Erstes Buch.

[5] Rom hatte sich bereit so vergrössert: daß es seiner eigenen Gewalt überlegen war / und es gebrach ihm itzt nichts mehr / als das Maaß seiner Kräfften. Denn nach dem Bürger gewohnt waren / gantze Königreiche zubeherrschen / für Landvögten sich große Fürsten beugten / die Bürgermeister Könige für ihre Siegs-Wagen spanneten / konte die Gleichheit des Bürgerlichen Standes ihren Begierden nicht mehr die Wagehalten. Hieraus entspannen sich die innerlichen Kriege / welche dem Käyser Julius das Hefft allein in die Hand spielten / als der große Pompejus in der Pharsalischen Schlacht seine Kräfften / das Römische Volck aber seine Freyheit verlohr / und jenem über Hoffen die Erde zum Begräbnüße gebrach / dem sie kurtz vorher zu Ausbreitung seiner Siege gefehlet hatte. Deñ ob zwar der andere großmüthige Brutus /durch einen in des Julius Brust gestochenen Dolch /das Joch der Römer zu zerschneiden / dem Vaterlande die Freyheit / seinem Geschlechte zum andernmal den Nahmen eines Erlösers zuerwerben trachtete / so schlug doch sein nichts schlimmerer Anschlag viel ärger als des ersten Brutus aus. Also hänget ein gewünschter Ausschlag nicht von der Gerechtigkeit der Sache / nicht von der Kühnheit eines hertzhafften Unterfangers /[5] sondern von dem unwandelbaren Gesetze des unerbittlichen Verhängnüßes. Wie nun Brutus vom Antonius erdrückt war / also enteuferte sich der furchtsame Lepidus seiner Hoheit und fiel dem August in einem Trauerkleide zu Fuße. Der letzte unter den Römern Caßius tödtete sich aus Einbildung eines fremden Todes. Des Sextus Pompejus Kopf schwam im Meere; Cato und Juba fielen lieber in ihre eigene Schwerdter / als in die Hände des Octavius. Anton verlohr sich durch eigene Wollüste / blieb also niemand von den großen übrig als August und sein Anhang.

Da nun dieser die Gemüther der Kriegsleute mit Geschencken / den Pöfel mit ausgetheiltem Geträide /den Adel mit Freundligkeit / alle mit fürgebildeter Süßigkeit des Friedens gewonnen hatte / war niemand /der nicht lieber eine glimpfliche Herrschafft / als eine stets blutende Freyheit verlangte. Ja die auch selbst im Herzen die einhäuptige Herrschafft verfluchten /traten von ihrem Anhange und Meinung ab / nach dem der Stadt Rom Schutz-Gott solche vorher geändert hätte. Alle Widerwärtigen erkenneten das Absehen des Verhängnüßes / die tödtliche Kranckheit ihrer Bürgerlichen Herrschafft / und nahmen wahr: daß das zwistige Vaterland nur unter einem Hute zubefriedigen / und die bey denen Bürgerlichen Kriegen zerfleischte Freyheit unter einem Fürsten einzubüssen der Römer gröstes Glücke war. Und hiemit fiel das Looß auf den August; gegen welchem die sich ihm widersetzende Tugend unglückseelig; die Tapfferkeit selbst unvermögend ward. Dahero ging nun jederman in seinen Palast / nach dem / wie sie selbst sagten /ihnen das Glücke zu selbtem und zu ihrer Schuldigkeit den Weg gewiesen hatte / und wohin die Götter vorhergegangen waren. Ja die der Tugend und freyen Künsten hold waren / schrieben diesem Fürsten an die Pforte: Wer für unrecht hielte / daß der Himmel über seinem Würbel schwebte / daß die Sonne so hoch stünde / hätte alleine sich zu beschweren: daß der würdigste Käyser wäre. Sein Verdienst setzte ihn auf eine so hohe Staffel / wohin ihm weder der Unwille seiner Mißgönner nachsteigen / noch das Auge der Ehrsüchtigen nachsehen konte. Feindschafft und Aufruhr erstickte in sich selbst; der Haß gegen ihn verwandelte sich in Verwunderung / die Widersetzligkeit in Liebe. Und hiemit übertraf dieses Schoskind des Gelückes bey weitem den Julius. Er kam dem Numa gleich in dem / daß er den Tempel des Janus nach Erbauung der Stadt zum dritten mal zusperrete / daran aber: daß er das gröste Theil der Welt beherrschte /überstieg Er so wol alle seine Vorfahren / als anderer abgelebter Beherrscher Bothmässigkeit. Die seltzamsten Zufälle spielten ihm mehr als er wüntschte in die Hand / und nöthigten ihn gleichsam die Gräntzen sei nes Gebietes zu erweitern / ob er gleich das Römische Reich in denen überkommenen Schrancken zu erhalten entschlossen war. Weil die Uberlast nichts minder eine Ursache ist: daß allzu grosse Herrschafften als überbauete Schlösser einfallen / und grosse Leiber den meisten Schwachheiten unterworffen sind. Alleine wo GOtt und das Verhängnüs etwas vergrössern wil /da müssen auch die Schrancken der Natur sich ausdehnen / und die Zügel der menschlichen Gemüths-Regungen zerreissen; oder es läst sich der Ehrsucht nicht so leicht ein Ziel / als Ländern einen Gräntz-Stein setzen. Das Glücke belegte für die Römischen Gewalthaber den hoffärtigen Phrat mit Brücken / und die Zeit bähnete ihnen die sandichten Wüsteneyen des innern Libyens, also / daß die Gräntze des Römischen Reichs von den weissen Britten / biß zu den schwartzen Mohren / von dem Gebürge deß Caucasus / biß ausser den Säulen des Hercules sich erstreckte; und das Indische Meer nichts minder die Rubinen der Morgen-Röthe / als das / worinnen die Sonne zu Golde gehet /[6] seine Perlen dem Kayser zinsete. Weßwegen August nicht so wol umb den Anfang aller von Rom außgehenden Meilen zu rechnen / als das Reichthum seines güldnen Reiches zu bezeichnen / auff den Marckt zu Rom eine Säule aus Golde setzte. Ja nicht nur das Reich überstieg die Schrancken allervorigen /sondern Rom selbst das Maaß aller Städte; dessen Umbkreyß zwey und viertzig Römische Meilen betrug; dessen Häuser sechs Millionen Menschen beherbergten; und derogestalt das übrige Italien nicht nur öde und einsam machte / sondern schier aller Völcker der Welt Aufenthalt war; und in einem Tage der vorwitzigen Eitelkeit zehen tausend Pfund zusammen gelesener Spinnen liefern konte. Diesemnach denn die Welt sie für ihr gröstes Wunder / das menschliche Geschlechte sie für ihre Gebieterin zu verehren gezwungen ward / nach dem Glücke und Zeit ihr die Oberhand und die Ewigkeit enträumte. Bey solcher Beschaffenheit schickte Phraates dem Kayser die dem Crassus und Antonius abgenommene Adler wieder /und trat ihm gantz Armenien als ein Kauff-Geld des Friedens ab. Die Parther versicherten ihm ihre Treue durch Geissel / und vertraueten ihm die Auferziehung ihrer Könige. Die herrschsüchtige Candace meynte Egypten zu gewinnen / und büssete ihren Königlichen Sitz Tanape ein. Largus drang biß ins Hertze deß glückseligen Arabiens / und König Samos blieb in seinen Sand-Bergen nicht von den Römischen Waffen unbeirret. Der Indianische König Porus schickte nach Rom die ersten Tieger / Pirimal auß der Insel Taprobana Würtzen / und Edel-Gesteine / umb hierdurch sich beym Augustus einzulieben / und der Römer Freundschafft zu erlangen. Die Deutschen / welche der Kayser und andere grosse Könige wegen ihrer Treue und Tapferkeit ins gemein zu ihrer Leib-Wache erkieseten / stunden den Römern in ihren Kriegen zu Dienste. Die Cimbrer beschenckten ihn mit dem bey ihrem Reiche für das gröste Heyligthum und Kleinod gehaltenem Tiegel / und die / welche ihre Kräfften über die Gewalt der unsterblichen Götter herauß strichen / lernten nach und nach verschmertzen: daß Drusus deß Kaysers Stief-Sohn durch etliche zwantzig am Rhein-Strome erbauete Festungen ihrer Freyheit gleichsam einen Kap-Zaum anlegte; daß Tiberius biß an die Elbe drang / die Chauzen für seinem Stule die Waffen niederlegten / ja daß deß Kaysers Feld-Hauptmann Quintilius Varus sie nicht so wol mehr mit den Waffen im Zaume hielt / als täglich nach der Schärffe der Römischen Gesetze / oder vielmehr nach dem Wahne seiner lüsternen Begierden verurtheilte.

Unter diesem Joche schmachtete die Welt und Deutschland / so daß nach dem allererst gebändigten Dalmatien niemand war / der wider die Römer einen Degen zuckte / denn der großmüthige Hertzog Melo mit seinen Sicambern und Angrivariern; als zu dem großmüthigen Herrmann der Cherusker Hertzoge sich ein Ausbund der Deutschen Fürsten (welche Quintilius Varus wider den seiner Meynung nach aufrührischen Melo guten theils verschrieben hatte) eingefunden / und auf seine bewegliche Aufmunterungen in dem Deutschburgischen Forst an der Lippe ihre Heer- Spitzen versammlet hatten. Die Sonne trat gleich in die Wage / und war selbigen Tag schon zu Golde gegangen / nach Mitternacht solte auch gleich der volle Mond eintreten / als Hertzog Herrmann die Grossen in dem Häyn der Göttin Tanfana einleiten ließ. Es war ein Thal / welches ungefähr eine Meilweges im Umbkreisse hatte / rings herumb mit steilen Felsen umbgeben / welche allein von einem abschüssenden Wasser zertheilet waren. An dieser Gegend hatte die andächtige Vor-Welt dem Anfange aller Dinge / nehmlich dem Schöpfer der Welt zu Ehren auf jeder Seiten eine dreyfache Reye überaus hoch und gerade empor[7] wachsender Eich-Bäume gepflantzet / und wie dieses gantze Thal / also auch insonderheit den in der Mitte gelegenen Hügel / und die in selbtem von der Natur gemachte Höle / als auch den darauß entspringenden Brunnen für eines der grössesten Heiligthümer Deutschlands verehret / auch den Glauben: daß in selbtem die Andacht der Opfernden durch einen Göttlichen Trieb geflügelt / und das Gebete von den Göttern ehe als anderwerts erhöhet würde / von mehr als tausend Jahren her auf ihre Nachkommen fortgepflantzet. Denn die alten andächtigen Deutschen waren bekümmerter Gott recht zu verehren / als durch Erbauung köstlicher Tempel die Gebürge ihres Marmels zu berauben und ihre Ertzt-Adern arm zu machen. Diesemnach sie für eine der grösten Thorheiten hielten Affen / Katzen und Crocodilen / ja Knobloch und Zwibeln mit Weyrauch zu räuchern; welche bey den Egyptiern mehr die auß Jaspis und Porphyr erbaueten / oder auß einem gantzen Felsen gehauene Wunder-Tempel vorstellten / als durch derselben Pracht einiges Ansehen ihrer schnöden Heßligkeit erlangeten. Nichts minder verlachten sie die zu Rom angebetete Furcht und das Fieber / als welche Kranckheiten wol unvergöttert / ja abscheulich bleiben /wenn gleich zu Uberfirnßung ihrer Bilder und Heyligthümer alle Meere ihr Schnecken-Blut / und gantz Morgen-Land seine Perlen und Edel-Gesteine dahin zinset. Da hingegen eine wahre Gottheit eben so ein auß schlechtem Rasen erhöhetes Altar / und ein mehr einem finstern Grabe als einem Tempel ähnliches /aber von dem Feuer andächtiger Seelen erleuchtetes Heyligthum; wie die Sonne alle düstere Wohnungen mit ihrem eigenen Glantze erleuchtet und herrlich macht; also daß ohne die Gegenwart des grossen Auges der Welt alle gestirnte Himmels-Kreyse düstern / in Abwesenheit einer wesentlichen Gottheit alle von Rubin und loderndem Weyrauch schimmernde Tempel irrdisch sind. Denn ob wol GOtt in und ausser aller Dinge ist / seine Macht und Herrschafft sonder einige Beunruhigung sich über alle Geschöpfe erstrecket / seine Liebe ohne Ermüdung allen durch ihre Erhaltung die Hände unterlegt / ob er gleich ohne Außdehnung alles außwendig umbschleust / alles innwendig ohne seine Verkleinerung durchdringet; und er also in / über / unter und neben allen Sachen / jedoch an keinen Ort angebunden /noch nach einigem Maasse der Höhe / Tieffe und Breite zu messen / seine Grösse nirgends ein – sein Wesen nirgends außzuschlüssen ist; so ist doch unwidersprechlich: daß GOtt seiner Offenbarung nach /und wegen der von denen Sterblichen erfoderten Andacht einen Ort für dem andern / nicht etwan wegen seiner absonderlichen Herrligkeit / sondern auß einer unerforschlichen Zuneigung / ihm belieben lasse / ja mehrmals selbst erkieset habe.

Uber dem Eingange nun dieser ebenfals für andern erwehlten Höle waren nachfolgende Reymen in einen lebendigen Stein-Fels gegraben / jedoch gar schwer zu lesen; weil sie nicht allein mit denen vom Tuisco erfundenen Buchstaben geschrieben / sondern auch vom Regen abgewaschen und vom Mooß verstellet waren:


Ihr Eiteln weicht von hier! der Anfang aller Dinge /

Der eh als dieser Fels und dieser Brunn-Quell war /

Hat hier sein Heyligthum / sein Wohn-Haus / sein Altar;

Der will: daß man ihm nur zum Opfer Andacht bringe.

