätte. Der schlaue Tiberius sahe wol: daß die Römischen Kräffte so vielen Feinden die Stirne zu bieten zu ohnmächtig / die Bunds-Genossen auch entweder zu schwach wären; oder auch gar auff zwey Achseln trügen; ja ins gemein das Gute nicht so leicht theilhafftig / als das Böse anfällig sey / also er sein Heil dißmahl aus seinen Feinden / wie kluge Aertzte die Genesung des Krancken aus Giffte suchen müste. War also seine gröste Sorge den grossen Stein der Marckmänner von sich abzuwältzen; und durch Zertrennung der Feinde ihrer aller Meister zu werden. Den König Marbod nun zu versöhnẽ / war kein besser Mittel zu erdencken / als Thußnelde. Dieser aber sich selbst zu berauben schiene ihme empfindlicher zu seyn / als das Herz aus seinem Leibe reissen lassen. Gleichwol überwog die Ehrsucht in seiner Seele die Regung der Liebe / und er entschloß sich in dieser eussersten Noth ihm lieber[1297] weh zu thun / als mit dem Verluste seiner Hoheit auch diß / was er itzt zu erhalten vermeinte / einzubüssen. Diesemnach schrieb er an Marbod / wiewol mit mehrmahls erstarrender Hand / diese Erklärung: der Kayser habe die mit dem Marbod auffgerichtete Freundschafft iederzeit so sorgfältig zu erhalten getrachtet: daß er auch allen Schatten einigen Mißtrauens aus dem Wege geräumet. Weil er nun dessen seiner seits vergewissert wäre; könte er dem gemeinen Ruff nicht glauben: daß König Marbod mit den Römern den Frieden zu brechen; und denen Eydbrüchigen Pañoniern beyzustehen vorhaben solte; derer Aufruhr er mit dreyssig Legionen zu züchtigen befehlicht wäre. Der blinde Lermen der schwürigen Illyrier würde schwerlich einen so klugen Fürsten / als Marbod wäre / unter die Fahnen so weiblicher Völcker wieder die Stadt Rom verleiten / welcher die Götter schon in ihrer Kindheit sich so geneigt erwiesen: daß sie selbte mit Ketten gefangener Könige an statt der Windeln beschencket. So ungestüme Schwermungen der Völcker wären mehr schreckliche / als gefährliche Zufälle nach Art der Mutter-Kranckheit; und hätte ein kluger Herrscher diese nicht so sehr / als dieselben Schwachheiten zu fürchten / die wie die Schwindsucht uns in der Stille erschliechen und tödteten. Daher hätte das Römische Volck zwar mit der Vielheit ihrer Feinde stets sein Glücke sich vergrössern sehen; aber es hätte sich iederzeit mehr an der Anzahl ihrer Freunde / als an der Menge seiner Siege vergnüget. Seine Freundschafft hätten sie auch so viel fester gehalten; weil der Kayser ihn schon / als er noch nicht in solchem Stande gewest / darmit betheilet; und / als hernach ihm fast niemand wol gewolt / sein Bundsgenosse geblieben wäre. Die Ferne seiner / und der Uberfluß der Römischen Länder könten ihn auch leicht versichern: daß Rom auff nichts seines Eigenthums ein Auge /sondern stets geglaubt habe: man könne wol zu viel Unterthanen / aber niemahls genung Freunde haben. Zumahl Marbod selbst wüste: daß der Kayser die Gräntzen des Reiches einzuziehen / und nicht über den Phrat und Rhein / weniger über die Elbe zu erweitern geneigt wäre / auch die Mäßigung des Cato /der die Macedonier nach überwundenem Perseus für freye Leute erkennet / stets gerühmet hätte. Er / Tiberius / wolte auch nicht gerne durch sein Fürhaben von Rom ein wiedriges zu glauben eine Ursache / weniger zwischen ihm und dem Kayser ein Stein des Anstosses seyn; und wäre ihm leid: daß Stertinius bey der Bündnüs-Handlung nicht gewüst hätte; wie viel höher er das gute Vernehmen mit einem Bundsgenossen /als die Vergnügung seiner Begierden schätzte. Es schiene ihm aber des Stertinius damahliges Bedencken nunmehr zum Ruhme seiner Freundschafft auszuschlagen. Denn damahls würde er ihm Thusnelden nicht so wol überlassen / als sich einer schon verlohrnen Sache verziehen haben; weil sie Marbod bereit in Händen gehabt. Nunmehr aber wolte er ihm sein Recht auff sie abtreten / nach dem es in seiner Gewalt stünde derselben selbst zu genüssen. Denn ihm müste zur Nachricht dienen: daß / um das Unvernehmen zwischen den Römern und Marckmännern zu verhindern / die Todten lebendig werden müsten. Massen er denn seine Thußnelde nunmehr aus den Händen ihres Vaters / oder vielmehr seinen eigenen abholen lassen könte; da er seine Freundschafft und der Römer Bündnüs durch diß Siegel zu befestigen für nöthig hielte. Ja wenn Marbod zugleich den in seiner Hand habenden König Vannius zu frieden spräche / wormit dieser benachbarte Krieg nicht zwischen den Kayser und Marbod einen neuen Zanck-Apffel würffe / und er am Ister die Ubersetzung der Sarmater verhinderte /verspräche er denen Marckmannund[1298] Quadischen Gräntz-Völckern jährlich zwey tausend Pfund Silber als einen Sold zu geben. In diesen sauern Apffel muste Tiberius beissen; weil die Grösse der Gefahr keine süssere Artzney vertrug. Wiewol dieser vom Tiberius gemachte schlimme Anfang denen Römern hernach fast ein unauffhörliches Joch aufhalsete / denen Deutschen und andern Königen den Frieden durch eine jährliche Schätzung / welcher man den schönen Namender Geschencke gab / abzukauffen. Und ob zwar die Römer sonst nicht gewohnt waren so linde Seiten auffzuziehen; verstand doch Tiberius allzuwol: daß die Klugheit keine Sclavin der alten Art / und ein nicht geringer Aberglaube sey; weñ man die Fußstapffen der Vorfahren anbetet / und ausser selbten nirgendswohin ohne Versinckung zu treten vermeinet; und daß es ein Aberwitz sey lieber auff der gebähnten Strasse des Zweckes fehlen / als auff einer neuen denselben erreichen. Nichts minder hielt er sein / wiewol sonder einige vorragende Furcht geschehendes Nachgeben eben so wenig für einen Verlust / als die Einziehung der Segel beym Ungewitter; massen denn mehrmahls sein Sprichwort war: daß man von seinem Ansehen nicht so leicht etwas einbüße / wenn man nur seinen Zweck erreiche; und daß die Uberwindung durch Geschickligkeit der Stärcke keinen Abbruch thue / weniger ein Merckmahl der Schwäche sey. Marbod hatte zu allem Glücke von Thußneldens Entkommung und Leben noch keine Wissenschafft. Daher ihm des Tiberius Erbieten nicht nur als ein Traum / sondern / ungeachtet der an Marbod abgeschickte Paterculus diß eusserst betheuerte / als eine Erfindung seine Kriegs-Macht auffzuhalten fürkam; biß den vierdten Tag darauf Segesthes ihn versicherte: daß Thußnelde nicht nur lebte; sondern / nach dem Tiberius sich alles Anspruchs auff sie verziehe / trüge er selbte dem Marbod / als ein Band der Eintracht /zwischen zwey so mächtigen Völckern / und als einen güldenen Apffel des Friedens von neuem an. Sintemahl doch zwischen hohen Häuptern die Zwistigkeiten durch nichts mit grösser Ehre / als durch Vermählungen beygelegt würden; in dem diese in Wahrheit rechte Ehren-Pforten wären aus dem Irrgarten eines entsponnenen Krieges zu kommen; den man ohne Schaden offt nicht länger führen / und gleichwol ohne Verkleinerung nicht abbrechen könte. Marbod / ob er wol einen grossen Vortheil sahe den Römern Abbruch zu thun; so erwog er doch: daß so viel mächtige Völcker an ihnen den Kopff zerstossen hätten; und es gleichsam einerley zu seyn schiene wieder Rom oder das Verhängnüs sich auflehnen; und daß er in seinem neuen Reiche unzehlbare heimliche Feinde zu verwahren hätte. Insonderheit aber hatte die Tugend und Schönheit Thußneldens eine solche Würckungs-Krafft über ihn erlanget: daß die Hoffnung ihres Besitzthums bey ihm alles andere Absehen wie die Sonne einen Nebel zu Bodem schlug. Denn diese Fürstin ist in Warheit ein merckwürdiges Beyspiel: daß der Himmel gewissen Personen eine verborgene Ober-Herrschafft über alle andere Menschen einräumet; also: daß man in ihnen gleichsam eine überirrdische Botmäßigkeit / welche mit einem Winck alle andere Gesetze unterbricht / erkennen / und denselben / man weiß selbst nicht warum / als Königen von Natur gehorsamen / und als für Löwen sich demüthigen muß. Welcher Zwang am Marbod so viel mehr wunderns werth war; weil weder seine Liebkosungen / noch Segesthens Strengigkeit über Thußneldens Abneigung eines Haares breit Vortheil hatte erlangen können. Sintemahl die Hoffnung ein so unschätzbares Gut zu erlangen eine solche Süßigkeit in sich hat: daß sie ihr auch die Unmögligkeit zu überwünden träumen läst /und hiermit im Wercke bestetigt: daß die Hoffnung ein Traum der Wachenden / und die Wollust der unglückseligen[1299] sey. Bey so gestalten Sachen hielt er mit seinem Kriegs-Heere bey Kintzen an der Donau stille; schrieb auch an den König Vannius und den Feldhauptmann Bercka nicht weiter fortzurücken; an Tiberius aber: daß er an die Römer sich zu nöthigen nicht verlangte; wenn sie aber was mit ihm zu versuchen gedächten / nichts ausschlüge. Sein Absehen wäre auch kein anders gewest / als mit seinen Kriegs-Heeren die eussersten Spitzen seiner Länder zu bedecken; weil an so viel Orten allerhand trübe Kriegs Wolcken auffzuziehen geschienen; mitten in seinem Lande aber seines Feindes zu erwarten so viel wäre; als ihm selbst schon halb verlohren geben. Nach dem aber Tiberius ihn der Römischen Freundschafft versicherte /seine eigene auch durch Abtretung der Fürstin Thußnelde bekräfftigte / nehme er das letzte zu Danck / das erstere nebst dem versprochenen Solde für die Quaden (denn seine eigene Kriegs-Leute zu zahlen dörffte er keines fremden Beyschubs /) für eine Verneuerung des alten Bundes an; welcher von ihm so heilig / als unversehrlich gehalten / und darmit bezeugt werden solte: daß seine Herrschafft keiner Erweiterung / sein Ehrgeitz keinen fremden Zunder von nöthen hätte. Also ward die gefährliche Kriegs-Flamme zwischen dem Könige Marbod und den Römern /welche nunmehr alle ihre Kräfften wieder die den Marbod / als Uhrhebern ihres Aufstandes / verfluchenden Pannonier und Dalmatier anwehreten / durch die Vollkommenheit eines Frauen-Zimmers in der ersten Geburt getödtet; und zwar mit so viel mehrerm Wunder; weil in dem Zanck-Apffel der Schönheit sonst selten Kerne stecken / woraus die Oelzweige des Friedens wachsen; und das weibliche Geschlechte so offt Zwietracht in Ländern / als Zwillinge im Kind- Bette gebiehret. Als Tiberius und Marbod nun so friedliche Handlung pflegten / bemühte sich auch Silius den Fürsten Segesthes mit dem Hertzoge Herrmañ zu vereinbaren; und diesen in Freyheit zu setzen. Alleine Segesthes erzeigte sich hierrinnen so hartnäckicht: daß kein Einreden etwas verfieng; weil er die dem Herrmann angethane Beleidigung selbst für so groß erkennte: daß er sie ihm sein Lebtage nicht verzeihen weniger vergessen könte. Also ist die Boßheit im Anspinnen der Laster blind / wenn sie selbte aber ausgemacht hat / taub; in dem sie keinen vernünfftigen Rathschlägen / sondern alleine der Anklage ihres Gewissens / welches ihr von nichts / als Rache predigt / Gehöre giebt. Nach dem auch Silius auf Dräuungen verfiel; kam Segesthes auff diese eusserste Entschlüssung: daß er den Hertzog Herrmann heimlich hinrichten / und mit ihm den Stein des Anstosses aus dem Wege räumen wolte. Denn die Grausamkeit hält ins gemein für sicherer / sein Verbrechen durch ein noch grösseres / als durch Tugend auszuwetzen; weil ein Laster mit dem andern eine Verwandschafft /mit der Tugend aber eine ewige Zwietracht hat. Zu welchem Ende er auch bereit dem Wund-Artzte ein vergifftetes Pflaster eingeantwortet hätte um solches dem Cheruskischen Hertzoge aufzulegẽ; welches aber dieser aus Verdacht zuvor einem Hunde aufband / und nach erkundigtem Giffte wegwarff; weil er ein Werckzeug so eines schändlichen Meuchel-Mords zu seyn Abscheu trug. Hierüber lieff Segesthen die Nachricht ein: daß nicht nur die Cherusker und Catten / die vom Hertzoge Segimer und der Fürstin Rhamis seine Gefängnüs erfahren hatten / in das Gebiete der Caßuarier eingefallen wären / und sich der fürnehmsten Oerter bemächtiget / sondern auch Segesthens Gemahlin Sentia und seinen Sohn Siegesmund gefangen bekommen / und um hierdurch Herrmanns Freyheit zu erwerben dem Hertzoge Ingviomer eingelieffert hätten. Wordurch Segesthes allererst gezwungen ward durch den Silius die Auswechselung des Hertzog Herrmanns abzuhandeln; welcher gegen[1300] den Silius / weil Segesthes selbst aus Schamröthe über seiner Beleidigung vom Fürsten Herrmann sich zu beurlauben Bedencken trug / sich erklärte: er wüste zwar: daß Segesthes ihn auffs ärgste anzufeinden nicht ablassen würde; weil es der Beleidiger Eigenschafft wäre den Beleidigten gram zu seyn / und der unverdiente Haß der hefftigste wäre; er wolte aber aus Liebe des Vaterlandes nicht nur alle Rache / sondern alles Unrecht vergessen / und ein Beyspiel seyn: daß nicht alle den hassen / welchen sie vorher fürchten müssen. Sintemahl er für eine Pflicht grosser Gemüther hielte nicht allein denen guten / und Freunden / so lange sie diß sind / wol zu thun; sondern auch den Bösen und Feinden / damit sie es zu seyn auffhören.