Die ist das Eigenthum der Menschen. Weyrauch / Blut /

Gold / Weitzen / Oel und Vieh ist selbsteigen Gut.


Die Opfer die ihr ihm auf tausend Tischen schlachtet /

Die machen ihn nicht feist / und keine Gabe reich.

Ihr selbst genüsset es / wenn ihr den Schöpfer gleich

Durch eure Ersilingen hier zu beschencken trachtet.

Euch scheint der Fackeln Licht / ihr rücht des Zimmets Brand;

Ja / was ihr gebt / bleibt euch mit Wucher in der Hand.


GOtt heischt diß zwar / doch nicht aus lüsterner Begierde.

Denn was ergeitzt das Meer ihm an der armen Flut

Des Thaues? welcher Stein wüntscht ihm der Würmer Glut /

Die bey den Nächten scheint / und der Rubinen Zierde?

Ihr weyht GOtt nur das Hertz zum Zeichen euer Pflicht;

Euch selbst zu eurem Nutz / ihm zur Vergnügung nicht.[8]


Ja auch die Andacht selbst weiß GOtt nichts zuzufrömen;

Denn eignet sie uns zu gleich seine Gnad und Heil;

So hat sein Wolstand doch nicht an dem unsern Theil /

Wie unsre Freude rinnt auß seinen Wolthats-Strömen.

Hingegen wie kein Dunst versehrt der Sonnen Licht /

So verunehrt auch ihn kein Aberglaube nicht.


Der Lästerer ihr Fluch thut ihm geringern Schaden /

Als wenn ein toller Hund den vollen Mond anbillt.

Es rühmt als Richter ihn was in der Hölle brüllt;

Wie's Lob der Seligen preist seine Vater-Gnaden.

Den grossen GOtt bewehrt die Kohlt / die dort glüht /

So wol / als die / die man wie Sterne gläntzen sieht.


So ists nun Ubermaaß / unsäglich grosse Gütte /

Daß GOtt die Betenden hier würdigt zu erhörn!

Weicht Eitele! umb nicht diß Heyl'ge zu versehrn!

Denn daß'GOtt in diß Thal nur einen Blick außschütte /

Ist größ're Gnad / als wenn das Auge dieser Welt

Den schlechtsten Sonnen-Staub mit seinem Glantz / erhält.


In dieser andächtigen Einfalt bestunden die alten Heyligthümer. Nachdem aber die Römer über den Rhein gediegen / und jede Landschafften auch so gar dem Kayser Augustus häuffig Tempel aufrichteten /liessen die Hartz- und Marßländer sich von ihrer alten und einfältigen Andacht ableiten: daß sie nach der Römischen Bau-Art auf diesen Hügel einen rundten und prächtigen Tempel von viereckichten Steinen aufbaueten. Gleich als ob es in der Willkühr der Sterblichen stünde: die Götter nichts minder in gewisse Gestalten zu verwandeln / wie sie auß denen Gestirnen nicht nur üppige Bulschafften / sondern Bären /Hunde und andere wilde Thiere in dem Abrisse ihrer tummen Einbildung gemacht hätten / oder auch / als ob es die Götter mehr vergnügte / wenn die Sterblichen ihnen Steine an statt ihrer Hertzen einweyhen /und mit kostbarer Eitelkeit ihren kaltsinnigen GOttes-Dienst überfirnsen.

Wiewol nun an etlichen Orten Deutschlands die Sonne unter der Gestalt eines halbnackten auf einen hohen Pfeiler gesetzten Mannes / dessen Haupt mit Feuer-Stralen umbgeben war / und der auf der Brust ein brennendes Rad hielt; der Mond unter dem Bildnüsse eines Weibes / mit einem kurtzen Rocke / einer Kappen mit langen Ohren / mit gehörnten Schuhen und dem Monden auf der Brust; der Tuisco in der Haut eines wilden Thieres / mit einem Zepter in der Hand verehret ward; so hatte doch gegenwärtiger Ort noch diese Reinigkeit erhalten: daß sie in diesen ihren ersten Tempel kein Bild ihres GOttes entweder nach menschlicher Aehnligkeit / oder Gestalt eines Thieres setzten. Sintemal sie nicht nur den abscheulichen Mißbrauch der Götter Bildung darauß wahrnahmen: daß Praxiteles nach seiner Bey-Schläferin Gratina /viel andere nach der unzüchtigen Phryne die Göttin Venus / Phidias nach einem mißbrauchten Knaben Pantauches / den Olympischen Jupiter abgebildet hatten; und wie schwer der Bild-Schnitzer sein eigen Gemächte anbeten könne / beobachteten / sondern auch ehrerbietig glaubten: Man könne zwar gewisse Bildnüsse zum Zeichen der daselbst verehrten GOttheit in gemein / zu welchem Ende im Anfange der Dinge die Sterblichen zu ihrem GOttes-Dienste Lanzen sollen aufgesteckt haben / die Morgen-Länder ihren Jupiter durch einen grossen rundten oberhalb länglichten / die Araber durch einen viereckichten Stein / die Perser durch einen Fluß / die Druiden durch einen hohen Eich-Baum / oder durch einen Degen und Gezelt; die Paphier ihre Venus mit einer Kugel angedeutet haben / oder zum Unterschiede eines gewissen GOttes-Diensts / der an einem Orte im Schwange gienge / als durch den Blitz / daß Jupiter / durch den Spieß / daß Pallas / durch die Säule / daß Hercules / durch das wilde Schwein / daß die Göttin Herta / durch ein altes Schwerdt / daß Marß / (welchem die Scythen unter dieser Gestalt ihre Gefangenen opffern) durch einen Sebel / daß die Diana (womit sie die Taurer abbildeten) allda verehret würde / an heiligen Oertern auffstellen / oder selbte gar nach der Gewohnheit ihrer Voreltern mit in die Schlachten nahmen / oder zu ihren Heer-Fahnen brauchen; Die Grösse aller himmlischen Geister aber[9] würde verunehret / wenn man sie selbst mit zerbrechlichem Ertzt oder Steinen abbilden / oder in durch Menschen Hände gemachte Mauren einschliessen wolte. Denn der grosse Umkreiß der Welt sey der gröste / eine andächtige Seele aber der angenehmste Tempel Gottes. Ja das kleineste Mooß /das an den niedrigsten Stauden wächst / sey die Grösse Gottes fürzubilden groß genug. Der geringste Wurm diene zum Beweißthume seiner lebhafften Gegenwart und unendlichen Versehung. Dahero auch Pythagoras seinen Nachfolgern auffs schärffste verbot / keinen Ring / oder was anders / darein Gottes Bild gegraben wäre / zu tragen. Hierdurch auch sie zugleich erinnerte: daß sie ihre Glaubens-Geheimniße von GOtt bey dem albern Pöfel nicht gar zu gemein machen solten. Nichts minder hat Numa verboten /GOtt durch eines Menschen oder Thieres Bild fürzustellen / weil es verkleinerlich wäre / das höchste Ding mit so geringen zu vergleichen / und die unsichtbare Unbegreiffligkeit durch die Augen denen Sterblichen gemein zu machen. Wie wohl hernach mit dem Verderb der Römischen Sitten auch diese einschlich: daß sie / nach Gewohnheit der Egyptier / auch ihrer in Edelgesteine geschnittener Götter Bildniße mit Ringen an Fingern trugen.

Der Priester Libys / ein steinalter Mann / dessen eyßgraues Haar zwar den Schimmel der Zeit / und die Vergänglichkeit des Leibes / sein munteres Antlitz aber gleichsam ein Vorbild der unsterblichen Seele darstellte / trat aus der Höle diesen Deutschen Helden entgegen / und erweckte so wohl gegen ihm als diesem heiligen Ort eine ungemeine Ehrerbietung; Zumal die Deutschen ohne diß gegen ihre Priester grössere als gegen Könige zu bezeugen gewohnt waren. Seinen Leib / von den Schultern biß auff die Füsse / bedeckte ein schneeweißes Gewand / welches ein Gürtel / dar auff die zwölff himmlischen Zeichen gestickt standen / über den Lenden zusammen zog. Das Haupt war mit einem Lorber-Krantze umflochten / in der lincken Hand trug er einen Dreyzancks-Stab; auff dessen mittelster Spitze die Sonne / auff denen zwey eussersten der Mond und das Feuer abgebildet war. Deñ unter dem Schatten dieser dreyen natürlichen Geschöpffe betete ein Theil der Deutschen eine dreyeinige Gottheit an. In der rechten Hand hatte er einen Sprengwedel / welchen er dreymahl in das aus der Höle hervor rinnende Qvell-Wasser eintauchte / und damit die sich nähernden Helden besprützte. Also fort fiel Hertzog Herrmann für der Hölen auff sein Antlitz / und ruffte mit ausgebreiteten Händen des Orts Gottheit um Erhörung und glückliche Ausführung seines Anschlags an. Hierauff zündeten die Opfferknechte das Feuer auff dem unferne von der Höle auffgerichteten Altare an / brachten Beile / allerhand Gefässe mit Wasser zur Reinigüng des Opffers / und endlich zwey weisse Ochsen herbey; welche um den Hals mit Kräntzen aus allerhand wohlriechenden Blumen umwunden waren. Der Priester wusch seine Hände aus dem Brunnen /legte die lincke auff den Kopff des Opffer-Viehes /seufftzete und betete bey sich / die Augen starr gegen dem auffgehenden Monden haltende. Nach diesem schnitt er ein wenig Haare von der Stirne der Ochsen warff sie mit Weyhrauch vermenget ins Feuer / und schlingte ihnen einen Strick um den Hals / mit welchem ohne biß die fördern Füsse gebunden waren. Als nun die Opffer-Knechte selbte damit zu Boden fälleten / nahm der Priester das Messer und stach darmit durch ihre Kehle / fing das herausspritzende Blut in eine steinerne Schüssel auff / und goß es in die Flamme / welche davon gantz spitzig in die Höhe klimmete. Endlich schnitt er den gantzen Bauch auff /besahe das Eingeweide / zertheilte mit den Beilen die Ochsen / wusch sie ab / besprengte die Viertel mit Meel und Saltz / und verbrennte alles zu Aschen.

Nach derogestalt vollbrachtem Opfer rief er mit lauter Stimme dem Hertzoge zu: Er solte[10] aufstehen /die GOttheit hätte sein Gebete gnädig aufgenommen /und das Opfer deutete in allem an: daß das Verhängnüß seinem Fürhaben geneigt wäre. Hertzog Herrmann sprang hierauf mit gleichen Füssen empor /neigte sich gegen dem Altare / und weil sein Hertze so wenig die Freude / als seine grosse Hoffnung eines glücklichen Außganges verbergen konte / steckte er seine lincke Hand gegen dem aufgehenden Voll-Mond aus / und thät ein Gelübde: daß er alle edle Römer /welche von ihm würden gefangen werden / aufopfern wolte. Hiemit wendete er sich gegen die Fürsten und andere Grossen / welche unfern von ihm bey dem Opfer auch ihrer Andacht gepfleget hatten / und ersuchte sie: daß sie ihm / als einem Wegweiser hinter den Hügel und Tempel nachfolgen möchten. Sie hatten aber kaum etliche Schritte fortgesetzt / als sie von Westen her gegen dem Tempel sich einen Todten-Aufzug nähern sahen; welches sie aus aller Begleitenden schwartzen Trauer-Kleidern und ihren umbhülleten Häuptern erkenneten. Zuförderst giengen zwantzig Edel-Leute / welche die Bilder der Sicambrischen Fürstlichen Ahnen vortrugen; diesen folgten drey Sicambrische Priester mit Opfer-Beilen / und hierauf alsofort ein mit Blumen-Kräntzen über und über bekleideter Sarg / welcher von zwölf weisse Wachs-Fackeln tragenden Edel-Knaben umbgeben / und von so viel edlen Jungfrauen getragen ward; die alle so viel Thränen über ihre Wangen flüssen liessen / daß es schien /als hätten ihre Augen sich in das regnende Sieben-Gestirne verwandelt. Ihre Vorgängerin / eine ansehnliche Frau / alleine hatte trockene Augen / es sahe ihr aber eine heftigere Bestürtzung aus dem Gesichte / als welche mit Weinen fürzubilden ist. Der Leiche folgten eine ziemliche Anzahl Sicambrische Edel-Leute / und zuletzt die Opfer-Thiere / welche auf denen Begräbnüssen zwar geschlachtet / nicht aber verbrennet /sondern von denen Leidtragenden verspeiset zu werden pflegen. So bald sie für den Eingang deß Tempels kamen / ward die Baare niedergesetzet / der Sarg eröffnet / in welchem eine eingebalsamte Leiche eines Frauen-Zimmers zu sehen war. Nachdem sie alle gegen der heiligen Höle sich biß auf die Erde niedergebückt / und ein kurtzes Gebete gethan hatten; kehrte sich die dem Sarche vortretende edle Frau zu denen anwesenden Fürsten / und fieng nach etlichen tieffen Seufzern halb rechelnde an zu reden: Wundert euch nicht / grosse Helden / wer ihr auch seyd / daß so viel bestürtztes Frauen-Zimmer und traurige Frembdlinge eure heilige Rath-Schläge stören. Unsre Leiche und Sache verträget nichts als Wehklagen; bey denen Deutschen aber ist den Männern nur das Andencken /denen Weibern das Trauren allein anständig. Lasset euch vielmehr befrembden: daß mein trockner Schmertz noch das Vermögen hat meine Zunge zu rühren. Dieses Gerippe sind die geringschätzigen Hülsen der überirrdischen Walpurgis / der Sicambrischen Fürstin; welche ich von Jugend auf durch tugendhafte Erziehung zu bedienen das Glücke / der boßhafte Varus aber zu ermorden den Vorsatz gehabt hat. Wolte GOtt aber / dieser Unmensch hätte nur ihr Leben / nicht aber ihre Tugend auszuleschen sich bemühet! Alleine diese Heldin hat das erste an ihr selbst hertzhafft ausüben müssen / womit Varus / der Keuschheit Tod-Feind / das andere zu vollbringen gehindert würde. Denn sie hat lieber in dem Siege-Strome ertrincken / als mit diesem lüsternen Hengste in dem Gewässer der Wollüste schwimmen wollen. Ich stehe an unsere Walpurgis der Römischen Lucretia zu gleichen / welche letztere / da sie unschuldig gewest ist / nicht den Tod / wenn sie aber nur ihr beliebtes Verbrechen mit dem Blute zu überfirnsen gesuchet /kein Lob verdienet hat. Sintemal die erstere durch zeitliche Abschneidung ihres Lebens-Fadens dem Wüterich auch das Vermögen sie zu verunehren[11] abgeschnidten. Gleichwol aber beredet mich der aus so viel Helden-Gesichtern hervor strahlende. Anblick: daß die unbefleckte Walpurgis zum minsten so wol eine Ursache der Rache / ein Anlaß die gekränckte Freyheit wiederzusuchen / für Deutschland; als die gleichwol besudelte Lucretie eine Mutter der bürgerlichen Herrschafft / und eine Vertilgerin der Wütteriche in Rom zu seyn / verdiene. Ja weil diese großmütige Tochter des Fürsten Melo in ihrem Hertzen einen so grossen Tugends-Eyfer gezeuget: daß sie an ihrem Leibe die unsinnige Begierde des Varus doch mit dem Tode gestraffet hat; würde ich aller anwesenden Helden Unwillen über mich billich ziehen; wenn ich nur Zweifelte: daß sie an dem schuldigen Varus so viel Laster mit gelinderer Straffe belegen / und dem / nicht so wol zur Rache seines Hauses / als dem gemeinen Wesen zum Besten / wider die Römer hertzhafft streiten den Melo ritterlich beyspringen wurden. Diesem heiligen Heyne hat ihr bestürtzter Vater die Asche einer so heiligen Fürstin gewiedmet / weil dieser Leib vorher ein heiliges Behältnüs einer so reinen Seele gewest. Aber in wie viel ein herrlicher Heyligthum wird mit ihrem Gedächtnüsse das Bild der Tugend beygesetzt werden; wenn in denen Hertzen so grosser Helden die trüben Wolcken des Mitleidens einen solchen Blitz gebehren / welcher den Wütterich in Asche verkehret / und der Nach-Welt ein Beyspiel der unglücklich angefochtenen Keuschheit hinterläst. Nach dem aber die Leichen ihrer Ruh / die fro en Seelen ihrer Erquickung / die Bösen der Marter nach dem Tode würdig sind / und also mit Seufzern begleitet zu werden verdienen / insonderheit die irrdischen Straffen ein allzu leichtes Gewichte gegen die Schwere eines so grausamen Verbrechens abgeben; so sehet / was das adeliche Frauen-Zimmer der Sicambrer für eine bewegliche Bitte an die Geister des andern Lebens deswegen abgelassen. Hiemit grief sie in den Sarg /und nahm der darinnen ausgestreckten Leiche ein Schreiben aus der lincken Hand / und laß folgende Worte daraus:


Ihr Geister / die ihr seyd von GOtt dazu bestellt

Der Sterbenden Gebein' und Asche zu bewahren /

Last dieser Leiche ja kein Leid nicht widerfahren!

Denn die hier Eyß ist / war die Sonne dieser Welt /

Die hier ist Erde / schloß den Himmel in sich ein;

Die Staub ist / war zuvor ein Wunder-Stern auf Erden.

Jedoch sie kan jetzt todt nichts wenigers ja werden /

Die / weil sie lebend war / nichts grössers konte seyn.


Ihr Geister aber ihr / die ihr Gespielen seyd

Der hier gepeinigten und dort erfreuten Seelen.

Nehmt an Walpurgens Geist / der aus des Leibes Hölen

Sich mit Gewalt entbrach / und für bestimmter Zeit /

Womit ihr keuscher Leib rein / heilig / unbefleckt

Zu dem was er gewest / zur Erden in der Erde /

Allein ihr himmlisch Geist ein Stern im Himmel werde /

Der hier schon ein groß Licht der Welt hat aufgesteckt.


Ihr Hencker endlich auch / der Seelen / die in Koth

Das Oel der Tugend kehrn / des Himmels Schatz verliehren /

Und noch ihr stinckend Gift auf reine Lilgen schmieren /

Thut ja dem Varus an Pein / Ketten und den Tod.

Er hat auch euch versehrt / denn hätt' er nicht geglaubt:

Daß nach dem Tode nichts / kein Recht / kein Leben wäre;

Daß weder GOtt noch Geist sich an die Laster kehre /

So hätt' er's Leben wol Walpurgen nicht geraubt.