Hertzog Herrmann war kaum aus seinem Gefängnüße zu Henneberg erlediget / und von fünffhundert Cheruskischen Edelleuten / welche hingegen Segesthens Gemahlin und Sohn eben so viel Caßuariern an dem Fulde-Strome aushändigten / angenommen / als zwey tausend Marckmännische Edelleute zu Henneberg ankamen die Fürstin Thußnelde abermahls dem Könige Marbod zuzuführen; Worvon Hertzog Herrmann in seinem ersten Nachtläger durch einen Cattischen Edelmann Nachricht bekam. Worüber er so bekümmert ward: daß er seine Freyheit mehr für Verlust / als für Gewinn schätzte. Er trug seinen Kummer seinen Cheruskern vor; welche zwar diese Fürstin aus der Marckmäñer Händen zu reissen ihr Leben und Blut feil boten; aber die kaum erlangte Freyheit ihres Hertzogs auffs neue in so augenscheinliche Gefahr zu setzen beym Vaterlande für unverantwortlich hielten; sonderlich weil Herrmann mit anbrechendem Tage Kundschafft bekam: daß noch zweytausend Caßuarier Thußnelden biß an den Fichtelberg / den Vater vier berühmter Flüsse / begleiten soltẽ / alwo der Ritter Bercka mit zehntausend Marckmännern sie zu bewillkommen fertig stünde / und der Aufbruch den andern Tag geschehen solte. Hertzog Herrmañ hingegen sagte: Er müste gestehen: daß mit so kleiner Macht der zehnmahl grössern eine Beute abzuschlagen nicht ohne Gefahr zu seyn schiene. Alleine / alle Gefährligkeiten auffs Gewichte legen wäre nur eine Klugheit der Verzagten; und also sein Vorsatz zu sterben / oder die zu erobern / ohne welche sein Leben ihm ohne diß eitel Verdruß seyn würde. Hiermit bewarb er sich um etliche Schützen / die des Gabretischen Gebürges Gelegenheit wol wusten / und ihn mit seinem Volcke durch allerhand bedeckte Wege gegen Sud-Ost dahin leiteten / wo allem Vermuthen nach die Marckmänner mit Thußnelden ihren Rückweg nehmen würden. Nach zweyen Tagen theilte er seine Cherusker in zwey Theil / er selbst stellte sich an einen verdeckten Ort nahe an einen durch den Meyn gehenden Furth /wodurch eines ihm in die Hände fallenden Marckmannes Berichte nach / folgenden Tag zur rechten Hand des Flusses Thußnelde folgen solte. Daher er daselbst ausruhete / und auf denen Tannen-Gipffeln fleißige Schild-Wache halten ließ. Den andern Hauffen setzte er unter dem Grafen von Lingen über den Strom zur lincken Hand. Den dritten Tag zwey Stunden nach der Sonnen Aufgange kam vom Lingen /Roßwurm / ein Cheruskischer Ritter mit verhengtem Zügel zum Hertzoge Herrmann / ihn berichtende: daß eine viertel Meilweges von seinem Stande er ein Schlagen zwischen etlichen tausend Mann wahrnehme; Und hätten zwey seiner auf Marckmännische Art gekleidete Reuter / die er auf Kundschaft sich selbten nähern lassen / für gewiß berichtet: daß sie darunter Cherusker erkeñt hätten. Herrmann ließ ihm alsofort befehlen: daß er den Ritter Gnesebeck mit hundert Pferden dahin gehen und die Gewißheit erforschen lassen solte. Er hatte aber kaum diesen abgefertiget; als seine Wache ihm von einer Tanne die Nachricht gab;[1301] die Marckmänner wären mit drey starcken Hauffen keine Viertelstunde mehr entfernet; und folgeten diesen etliche bedeckte Wagen. Daher Herrmann sich nicht allein mit den Seinigen rüstete / sondern auch den Graff Lingen mit Zurückziehung des Ritters Gnesebeck wol auff der Hute zu seyn warnigen ließ. Der Hertzog blieb hinter einem püschichten Hügel gantz stille stehen / biß der dritte Hauffen an den Furt kam / und er den Vordrab mit seinen Cheruskern über dem Meyne schon ins Gefechte kommen hörte. Hiermit fiel er dem dritten Hauffen so unversehens in Rücken: daß das letzte Glied sich ehe durch die Cheruskischen Lantzen durchbohret fühlte / ehe die Marckmänner ihren Feind zu Gesichte kriegten. Der Feldhauptmann Bercka / der diesen von sechs hundert Marckmännischen Edelleuten bestehenden Hauffen selbst führte / und mit einem Theile schon in dem Flusse war / wolte sich zwar schwencken; aber so wol die Enge des Furths / als die Höhe des Ufers verhinderte es; und gab denen Cheruskern Zeit inzwischen mit der andern Helffte dieses Hauffens fertig zu werden; in dem der Blitz der Cheruskischen Schwerdter / und fürnehmlich des einen Löwen abbildenden Herrmanns sie bald von Anfang in Unordnung brachte / und theils sie seiner Liebe und Rache abschlachtete / theils sie auch über Hals und Kopff in den Strom trieb. Wie nun wegen Vortheilhafftigkeit dieses Ortes Herrmann sich denen Marckmännern / ob schon der mitlere Hauffe gleichfalls zurück kommen war / genungsam gewachsen sahe / schickte er unter dem Ritter Maltzan hundert Cherusker / um sich der Wagen /und darinnen Thußneldens zu versichern; durch welche funffzig darbeystehende Caßuarische Ritter nach einem kurtzen Gefechte in die Flucht gebracht / und darmit Thußnelde in Freyheit gesetzt ward. Sie sprang mit tausend Freuden aus dem Wagen / als sie das siegende Theil für Cherusker erkennte. Wie diese ihr aber gar Hertzog Herrmanns Gegenwart andeuteten /wuste sie weder ihr Glücke / noch die seltzamen Schickungen des Verhängnüßes zu begreiffen; hielt also ihre Erlösung nicht so wol für eine wahrhaffte Begebnüs / als für eine süsse Einbildung eines Träumenden. Ihre Freude aber ward ihr nach wenig Augenblicken versaltzen / als sie mehr / als tausend Cassuarier spornstreichs gegen die hundert Cherusker und sie / anrennen sah. Daher Ritter Mettich sie im Nahmen seines Hertzogs beschwur: Sie möchte ohne Zeitverlierung; weil sie sich um einen vortheilhafftern Stand zu bekommen gleichfalls zurück ziehen müsten; in dem Walde auff dem Berge dieses für sie allein geschehenden Streites auswarten. Welchem sie denn mit Ergreiffung eines auff der Erde liegenden Helms und Schwerdtes eines erlegten Caßuariers Folge zu leisten gezwungen ward. Inzwischen traffen nicht nur die Caßuarier auf die sich zwischen das Gehöltze zurück gezogenen Cherusker; sondern der Feldhauptmann Bercka / der seinen Kopff ohne Thußnelden nicht nach Hause zu bringen getraute /hatte mit fünfhundert Marckmännern an einem andern Orte über den Strom zurücke gesetzt; und gieng dem Hertzog Herrmann / welcher an dem ersten Furthe gegen die von dem Ritter Sternberg durch den Fluß halb verzweiffelt angeführten Marckmänner alle Hände voll zu thun hatte / in die Seite; und weil der Graff von Lingen mit seinen anderthalb hundert Cheruskern dem gantzen ersten Hauffen begegnen muste /nach dem Gnesebeck für der Zurückruffung schon mit dem fremden Feinde verwickelt war / gieng an allen Orten das blutigste und hartnäckichste Treffen an. Wiewol nun die an allen dreyen Orten mehr als achtfach schwächern Cherusker den Abgang durch ihre Tapfferkeit zu ersetzen sich mühten / der großmüthige Herrmann auch den streitbaren Bercka zu Bodem rennte und tödtete; ward er doch vom Ritter Kinßke /[1302] einem ansehnlichen und tapffern Marckmännischen Soldaten / so hefftig in den Nacken verwundet: daß er von häuffiger Verblutung kaum die Kräfften auff dem Pferde zu bleiben / und sich gegen die ihn anfallenden zu beschirmen behielt. Wenig Cherusker waren auch /die nicht drey oder mehr Wunden bekommen hatten; Bodendorff / Bardeleben / Meysenburg / Spiegel /Kampen / Mingerode / Heym / Reden / Buren / Bodenhausen / Zwydorn / Hermßdorff / und über sechzig andere hatten schon auch ihren Helden-Geist / wiewol nach Aufopfferung wol siebenmahl so vieler Feinde ausgeblasen. Die übrigen Cherusker waren so im Gedrange: daß sie schienen verlohren zu seyn; als dem Grafen von Lingen Gnesebeck mit fünffhundert Cheruskern zu Hülffe / wie auch ein ander unbekandter Ritter mit tausend Hermundurern an den Meyn-Furth kam / und dem Ritter Sternberg in Rücken gieng; also dem in der eussersten Noth steckenden Herrmann auf der einen Seite Lufft machte. Wenige Zeit darnach schwemmeten andere fünffhundert Cherusker oberhalb / und so viel Hermundurer unterhalb über den Meyn / wormit sich das Blat an allen Orten wendete /indem nicht nur der rings herum besetzte Malzan erlöset / die Caßuarier auch in die Flucht getrieben; sondern die Marckmänner von dem Hertzog Herrmann /dem Führer der Hermundurer / und dem Grafen von Lingen an dem Flusse in die Mitte eingeschlossen /und biß auf wenig sich in das Gebürge Flüchtende und dreyhundert Gefangene niedergemacht wurden. Als nun alles vorbey / Hertzog Herrmann aber / ob ihm diese Hülffe vom Himmel gefallen wäre / bekümmert war / sonderlich / weil die Hermundurer ja des Königs Marbod Unterthanen waren / kam ihr Führer /nahm den Helm mit sonderbarer Ehrerbietung gegen den Cheruskischen Hertzog vom Haupte; welchen er denn für den vertriebenen Fürsten der Hermundurer Jubil erkennte / und als seinen vertrauten Freund und Nothhelffer vertraulich umarmte; wordurch ihm deñ ein genungsames Licht aufgesteckt ward. Sintemahl ihm gar wol bewust war: daß dieser vom Marbod seines Landes entsetzte Fürst / bey der zwischen den Marckmännern und Römern sich entspinnender Zwietracht / zwey tausend vertriebene Hermundurer / nebst tausend freywilligen Cheruskern zusammen gezogen /und dem Tiberius wieder den Marbod beyzustehen sich biß an die Donau gezogen hatten. Worauf nunmehr Jubil erzehlte: daß als er nach dem zwischen dem Tiberius und Marbod gemachten Vergleiche seinen Weg wieder in Nieder-Deutschland hätte nehmen wollen; er nicht nur diesen Tag das Glücke gehabt gegen den Hertzog Herrmann die unvergeltbare Wolthat seiner Aufnehmung / nach dem sonst die Unglückseligen keine Freunde oder Bekandten