Alle anwesende Fürsten sahen einander gantz bestürtzt an; denn nicht nur die traurigen Gesichter der anwesenden Klage-Weiber / sondern auch der todten Fürstin Antlitz sie gleichsam mit stummer Zunge zum Mitleiden und zur Rache anfleheten. Das Wasser in welchem sie einen halben Tag gelegen / ehe sie gefunden und heraus gezogen worden / hatte ihren Leib durch Aufschwellung / und der Tod ihr fast himmlisches Antlitz durch den Raub seines Purpers verstellet; gleichwol waren auch in dieser geringsten Uberbleibung nicht schlechte Merckmale ihrer Schönheit und Anmuth zu spüren. Denn die Sonnen / wenn sie gleich untergangen sind / lassen doch noch Kenn-Zeichen ihres herrlichen Glantzes hinter sich. Also wurden anfangs ihre Augen / hernach ihre Gemüther überaus beweget; dahero Hertzog Herrmann diese ihm gleichsam vom Himmel zugeschickete Gelegenheit die deutschen Fürsten zur Verbitterung[12] anzureitzen wol wahrnahm; und die für ihnen als ein Marmel-Bild unbewegt stehende Vorrednerin ersuchte; sie möchte den berührten Trauerfall ihnen umständlicher entdecken Diese fing alsofort auff unverwendetem Fuße an: die hier liegende Tochter des Hertzogs Melo war von der Natur mit allen Schätzen übermäßig beschüttet / welche das weibliche Geschlechte von ihrer milden Hand anzunehmen fähig ist. Ja auch ihr Hertze war mit dem Schatze der Männer betheilet / nehmlich einem Heldenmuthe; also daß ihre Schönheit mit ihrer Anmuth nicht nur ohne Waffen ihre Anschauer überwältigte; sondern ihr Geist auch fähig war Länder einzunehmen. Was mühe ich mich aber die heraus zu streichen / welcher Vollkommenheit gantz Deutschland fürlängst erkennet; nunmehr aber an ihr einen so herrlichen Schatz so schändlich verlohren hat? Denn wie es Schlangen giebt / welche nur die schönsten Blumen anfeinden; und die Kröten aus den reinsten Kräutern ihr Eyter saugen; also hat die Tugend dieser so reinen Fürstin nicht die Anfechtung des geilen Varus zurück zu halten vermocht. Dieser Unmensch zohe mit etlichen tausend Römern und Galliern durch das Sicambrische Gebiethe nach Alison. Melo nahm ihn als einen Freund und Bundsgenossen freundlich auff / bewirthete ihn auff etlichen seiner Lusthäuser /wohin die Reise zutrug / auffs höfflichste; und diese seine zu ihrem Unglücke so schöne Tochter muste die mit ihm reisende Frau des Lucius Asprenas und etliche andere Römerinnen / oder vielmehr Kuplerinnen auffs fteundlichste unterhalten. Varus fing mit ihrer ersten Erblickung alsbald Feuer / und in einem Tage brandte sein Hertz lichterloh. Wiewohl nun ihre ihr aus den Augen sehende Tugend diesen in seinen stinckenden Hertzen auffsteigenden Dampff hätte niederdrücken sollen; war doch dieser der Laster gewohnte Mensch so wenig seiner Vernunfft als seiner Begierden mächtig; sondern er meinte: daß die Schönheit so selten keusch / als die Sonne kalt wäre / und Walpurgis für eine Ehre oder Gnade zu achten hätte / wenn ein Anverwandter des Römischen Käysers mit ihr seine Lust büssete. Ja es war Varus in sich selbst so sehr verliebt: daß er kein Frauenzimmer für so kaltsinnig hielt / welches bey seiner ersten Ansprache nicht die Freyheit; bey der andern Zusammenkunfft die Vernunfft verliehren / und seine Vollkommenheit nichts minder alles Weibsvolck verliebt / als die Soñe in Mohrenland alle Einwohner schwartz machen müste. Nachdem er auch ein und ander mahl in Abwesenheit der Römischen Frauen gegen sie ziemlich freye Reden und Geberden gebraucht / Walpurgis aber es in Meinung: daß es zu Rom gewohnte Sitten wären / ohne eusserliche Empfindung hatte hingehen lassen / bildete er sich ein / dieser Fürstin Hertze wäre schon eine von ihm so in die Enge gebrachte Festung: daß sie um sich zu ergeben nur die Ehre verlangte auffgefodert zu werden. Diesemnach er sie dann / als Hertzog Melo mit des Asprenas Gemahlin in einem Lusthause das Königsspiel spielten / bey der Hand nahm / und in einem schattichten Gange des Gartens mit seinem garstigen Munde durch Abheischung unziemlicher Liebe nichts minder das Haus seines so wohlthätigen Wirthes / als die keusche Ohren dieser tugendhafften Fürstin verletzte. Walpurgis / welche nichts minder mit Hertzhafftigkeit / als die Rosen mit Dornen ihre Beleidiger zu verletzen gewaffnet war /hatte sich bey nahe entschlossen diesem unverschämten Tollkühnen mit einem Schimpffe zu begegnen; sie erwog aber alsbald vernünfftig / was ihrem Vater und allen Sicambern aus einer zu hitzigen Bewegung für Unheil erwachsen / und / nachdem Varus so grosse Kriegs-Macht an der Hand hatte / in was für Gefahr und Unglück sie sich durch zu geschwinden Eyfer stürtzen könte. Diesemnach sie denn / wiewohl mit gantz veränderter Freundligkeit dem Varus antwortete: Sie muthmaßte aus diesem Vortrage /[13] wann sie es nicht vorhin wüste: daß er nicht lange in Deutschland gewesen seyn müste / alwo dieser Schertz gar ungewöhnlich wäre. Der von den Begierden gantz verblendete Varus gab nur ein Lachen darein / meldende: die Römer wären gewohnt insgemein Schertz und Ernst mit einander zu vermählen; und möchte sie glauben: seine gegen ihr entglommene Liebe wäre schon zu einem solchen Feuer worden: daß sie sich mit denen erstern Schalen nicht sättigte. Walpurgis zähmte sich noch und versetzte: Sie könte sich seine angegebene Meinung nicht bereden lassen / weil er nichts minder von denen Deutschen / als sie von Römern wüste: daß beyderseits zweyfache Ehen verdammlich wären. Varus fuhr alfogleich fort und fing an: Ich bejammere die Einfalt der Deutschen / welche der Himmel mit übermäßiger Schönheit begabt / aber mit gebrechender Wissenschafft selbte zu brauchen gestrafft hat. Sie Römer aber wüsten: daß die Ehen nicht unaufflößlich; ein Ehweib auch nur ein Wort der Wurde / nicht der Vergnügung wäre; welche alsofort mehr als die Helffte verschwinde / oder gar erstickte / wenn man die Liebe in die Schranken des Ehbettes als in einen Kercker versperrete; Sintemahl einem für dem leicht eckelte / dessen Genüß man täglich in seiner Gewalt hätte. Die tugendhaffte Walpurgis färbte sich über so unverschämtem Gegensatze / und wolte sich des Varus entbrechen; welcher aber ihr die Hand loß zu lassen weigerte / und sie also ihm zu sagen nöthigte: Deutschland hätte ihm so sehr über seiner Einfalt Glück zu wünschen / als die wollüstigen Ausländer über ihrer gerühmten Wissenschafft sich zu betrüben. Sintemahl keine reinere Unschuld seyn könte / als die Laster nicht kennen; welchen so viel Gifft anklebte: daß ihr Nahme gleichsam anfällig / wie der Basilisten Auge tödtlich wäre. Dahero sie ihn ersuchte: daß er ihre als einer Jungfrauen Ohren mit so ärgerlichen Beleidigungen verschonen und erwegen solte: wie in Deutschland auch nur die Versehrung der Schamhafftigkeit eine ärgere Verletzung als der Tod / sie aber /mit der er redete / nichts minder im Gemüche / als von Ankunfft eine Fürstin wäre. Eben dieses / antwortete Varus / ist alleine erheblich genug / ihr andere Gedancken einzureden. Denn die Gesetze / welche der Natur und ihren Neigungen Zwang anthun / sind für den Pöfel gemacht. Die blosse Wilkühr der Fürsten aber ist eine Richtschnur / welche Gutes und Böses unterscheidet. Und der Glantz ihres Ansehens ist so vermögend einer Schwachheit die Farbe der Tugend /als die Sonne einer trüben Wolcke des Purpers und Goldes anzustreichen. Niedrige Gestirne würden nur von andern verfinstert / an die aber / welche in den obersten Kreissen stünden / reichten weder Schatten noch Flecken. Nichts minder wären die Heldinnen an eine solche Höhe gesetzet: daß ihre Flamme der Liebe entweder gar ohne einigen Rauch der Schande loderten / oder zum minsten selbte kein irrdisches Auge zu erkiesen vermöchte. Diese ungebundene Freyheit nach ihrem Belieben zu leben / und von dem andern verbotenen Baume zu essen / wäre das einige Vorrecht und Vortheil / die das Glück ihnen für so viel Sorgen und Schweiß / womit der Pöfel verschonet würde / zugeschantzt hätte. Woriñen die Sitten der Deutschen auch selbst übereinstimmeten; welche dem gemeinen Volcke nur eines / den Fürsten aber mehr Weiber zu heyrathen erlaubten. Die Fürstin Walpurgis unterbrach mit einer nicht geringen Ungedult die allen Fürstlichen Häusern verkleinerliche Lehre; welche er nach seinen unreinen Gemüthsregungen zu erhärten bemühet war. Ist die Keuschheit / sagte sie / nicht das edelste Kleinod des gantzen weiblichen Geschlechts /warumb soll denn der Pöfel sich mit dieser köstlichen Perle[14] zu schmücken allein befugt / denen Heldinnen aber sich mit Unflate der Laster zu besudeln eine anständige Tracht seyn? Der Koth bleibt heßlich und so viel mehr kenntbar in Krystallenen Geschirren; und die Laster garstig / wenn sie schon in Sammet und Gold-Stück gehüllet / oder auf helffenbeinerne Stüle gesetzet werden. Die Straalen des Gelückes haben so wenig die Krafft aus einem stinckenden Verbrechen eine Tugend zu machen / als das Gestirne aus Kröten-Gerecke oder Frosch-Leich reine Thiere zu gebehren. Warlich es scheinet nichts ungereimter zu seyn; als daß bis / was in eines Bürgers Hause stincket / auf der Burg den Geruch des Ambra vertreten; daß ein eytrichter Hader ein gemeines Weib verstellen / einer Fürstin aber wol anstehen / daß Hurerey und Ehbruch an Mägden gestrafft / an Göttern aber mit dem abergläubischen Griechen-Lande angebetet werden soll. Der Adel hat ja zu seinem Eben-Bilde die Perlen /welche von dem reinen Thaue des Himmels gezeuget werden / und ohne ihren gäntzlichen Verderb keinen unsaubern Bey-Satz annehmen. Die grösten Diamanten / wenn sie unrein sind / sind unwerther / als kleine. Das Feuer / als das oberste unter den natürlichen Dingen ist reiner / als die niedrigern; ja es ist denen Flecken so sehr feind / daß es viel schwartze Dinge weiß macht / viel Ungestalten die Farbe des Himmels oder des Gestirnes zueignet / die unverbrennliche Leinwand von aller Unsauberkeit / das Gold von Kupfer und Schlacken saubert. Wie mag man denn uns den Hütten-Rauch schandbarer Geilheit für ein heiliges Feuer der Liebe verkauffen? Nein fürwar; ich lasse mich nicht bereden: daß die Natur für den Schmuck des Fürstlichen Frauen-Zimmers nur Perlen und Rubinen / der Himmel aber für das gemeine die Reinligkeit der Keuschheit / und das Feuer der Schamhaftigkeit auserwehlet habe. Ich kan nimmermehr glauben: daß die Edeln deßwegen insgemein äuserlich schöner und lebhaffter / die geringern ungestalter und eingeschlaffener sind; womit jene den Zierrath der Seele in dem Schlamme der Sünden erstecken; diese aber in innerlicher Vollkommenheit den Vorzug haben möchten. Wäre es nicht eben so viel /als die Seide aus Weid / die Wolle aus Schnecken-Blute färben; und in ein Huren-Haus ein Bild aus Golde / in einen Tempel aus Thone setzen? Wahr ist es zwar: daß in der Welt meist kleine Missethaten gestrafft / grosse noch mit Lorbeer-Kräntzen verehret werden; und der allein ein Ubelthäter ist / der seiner Schwäche halben gestrafft werden kan; aber die gerechte Rache GOttes schläget auf die hohen Häupter öfter und grimmiger / wie der Blitz eher in die Gipfel der Gebürge / und Cedern / als in niedrige Thäler und auf Krumm-Holtz. Und die Schmach unsers Thuns kö t auch für der Welt eher aus Tage-Licht / denn derer / welche ihr niedriger Stand verdüstert: Sintemal unsere Fehler nicht minder genau als die Flecken des Monden auf einen Finger breit ausgerechnet / ja unsere mit allem Fleiß verdeckte Schwachheiten eben so wol als die auch unsichtbaren Finsternüsse übel gedeutet werden. Zu geschweigen: daß die Laster bey hohem Stande und Ansehen nichts minder als das Gift in dem gestirnten Scorpion unvergleichlich schädlicher / als in dem irrdischen ist. Sintemal Unterthanen in ihrer Fürstẽ Antlitzern auch die Feuer-Maale für schön halten / und ihre angebohrne Gebrechen nachäffen; also ihre Laster nichts minder für Sitten / als die heßlichstẽ Larven für eine anständige Tracht añehmẽ. Der für toller Brunst schier wahnsinnige Varus meynte mit nichts wenigerm / als mit Worten abgespeiset zu seyn; daher er der tugendhaften Walpurgis unter Augen sagte: Es wäre da keine Zeit / und verlorne Müh einen Priester oder Weltweisen abzubilden / sondern ihr läge die unvermeidliche Noth ob /sich zu erklären: ob sie gutwillig seines Willens leben /[15] oder Zwangs gewärtig seyn wolte. Weil nun die verwegenen und vollbrachten Laster ins gemein glücklich ausschlagen / hielt es Varus für eine Thorheit /nur halb oder furchtsam boßhaft seyn. Diesemnach er denn mit obigen Worten alsbald sie als ein Unsinniger anfiel; sie aber mit grosser Hertzhaftigkeit seinen geilen Betastungen Widerstand that. Ich / sagte diese Frau / weil mir die Aufsicht über diese Fürstin anvertrauet war / hörte allein in einer von dem Gepüsche verdeckten Nähe dieses alles mit stetem Hertz-Klopfen an / und weil ich besorgte: Walpurgis möchte übermannet werden / rieff ich mit einem jämmerlichen Geschrey umb Hülffe. Hierüber entstand zwischen denen Sicambern und Römern ein Auflauff und zu gleich ein blutiges Gefechte; weil sie den Varus und die Fürstin noch in einander so unfreundlich verwickelt antraffen. Hertzog Melo sprang aus dem Lust-Hause selbst herbey; aber Varus hatte das Garten-Thor aufzubrechen und das Kriegs-Volck einzulassen befohlen; welches die wenigen Hof-Leute des Hertzogs leicht zurücke trieb oder erlegte. Wiewol Melo mit schäumendem Munde / als ein Tieger-Thier / dem man seine Jungen raubt / fochte / und sein Leben zulassen / oder sein Kind zu erstreiten ihm vorsetzete /biß er von dreyen empfangenen Wunden sich so sehr verblutete: daß er in eine wiewol ihm dienende Ohnmacht sanck; weil die Grausamkeit dieser Räuber ihm schwerlich das Leben gegönnet hätte; wenn es nicht schon für verloren wäre geachtet worden. Gleichwol aber wolte der Himmel der Boßheit des Varus nicht enträumen: daß sie einer so reinen Keuschheit ein Haarbreit Abbruch zu thun vermocht hätte. Denn die Fürstin Walpurgis rieß einem Römer ein Schwerdt aus / und weil Varus sie zu verwunden bey Lebens-Straffe verbot / war es ihr unschwer / durch etliche Hauffen ihr einen Weg zu öfnen; biß sie an den die eine Seite des Gartens bestreichenden Siege-Fluß kam; in welchen sie sich rückwerts stürtzete / als sie sich alles Hülffe entblöst / ihr Schwerdt zersprungen /und sich allenthalben umbringet / und dem unzüchtigen Ehren-Schänder Varus anderer gestalt zu entrinnen keine Mögligkeit sahe. Die Römer und insonderheit Varus wurden hierüber so beschämt und bestürtzt / daß sie / gleich als vom Blitz gerühret / erstarreten /und als wenn die Göttliche Rache schon ihnen über dem Nacken schwebte / oder etliche Kriegs-Heere ihnen in Eisen wären / über Hals über Kopf sich aus dem Sicambrischen Gebiete flüchteten. Denn die Boßhafften erkiesen allererst die Grösse ihres Lasters nach vollbrachter That. Hertzog Melo ward hierauf wieder erfrischet / und ihm seine Wunden verbunden; welche GOtt so viel zeitlicher heil werden lassen /daß er wider solche Grausamkeit ein strenger Rächer sey. Der eines bessern Glücks würdigen Walpurgis Leib ward in dem Wasser sorgfältig gesucht / an selbigem Abende noch funden / und endlich auf unsers Fürsten Befehl / in Begleitung tausend streitbarer Sicambrer / anher gebracht. Denn wie ihre reine Seele /nach abgelegter Bürde verweßlicher Glieder / in einem der reinesten Gestirne / daraus sie entsprungen / oder in einer ander-viel herrlichern Welt / jetzt ihre Wohnung hat; also verdienet auch ihr heiliger Leib /daß er in der heiligsten Erde Deutschlands sein Begräbnüs erlange.

Hertzog Herrmann fieng nach ihrem Schlusse zu denen andern Fürsten an: Ist dieses nicht eine Begebnüs / welche einen Stein in der Erden erbarmen möchte? Ist die Greuel-That des Varus nicht so abscheulich / daß sie der Göttlichen Rache unmöglich entkommen kan? Diese heilige und behertzte Tode aber ist uns eine Lehrmeisterin: daß man ehe sich selbst tödten /als sich seiner Freyheit und Tugend berauben lassen /und daß man länger nicht leben soll / als so lange es rühmlicher ist zu leben als zu sterben. Viel Völcker halten die Grabe-Städte für Pforten /[16] woraus sich die Göttlichen Leitungen durch Wahrsagung herfür thun; Lastet uns allein hier wahrnehmen / daß die Todten denen Lebenden durch ihr Bey-Spiel mehrmals die Augen aufsperren. Ja die Todte sind die getreuesten Spiegel so wol anderwertigen Beginnens / als Wegweiser unser künftigen Entschlüssungen. Als die andern Fürsten hierzu gleichfalls ihr Wort gaben und Mitleiden bezeugten / ward die Leiche der Fürstin Walpurgis von denen Priestern mit Wasser aus dem heiligen Brunnen besprengt; jeder Fürst streuete eine Handvoll Blumen auf die Leiche / wüntschte ihr eine sanfte Ruhe; und Hertzog Herrmann gelobte ihrem Geiste ein fettes Rach-Opfer an ihren Feinden abzuschlachten. Weil nun zu ihrer Beerdigung Anstalt gemacht ward / verfügten die Fürsten insgesa t sich in die Cheruskischen Zelten / darinnen eine grosse Menge kleiner Tische / weil eine jede Person auf einem absondern zu speisen pflegt / zubereitet / und mit allerhand Speisen theils in silbernen / theils ertztenen / theils irrdenen Schüsseln besetzet. Auf der Erden hin waren allerhand Häute von Beeren / Luchsen / Wölfen / Füchsen und andern wilden Thieren /die im Hartz-Walde gefangen werden / aufgebreitet. Auf diese nöthigte der Cheruskische Fürst seine Eingeladene sich niederzulassen / und nam endlich seine Stelle zwischen den zweyen Hörnern der gleichsam in einen halben Mond sich umbkrümmender Taffeln. Es war alles nach der Cheruskischen Landes-Art aufs prächtigste angestellt / und einem jeden Gaste ein mit Silber eingefassetes Horn von Auer-Ochsen mit Biere / und ein Becher mit Weine / derogleichen numehro auch durch die Gemeinschafft mit den Römern in Deutschland ko en war / für gesetzt.