zu haben pflegten / durch einen geringen Beystand zu vergelten; sondern auch seinem Tod-Feinde sein werthestes Kleinod abzunehmen / und darbey ein paar tausend Marckmännern das Licht auszuleschen; welches beydes ihm zu zeigen er den Hertzog Herrmann über den Meyn auff die über und über mit Leichen bedeckte Wallstatt führte / und daselbst ihm die von tausend Hermundurern und Cheruskern verwahrte Fürstin Adelgund des Marbods Tochter / als eine Gefangene zeigte; auch den Ritter Gnesebeck wegen seiner Tapfferkeit rühmete. Hertzog Herrmann / welcher auff Maltzans Bericht inzwischen seine Thußnelde wieder aus dem Walde zu suchen Befehl ertheilt hatte / erzeigte der Fürstin Adelgund alle Höfligkeit / und ein Mitleiden über ihrem Unglücke; welches sie nach Vernehmung / wer er wäre / mit einer besondern Anmuth / und ohne das geringste Merckmahl einiger Furcht oder Schreckens annahm / auch auff Befragen ihm Nachricht gab: daß sie Marbod mit drey tausend Marckmännern der Fürstin Thußnelde biß an den[1303] Meyn entgegen geschickt / von denen Hermundurern aber / welche sie anfangs für den Auffzug Thußneldens angesehen hätten / angefallen und geschlagen / sie aber gefangen worden wäre. Der Streit hätte fast zwey Stunden an gleicher Wage gehangen; es wären aber zuletzt hundert Cherusker den Marckmännern aus dem Walde so unvermuthet in Rücken gefallen: daß diese hierüber in Schrecken und bald darauf in die Flucht gerathen. Sie wüste zwar nicht /wer der feindlichen Hermundurer Heerführer wäre; sie getröstete sich aber durch eines so grossen Fürsten Vorbitte ein gnädiger Auge / als anfangs von ihm zu erlangen; und daß man sie als eine Fürstliche Gefangene halten würde; weil doch auch im Kriege das Frauen-Zimmer / wo nicht einen Vortheil zu haben /doch ein Mitleiden zu erbitten verdiente. Hertzog Herrmann ersuchte hierauf den Fürsten Jubil: daß er seine Gefangene wol unterhalten lassen möchte; weil es nicht nur ihre Tugend werth zu seyn schiene / sondern auch Thußnelde die von ihr genossene Freundschafft bey ihrer Gefangenschafft hoch gerühmet hätte. Jubil erklärte sich darauff: Er hätte zwar seinen Tod-Feind und Vater-Mörder Marbod so sehr zu hassen Ursache: daß er auch in seiner Tochter Blute die Hände zu waschen sich berechtigt hielte: und diß im ersten Eyver auszuüben nicht ungeneigt gewest wäre; weil die wieder seinen Oberherrn ausgeübte Verrätherey auch auf die Kinder das Rach-Schwerdt abweltzte; alleine seines so grossen Wolthäters Begehren vermöchte bey ihm alle Empfindligkeit auch gegen den Marbod selbst auszutilgen. Sintemahl die / welche die Rache der Göttlichen Gerechtigkeit heimstellten /ihrer Feinde Unglück auf Wucher anstehen liessen; in dem ihr mißbrauchtes Mord-Eisen so sehr / aber gerechter nach des Mörders / als dieser vorher nach fremdem Blute gedürstet hätte. Wiewol es auch das Ansehen zu haben schiene: daß er durch dieses herrliche Pfand seiner einigen Tochter dem Marbod ein Theil seines abgedrungenen Landes abtrotzen könte; so wäre doch auf diese Hoffnung wenig zu anckern; weil die Begierde zu herrschen auch die hefftigste Kinder-Liebe ersteckte. Diesemnach er denn Adelgunden nicht besser anzugewehren wüste / als wenn sie der Cheruskische Hertzog von ihm für ein Geschäncke anzunehmen würdigen wolte. Hertzog Herrmañ nahm diß zu Danck an; und nach dem sie allerseits zurücke über den Meyn gesetzt / die Fürstin Thußnelde aber noch nicht gefunden hatten / ließ ihm Herrmann seine Wunden verbinden / und nicht erwehren: daß er / wiewol schon bey anbrechender Nacht selbst ins Gebürge ritt; und als er nicht weiter reiten konte / an den Klippen hinauff kletterte / nach dessen Beyspiele das Gabretische Gebürge mit unzehlbaren Fackeln und dem Geschrey der Cherusker erfüllet ward; welche weder die Stille und Finsternüs der Nacht / noch die verborgenen Hölen der Berge die so sehr gewünschte Thußnelde wolten verstecken lassen. Hertzog Herrmann hatte mit dem Steigen und Ruffen sich so abgemattet: daß er einem von ferne rauschenden Wasser / um sich darmit zu erquicken / sich nähern muste; wie ihn denn ein unversehens gefundener Fußsteig zu einer von lauter in einander geflochtenen Wurtzeln derer darüber stehenden Bäume artlich gemachten Höle leitete / in welcher aus einem gespaltenen Felsen zwey sytarcke Quelle herfür schossen. Wie nun Herrmann sich zu dem einen bückte daraus zu trincken / ward er mit dem einen Arme gewaltsam zurück gezogen; massen er denn auch sich umwendende ein alle menschliche Grösse übersteigendes Weibes-Bild hinter sich an den Stein-Felß angelehnet zu Gesichte bekam. Herrmann entsetzte sich zwar; iedoch erholte er sich bald wieder / und fragte: warum ihm zu trincken verwehret würde? Diese antwortete: weil der / welcher vom Verhängnüße zum Erlöser des schon halb dienstbaren Deutschlandes erkieset[1304] ist / mit diesem gifftigen Wasser sich nicht beschädigen solte. Er könte sich aber sicher aus dem andern gesunden Brunnen erquicken. Herrmann folgte dieser Anweisung; und nach dem er drey starcke Trincke gethan /weil dieses Quell ihn etwas kräfftigers / als gemeines Wasser zu haben bedeuchtete / fragte er: wer sie wäre? und woher sie ihn für einen Erhalter der deutschen Freyheit erkennete? Sie meldete hierauf: Ich bin der Schutz-Geist des Gabretischen Gebürges; und so gut ich weiß: daß du der Cherusker Hertzog bist; der du hier deine verlohrne Braut suchest / so wenig ist mir auch das erste verborgen; und du wirst meine Wahrsagung auch bey dem Tanfanischen Tempel in Felsen eingeschrieben finden. Kehre um / und säume dich nicht / wo du deine geraubte wieder zu haben verlangest. Nach diesen Worten verschwand diß Gespenste für Herrmanns Augen; welchem die Haare hierüber zu Berge giengen; Gleichwol machte er sich mit seinem brennenden Kyne zurücke / und erreichte mit anbrechendem Tage das inzwischen vom Fürsten Jubil geschlagene Läger. Er ließ aber alsofort ein Zeichen denen in dem Walde umbirrenden Cheruskern geben sich wieder einzufinden; und erzehlte dem Fürsten der Hermundurer zu seiner nichts minder grossen Freude / als Verwunderung sein seltzames Ebentheuer. Jubil selbst rieth: daß sie der so denckwürdigen Anleitung des Verhängnüßes / welches auch die blinden durch die gefährlichsten Strudel und die verführischen Irrwege gerade zu leitete / folgen / und mit denen schon in Bereitschafft stehenden Völckern forteilen solten. Nach dem sie nun ihren Kriegs-Obersten den Nachzug anbefohlen / giengen beyde Hertzoge mit zweytausend außerlesenen Kriegs-Leuten voran; als sie aber etwan fünff Meilweges hinter sich gelegt /ereilte der Vordrab einen Hauffen Flüchtiger aber meist gefährlich verwundeter Cassuarier / unter denselben war ein eyßgrauer alter Ritter / der zwar für die Hertzoge gebracht ward / aber für übermäßigen Thränen kein Wort aufzubringen wuste. Nach dem ihm aber Hertzog Herrmann überaus gnädig zusprach /und daß er zwar nicht als ein Gefangener / sondern seinem Ritterstande gemäß verhalten werden solte /vertröstete; fieng er an: Sein eigen Unglück wäre sein geringster Kummer; in dem er unter denen itzt zwistigen Hertzogen nicht wüste / wen er ihm zu seinem Herrn auslesen solte; weil er von väterlicher Ankunfft zwar Ketteler ein Chassuarier / von der mütterlichẽ ein Cherusker; ja diese zwey hohen Häuser nicht nur aus einer Wurtzel entsprossen; sondern iederzeit auch mit einander höchst verträulich gewest wären. Nach dem er aber zwischen ihnen itzt eine solche Verbitterung verspürte / und Segesthes seine Tochter lieber den Feinden Deutschlands / oder gar der Höllen aufzuopffern / als einem so tapfferem Fürsten wie der Cheruskische wäre / zu vermählen gedächte; diese Zwietracht aber nichts anders / als eine Mutter beyderseitigen Untergangs seyn könte; wolte er mit seinen Thränen ihm vorher die Augen ausbeitzen: daß sie an denen bereit schon vorgesehenen Trauer-Fällen nicht mehr Hertzeleid anschauen müsten. Hertzog Herrmañ lobte seine wolgemeinte Empfindligkeit; bemühte sich aber ihm die so traurige Einbildung durch Vertröstung: daß Hertzog Herrmañ mit Segesthen alle Augenblicke ihre Zwistigkeit brüderlich beylegen wolte / auszureden. Dieser gute Alte seufzete / wendete die Augen gegen den Hi el / und fieng an: Wolte Gott! dieses erfolgte also. Und wenn Hertzog Herrmañ diese Meynung hat / wünsche ich: daß er Segesthens Tochter ehe ereile / ehe sie ihrem Vater wieder in die Hände ko t! Hertzog Herrmann fuhr fort meldende: Er solte an dem erstern keinen Zweifel tragen /wegen des letztern aber ihnen klärere Nachricht geben. Der Ritter antwortete: Ich habe gesagt / was ich weiß; ihr habt die gebähnte Strasse für euch / darauf man Thußnelden nach[1305] Heñeberg wieder gefangen führt; und beja ere ich am meisten: daß ich so unglückselig gewesen mich ihrer in dem Gabretischen Walde zu bemächtigen / nach dem bereit drey gewafnete Cassuarier von ihrer Hand gefallen waren. Beyde Hertzoge verfolgten Spornstreichs ihre Reise; erreichten aber allererst gegen Abend etwan dreyhundert Cassuarier / welche iedoch keinen Stand hielten / sondern sich auff die Flucht begaben; also: daß die berittensten Cherusker kaum zwey Cassuarier einholeten; welchen mit genauer Noth auszupressen war: daß die Fürstin Thußnelde ungefähr eine halbe Meilweges voran wäre / und daselbst / weil sie wegen Schwachheit nicht ferner zu bringen; die Pferde auch auffs eusserste abgemattet wären / auf einen festen Berg Schlosse übernachten; sich auch die flüchtigẽ Cassuarier daselbst wieder zusa en ziehen würden. Hertzog Herrmañ wolte bey solcher Bewandnüs seine müden Cherusker nicht einst verblasen lassen / aus Beysorge, die zu letzt geflüchteten würden seinen Anzug verrathen / und Thußnelden weiter zu führen veranlassen. Weßwegen auch die / welche noch am besten beritten waren / um dieser besorglichen Entrinnung vorzubeugen voran hauen musten; welche denn zu allem Glücke auch gerade dahin gelangten / als die Cassuarier mit Thußnelden den Schloßberg herab kamen; nach erlangter Kundschafft aber: daß die Cherusker schon unten im Thale stünden / sich wieder hinein zohen. Wiewol nun beyde Hertzoge dieses Schloß rings um auffs beste besetzten; konten sie doch nicht hindern: daß nicht Segesthes / welcher nur fünff Meilweges davon Hof hielt / noch selbige Nacht hiervon Nachricht erlangte. Folgenden Tag kamen vollends die Hermundurer und Cherusker an. Daher die Hertzoge sich zu einer rechten Belägerung mit Umschantzung des Lägers und Fertigung des Sturmzeuges rüsteten; zumahl folgenden Tag die Kundschafft einlieff: daß Segesthes alles / was Waffen tragen könte / in seinem Gebiete aufbieten ließ. Wiewol nun das Schloß nur einen einigen in eitel Felsen gehauenen Weg hatte / brachten doch die Cherusker den fünfften Tag zwey Sturm-Balcken an; mit welchen sie / ungeachtet die über tausend darinnen belägerten Cassuarier mit ausgeworffenem Feuer / Steinen und Pfeilen ernste Gegenwehr thaten / zwey Thürme in Tag und Nacht derogestalt zerschmetterten: daß sie über einen Hauffen fielen / und mit ihrem Grause die Gräben fülleten; also zum Stürmen einen bequemen Zugang machten. Welches denn auch erfolgt wäre /wenn nicht die Cassuarier ein Zeichen des Friedens ausgesteckt hätten. Worauf auch alsofort drey edle Cassuarier Prabeck / Voße und Amelunx zum Hertzog Herrmann heraus kamen / an statt der verhofften Ergebung aber ihm Segesthens eigene Hand vorlegten / darinnen er dem obersten Befehlhaber im Schlosse Aschenbruch bey Verlust seines Kopffes und Ehren befahl / sich auffs eusserste zu wehren / und des Entsatzes ihn unfehlbar versicherte. Im Fall aber es so weit käme: daß er an längerer Erhaltung der Festung zweifelte; solte er Thußnelden / als einen Brand / der schon so viel Feuer angezündet hätte / und noch gantz Deutschland einäschern würde / ausleschen / und ehe von den Klippen herab stürtzen / als lebendig in Herrmanns Hände lieffern. Hertzog Herrmann hielt durch diese Abgeschickten dem Schloß Obersten zwar ein: was für unmenschliche Grausamkeit Segesthens Befehl in sich begrieffe; und daß auch ein Knecht in solchen Befehlen / die den Gesetzen der Natur wiederstrebten / seinem Herrn zu gehorsamen nicht schuldig wäre. Dieser aber ließ den Hertzog zur Antwort wissen: Es stünde keinem Untergebenen zu sich so verständig bedüncken zu lassen: daß man über seines Fürsten Verordnung: ob selbte recht oder unrecht wäre / urtheilen könte. Denn das Urtheil wäre ein Werck des Obern; der Gehorsam aber die Ehre der Unterthanen.[1306] Und da ein Schiff-Hauptmann sein Schiff ehe in Brand zu stecken / und sich selbst ehe aufzuopffern / als ein Raub des Feindes zu werden verbunden werden könte; wie viel mehr wäre er schuldig die hinzurichten / derer Leben und Tod ohne diß in der Willkühr seines Gebieters stünde. Nach dem dieser nun von seinen Gedancken nicht zu bringen war / wie beweglich ihm man gleich einhielt: daß die Ausliefferung Thußneldens / mit welcher man sich sonder Ergebung des Schlosses bestillen wolte / nicht nur eine ruhmwürdige Erbarmung über diese tugendhaffte Fürstin wäre; die als eine Rose auff ihrem mütterlichen Stengel von so schmertzhafften Dornen zerstochen würde / und davon entfernet zu werden wol verdiente / sondern auch der gemeinen Ruhe Deutschlandes vorträglich / wiedrigen Falls aber die Festung eine blutige Grabestatt der Belägerten seyn würde; schlug Hertzog Jubil für: Er möchte Thußnelden ihm ausfolgen lassen / welches er wegen des nur gegen den Fürsten Herrmann empfangenen Verbots ohne Verantwortung eingehen könte / zumahl er ihm angelobte / Thußnelden nicht dem Cheruskischen Hertzoge / sondern dem Fürsten Segimer Segesthens eigenem Bruder auszuantworten. Aber ebenfalls vergebens; in dem er antwortete: dieser Vorschlag wäre ihm / als einem Kriegs-Manne zu spitzsinnig; Daher Herrmann aus Eyver diesem hartnäckichten die ärgste Marter / und einen solchen Tod / den er fühlen würde / andräuen / und aus einer ihn überlauffenden hernach selbst bereuetẽ Hitze seine in voller Bereitschafft stehende Cherusker an beyden Orten anlauffen ließ; ihm einbildende: daß die hartnäckichte Erklärung dieses Cassuariers mehr Trotz / als Ernst wäre; in dem die /derer Großmüthigkeit auf der Zunge schwebte / selten viel davon im Hertzen hätten / und die Redner meist Künstler in Worten / nicht in den Wercken wären. Die Cherusker und hierauf die Hermundurer stürmten so erhitzt: daß ungeachtet der tapfern Gegenwehr nach zweyen Stunden die Cherusker auf dem Thore / die Hermundurer auf der innersten Schloß-Mauer ihre Fahnen auffsteckten. Aber diese Siegs-Zeichen verwandelten sich dem Hertzog Herrmann / welcher nahe bey der eingestossenen Mauer sein Volck zum Sturme anleitete / Augenblicks in klägliche Trauer-Binden. Denn er sahe aus einem Thurme ein Frauenzimmer herab stürtzen / welches er für kein anders / als seine Thußnelde halten; und daß selbte über die gähen Felsen in tausend Stücke sich zerschmettern müste /muthmassen konte. Dieses Schrecken verbitterte ihn so sehr: daß er seinen Hinterhalten vollends nachdringen / und befehlen ließ: die Cherusker solten keine Seele von den Mördern seiner liebsten Thußnelde leben lassen. Er selbst aber eilte mit etwan hundert Mann gegen die Klippen / worüber Thußneldens Abstürtzung geschehen war. Wie nun aber im Grunde nichts von ihr zu spüren / kletterte er mit der Seinigen und der verhandenen Sturm-Leitern Hülffe an den Felsen hinauff biß an den Thurm / da er denn zu seiner höchsten Verwunderung Thußnelden schier an der mitlern Höhe des über hundert Ellen hohen Thurmes gleichsam klebende fand; in dem sie mit ihrem von der Lufft auffgefacheten Rocke an einem spitzigen Felsen hängen blieben / mit den Händen eine aus den Steinen ragende Baum-Wurtzel im herab fallen ergrieffen / und nicht sonder augenscheinlichen Beystand Gottes sich so lange daselbst angehalten / also dardurch bewehret hatte: daß Fürsten gantz absondere Schutz Geister / und in sich einen ungemeinen Einfluß von auch Fürstlichen Sternen zu ihrer mehrmahls unglaublichen Erhaltung haben müsten. Hertzog Herrmann ließ alsbald zwey Leitern / weil keine allein zu dieser Höhe langte / zusammen binden; und nach dem der abschüßige Felß keine sichere Aufsetzung der Leitern verstattete / selbte mit Stricken unten umfassen / und die Cherusker auf der Seite[1307] gleichsam schwebende halten. Er selbst aber stieg oder flog vielmehr die Leiter hinauff / und hob Thußnelden darauf /welcher Hände schon gantz verschwartzt / und kaum wenig Augenblicke sich mehr zu erhalten geschickt waren. An statt der nunmehr entbundenen Hände / erstarrten alle ihre Glieder / als sie ihren liebsten Hertzog Herrmann für sich sah / und ihn abermahls für ihren Erlöser erkennete. Ja auch ihre Zunge war unbeweglich; nur die Augen zeigten ihre Lebhafftigkeit mit denen daraus fallenden Thränen an. Hertzog Herrmann selbst konte entweder für Mitleiden / oder für Freuden sich derselben nicht mäßigen; und gab darmit an Tag: daß die Augen der Helden nichts weniger in sich Wasser der Empfindligkeit / als Felsen Quelle haben. So bald sie nun beyde von dieser gleichsam in der Lufft hängenden Leiter auf die feste Erde sich begeben hatten / umarmete der gleichsam auffs neue lebendige Herrmañ seine Thußnelde / welche ihn aber erinnerte: daß selbige Zeit unauffschieblichere Dinge zu erörtern hätte. Wie dieser nun: worinnen solche bestünden / fragte; antwortete sie: daß er in dem eroberten Schlosse der besorglichen Blutstürtzung ein Ende machte. Denn ob zwar die Belägerten ihn beleidiget hätten / bäte sie doch zu erwegen: daß diese Beleidigung ein Gehorsam gegen ihren Fürsten; und sie alle ihre Landes-Leute wären. Hertzog Herrmann eilte hiermit geraden Weges in das von Blut allenthalben besprützte Schloß; welchem denn Thußnelde selbst auff der Fersen folgte / und durch ihre Vorbitte zu wege brachte: daß der Hertzog niemanden mehr zu tödten / alsofort ein Kriegs-Zeichen geben ließ. Wie nun bey nahe die Helffte noch gefangen ward; also brachten Böltzig und Tecke / zwey Cherusker den Schloß-Hauptmann Aschenburg in Band und Eisen für den Hertzog dem sie den auff sich selbst gezückten Degen ausgewunden / und um ihn zu einer grössern Pein aufzuheben zu sterben verwehret hatten. Dieser fiel gantz verzweiffelt für dem Hertzog Herrmañ und Thußnelden nieder; entweder / weil er itzt allererst seine bey ihrer Herabstürtzung ausgeübte Grausamkeit erwog; indem alle Laster nach ihrer Vollbringung nach Art des in die Lufft kommenden Stein-Saltzes vielmahl schwerer im Gewichte werden; oder / weil er nicht zu begreiffen wuste: wie diese mit seiner eigenen Hand herab gestürtzte Fürstin nicht nur unzerschmettert / sondern lebendig / ja gantz gesund seyn könte. Er konte zwar für Schrecken kein Wort auffbringen; aber seine zitternde Glieder redeten sie