Nach fast vollbrachter Mahlzeit ließ Hertzog Herrmann ihm einen gantz güldenen Becher reichen /stand auf / tranck selbten dem Hertzoge der Catten Arpus zu / und redete die Anwesenden mit folgenden Worten an: Edle Deutschen / großmüthige Bunds-Genossen; Quintilius Varus hat uns sä tlich anher beruffen / daß wir unsere Schwerdter im Blute unserer Brüder und Bunds-Genossen / der für Deutschlands Freyheit und die Schand-That des Varus zu rächen ergreiffenden Sicambrer baden solten. Aber so sehr sich Varus betrogen finden wird / wenn er gläubt / daß die Cherusker und Catten nicht für die allgemeine Wolfart ihre Irrungen vergessen könten / auch Fürst Arpus und ich allhier einander selbst aufreiben würden; so wenig traue ich einigem Anwesenden Deutschen zu /daß er glaube / ich wäre für die Römer aufgesessen /und meine Cherusker wolten wider die Deutschen einen Sebel zücken. Wir würden nicht mehr unserer Vorfahren Nahmen zu führen würdig seyn / wenn wir dieses im Schilde führten / oder zeithero nicht mehr vom Verhängnüsse wären gedrückt / als durch eigens Kleinmuth zu Sclaven gemacht worden. Mein Anherr König Teutobach ließ von des Bürger-Meisters Carbo und Silan Legionen nicht ein Bein davon kommen /als selbte sich nur ihren Nachbarn den Galliern näherten; und wir können die Römischen Adler zwischen dem Rhein und der Elbe fliegen sehen? Teutobach /sage ich / drang mit mehrem Schrecken als Hannibal durch die felsichte Mauren Italiens / schlug den Manlius und rieb mit dem Cävio den Kern des Römischen Adels auf. Worüber Rom erzitterte / und selbigen unglückseligen Tag mit Kohlen in seine Zeit-Register schrieb. Und wir empfinden nicht / daß zwey Meilweges von hier in dem Hertzen Deutsch-Landes in unsern heiligen Heynen unsere Tod-Feinde ihr Lager und Besatzungen haben? Dem Kayser Julius / dessen Thaten die Römer selbst mehr für Gött- als menschlich halten / boten die einigen Sicambrer / ihrer Freunde halber / die beyihnen über dem Rheine Zuflucht gesucht hatten / die Spitze / und sagten ihm statt begehrter Ausfolgung unter Augen: Der Rhein sey die[17] Gräntzscheidung zwischen ihrem Gebiete und dem Römischen Reiche. Eben diese behertzten Sicambrer rennen uns auch dismal den Preiß ab; indem der großmüthige Melo ich allein an die Römer macht / und sie über dem Rheine antastet / auch mit etlicher tausend erschlagener Feinde ausgeleschtem Leben seiner tugendhaften Tochter zu Grabe leuchtet. Wir aber lassen die Saale und Elbe zinßbar machen / die Lippe und Weser mit Festungen besetzen? Kayser Julius schlug ja wol die erste Brücke über den Rhein / alleine / nachdem er vernahm / daß die Catten sich ihm zu begegnen versa leten / kehrete er zurücke und brach die Brücke ab; meynte auch seinen Ehren gar genug gethan zu haben: daß er achtzehn Tage auf deutschem Bodem hätte rasten können. Und wir lassen mehr als so viel Jahre dessen Nachkommen / von denen wir noch zur Zeit wenige Thaten gesehen / unsere Ehre kräncken / unsere Güter rauben / und die Wilkühr über unser Leben und Kinder ausüben? Die Augen gehen mir über / wenn ich bedencke: daß unsere Waffen vom Roste gefressen werden / weñ wir selbte nicht noch in der Römer Diensten ausputzten; daß wir unsere Schwerdter im Blute unserer eigenen Bluts-Verwandten waschen / uñ sie wie uns unter das Joch der Römer müssen spannen helffen. Wolte Gott aber /wir trügen noch das Joch rechtschaffener Römer / und wären nicht Knechte eines einigen üppigen Menschen / an dem nichts Römisches als der Nahme / ja der den Römern selbst verächtlich / und ein Knecht seiner Begierden ist. Gewiß ich halte dafür: daß uns Quintilius Varus nicht so wol Marck und Bein auszusaugen / als zu Beschimpfung unserer vorhin so hoch herausgestrichenen Tapferkeit fürgesetzt sey. Sintemal bey uns so viel Goldes nicht zu erscharren / als in Syrien /welches er bey seiner armseligen Hinkunft reich gefunden / bey seinem reichen Abzuge aber arm verlassen hat. Wie / oder wil Rom durch ihn in unser Vater-Land der warmen Länder abscheuliche Laster / welche unsere Einwohner auch vom Nahmen nicht kennen / unser zwar harter / dißfalls aber mehr gütiger Himmel nicht verträget / einspielen / und unser geliebtes Deutschland / in welchem die Weiber männlicher als anderswo die Krieges-Leute sind / weibisch machen? Weil ja dieser üppige Mensch von Wollüsten / womit die Römer ohne dis insgemein denen Unterworffenen mehr als mit ihren Waffen Schaden thun / zerrinnen möchte. Denn ist in unserer Gegend wol ein schönes Weib für seinen unkeuschen Anmuthungen verschonet blieben? Was sag ich aber von Anmuthungen? Die Töchter des Landes haben nichts minder seiner Geilheit ihre Jungfrauschafften / als den wollüstigen Römischen Weibern ihre gelben Haare zu ihrer Aufputzung / als einen Zoll abliefern müssen. Ich wil der Römischen Grausamkeit geschweigen: daß sie anfangs bey denen Begräbnüssen wol-verdienter Helden / nach der Erfindung des Junius Brutus /ihre Gefangenen umb Leib und Leben zu fechten nöthigten; hernach aber auch gemeine Bürger solches aufbrachten; ja ihren Geist mit dem Blute solcher Fechter zu versöhnen in ihren letzten Willen verordneten; und endlich auch der Weiber Holtz-Stösse mit dieser Grausamkeit verehret wurden. Wie denn Kayser Julius auf dem Begräbnüsse seiner Tochter viel Deutsche und unzehliche Gallier / nebst einer grossen Menge wilder Thiere / sich durch selbsteignen Kampf aufzureiben gezwungen hat. Mich ärgert so sehr nicht / daß die Bürgermeister und Einwohner die Antretungen ihrer Aempter / die Bau-Herren die Außmachungen ihrer Gebäu / die Stadt-Vögte das Gedächtnüß des von ihnen betretenen Richter-Stules / ja so gar die Priester ihre Weyhungen / die Uberwinder ihre Siegs-Gepränge mit so blutigem Gefechte gefeyert / und den schwermenden Pöfel fast Monatlich /[18] oder zuweilen hundert und zwantzig Tage nach einander mit Auffopfferung vieler tausend Fechter besänfftigt haben. Es läst sich noch verschmertzen: daß Römische Bürger ihre Gastmahle nicht vor vergnüglich halten / wenn nicht ihr Tisch mit dem Blute der dabey kämpffenden Deutschen bespritzt wird; welche man hierzu vorher mit niedlichen Speisen in gewissen Gemächern mit Fleiß gemästet hat. Deñ hierdurch ist von unsern Feinden nichts als das Leben versehret worden / worüber ein Uberwinder allerdings ein Recht erlangt. Aber die Schändung unserer Kinder / die Verunehrung unser Weiber / und zwar unter dem Scheine der Freundschafft / ist ein unverdauliches und nur mit ihrem Blute ausleschliches Unrecht. Was haben unsere Augen kurtz vorher an der Leiche der tugendhafften Walpurgis für ein Trauerspiel anschauen müssen? Warlich ihre stummen Lippen haben in ihrer Seele eine solche Krafft der Beredsamkeit / daß / weñ ich auch nie gemeint gewest wäre der Römer Feind zu werden / ich mich mit ihnen zu brechen nur dieser Greuelthat halben entschlüssen müste. Diese todte Rednerin ist mir mit ihrer nachdrücklichen Betagung der Rache zuvor kommen: daß ich mit wichtigen gründen euch zum Kriege zu bereden überhoben zu seyn scheine. Es ist ein besonder Geheimnüß des Verhängnüsses: daß es das Laster der Unzucht nichts minder zum Fallbrete mächtigster Reiche / als zum Fallstricke grössester Uberwinder erkieset. Daher ich festiglich glaube: daß die Schandthat des Varus ihm den Hals brechen / und der Römischen Herrschafft in Deutschland einen tödtlichen Stoß versetzen werde; weñ wir anders den / welchen das Schrecken über seiner Boßheit furchtsam / die Frucht verzagt und taumelnd macht / durch unsere Unachtsamkeit sich nicht wieder erholen lassen. Meinen aber wir an der Beschimpffung des Fürsten Melo kein Theil zu haben; so behertzigt den unermeßlichen Geitz und Grausamkeit dieses Wüterichs / welcher auch dar Schätze gesammlet / wo niemand für ihm einige gesucht; und für einen Centner Ertzt gerne tausend Deutsche vergraben hat; in dem er die Klüffte unsers Hartzwaldes gleich einem Maulwurffe durchfahren / und unzehlich viel unser darüber schmachtender Landesleute noch bey Lebzeiten in eine Hölle verdammet hat / biß er die Gold- und Silber-Adern erfunden / welche die Natur oder die mehr milden als zornigen Götter für den unersättlichen Augen der Menschen verborgen hatten. Auch hat nicht nur er sich mit unserm Schweiß und Blute angefüllet; sondern zu Befestigung seines ungewöhnlichen Richterstuls uns den durstigen Aegeln der Zancksüchtigen Sachredner zum Raube übergeben; welche die Deutschen nicht nur biß auffs Blut ausgesogen / sondern ihnen mit ihren gifftigen Zungen durch Seel und Hertz gedrungen. Ist wohl eine schimpfflichere Dienstbarkeit zu ersinnen; als daß die edlen Deutschen sich von einem geringen Ausländer /der vielleicht nicht seinen Großvater zu nennen weiß /müßen urtheilen lassen? daß Deutschland seine heilsame Sitten / welche die Römer ehmahls selbst anderer Völcker besten Gesetzen weit fürgezogen haben /zu Bodem treten / ihm fremde Rechte auffdringen /oder vielmehr nach andern Begierden ihm Ehre / Hals und Vermögen absprechen lassen / auch Beil und Stecken gleichsam zum täglichen Schrecken fürtragen sehen muß. Daß wir Deutschen in Deutschland unsere Nothdurfft und Gemüths-Meinung nicht in unserer uhralten Muttersprache fürtragen dörffen / sondern auch Fürsten durch den Mund lateinischer Knechte und Dolmetscher reden müssen? Dieses aber ist grausamer als die Grausamkeit selbst / und unsern freyen Gemüthern unerträglich / daß sich dieser auffgeblasene Mensch für Hoffarth selbst nicht kennet / und die Edelsten unter uns am verächtlichsten hält. Wie viel Stunden muß offters ein deutscher Fürst / welchem[19] der Käyser wohl ehmahls selbsten entgegen kommen /für dem Zimmer auffwarten / ehe Varus ihn mit der Verhör begnadigt? Welch Römischer Obrister / dem etwan eine Legion anvertrauet worden / stehet einen Hertzog in Deutschland / der ein gantz Volck zu beherrschen hat / nicht kaum über die Achsel an? Welcher Rottmeister will nicht den Fürnehmsten unserer Ritterschafft fürgezogen seyn? Behertzigt diesem nach / großmüthige Helden / was bey diesem grossen Ubel euere Klugheit euch vernünfftig entschlüssen / und eure Tapfferkeit behertzt ins Werck setzen heist. Einem grossen Gemüthe sind Armuth / Fessel und Dienstbarkeit ja noch erträglich / Beschimpfung aber erdulden und seine eigene Ehre in Wind schlagen /heist zugleich die Wurtzeln der Tugend in sich ausrotten. Dahero ist es rühmlicher und süsser ehrlich sterben / als schimpfflich das Leben behalten.

Hiemit tranck Fürst Herrmann den Becher aus / gewehrte ihn dem Hertzoge der Catten / und setzte bey: dieses Trinck-Geschirre ist ein werthes Angedencken meines Großvaters / Hertzog Aembrichs / dessen Tapfferkeit die Herrschafft der Eburonen dem Cheruskischen Hause unterworffen. Dieses war der Mund-Becher des Cotta / und hernach Aembrichs Beute / als er ihn und seine gantze Legion Römer vertilgte und Sabinus für ihm die Waffen kleinmüthig niederlegte. Der Himmel gebe: daß ich dir morgen des Varus Trinckgeschirre bringen könne!