deutlich genung um Erbarmnüs an; biß seine stammelnde Zunge endlich eine Bitte um keinen langsamen Tod halb zerbrochen ausschüttete; ja sich selbst so vielmehr verdammete; weil ihm Hertzog Herrmann in Rom wegen eines Kriegs-Verbrechens das Leben geschenckt; Er auch diesen Ausschlag leicht hätte vermuthen können; weil die Gerechtigkeit der Waffen auf Seiten der grösten Tapfferkeit der Welt mit diesem Uberwünder gestanden wäre. Hertzog Herrmann antwortete ihm mit einer ernsthafften Gebehrdung: wer das vergangene vergist / das gegenwärtige nicht wahrnimmt / das künfftige verachtet / ist des Lebens nicht werth. Denn der weiß nur zu leben / der aller dreyer Zeiten-Genüß durch Erinnerung geschehener / durch tugendhaffte Anwehrung gegenwärtiger / und kluge Vorsehung künfftiger Dinge nicht verabsäumet. Der aber verdient nicht einst die Ruhe des Todes zu genüssen / der der Unschuld Leben bitterer macht / als der Tod an sich selbst ist. Und daher solstu nicht leben / noch auch sterben; sondern die Wermuth von beyden auff einmahl schmecken. Die mitleidende Thußnelde sagte zwar kein Wort / ihr einiger Anblick aber war ein so beredsames Stillschweigen / und hatte in sich eine so lebhaffte Vorbitte: daß er ihr die Willkühr über sein Leben und Tod enträumete. Welche denn hierauff sich erklärte: Sie wolte ihm die völlige Freyheit schencken;[1308] weil sie ohne diß dem das Leben zu nehmen nicht befugt wäre / das er vom Hertzog Herrmann / als dem Gebieter ihrer Seele / schon einmal zum Geschencke bekommen hätte. Dieser schon halb-todte ward hierdurch auffs neue beseelet / Herrmann aber veranlasset: daß er alle Gefangene von Stund an frey / seine wenige Todten aber herrlich beerdigen / und der Verwundeten in dieser besetzten Festung wol pflegen ließ. Den dritten Tag darauff erhielt Herrmann und Jubil die Nachricht: daß Segesthes sich mit zehntausend Galliern verstärckt / und bey Henneberg ein Läger geschlagen / auch an der Werra und der Fulde ihnen alle Pässe verhauen und besetzt hätte. Wenig Stunden darauff fand sich ein Römischer Edelmann beym Hertzog Herrmann mit Schreiben aus Meyntz vom Quintilius Varus ein; darinnen er ihn versicherte: daß der Kayser die vorhabende Heyrath Marbods und Thußneldens nicht / wol aber Hinderung dieses verdächtigen Beginnens und die Demüthigung des undanckbaren Segesthes billigte / derowegen er auff den Nothfall dem Fürsten Herrmann hülffbar beyzuspringen nicht vergessen würde. Herrmann / ob er wol dieser Verträuligkeit des schlimmen Varus wenig zutraute / fertigte doch diesen Römer mit Geschäncken und mit vielem Wort-Gepränge seiner Verbindligkeit halber gegen den Kayser und Varus ab. Denn solche Anstellung ist ein ehrbarer Betrug der Fürsten wieder die Betrüger; und also nicht nur zuläßlich / sondern nöthig. Dieser war kaum abgefertigt / als beyde Hertzoge den Segesthes des Nachts zu überfallen schlüßig wurden; und mit dem sinckenden Abend ihre Völcker in möglichster Stille gegen Henneberg fortrücken liessen. Denn ob sie zwar sich dreymahl schwächer / als den Feind wusten / trauten sie doch ihrer Tapfferkeit in allem so viel zu: daß sie an nichts einiges Mißtrauen hatten; zumahl ihr voriger Sieg ihrem Volcke so viel mehr Hoffnung / den Feind aber verzagt gemacht hatte / und selbter also ein Werckzeug mehrer Siege zu seyn tauglich schien. Die Cherusker und Hermundurer kamen guter drey Stunden für Tage harte an das Läger / in welchem sich schier keine Mauß nicht rührte; hingegen sahen sie das Schloß in Henneberg von unzehlbaren Lichtern und Fackeln gleichsam lodern; und die hellen Krumb-Hörner erfülleten die Lufft mit einem unauffhörlichen bey denen Gesundheit-Trincken gewöhnlichen Gethöne. Weil nun dieses das wenigere Geräusche verdrückte / ließ Herrmann etliche Cherusker an die Wagenburg kriechen; welche alsofort zwey in so tieffen Schlaff und Trunckenheit versenckte Gallier zum Herrmann schlepten: daß sie nach vielem Rütteln kaum zu erwecken waren. Diese bekennten: daß zwey Fürsten der Gallier nebst den fürnehmsten Kriegs-Obersten beym Hertzog Segesthes zu Gaste / die den Abend vorher mit vieler Kost und Geträncke beschenckten Gallier auch grossen theils truncken wären. Die Hertzoge theilten ihr Kriegs-Volck sonder einige Zeit-Verlierung in vier Theil; mit zweyen ward ins Läger gebrochen / die schlaffenden Wachen niedergehauen / die Wagenburg eröffnet / ehe sich schier ein Mensch in dem Läger rührte / weniger zu den Waffen grieff. Man schlachtete die Gallier gleichsam wie das unvernünfftige und angebundene Vieh ab; biß Hertzog Jubil an das Lager der Chassuarier kam; welche alsofort die Waffen ergrieffen / und denen Hermundurern die Stirne boten. Hierüber ward auch Lermen in Henneberg / und Segesthes nebst seinen von dem Truncke erhitzten Gästen wolten durch das nechste Thor mit dreytausend darinnen liegenden Chassuariern heraus brechen / und denen die Lufft mit erbärmlichem Mord-Geschrey erfüllenden Galliern /welche nun hin und wieder zu der Gegenwehre sich anstelleten / zu Hülffe kommen. Aber Hertzog Herrmann hatte bald im Anfange seines Einbruchs dieses Thor mit[1309] dem dritten Theile der Hermundurer versetzt; also: daß Segesthes eine Stunde lang vergebens heraus zu kommen sich mühte / als inzwischen die Cherusker die Gallier abschlachteten / Jubil aber die Cassuarier im Läger in Verwirrung / hernach in die Flucht brachte. Bey anbrechendem Tage brach Segesthes durch das andere Thor mit zweytausend Mann heraus; aber Hertzog Herrmann setzte ihm nicht allein seinen Hinterhalt entgegen; sondern / weil die Gallier ohne diß schon meistentheils aufgeopffert waren / und der Ritter Stirum mit sechshundert Cheruskern und einer daselbst gemachten Wagenburg das andere Thor genungsam einschloß / gieng er mit fünffhundert Pferden gleichfalls dem Segesthes entgegen; welcher von Wein und Rache erhitzet mehr verzweiffelt / als tapffer fochte / auch bey Erblickung Hertzog Herrmanns gegen ihn sich so weit herfür zückte: daß nach dem dieser seinen Wurffspieß behutsam versetzt / und ihm das Pferd durch einen Schwerdtstreich in Hals getödtet hatte / Segesthes / ungeachtet der Cassuarier ruhmwürdiger Gegenwehr / vom Ritter Bodenstein gefangen; und hierauff die Cassuarier in die Flucht gebracht wurden. Wie nun diese in die Stadt sich flüchteten / Hertzog Herrmann aber mit seinen Cheruskern sich mit ihnen so vermengte: daß es unmöglich war für dieser eindringenden Gewalt das Thor zu sperren; also drang Hertzog Jubil nach gantz überwundenem Lager mit seinen Hermundurern zum andern Thore mit einer gleichmäßigen Tapfferkeit in die Stadt; welche denn nunmehr für denen Uberwündern mit Wegwerffung der Waffen sich demüthigte. Und ob wol das Schloß sich noch zu einer Gegenwehr rüstete; ergab es sich doch folgenden Tag bey verspürtem Ernste des Sturmes als ein solches Glied / welches nach Verlust des Hauptes zwar noch einige Regung / aber keine Geschickligkeit zu vernünfftigen Anstalten hat. In dem Schlosse wurden die zwey Fürsten der Gallier gefangen / und in Segesthens Geheim-Schrancke ein Schreiben des Tiberius und Varus gefunden / derer ersteres dem Segesthes die heimliche oder gewaltsame Hinrichtung Hertzog Herrmanns / und anderer ihm am liechten stehender deutschen Fürsten / mit hochbetheuerlicher Versicherung der deutschen Feldherrschafft auftrug; das andere aber Segesthen wieder den Herrmann mit vielen Schmehungen auffrischte; und daß über die bereit zu seinen Diensten geschickten Gallier ihm auff den Nothfall noch mehr Hülffe zukommen solte. Hertzog Herrmann / welcher Segesthens Abneigung endlich durch die Ubermaaß seiner Wolthaten zu gewinnen vermeinte / und durch seine Beleidigung nicht seine hertzliebste Thußnelde /durch diese aber sein eigen Hertz beleidigen wolte; ließ ihm nicht nur die von etlichen verbitterten Cheruskern und Hermundurern umgelegte Ketten und Fessel abnehmen / und ihn Fürstlich bedienen; sondern auch durch den Fürsten Jubil ihm die augenscheinliche Wiederstrebung des Verhängnüßes in anderwärtiger Verheyrathung seiner Tochter / aus des Tiberius Schreiben seine Mord-Lust; aus den zweyen Brieffen des Varus aber / dieses auf beyden Achseln tragenden Verräthers Arglist und Vorsatz / die Deutschen an einander zu hetzen / für Augen stellen. Die verheissene Hülffe zu der deutschen Feldherrschafft wäre dem Hertzog Herrmann so betheuerlich / als Segesthen versprochen; und ein Angel-Hacken / an welchem alle beyde ersticken solten. Der Römer Absehen wäre: daß die Cassuarier und Cherusker / als zwey gegen einander stürtzende Felsen einander zermalmen / und ihrer einfältigen Bunds-Genossen Hände die gebratenen Kastanien aus den glüenden Kohlen scharren / den Kern aber ihnen zu essen geben solten. Dieses möchte er doch nun einmahl behertzigen; des Cheruskischen Helden auffsteigende Glücks-Sonne durch ferner verweigerte Vermählung[1310] und andere Wiedersetzligkeiten nicht verdüstern; als welcher erbötig wäre ihm nicht nur seine Freyheit und alles abgenommene wieder zu erstatten / sondern auch alle Beleidigung mit dem Schwamme ewiger Vergessenheit auszuleschen. Segesthes / welcher vom Hertzog Herrmañ die grausamste Ausübung der Rache wieder sich besorgt hatte / ward durch die erstere Entbindung zwar etlicher massen aus dem Kummer gesetzt; wiewol die Erkäntnüs seiner Schuld ihm immer im Gedächtnüße /und daher die Beysorge der Straffe noch auff dem Hertzen lag; durch diß letztere Anbieten aber so beschämet: daß er antwortete: Er wäre in wenig Tagen von dem großmüthigen Herrmann zweymahl überwunden worden; aber dieser letztere Sieg übertreffe alle seine vorhergehende. Deñ jene Siege erstreckten sich nur über die eussernchen Glieder; seine Begnadigung aber über sein des Segesthens Gemüthe / ja über sich selbst. Seine Beleidigung überwiege das Gewichte aller Verzeihung; Herrmanns Güte aber übermeisterte auch die Unversohnligkeit selbst. Nichts schlimmers und gefährlichers wäre / als zu dem Bösen einen Zug / und für dem Guten einen Eckel haben; Gleichwol aber hätte er / doch wüste er nicht aus was für Verblendung oder Zauberey / so sehr in der schädlichen Freundschafft der Römer sein Unglück / als die Mücken in dem Feuer ihren Tod gesucht. Ja es hätte an dem Fürsten Herrmann nichts so tugendhafftes geleuchtet; welches er nicht für einen verführischen Irrwisch angesehen. Nunmehr aber erweichte ihm die Leitseligkeit dieses wolthätigen Uberwinders sein eisernes Hertze; und seine Klugheit zündete ihm durch die Gegeneinanderhaltung der Römischen Mord-Schreiben ein soches Licht an: daß er von nun an ihre Gemeinschafft verdammen / und ihre Freundschafft abschweren müste. Wenn ihn Hertzog Herrmann nunmehr würdigte für seinen Schweher anzunehmen / wolte er sich bemühen sein Diener zu seyn. Wenn er ihn aber so gar mit dem Abgewonnenen beschencken wolte würde er ihm hingegen die Herrschafft über sein Gemüthe einräumen. Diese durch den Fürsten Jubil überbrachte Erklärung verursachte bey dem Cheruskischen Hertzoge und Thußnelden eine solche Vergnügung: daß sie bald darauf Segesthen im Zimmer heimsuchten / und die /welche allererst mehr als eine Tod-Feindschafft gegen einander ausgeübt hatten / einander brüderlich umarmten. Ja Segesthes selbst verordnete: daß das Feld bey Henneberg zu einem unausleschlichen Gedächtnüsse der von Hertzog Herrmann darauff ausgeübten Heldenthaten den Nahmen Herrmannsfeld ewig führen solte. Einen so grossen Vorzug hat die Tugend für den Lastern: daß jener ihre eigene Feinde Lorber-Kräntze auffzusetzen; diese aber auch von denen / die sie gleich lieben / verdammt werden müssen. Die Verträuligkeit zwischen diesen Neuversöhnten vermehrte sich alle Tage / und Segesthes selbst veranlaste den Cheruskischen Hertzog: daß er bey denen verwirrten und also alles Gepränge leicht entpehrenden Zeiten sein Beylager alsbald zu Henneberg vollziehen solte. Alleine Thußnelde selbst hielt um desselbten Auffschub beweglich an; weil sie vorher ein gewisses Gelübde in dem Tanfanischen Heiligthume abzugelten hätte. Wiewol nun Hertzog Herrmann sie gerne eines andern beredet hätte / ihr auch die unvermutheten Umschlagungen der Gelegenheit / welche man keinmahl aus den Händen lassen solte / und die veränderliche Beschaffenheit der Gemüther mit dieser Erinnerung einhielt: daß wer seine Genesung auff andere Zeit verschiebt / zur Zeit der Noth derselben ins gemein entpehren müsse; lehnte sie doch solches mit ihrer gelobten Andacht bescheidentlich ab; und bewehrete: daß man nichts gewinne / wenn man schon etwas zu seinen Händen brächte; nichts aber verliere /was man der Hand Gottes auffzuheben[1311] gebe. Bey einmüthiger Beliebung nun: daß die Heyrath zu Deutschburg vollzogen werden solte / nahmen Herrmann / Segesthes / Jubil und Thußnelde nach wenig Tagen ihren Weg nach Marpurg zum Hertzoge Arpus; weil Herrmann mit den Catten das wieder die Römer lange im Schilde geführte Bündnüs auf festern Fuß zu setzen / Thußnelde aber ihre andere Mutter die Hertzogin Erdmuth nunmehr zu ihrer Ausstattung zu erbitten vor hatte. Sie kamen daselbst glücklich an / und ihre Bewillkommung war dem Vergnügen gemäß / welches die Cattische Fürstin über der Versohnung des Cheruskischen und Chassuarischen Hertzogs schöpfften. Den Tag darnach fand sich auch der streitbare Hertzog der Sicambrer Melo nur mit zwölff Edelleuten auff der Post zu Marpurg ein. Sein erster Anblick zeugte alsofort eine Verwirrung der Gedancken / und die Schwermuth bey einer so annehmlichen Zusammenkunfft ein nicht geringes Anliegen seines Hertzens an. Gleichwol wolte er am ersten Abende seiner Ankunfft die freudige Gesellschafft mit seinem Wehklagen nicht irre machen. Des Morgens aber sehr früh ließ er Ansuchung thun: daß Hertzog Arpus in seinem geheimsten Zimmer Verhör geben / den Cheruskischen Hertzog aber darzu erbitten möchte. Bey dessen Erfolg muste Hertzog Melo ihm etliche mal die Thränen abtrocknen / ehe er nachfolgende Worte nicht ohne Stammeln heraus bringen konte: Verstattet mir / ihr zwey nur noch übrigen Pfeiler unsers Deutschlands: daß ich für euch mein Hertzeleid ausschütte; welches zwar keiner Hülffe; aber durch euer Mitleiden vielleicht einer Erleichterung fähig ist. Denn ist gleich mein Unglück so groß: daß ich es nicht ohne Schamröthe entdecken kan; so tilget doch die rechte Begierde der Rache alles Bedencken meine eigene Schande zu sagen. Mein Hauß ist verunehret; mein Geschlechte beschimpfft; Deutschlands Ehrbarkeit zu Bodem getreten; und meine Tochter geschändet. Quintilius Varus / den ich auff seiner von Meyntz nach der Festung Alison für genommenen Reise auff einem meiner Lusthäuser als einen Freund bewirthet; hat mit gewaffneter Hand mein Kind aus den Armen ihrer Mutter geraubet; nach dem er ihrer Keuschheit vorher mit den schändlichsten Zumuthungen fruchtloß zugesetzt. Ich habe bey meiner Gegenwehr diese drey Wunden davon getragen. Wolte GOtt aber: daß mir das Leben nicht übrig blieben wäre / um nichts von meiner Tochter Unehre / und der Schmach meines Stammes zuwissen! Alle andere Güter und Tugenden sind wieder zu erlangen; der Verlust aber der Keuschheit ist unersetzlich / und der Ehre unwiederbringlich. Die blosse Anrührung der Ehre ist so empfindlich: daß auch die / welche gleich keine mehr in ihrer Seele beherbergen / doch keine Ehren-Verletzung vertragen wollen. Weil die gedultige Verschmertzung eines angethanen Unrechts ein Kennzeichen ist: daß man solche Schmach verdient habe. Nun denn die Verletzungen unsers guten Nahmens unvergeblich; eines Fürsten Beschimpffungen allen Fürsten gemein sind; so traue ich / ihr Helden / euch unzweiffelbar zu: daß ihr nicht weniger Rächer dieser Schandthat seyn werdet /als ich weiß: daß ihr redliche Deutschen seyd. Auch Unterthanen werden ihrer Eyds-Pflicht loß: daß sie solche Laster an ihren Herren bestraffen können; wie viel weniger werdet ihr / denen die Freyheit angebohren / diesem Ehrenschänder es ungerochen hingehen lassen / der nichts minder euren Hälsen das Joch der Dienstbarkeit auffzudringen für Ruhm / als unsere Frauenzimmer zu besudeln für Kurtzweil hält. Die versehrte aber gerochene Keuschheit hat Rom aus einer Magd zu einer Freyin gemacht; wie viel mehr vermag eure Rache durch des Varus Blut die Flecken meiner geschwächten Tochter / und euer Freyheit abzuwaschen.[1312] Leidet aber ja das Verhängnüs unseres bedrängten Zustandes nicht: daß ihr euch so wol meiner / als des Vaterlandes anmasset; so wil ich alleine mich rächen / oder sterben. Denn die Rache oder der Tod ist allein die Seiffe solcher Brandmahle. Alles beydes gereichet mir zum Vortheil / es schlage mein Vorsatz gleich aus wie er wolle; weil die verunehrten Todten aller Schamröthe; die lebenden Ubelthäter aber selten eines unblutigen Todes entfreyet sind. Diese Rede trug Hertzog Melo mit einer so beweglichen Art für: daß beyden andern Hertzogen die Augen übergiengen; und beyder Gemüther nichts minder zur Rache gegen den Varus / als zum Mitleiden gegen den Melo bewegt wurden. Hertzog Herrmann / nach dem er den Hertzog Arpus um Verzeihung gebeten: daß er seiner Erklärung mit einer nöthigen Erinnerung zuvor käme; fieng hierauff an: Die Beschimpffung des Sicambrischen Hauses züge er so sehr auff sich und das Cheruskische / als Melo auf sich und das Seinige; weil beyde mehr als durch hundert Vermählungen so in einander verflochten wären: daß er sie für einerley Stammbaum hielte. Das Hertzeleid des Fürsten Melo wäre so viel mehr zu empfinden; als Deutschland zu seiner bißherigen Unterdrückung wäre unempfindlich gewest. Sein Schmertz verdiente ein allgemeines Mitleiden; gleichwol schöpffte er noch einigen Trost daraus; weil er sähe: daß nicht alle Deutschen schon gar todt wären. Deñ ein grosser Schmertz wäre noch besser / als gar keine Empfindligkeit; weil diese der schon Entseelten Eigenschafft / jener aber gleichwol noch ein Merckmal des Lebens wäre. Bey so gestalten Sachen schiene dem Vaterlande gut zu seyn: daß die Wunde ihnen einst ins Fleisch / und der Schmertz zur Seele gienge. Im Fall aber auch dieser die Deutschen nicht aus ihrer Schlaffsucht zu reissen vermöchte; solten sie aus diesen dreyen Schreiben des Tiberius und Varus die Boßheit und Mord-Lust der Römer; und die beschlossene Austilgung aller Fürstlichen Häuser; also die Rache nicht nur wieder den Varus / sondern die Ausrottung aller Römer in Deutschland lernen; und die / welche vorhin ein Vorbild der Freyheit und Tapfferkeit andern Völckern gewest / nunmehr ein Beyspiel von denen der Dienstbarkeit doch gewohnten Pannoniern und Dalmatiern nehmen; welche das Römische Joch nicht nur abzustreiffen Gut und Blut rühmlich verschwendeten; sondern auch den Deutschen gleichsam den Dorn aus den Füssen gezogen; und sich der geringen Uberbleibung der meist in weibischen Galliern bestehender Römischen