Der Catten Hertzog nahm solchen als ein besonderes Glücks-Zeichen und ein Pfand vertreulicher Freundschafft an; beföderte selbten an den Segesthes der Cassuarier und Dulgibiner Fürsten; mit dem Beysatze: er versehe sich / daß keiner unter den Anwesenden sey / welcher mehr zu berathschlagen nöthigachtete: ob das unerträgliche Joch der Römer von den Achseln des Vaterlandes zu werffen / und selbtes durch Uberfallung des Varus in die güldne Freyheit zu setzen sey. Denn für einem Wüterich hätten alle Menschen eine Abscheu; und alle behertzten ihn auffzureiben den Vorsatz; sintemahl der Pfeiler seiner Herrschafft nur das Bild der Furcht / und die Riesen-Seule der Grausamkeit wäre. Der ersten verleschende Furcht wäre der Anfang seines Falles / der letztern Entschliessung das ungezweiffelte Mittel seiner Zermalmung. Varus hätte zwar den Deutschen durch seine Blutstürtzungen und Grausamkeit ein nicht geringes Schrecken eingejagt; aber die vermessenste Kühnheit wäre eine Geburt der kleinmüthigsten Furcht / und eine Tochter der Verzweiffelung. Also würden auch die Verzagtesten in diesem Fürhaben nicht feige; Sie aber als Helden / wo nicht durch eigene Ruhms-Begierde / doch durch die Rache gegen so vieles Unrecht hierzu genugsam auffgemuntert seyn. Die Parther / welche doch leibeigen gebohren und der Dienstbarkeit gewohnt wären / hätten sich wider die Römische jederzeit biß auffs Blut verfochten / und mit Erlegung des Crassus und Ventidius ihnen nicht so wol das güldene Kleinod der Freyheit / welches der Deutschen Augapffel wäre / als einen unsterblichen Nachruhm erworben. Pacorus habe dort darüber sein Leben auffgeopffert / ihm würde es nichts weniger süsse seyn / fürs Vaterland zu sterben. Er habe deßwegen seinen einigen Sohn mit ins Läger bracht /umb den allgemeinen Feind Deutschlands zu bestreiten; welcher nach dem überwundenen Varus die Erstlinge seines Bartes in den Taufanischen Tempel zu lieffern beglückt zu seyn hoffte. Er hätte von seiner Vorfahren Ansprüchen und Staats-Gesetzen abgesetzt / und den zwischen den Catten und Cheruskern fast ewigen Streit in Freundschafft beygelegt. Sintemahl der Eigennutz insgemein auch den schwächsten Feinden den Sieg zuschantzte / und daher so wohl dieser als häußlicher Haß dem gemeinen Nutzen nachgeben solte / denn wo man gleich rechtschaffene Ursache[20] zur Feindschafft hätte / solte man der Sache / nicht der Person feind werden. Derenthalben hätte er jederzeit dem Marcus Brutus in dieser letzten Zeit den ersten Platz unter den Römern eingeräumt / weil er nicht als ein zu hitziger Sohn sich auff die Seite des Julius /sondern als ein treuer Bürger zu dem für die Freyheit streitenden Pompejus geschlagen; ungeachtet dieser des Brutus Vater auffgerieben hätte; ja auch des Julius Wohlthaten sich hernäch nicht verblenden und abhalten ließ / für die gemeine Freyheit seinem Wohlthäter den Dolch ins Hertze zu stossen; Wodurch er sich zu einem zweyfach danckbaren Sohne des gemeinen Wesens gemacht hätte. Derogestalt wäre numehro allein die Frage / wie diß Werck / welches er für wichtiger als schwerer hielte / vorsichtig zu vollziehen wäre? Denn ein frommer Fürst wäre zwar leicht anzugreiffen / aber gefährlicher zu erlegen; weil er todt am meisten geliebt würde. Hingegen wäre ein böser Herrscher zwar schwer anzutasten / aber sonder Gefahr zu stürtzen. Sintemahl ihn nach seinem Tode auch seine eigene Schooß Kinder verda ten; womit sie nicht für so böse als ihr verlohrner Rückenhalter möchten geachtet werden. Solchem nach wäre seine Meinung: der glückliche Ausschlag hange von Fortsetzung eines geschwinden Uberfalls / und von Anführung eines erfahrnen Feldherrn. Langsamkeit sey der Kern in zweiffelhafften Rathschlägen / Geschwindigkeit aber in der Bewerckstelligung eines Schlusses. Uberdiß würden Aufflehnungen wider einen Unterdrücker gefährlicher berathschlagt als ausgeübt. Wo es auch ums gemeine Heyl zu thun wäre / müste niemand sich eigne Vermessenheit oder Ehrgeitz auffblehen lassen und zu Zwytracht Anlaß geben. Denn seine Leibs-Stärcke / seine Gemüths-Kräfften und Erfahrung nur seinem eigenen Ehrgeitze wiedmen / wäre viehisch oder teuffelisch; selbte zugleich dem gemeinen Wesen zum besten anwenden / stünde Menschen zu; seinen eigenen Vortheil aber gar davon abziehen /schiene so gar etwas göttliches zu seyn. Diesem nach wolte er den gerne für den hertzhafftesten halten / und die Oberstelle demselben ohne Widerrede einräumen /welcher am ersten durch den Wall des Römischen Lägers einbrechen würde. Inzwischen erkläre er sich /daß er unter dem Cheruskischen Hertzoge / welcher die Römische Kriegs-Art von Grund aus gefasset / als er unter ihnen selbst einen Heerführer abgegeben /seine Cätten willigst in Schlacht-Ordnung stellen wolle. Das Glücke sey eine Buhlerin junger Helden. Sein Geschleckte / seine Tugend / sein Eyfer für das gemeine Wesen / und daß er der Urheber dieses heiligen Bündnißes sey / eigne ihm das Vorrecht zu / und erkläre ihn zu ihrem obersten Feld-Herrn. Er aber wolte durch sein Beyspiel lehren: daß ob wohl viel fähig wären / einem ein Oberhaupt fürzusetzen /gleichwohl es selbst nicht über sich leiden könten; dennoch ihm und der deutschen Freyheit nicht zu wider lieffe / einem Beschirmer des Landes zu folgen / den man gleich selbst aus Bret gehoben hätte.

Aller Anwesenden Angesichter schienen dem Arpus Beyfall zu geben / als Segesthes ihm einfiel: Es wäre freylich wol zu wüntschen Deutschland in völlige Freyheit / das Volck in Sicherheit / sich in mehr Ansehen zu setzen; allein es hätten die Deutschen die Römer wider sich selbst / durch unaufhörliche Einfälle in Gallien / gereitzet. Hätte Ariovist sich mit denen gewonnenen Sequanern vergnügt / die Heduer und alle Gallier ihm nicht wollen unterthänig machen /dem Julius nicht spöttische Antwort zugeboten / so hätten die Römer so wenig / als vorher / auf Deutschland ein Auge gehabt. Was hätte Aembrich nicht den Römern für Händel gemacht / und für Schaden zugefügt? daß August den Vinicius mit einem Kriegs-Heere in Deutschland geschickt / hätten die Catten erholet /[21] indem sie unterschiedene Römische Kaufleute /die guter Meynung zu ihnen kommen / beraubet und erschlagen. Den Anfall des Lollius und die Grausamkeit des Drusus hätten die Sicambrer / Usipeter und Tencterer verursacht / welche in Gallien eingefallen /und viel Römer gekreutzigt / ja den Lollius gar aufgerieben hätten. Die Anfänger eines Krieges wären nicht eben die / welche zum ersten den Degen zuckten /sondern die Beleidiger / welche jene entweder zur Nothwehre / oder zu Ablehnung der ihnen sonst zuwachsenden Schande nöthigten. Zu dem hätte ihre eigene Zwytracht den Römern Thür und Thor aufgesperret; Hertzog Herrmanns eigener Vater Sigimer mit dem Kayser Bindnüsse gemacht / seine eigne Kinder hätten unter ihren Fahnen gefochten; numehro /nach dem fast alle mit den Römern Bindnüß und Vergleich getroffen / wäre es so wenig rühmlich als sicher / alsofort Treu und Glauben zu brechen / welche man auch den Feinden halten müste. Wäre Quintilius Varus aus den Schranken der Bescheidenheit und des Vergleichs geschritten / müste man dieses Ungemach nur mit der Gedult / als Mißwachs und Ungewitter von GOtt aufnehmen. Laster würden seyn / so lange als Menschen; jedoch wechselte Böses und Gutes mit einander ab. Zu dem so sey dis nicht dem Kayser noch dem Römischen Volcke beyzumessen. Rom hätte über seine Land-Vögte schärffere Gesetze gemacht /und härtere Straffen ausgeübt / als über frembde Völcker. Als Cornelius Gallus die Egyptier übel gehalten / und nicht halb so viel als Varus gesündigt / habe Kayser August / auf Anklage des einigen Largus / ihn seiner Würden entsetzt / seine Güter dem gemeinen Wesen zugeeignet / ja ihn zum Selbst-Mord gebracht. Man solte durch eine Gesandschafft zu Rom deß Vaterlands Wunden entdecken / Erleichterung und einen sittsamern Land-Vogt bitten. Nach dem es aber mit Deutschland schon einmal so weit kommen / könte das Volck aller Beschwerden sich nicht gäntzlich enteusern. Die Ruhe der Völcker könne nicht ohne Waffen / die Waffen nicht ohne Kriegs-Sold / der Kriegs-Sold nicht ohne Land-Schatzung im Stande bleiben. Zwar könte er den Römern nicht gar recht geben / weniger die Verbrechen des Varus vertheidigen / und die Süssigkeit der Rache widersprechen. Alleine diese wäre nichts minder als die Liebe nur ein Thun gemeiner Leute. Die Vorträgligkeit aber wäre der einige Bewegungs-Kreiß eines Fürsten / und das Absehen der Klugheit. Beyde solten weder sehen noch hören; wo der Gebrauch dieser Sinnen sie auf einen andern Abweg verleiten wolte. Weil nun die Römer in Deutschland noch allzu mächtig / sie aber mit keinem Hinterhalte versehen wären / deuchtete ihn noch zur Zeit nicht rathsam zu seyn / alles auf die Spitze zu setzen. Es sey erträglicher unter höherer Gewalt / als leibeigen seyn. Zwischen Gehorsam und Dienstbarkeit sey noch eine schwere Klufft befestigt. Diese würden sie Deutschland erst aufhalsen / da ihr gefährliches Fürnehmen nicht geriethe. Der Römer wären ohne die fast unzehlbaren Hülffs-Völker zu Alison drey gantzer Legionen / so viel Flügel Reiterey / und noch absonderlich sechs Geschwader. Fuß-Volck; alles außerlesene alte Kriegs-Knechte und erfahrne Obristen. Das Läger stünde an einem vorteilhaften Orte / wäre aufs stärckste befestigt; Asprenas läge noch mit einem ansehnlichen Heere zwischen der Isel und der Emße / und in der Festung Alison / Tran und Cattenburg starcke Besatzungen. Zu Meyntz / beym Altare der Ubier / bey den Nemetern und Vangionen befindete sich noch mehr als ein Kriegs-Heer / welches in wenig Tagen dem Varus zu Hülffe kommen könte. Die ordentliche Besatzung des Rhein-Stroms bestünde in acht Legionen und der Donau an vieren. Uber dis läge bey Carnumt eine / bey Bonn und Gelduba auf dem Rheine und bey desselbten Einflusse[22] ins Meer an dem Britannischen Schlosse drey mächtige Schifs-Flotten. Zu geschweigen: daß der Kayser nach Uberwindung des Sextus Pompejus vier und viertzig Legionen zusammen bracht / zu Lande ohne die viel höher sich erstreckenden Hülfs-Völcker zeither siebendehalb hundert tausend Römische Kriegs-Leute /bey Misen und Ravenna / in Gallien / auf dem rothen Meere und dem Phrat ansehnliche Schifs-Flotten unterhalten / und hiemit alle Länder in einander feste verbunden hätte. Zweyhundert neun und viertzig tausend Gallier wären unter dem Vereingentorich / und noch neulich achtmal hundert tausend gewafnete Pannonier und Dalmatier wider etliche Legionen Römer zu ihrem eignen Verderb aufgestanden / jene aber habe Julius / diese Tiberius aufs Haupt erlegt und zu Sclaven gemacht. Vergasilaus der Arverner Hertzog wäre darüber gefangen / König Vereingentorich von seinen eignen Leuten in die Hände der Feinde geliefert / zum Siegs-Gepränge geschlept und hernach getödtet / Corbeus der Bellovaker Fürst erschlagen /Guturnath / der seine Cornuter wider den Kayser angeführet / zu Tode geprügelt / und sein Kopf durchs Beil abgeschlagen worden. Draxes habe sich aus Verzweifelung zu Tode hungern / und Lucterius in Fesseln verschmachten / Batto der Dalmatier Haupt und Uhrheber des Krieges sich auf Gnade und Ungnade ins Tiberius Hände geben müssen / und Pinetes lächsete noch in dem Römischen Kercker. König Marbod / ein Herr der Marckmänner / Sedusier / Heruder /Hermundurer / Schwaben / Semnoner und Longobarden / dessen Gebiete sich von der Elbe biß zur Weichsel und der Ost-See erstreckete / der achzig tausend Mann stets auf den Beinen hielte / habe mit ihnen wider die Römer aufzustehen Bedencken gehabt / und wer wüste / was der schlaue Tiberius mit ihm zu ihrem Nachtheil für Abkommen getroffen; nachdem die Römischen Kriegs-Obersten gegen ihn verträuliche Nachbarschafft pflegten. Also schiene es rathsamer zu seyn / daß man noch eine Weile den Mantel nach dem Winde hienge / und nichts minder Marbods Absehen / als des Pannonischen Krieges völligen Außgang vollends erwartete. Denn es wäre mit Erlegung des Varus nicht ausgemacht / sondern die Römische Macht in so langer Zeit so feste beraaset: daß sie ohne Zerberstung ihrer Widersacher nicht würde ausgerottet / und ohne Erdrückung ihrer Bestürmer schwerlich zermalmet werden. So lange beraasete Reiche / wie das Römische wäre / würden vergebens bestürmet; daher müste man sie veraltern und durch stete Ruhe / wie die stehenden Wasser / faul werden lassen. Die öftere Bewegung befestigte nichts minder eine Herrschafft / als die Bäume; hingegen könte man ein Reich nicht ärger bekriegen / als durch den Frieden; welcher Anfangs ihre Tapferkeit / hernach sein Wesen / wie der Rost ungebrauchten Stahl verzehrte. Ihm sey es zwar umb seine greise Haare nicht so leid /als er Sorge trüge umb den Wolstand der Erbarmens-würdigen Nachwelt. Sie aber solten sich aus anderer Beyspiele spiegeln / und daraus lernen: daß es rathsamer sey Gehorsam mit Sicherheit für der Hartnäckigkeit mit seinem Verderben erkiesen.