Macht zu entschütten eine in hundert Jahren kaum wiederkommende Gelegenheit an die Hand gegeben hätten. Er hätte bey sich nunmehr schon den Schluß gemacht mit den Römern zu brechen; nach dem der Auffstand der Gothonen und Sidiner / den andern Feind der deutschen Freyheit / nehmlich den König Marbod gleichfalls anderwerts beschäfftigte. Zwar schiene das Werck freylich nicht ohne Schwerigkeit zu seyn / weil Deutschland noch sechs Legionen / auch über anderthalb hundert tausend Gallier und andere Ausländer auf dem Halse hätte; aber es wäre erträglicher einmahl untergehen; als täglich auf dem Scheide-Wege des Heiles und des Unterganges schweben. Jedoch sehe er keine solche Gefahr / welche ihnen alle Hoffnung des Obsieges abstrickte. Um sich selbst hätte er den wenigsten Kummer. Deñ / weñ er die Römer erlegt /hätte ihm Deutschland sein Leben zu dancken; würde er aber selbst erdrückt / so bliebe es ihm doch für seinen Tod verpflichtet. Das letztere wäre der ärgste Ausschlag seines Vorsatzes / aber nicht der geringste seines Ruhmes. Wer nicht vorher zu sterbẽ entschlossen wäre / würde einen Wütterich zu tödten sich nicht entschlüssen. Zu dem stünde einem Helden ohne diß nicht an aus blosser Gnade seines Feindes zu[1313] leben /wie die Deutschen zeither fast unter den Römern gelebt hätten. Also wäre sein unveränderlicher Vorsatz /entweder in der Freyheit zu leben / oder für dieselbe zu sterben. Hertzog Arpus hörte mit einer großmüthigen Aufwallung seines Gemüthes Herrmanns Vortrag; und nach dem er die fürgelegten Schreiben / in derer einem ihm absonderlich sein Todes-Urthel gefällt war / durchlesen hatte / erklärte er sich dahin: Varus hätte den Melo biß in die Seele beleidiget; ihm aber nach dem Leben getrachtet: keines wäre gelinder / als mit seinem Tode zu rächen. Alle redliche Deutschen würden bey ihnen stehen / welche verstünden: daß wer einmahl der Tugend gram würde / sich an mitlern Lastern nicht sättigte; und daß das Mord-Eisen der Wütteriche nur durstiger nach mehrerm Blute würde. Denn so ruchlose Leute hegten diesen Aberglauben: daß die auffs höchste gewachsenen Laster zu Tugenden / wie die ihres gleichen verschlingende Schlangen zu Drachen würden. Weil nun derogestalt dem Vaterlande das Wasser in den Mund / ihnen selbst biß über die Scheitel gienge / wären mittelmäßige Entschlůssungen der Römer Gewalt zu steuern unvermögende Bemůhungen / oder vielmehr ohnmächtige Wehen der vergehenden Freyheit. Wenn die Tugend ihr selbst durch gewisse Maaßgebung ein Gebieß anlegte /müste sie allerdings darhinten bleiben; und die Boßheit / welche weder Maaß noch Ziel kennte / lieffe ihr allezeit das Vortheil ab. Dahero jene ihr Gutes ins gemein böse / diese aber ihr Böses wol ausübte. Also stimmte er in alle Wege dahin: daß man die Römische Macht / als die deutsche Gifft-Wurtzel / mit Strumpff und Stiel ausrotten solte; und er stünde für seine Catten: daß sie beyde Schärffen ihrer Schwerdter für die gemeine Freyheit brauchen würden. Sie alle müsten Deutschland für ihre Mutter; aber Deutschland könte niemanden wol für seinen Sohn erkennen / wenn sie es in diesem Nothstande versincken / und in dem Schlamme der Römischen Uppigkeiten ersticken liessen. Man schätzte für keine Schande an seiner Liebes-Kranckheit vergehen; warum hätte man denn Bedencken mit dem sterbenden Vaterlande umzukommen? Wer nicht für rühmlich schätzte das Leben einzubüssen / um die Ehre zu behalten / hätte weder Ehre noch Leben in sich. Hingegen würde Deutschland durch ihre Regung einen neuen Geist / und sie durch die Abscheu für so grausamen Lastern des Varus überflüßigen Beystand bekommen. Wolte ihnen aber auch gleich das Vaterland / so wolten sie doch nicht dem Vaterlande entfallen. Hätte er nicht zu verhindern vermocht: daß die Römer in Deutschland den Fuß gesetzt / so wolte er doch sich bearbeiten: daß ihr Glücke darinnen nicht berasete. Was der Römer Herrschenssucht in Deutschland eingenommen / hätte ihnen ihre Zwietracht eingeräumt; und also klebte ihrem Besitzthume ein zweyfacher Fleck / denen Deutschen aber die gröste Schande an. Und derogestalt würde er vom Melo und Herrmann durch ihren hertzhafften Schluß nicht so wol zu einem gefährlichen / als ruhmwürdigen Wercke beruffen. Wiewol eine unvermeidliche Nothwehr keine bedenckliche Uberlegungen der Gefahr vertrüge. Er erinnerte allein bey diesem Fürhaben: daß sie ihren Schluß ohne Säumnüs ins Werck richten solten. Denn die Uberlegung eines Dinges habe wol Zeit / der Schluß aber unsäumbarer Ausführung von nöthen. Viel Heimligkeiten kämen ohne einigen Wortes Auslassung aus. Denn die Muthmassung wäre ein schärfferer Ausholer / als die Zunge ein Verräther. Weil nun vorher gesehene Streiche meist nichts / als die Lufft verletzten /ein mißrathender Anschlag aber nur warnigte; rieth er: daß man wie ein Blitz loßbrechen / und durch eine behertzte Geschwindigkeit die bißherige Versäumung des Vaterlandes einbringen solte. Also brachte dieser[1314] Fürsten einmüthige Meynung ehe / als man sichs hätte einbilden können / dieses Bündnüs zu wege: daß sie den Quintilius Varus mit allen Römern aufopffern /und Deutschland in den alten Stand voriger Freyheit versetzen wolten. Hierauff kam in Berathschlagung: wie dieses wichtige Werck klüglich auszuüben; und ob dem Segesthes und Jubil hiervon etwas zu eröffnen wäre? Nach unterschiedener Uberlegung ein- und anderer Bedencken fiel endlich der Schluß dahin: Hertzog Herrmann und Arpus solten gegen dem Varus grössere Verträuligkeit / als iemahls vorher bezeugen; Hertzog Melo aber an den Kayser eine Beschwerde wegen seiner geraubten Tochter abschicken / aber zugleich die Waffen unter dem Vorwand: nur gegen dem Quintilius Varus sein Unrecht zu rächen / wieder die Römer ergreiffen. Hertzog Herrmann und Arpus wolten inzwischen zum Scheine aus ihren Großelterlichen Zwistigkeiten einen Dorn herfür suchen; und ihre gegen einander geschehende Kriegs-Rüstung über der allgemeinen Feinde Köpffe ausbrechen lassen. Segesthen aber hiervon etwas zu entdecken / hielten sie insgesamt für bedencklich; weil seine Gemahlin Sentia in dem Verdachte wäre: daß sie Segesthen durch Zauberey bestricket / und nichts minder zu einem Sclaven der Römer / als einem Tod-Feinde des Cheruskischen Hertzogs gemacht hätte. Welche Abneigung ihn nur itzt die Noth verbergen hiesse / ein einiger Anblick der Sentia aber sein Gemüthe gegen den Hertzog Herrmann mehr / als der Zauber-Kopff Medusens versteinern würde. Dem Hertzoge Jubil wäre dieses Geheimnüs zwar sicher genung zu vertrauen; aber es wäre noch Zeit genung darzu; wenn sie dem Wercke näher / als itzt seyn würden. Sintemal solche Verbindungen gefährlicher in ihrer Anspinnung / als in derselben Ausübung wären. Und ein groß Werck würde mit weniger Gefahr ausgemacht; welches nichts minder wenigen bewust; als nicht in viel Umstände verwickelt wäre. Mit diesem Verlaß reisete Melo den andern Tag von Marpurg wieder ab; und ob wol niemand sonst sein Anliegen erforschet hatte; diente doch zu einer ziemlich mercklichen Auslegung seiner Ankunfft: daß Varus zwar seine Tochter mit Gewalt geraubet / selbte aber noch ehe / als er sie mißbrauchen können / ihren gewaltsamen Führer mit einem verborgenen Messer getödtet; und weil sie aus so vieler Römer Händen unmöglich anders entrinnen können / sich in den Siege-Strom gestürtzt hätte. Insonderheit steckte dem argwöhnischen Segesthes diese Nachricht ein grosses Licht auff; welcher sich sonst in des Hertzogs Melo eilfertiger Ankunfft / und so uhrplötzliche Abscheidung nicht zu richten wuste. Wie nun alle Geheimnüße verdächtig sind; also hielt es Segesthes ihm verkleinerlich: daß weder Melo noch Arpus gegen ihn was entdeckten. Hierzu kam: daß Hertzog Herrmann und Jubil auch gleichsam über Hals und Kopff von Marpurg auffbrachen; und Segesthens Reise / welcher seine Gemahlin Sentia nach Marpurg verschrieben hatte / nicht erwarten wolten. Welches Segesthen in einen so grossen Argwohn setzte / oder zum minsten ihm von Sentien hernach eingeredet ward: daß man nicht nur die Römer / sondern auch ihn aus dem Wege zu räumen für hätte. Also ist der Verdacht der betrüglichste Wegweiser zu bereuens würdigen Entschlüssungen; und die Furcht Gewalt zu leiden mehrmahls eine Ursache einem andern Gewalt anzuthun. Denn ob wol Herrmann und Arpus ein Unvernehmen gegen einander bezeugten / hielt es doch Segesthes und Sentia wegen vorgängiger Verträuligkeit für ein blosses Spiegelfechten. Diesemnach er denn seinen Weg gerade nach Alison zum Quintilius Varus richtete; und ihm seine Muthmassungen Haar-klein entdeckte. Wenig Tage darauff kriegte Varus Zeitung: daß Hertzog Melo mit[1315] seinen Sicambrern alle in seinem Gebiete befindliche Römer erwürget / die Gallier über den Rhein gejagt / auch in der bey dem Altare der Ubier aufgerichteten Festung eine Legion belägert hätte. Wie nun Varus hierüber nicht wenig bestürtzt ward / sonderlich / weil der Göttlichen Rache Gerichts-Anwald nehmlich das Gewissen ihn überzeugte: daß er durch seine Boßheit dem Melo diese feindliche Antastung abgenöthigt /die deutschen Fürsten ins gesamt durch seine Hoffart /den Adel durch Beschimpffung / die Bürger durch unerträgliche Schatzung / alle aber durch die Schärffe neuer mehr spitzfinniger / als gerechter Gesetze / den Ackers-Mann durch knechtische Arbeit / besonders in Suchung der Ertzt-Gruben ihm gehäßig gemacht hatte; also ward er noch kleinmüthiger; als er die so starcke Zurüstung der Cherusker und Catten vernahm. Weßwegen er in aller Eil die hin und wieder zertheilten Gallier an sich zoh; und nichts minder den Hertzog Herrmann / Ingviomer / Jubil und etliche andere Fürsten zu sich nach Alison erbat. Hertzog Herrmann stand zwar mit Ingviomern und dem Jubil lange im Bedencken: ob sie dem Varus trauen solten; sonderlich weil der von der Römischen Grausamkeit so sehr gedrückte Hertzog der Chautzen Ganasch / mit welchem Hertzog Herrmann eine heimliche Unterredung hielt / ihnen ihre Erscheinung so sehr mißrieth; ja als sie seiner Abwehrung nicht folgen wolten; sie mit diesen Worten gesegnete: Es wäre rathsamer eine Hand ohne Herrschungs-Stab / als einen Nacken ohne Kopff haben. Alleine / weil kein Mensch vom Segesthes etwas Böses muthmaste; sie auch von des Varus Furcht über der Sicambrer Auflehnung sichere Nachricht; durch ihre Enteusserung aber den Römern die Freundschafft aufzukündigen / oder dem Varus böses Nachdencken zu verursachen anstunden; weil sie theils ihre Kriegs-Verfassung noch nicht in einem solchen Stande hatten: daß die Römische und Gallische Macht nicht der Cherusker uñ Bructerer Meister zu werden vermocht hätte; andern theils auch von grossen Siegen des Tiberius und Germanicus wieder die Pannonier und Dalmatier Zeitung einlieff; hielt es Herrmann für rathsamer sich beym Varus einzufinden / und ihm dardurch nicht nur einen blauen Dunst seiner Treue wegen für zumahlen; sondern auch die Heimligkeit seines wieder den Melo führenden Anschlags zu ergründen. Also kam Herrmann zu nichts minderer Verwunderung des Segesthes als des Varus in Alison unvermuthet an / und wurde vom Varus mit ungewohnter Freundschafft bewillkommt; welcher nicht so klüglich den Firnß der Heucheley / als Hertzog Hermann den Schatten seines Mißtrauens zu verdecken wuste. Weil nun der / welcher mit Betruge Wucher treiben wil / seine Waare im Tunckeln feilhaben / sich auch selbst nicht zu erkennen geben muß /ausser dem aber ihm selbst viel nicht eingebildetes Ubel auf den Hals zeucht; so gewann Varus hiervon nichts bessers / als daß er dem Fürsten Herrmañ in seinem wieder ihn gefasten Argwohne eines ungemeinen Betruges befestigte; hingegen aber durch seine so freye Einfindung gantz irre gemacht ward: Ob er dem Cheruskischen Hertzoge etwas böses zutrauen / und Segesthens Warnigung Glauben zustellen / oder auch an einem Unschuldigen sich vergreiffen solte. Also klebt Laster und Tugend so übel / als vermischtes Ertzt und Thon an einander; und daher ist es eine gerechte Straffe: daß denen Boßhafften auch die angenommene Tugend / welche durch ihren Mißbrauch entweihet wird / zum Verräther und Verterb gereiche. Noch mehr verdächtiger war dem Hertzog Herrmann: daß Varus und Segesthes etliche mahl des Nachts geheim zusa en kamen; und jener ihnen keinen richtigen Vortrag thun wolte / biß auch Hertzog Ingviomer / Jubil / Ganasch und etliche andere zu Alison ankämen. Nach dem aber von[1316] diesen allerhand Entschuldigungen und Vertröstungen ihrer Hülffe wieder den Melo einlieffen / lag Segesthes dem Varus auffs beweglichste an: daß er diesen Vogel nicht aus dem Garne lassen / sondern ihn / den Malovend und den Segesthes selbst zum Scheine gefangen setzen / und derogestalt durch des Cheruskischen Hertzogs Hinrichtung den Auffwieglern das Haupt abschneiden; und denen noch zweiffelhafften ein Schrecken einjagen solte. Alleine Varus war hierzu nicht zu bereden /und ihm also dißmahl selbst unähnlich; entweder /weil er durch seine angeno ene Freundligkeit noch Ingviomern / ohne welchen Fuchß er nichts gefangen zu haben für gab / ins Netze zu locken ihm einbildete; oder / weil er durch seine Grausamkeit sich zu einem Scheusal der gantzen Welt zu machen / und gantz Deutschland vollends wieder sich in Harnisch zu jagen Bedencken / oder auch an Herrmanns Beschuldigung Zweiffel trug. Welche letztere Barmhertzigkeit denn dem Hertzoge Herrmann / welcher so wol sein /als Ingviomers halben wieder den Melo Hülffe zu schicken versprach / das Leben erhielt / dem Varus aber verkürtzte; in dem er nicht verstand: daß der Glimpff eines Wütterichs ihm selbst die gefährlichste Grausamkeit / und auff den Fuß seiner abscheulichen Laster eine Tugend-Seule zu bauen eben so thöricht sey / als auff einen stinckenden Misthauffen ein güldenes Sonnen-Bild zu setzen. Sintemahl in Warheit kein schlüpffriger Weg ist / als auff den Gräntzen der Tugend und der Boßheit wandeln; und in dem einen nicht warm / in dem andern nicht kalt seyn. Also entrann Hertzog Herrmann nicht allein aus diesen Fallstricken des unbeständigen Segesthes / sondern er machte auch den Varus noch mehr sicher: daß er seine Kriegs-Rüstung wieder die Römer bewerckstelligen konte. Ja er wiegte ihn vollends gar in Schlaff / als er den Varus um Vermittelung derer zwischen ihm und dem Arpus erwachsenden Streitigkeiten / oder auch Segesthen zu einem Schieds-Richter zu vermögen ersuchte; wormit er so viel sicherer seine Waffen mit den Römischen gegen den Melo vereinbaren könte; also Hertzog Ganasch hernach selbst Herzog Herrmanns Kühnheit loben und bekennen muste: daß derselbe nicht irrete / wer mit seinem vermeinten Irrthume den rechten Zweck treffe. Massen denn Varus sich zwischen beyde Hertzoge legte / und biß Segesthes bey ihrer Zusa enkunft die Vereinbarung untersucht hätte / einen Stillstand der Waffen zu wege brachte. Die Zusa enkunft ward bey dem Tanfanischen Tempel besti et / wormit dieser heilige Ort ihre Gemüther so viel mehr gewinnen möchte. Segesthes selbst drang auf Beschleunigung dieses Wercks /nicht so wol / daß es ihm ums Hertze war die Zwistigen zu vereinbaren / als die Warheit ihrer Uneinigkeit / und die Geheimnüsse ihrer Gemüther auszuholen. Er kam mit zweytausend Chassuariern in den Deutschburgischen Heyn / um auf allen Fall sich dieser Kriegs-Macht zu seinem Vortheil zu bedienẽ. Er ward aber nicht wenig bestürtzet / als er recht zwischen die Cheruskische und Cattische Macht verfiel / welche iederseits über zwantzig tausend Mann starck war / und also die Anzahl gewöhnlicher Friedenshändler / oder auch der vom Varus begehrten Hülffs Völcker weit übertraff. Noch mehr bekümmert war ihm: daß er die Cherusker und Catten in grösserer Verträuligkeit mit einander leben sahe; als sonst Völcker / welche nur den Grimm ihrer feindlichen Waffen wenige Zeit ruhen zu lassen beliebẽ / gewohnt sind. Weil er nun von dieser grossen Macht unter dem Schein der Ehren gantz umschlossen ward / muste er nur sein Mißtrauen / so gut er konte / verbergen; sonderlich als Hertzog Herrmañ und Arpus einander wie Brüder umarmten; uñ folgenden Tag Hertzog Ingviomer mit zehentausend Bructerern / Herzog Ganasch mit zwölfftausend Chauzen / Hertzog Jubil mit sechstausend Hermundurern / ja Segesthens eigener Bruder Segimer und sein Sohn Siegesmund mit achttausend[1317] Angrivariern / Tubanten und Chamavern sich einfanden. Gleichwol aber gab er dem Quintilius Varus die unvermerckte Nachricht: daß die Kräfften des halben Deutschlands unter dem Fürwand der verlangten Hülffs-Völcker wieder den Melo / und der Cattischen Friedens-Handlung alldar versammlet wären; und wenn Varus nicht alle seine Kräfften zusa en / das Lager auch gar von Alison in Zeiten zurück züge; würde schwerlich von den Römern ein Gebein davon kommen. Als nun Quintilius Varus diesem Rache zu folgen Tag und Nacht bemüht war; musterten die deutschen Fürsten ihre Kriegs-völcker / verrichteten in der Tanfanischen Höle ihren Gottesdienst; erwehlten den Hertzog Herrmann zum Obersten Feld-Herrn Deutschlands; und versetzten hernach den Römern einen so gewaltigen Streich / als denen Anwesenden überflüßig bekandt / dem Feinde schrecklich / allen Helden aber / und insonderheit der hertzhafften Thußnelde / welche bey erfahrner rühmlicher Entschlüssung der Deutschen nicht zu Marpurg die Hände in die Schoß legen wolte; sondern ins geheim sich mit Waffen versahe und unter die Cattischen Edelleute vermengte / zu unverwelckendem Ehren-Ruhme dienlich ist. Massen sie denn mit ihren Thaten nicht nur ein Beyspiel allen Helden; sondern auch nach der Schlacht gegen ihren Bräutigam durch die Entschuldigung ihrer übernommenen Gefahr / allen edlen Frauen diese heilsame Lehre gab: Ein Kebsweib wäre eine Geferthin zu Tische und Bette / eine Braut oder Ehfrau aber alles Glücks und Unglücks; Also iederman bey Anschauung dieser Heldin sie für einen Ausbund ihres Geschlechtes / und ein Vorbild der künfftigen Zeiten erkennen müste. Denn in Warheit /wie alle Sachen / welche sich der Eigenschafft ihrer Natur enteussern / und zum Bösen sich abneigen zu Ungeheuern / wenn sie aber zum Guten sich schwingen / zu Wunderwercken werden; Also sind die wollüstigen Männer iederzeit weibischer / als die Weiber / die behertzten Frauen aber männlicher / als die Männer und Werckzeuge des Verhängnüsses gewest /wenn es etwas der menschlichen Vernunfft unbegreifliches auszuüben vorgehabt hat.

Mit diesem Lobspruche beschloß Fürst Adgandester zu der sämtlichen Zuhörer grösten Vergnügung seine Erzehlung. Der übrige Abend ward mit einer herrlichen Mahlzeit und allerhand Schertz-Spielen auffs annehmlichste hingelegt.

Quelle:
Daniel Caspar von Lohenstein: Großmütiger Feldherr Arminius, Erster Theil, Leipzig 1689, S. 1173-1318.
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