Segesthes hätte noch länger geredet / wenn ihm nicht Jubil / Brittons des letzten Bojischen Hertzogs einziger Sohn in die Rede gefallen wäre. Das Wasser gienge der Deutschen Freyheit in Mund / gleichwol zeigte ihnen GOtt und das Verhängnüs einen Weg die Römischen Fessel am ihren Gliedern zu schleudern /oder sie gar denen Römern anzulegen. Sintemal von undencklicher Zeit nicht so viel Fürsten miteinander vereinbart / die Römische Macht aber so sehr / als jetzt / durch den Pannonischen Krieg nicht erschöpft gewest wäre. Diesemnach könte er bey sich nicht befinden: daß man die selten-umbkehrende Gelegenheit solte aus den Händen lassen. Diese mit beyden[23] Händen umbarmen wäre ein Werck der Klugheit / von Verbesserung der Zeit und denen Wunder-Wercken /des Glückes aber Hülffe und Errettung erwarten /wäre ein Traum der Einfältigen / und ein Trost der Verzweifelten. Die fürgebildete Gefahr könte nur Weiber von hertzhaften Entschlüssungen zurücke halten. Denn einem Helden-Geiste wär nichtsschrecklich / als sich gezwungẽ sehen der Boßheit beyzupflichten. Weder die Kinder / die noch kein Urtheil hätten /noch die Thoren / welche es verloren / fürchteten sich für dem Tode. Solte nun ihnen ihre Vernunft und das Heil des Vater-Landes nicht diese Sorge benehmen; wovon jene Unverstand und Thorheit erledigte? Der Tod wäre das Ende der Natur / keine Straffe / ja vielmehr offt ein neues Leben der Sterbenden / und ein Heil der Lebenden. Es wäre nicht nur erträglicher /sondern auch rühmlicher einmal sterben / als sein Leben in ewiger Ungewißheit wissen; welches sie täglich gleichsam als eine Gnade vom Varus erkennen müsten. Denn Sterben wäre wol die Eigenschafft eines Menschen; umb sein Leben aber betteln der Weiber. Hätten sie nun als Männer gelebet / solten sie nicht geringer sterben; wenn es ja der Himmel also über sie beschlossen hätte. Diß wäre sein Schluß /und sonder Zweifel ihrer aller als Fürsten / denen man alle Tage / wo nicht nach dem Leben / doch nach ihren Ländern grasete. Welcher Fürst aber das Hertze hätte ohne Herrschafft zu leben / hätte gewiß keines selbter fürzustehen. Sie edle Deutschen solten nicht lassen ihr Leben ihre Freyheit überleben / noch es eine Nach-Geburt ihrer sterbenden Tapferkeit seyn. Sie solten ihnen nicht heucheln / daß mit Abschaffung des Varus und Erlangung eines glimpflichern Land-Vogts ihre verschwundene Freyheit wieder jung würde; welche eben so wohl unter einem vernünfftigen als tummen Oberherrn zu Grabe ginge. Weñ die Römer schon ihnen einen andern Landvogt gäben /würden sie doch nur die Art ihrer Bedrängung / nicht die Bürde verändern; weil sie alle gläubten / daß sie als Aegeln und Peitschen zu denen überwundenen Völckern geschickt würden. Jeder bildete ihm / wie Demades ein / er kriege mit seiner Landvogtey einen Beruff zu einer güldenen Erndte; oder er sey verpflichtet sich in eine mit ihren Klauen alles zerreissende oder besudelnde Harpyie zu verwandeln. Denn wie die von der Sonnen erregten Winde das Feld mehr ausdörreten / als die Sonne selbst; Also maßten sich alle von Fürsten eingesetzte Landvögte insgemein einer strengern Herrschafft an / als die Fürsten. Der Käyser möchte ihnen ja güldene Berge versprechen /aber kaum Spreu gewehren; weil die Römer auch gegen die / welche einen grossen Vortheil über sie erlanget / Treu und Glauben zu halten nicht gewohnet wären. Dem Könige Porsena hätten sie ja Geissel eingelieffert / aber wieder entwendet. Als sie dem Brennus und seinen Deutschen das für Rom zum Lösegelde versprochene Gold zugewogen / hätten sie sie arglistig überfallen. Als der Samniter König Claudius Pontius das Römische Heer in seine Hände und unters Joch bracht / hätte der Bürgemeister Posthumius einen Frieden eingegangen; das Römische Volck aber nach freygelassenem Heere selbten über einen Hauffen geworffen. Was hätten sie Deutschen sich numehr denn für gutes zu versehen / die in den Augen der Römer schon ihre Sclaven wären? Lucullus hätte in Spanien das Cauceische Volck gegen hundert Talent ausgeliefferte Geissel und gestellte Hülffs-Völcker in seinen Schirm genommen / hernach aber sich arglistig der Stadt bemächtigt / und zwantzig tausend unschuldige Leute meuchelmörderisch über die Klinge springen lassen. Eben so wären alle Ausonier in Italien aus einem falschen Argwohne / daß sie auff der Samniter Seite hiengen / in einem Tage mit Strumpf und Stiel ausgerottet worden. Sylla hätte / nach erscharreten zwantzig tausend Talenten /[24] Asien / und Paulus / nach allem ausgepreßten Gold und Silber / allererst gantz Epyrus ausplündern lassen. Hortensius hätte die aufgenommenen Abderiten beraubet / die Fürnehmsten enthaupten / die Bürger verkauffen / Pleminius der Locxenser Heiligthümer stehlen / ihr Frauenzimmer schänden / Appius den Salaminischen Rath durch Hunger tödten lassen. Insonderheit aber nöthigte die Staats-Klugheit die Römer gleichsam dazu: daß sie in der Grausamkeit gegen die Deutschen beständig verharreten. Denn Wüteriche wären so böse / daß ihnen von nichts mehr als der Tugend Gefahr zuhinge. Hartnäckigkeit befestigte ihre Herrschafft durch Furcht /ihre Besserung aber stürtzte sie durch Mißtrauen neuer Verschlimmerung. Also müste ein Gebietter niemals anfangen grausam zu seyn / oder niemals aufhören. Alles dis hätten sich die Deutschen täglich zu befahren. Ja er hätte noch kein grösseres Merckmal aufgebürdeter Dienstbarkeit verspüret / als jetzigen Zweifel an einem sieghaften Ausschlage. Wer an den Verlust gedencke / habe schon halb verspielet. Daß Deutsche aber von Frembden überwunden werden könten / wäre zeither für eine Unmögligkeit gehalten worden. Von Galliern auf sie einen Schluß machen /schiene den Römern selbst ungereimt; die sich wider jene zu kämpfen schämeten / wann sie mit den Deutschen schon eine Hitze ausgestanden hätten. Zu dem wären die Gallier theils durch eigene Zwytracht verfallen / theils von Deutschen überwunden worden. Mit den Pannoniern und Dalmatiern aber wäre das Spiel noch nicht ausgemacht / welche vom Marbod schändlich wären im Stiche gelassen worden / weil ein Wütterich / wie er / doch kein recht Hertze hätte /ja nicht nur alle andere / sondern so gar sich für sich selbst und seinem eigenen Bey-Spiele fürchtete. Warumb solten nun sie diesen scheuen / der wegen begangener Laster aus seinem Hertzen die Zagheit / aus seinem Gebiette die Ubelwollenden nimmermehr verbannen könte; und an seinen meisten Unterthanen grössere Feinde als an denen vertriebenen Bojen und beleidigten Feinden hätte. Das Band seiner und des Tiberius Freundschafft wäre zerrissen worden / nach dem Hertzog Herrmann beyden die Fürstin Thußnelde aus den Zähnęn gerückt hätte. Die vier und viertzig Legionen wären biß auf fünf und zwantzig noch für dem Dalmatischen Kriege verschmoltzen; in diesem aber bey nahe vollends die Helfte / oder doch der beste Kern drauf gegangen. Die Flotten bestünden meist in schlechtem Volcke / und in gepreßten Außländern; welche nach Abwerffung des Römischen Jochs eben so wol als die Deutschen seufzeten. Die übrige Macht in denen entfernten Ländern und so gar andern Theilen der Welt könten mit Vernunft so wenig als der Angelstern von seinem Wirbel verrückt werden / da August nicht auf allen Seiten Thür und Thor den Feinden öfnen wolte. Also möchten sie ihnen die leeren Nahmen der erschöpften oder theils blinden Legionen keinen blauen Dunst für die Augen machen /weniger sich schrecken lassen.

Ganasch der Chautzer Hertzog pflichtete dem Jubil bey / anführende: daß wo die Glut eines Wütterichs rasete / selbte zu leschen sich die Gewogenheit eines gantzen Volckes billich gleichsam durch einen Platz-Regen dahin ausschüttete. Es wäre zwar den Menschen die Begierde der Neuigkeit angebohren / aber diese wäre mit sich selbst so unvergnügt; daß wie sie überdrüßig worden zu seyn / was sie vorher gewest /also auch stets ihrer gegenwärtigen / insonderheit aber der verärgerten Beschaffenheit gram würde. Diesem nach müste ja die edlen Deutschen das Verlangen /sich wieder in der uhralten Freyheit zu sehen / ankommen; welche lobwürdige Begierde auch die wilden Thiere in ihren Wäldern nicht verlohren hätten. Bey welcher Beschaffenheit sie sich nicht solten irren lassen: daß Segesthes ihnen nicht beypflichtete /[25] dessen Ergetzligkeit allezeit fremdes Unheil / und anderer Ohnmacht sein süssester Lebens-Athem gewest wäre. Insonderheit habe sein Hertz allezeit mehr zu den Römern / als zu den Deutschen gehangen. Er habe jenen den Durchzug verstattet / und sey Ursache: daß die Chautzen vom Tiberius so unverhofft überfallen /ihnen die Waffen abgenommen / er selbst nebst denen Edlen des Landes für des Kaysers Richterstuhle sich zu beugen gezwungen worden. Ingniomer der Bructerer Fürst / Hertzog Herrmanns Vetter / ein so wohl bey den Römern als Deutschen hochangesehener Kriegs-Held unterbrach / aus Beysorge erwachsender neuer Uneinigkeit / Hertzog Ganasches hitzige Rede /und hielt ihm ein: Die Zufälle wären eine weile so verwirrt / der Tugend und offenhertzigem Beginnen so feind gewest / daß auch der fürsichtigste auf so glattem Eiße habe gleiten / und der es am besten gemeint / seine Redligkeit verstellen müssen. Ja man wäre in solche Zeiten eingefallen / da die Liebe des Vaterlandes für eines der grösten Laster gehalten worden. Numehro aber habe ein guter Einfluß des Gestirnes /oder vielmehr die kluge Anstalt Hertzog Herrmanns und die eusserste Bedrängung der Sicambrer die zerrütteten Gemüther so vieler deutschen Fürsten / als ihrer noch nie auff einmahl wider die Römer zusammen getreten / vereinbart. Nunmehr blickte sie eine so glückliche Zeit an / da man erndten dörffte / was man dächte / und dis ausüben / was man im Schilde führte. Itzt ereigne sich die Gelegenheit / da sie alle das Seil der Römischen Dienstbarkeit von den Hörnern abstreiffen / Segesthes aber die alte Scharte auswetzen könne. Denn eine tapffere That wische die Schamröthe von vielen begangenen Fehlern ab. Segesthes /welchem die Römer am meisten traueten / könne für dißmahl ihrem Siege eine grosse Hülffe geben / nach dem Varus ihn selbst / von Herrmann und andern Fürsten aber nur gewisse Kriegs-Schaaren beruffen hätte: daß er wider den Teucterer und Sicambrischen Hertzog Melo / welcher auff Hertzog Herrmanns gegebenen Einschlag alleine wider die Römer den Harnisch anzuziehen sich hertzhafft gewagt hätte / mit ihren Hülffs-Völckern zu Felde ziehen möchte. Also könte Segesthes entweder durch eine vertraute Person / oder auch selbst dem Varus seine und der gefoderten Hülffs-Völcker Anwesenheit zu wissen machen / und hierdurch nicht alleine dem versammleten Kriegs-Heere / welches doch wenig Stunden mehr für den Römern könne verborgen stehen / eine destoweniger verdächtige Näherung zu dem Römischen Läger und einen unversehenen Uberfall zu wege bringen / sondern wohl gar die Römer aus ihrem Läger und Vortheil ins freye Feld locken. Man solte nunmehro keinen Augenblick versäumen. An geringer Säumniß hänge offt der Verlust der gantzen Sache; und die Zeit sey im Kriege am theuersten. Anschläge würden zwar krebsgängig / gute Gelegenheit aber komme nicht zweymahl wieder. Man solle das fertige Heer nur immer gegen das Läger anziehen lassen. Hertzhafften Leuten riegele die Natur alle Pforten auff / das Glücke stehe ihnen an der Seiten / und das Verhängniß hielte ihnen den Rücken.

Segesthes begegnete / wiewohl allem Ansehen nach mit schwermüthigen Worten / dem Igniomer: er hielte das Werck nochmahls für gefährlich und zu entschlüssen bedencklich. Es wäre nicht weniger unzeitig / was zu früh / als zu späte geschehe; die Ubereilung aber noch schädlicher / als die Versäumung. Denn ungeschehene Dinge könte man noch thun / geschehene aber nicht wieder verwischen. Weßwegen die Klugheit für eine Tochter des kalten Geblütes / die Ubereilung aber für eine Mutter unzeitiger und daher todter Geburten gehalten würde; Und müste man der Gelegenheit freylich wohl wahrnehmen / selbter aber nicht zuvor kommen / und[26] wenn man seinen Feind zu bekriegen hat / sich nicht ehe von seinen eigenen Schwachheiten / als von des Feindes Tugend überwinden lassen. Diese wäre bey den Römern unvergleichlich / als welche ihr meistes Leben mit den Waffen hinbrächten; allen ihren Ruhm aber durch selbte erlangten; ja niemand kein Ehren-Amt zu bekleiden fähig wäre / der nicht zum minsten zehn Jahr zu Felde gedienet hätte. Zu geschweigen / daß die zu Fuß dienenden Kriegs-Leute eher nicht als nach zwantzigjährigen Diensten erlassen würden; und die Römer auch beym Frieden ihre Wffaen durch stete Kriegs-Ubungen also brauchten / daß weder selbte noch ihre Tapfferkeit verrostete. Nichts destoweniger / wenn sie alle ja mit den Römern zu brechen für gut ansähen / wäre er nicht gemeint / mit seinem Bedencken des mehrern Theils Schluß zu stören / und sich in seine Gedancken dergestalt zu verlieben / daß er aller andern Urtheil als unrechte verwerffen solte. Denn man solte in Rathschlägen allezeit das beste rathen / und doch auch dem / was man für schlimm hielte / beyfallen / wenn es die meisten billichten. Sintemahl das beste / welchem nur wenig folgten / schlimmer wäre als das ärgste; welches alle auszuüben auf sich nehmen. Daß übrigens Qvintilius Varus ihn und andere Hülffs-Völcker wider die Sicambrer beruffen /habe ihnen freylich zu einem guten Vorwand gedienet / ihre Völcker ohne Verdacht zusammen zu führen. Dahero sey er bereit unter diesem Scheine einen Schlüssel ins Römische Läger zu finden. Segemer des Segesthes Bruder schlug hiemit auff seinen Degen /meldende: Wenn ihn auch Segesthes nicht findet / so ist hier einer verhanden. Und wenn wir dismahl den Römern nicht den Weg wieder über den Rhein weisen / köñen wir uns nicht beschweren / daß es uns an Gelegenheit / sondern an Hertze und an der Wissenschafft uns selbte nütze zu machen / gemangelt habe. Sie hätten ohne biß ihren Feind allzu großwachsen /und die Flamme zu sehr zu Schwünge kommen lassen; welche sie gar verzehren würde / wenn sie selbter so lange zusehen würden / biß die Römische Macht aus Dalmatien ihnen vollends über den Hals käme. Also wäre die Geschwindigkeit wider geschwinde Kranckheit die heilsamste Artzney. Hiermit stimmten alle andere Fürsten und Grossen ein / standen von ihren Taffeln auff / verehrten den Cheruskischen Hertzog als ihren obersten Feldherrn / und wünschten ihm glückliche Uberwindung seiner uñ ihrer Feinde.

Hertzog Herrmann / auff welchen numehr aller anwesenden Augen gerichtet waren / ließ in seinem Antlitze und Geberden nicht das geringste Merckmahl eines entweder verwirrten oder freudigen Gemüths blicken. Denn ob wohl der Glantz neuer Würden sonst insgemein die Vernunfft nichts anders als die übermäßigen Sonnenstrahlen das Gesichte verdüstern; so war doch diesem Helden; welcher in sich ein auskommentliches Maaß hatte die gantze Welt zu beherrschen / bey diesem neuen Wachsthume nichts neues noch hoffärtiges; Sintemahl dergleichen Auffblehung nichts minder ein gewisses Zeichen einer Gemüths-Kranckheit / als die Geschwulst der Leibes-Gebrechen / und eine augenscheinliche Andeutung ist / daß solche Ehre zu groß für das Behältniß einer so engbrüstigen Seele sey. Er gebrauchte gegen die Fürsten eben die Ehrerbietung als vorher / und als gegen sei nes gleichen. Ja durchgehends stellte er sich so / als wenn er die Feldherrschafft leichter überkäme / als zu haben verlangte; Massen nur diese letztere Begierde zu herrschen eben so wohl kein Mittel in ihrer Bezeugung zu treffen weiß; als das Gelücke zwischen Gebot und Fußfall selbtes zu beobachten pflegt. Daher er sich denn auch erklärete: Er empfinde in sich ein so unbeschreibliches Vergnügen über der neuen Eintracht der deutschen Fürsten und über dem für die allgemeine Wohlfarth gemachten Schlusse; diesen auszuführen wäre sein einiges Absehen /[27] dieser Versammlung gewest / und hätte er es dem Verhängniße und ihrer Klugheit heimgestellt: Ob sie ihn hierinnen zu einem Kriegs-Manne / oder zu ihrem Feld-Herrn gebrauchen würden. Nach dem ihnen aber das letztere gefallen / thäte er hierinnen mehr ihrem Willen / als seinem Ehr-Geitze ein Genügen. Denn ob wol die verwirrete Beschaffenheit der Zeit / die besorgliche Mißgunst derer / welche nach dieser Würde gestrebet /und sein noch nicht allzu hohes Alter ihn hievon zurücke ziehen wolten; so überwiege doch sein Verlangen dem gemeinen Wesen zu dienen alle andere Bedencken; und die Bilder seiner lobwürdigen Vorfahren ladeten ihn gleichsam ein / lieber mit Schweiß und Blut in ihre Fußstappen und in dis von ihnen geführte Ambt zu treten / als die Hände seiner Ergötzligkeit halber auf die Schoos zu legen. Denn die Aufthürmung der Ehren-Säulẽ wäre ein abergläubischer Zeit-Vertreib und eine Verschwendung der Unkosten; wenn sie allein ein Gedächtnüß dessen / was die Todten gethan haben / nicht aber eine Ermahnung seyn sollen / was denen lebenden zu thun obliegt. Dahero dasselbige Bild / welche nur etliche Tage gestanden /aber das Glücke habe / daß jemand durch rühmliche Nachartung seinem Befehle gehorsamet / viel höher zu schätzen wäre / als eines / das tausend Jahre wider Lufft und Ungewitter getauret / aber zum unfruchtbaren Anschauen gedienet hat. Hätten seine Vor-Eltern durch ihre Thaten zuwege gebracht / daß sie ihm ihren Stab einhändigten; wolte er sich befleissen durch sein Thun zu behaupten / daß er ihr Sohn wäre; nach dem ein ungerathener Sohn eines Helden sich gar keines Vaters zu rühmen hätte. Denn keines frembden Sohn könte er vermöge der Natur; des Natürlichen aber wüste er es wegen seiner Untugend nicht zu seyn /also / daß wenn die Todten reden könten / würden sie ihn / wenn er sich ihrer Ankunft rühmte / entweder Lügens straffen / oder ihn als einen Wechsel-Balg aus dem Geschlechte stossen. Dieses und der Nothstand Deutschlands zwinge ihn die aufgetragene Würde willig zu übernehmen. Denn / wenn das Gebäu eines Reiches einfallen wolte / müste der erste der beste seine Achsel unterschieben / und zu denen Stützen nicht diß oder jenes Holtz ausschüssen. Bey so gestalten Sachen könte sich niemand entbrechen / der sich sonst doch ausdücken würde / wenn ihn die Scham-Röthe oder der Mangel eines gültigen Verwands nicht zurücke hielte. Wie er deñ feyerlich sich verwahrte: daß er ihm diese Würde nicht leichte; ihre Ubernehmung aber nicht aus Hoffarth / sondern aus Liebe des Vaterlandes nicht schwer machte. Seine Wercke solten nicht nur seine jetzige Erklärung beglaubt / und ihnen wahr machen / daß er nicht so wol ihr Feld-Herr seyn / als ihr Bruder leben / und als ihr Freund für sie und das Vater-Land sterben wolte. Denn alle andere Merckmaale der Freundschafft wären ungewiß oder verdächtig; die grössesten Betheurungen verhülleten offt ein gehässiges Hertze / die nützlichsten Dienste verkleideten zuweilen den Eigen-Nutz / die Freygebigkeit zielte auf anderer Verbindligkeit / der Gehorsam rührte nicht selten mehr aus einem Nothzwange als willkührlichem Eifer her; wenn aber die Freundschafft mit seinem eigenen für eines andern Erhaltung verspritzten Blute besiegelt würde / wäre sie allem Verdacht eines angenommenen Scheines / aller nachtheiligen Auslegung / und allem widrigen Urthel überlegen.

Bey Außdrückung dieser Worte und darüber erwachsender Vergnügung trat ein mit der Fürstin Walpurgis Leiche vorhin beschäfftigter Priester mit einem freudigerm Gesichte / als sein Todten-Dienst mit sich brachte / ins Zelt / und berichtete: Der Walpurgis Grab wäre fertig / mit Bitte: Es möchten die Fürsten die Leiche noch mit einer Hand voll Erde beehren /und ihr merckwürdiges Grabmahl anzuschauen unbeschwert seyn. Diese waren theils wegen Andacht /[28] theils aus Begierde das angedeutete Grab zu sehen leicht dazu zu bereden. Wie sie nun an den besti ten Ort kamen / fanden sie drey Stiche tief die Erde ausgegraben / darunter aber ein ansehnliches in einen lebendigen Fels gehauenes Grab. Welches ihnen so viel mehr wunders werth vorkam / weil nicht allein in so enger Zeit ein solch Grab auszuhauen unmöglich /auch das geringste Merckmal der herausgehauenen Steine verhanden; sondern auch die steinernen Grabmale bey denen Deutschen sehr seltzam waren / als welche ihre Todten nur in die frische Erde zu begraben / und zum höchsten die Gräber mit Rasen aufzusetzen und zu erhöhen pflegen / entweder weil sie die steinernen und kostbaren Grabmale denen Leichen für beschwerlich halten; oder weil sie selbte als eine Eitelkeit / oder auch als eine offt bey denen unwürdigsten mißbrauchte Ehre verschmähen. Sintemal leider bey den Griechen die zwo Huren Glycera und Pythionice so prächtige Begräbnüs-Male / daß des Miltiades und Pericles selbten nicht den Schatten reichen / erlangt; zu Rom aber so gar Raben und Pferde nicht so wohl damit beehret / als die mit Füssen getretene Gedächtnüsse der Horatier und Fabier dadurch beschimpfft worden. Uberdis hatte dieser Fels und das daran klebende Mooß den annehmlichsten Veilgen-Geruch / der die Anwesenden nicht wenig erqvickte. Ihre Verwunderung aber verkehrte sich gar in eine andächtige Verehrung dieses Orts / als sie nach der auf den Seiten vollends weggeräumten Erde gegen Mittag in dieses steinerne Grab folgende Uberschrifft eingegraben funden:


Dieser Fels /

Dessen Geruch aller andern Blumen übertrifft /

Weil er niemahls mit diesen Flüchtlingen vergehet;

Dessen Krafft den Cedern vorgehet /

Weil er nicht nur keinen Wurm hecket / sondern auch nicht herbergt /

ist zum Grabmale einer Fürstin erkiest /

Die wie das Kraut / welches ehe zerspringt / als sichs anrühren läst /

vergangen.

Die mit dem Hermelin ehe durchs Feuer als Koth laufft /

Und ehe es sich besudelt / entseelet.

Darff also

Dieses Grab kein Opfer der Blumen /

Die Begrabene keines der Thränen /

aber wol tugendhaffte Nachfolger.


Sie hatten kaum auf der einen Seite diese durch das Alter und die eingedrungene Erde vertunckelte Schrifft zusammen gebracht / als auf der andern folgende erkieset ward:


Die Eröffnung dieses Grabes

Wird denen Deutschen die Augen aufthun /

Daß sie die Römische Dienstbarkeit abwerffen /

und erkennen werden:

Daß ihr Reich zum Schutz-Bilde die Eintracht /

ihr Heer zum Haupte einen Mann dörffe.

Es ist aber noch Glück und Klugheit bey einem Grabe

nicht allererst beym Tode sehen lernen.[29]


Alle Fürsten lasen zwar diese Zeilen / Hertzog Jubil aber war der erste / der alle Geheimnüße dieser Wahrsagung am ersten ergründete. Sintemahl er sich der Erzehlung vom Hertzog Herrmann erinnerte / welche ihm der Schutz-Geist des Gabretischen Gebürges nicht nur / daß er ein Erlöser des dienstbaren Deutschlandes seyn / sondern auch deßwegen eine in Stein gegrabene Wahrsagung bey dem Tanfanischen Tempel gefunden werden würde / vorhin angedeutet hätte. Weil nun Hertzog Jubil dieses kürtzlich erzehlte; war die in dieser Wahrsagung enthaltene Billigung des zum Heerführer erwehlten Hertzog Herrmanns deutlich genug zu verstehen; und weil die erste Schrifft allbereit durch die in biß Grab gelegte Fürstin Walpurgis Sonnenklar wahr gemacht war / fand die letztere so viel mehr Glauben und zohe desto grösser Vertrauen zu dem neuen Feldherrn und dem künfftigen Siege nach sich. Weßwegen der gantze Heyn seine Freude über dieser glücklichen Wahl durch ein allgemeines Frolocken kund machte.

Unterdessen hatte der Priester Libys denen vier schönsten und grösten weissen Pferden / derer eine ziemliche Anzahl in selbigem heiligen Heyne erzogen / und keines zu irrdischer Arbeit gebraucht / auch von sonst keinem Menschen / als dem Priester / weder gefüttert noch beschritten wird / das erste Gebiß und Zaum anlegen lassen / selbte mit silbernem Zeuge und seidenen Qvasten rother Farbe / welche bey diesen Völckern Krieg andeutet / belegen und an einen geweiheten Wagen spannen / auch solchen für den Zelten in Bereitschafft halten lassen. Sie rauchten für Hitze und Schweiß / da sie doch in etlichen Tagen nicht aus dem Stalle kommen waren; welches sie dahin ausdeuteten: daß die Schutz-Geister selbiges Orts allbereit auff selbten wider die Feinde gestritten hätten. Diesem nach die Priester denn auch alsofort dem Feldherrn mit vielen Seegensprüchen drey Kriegs-Bilder / welche noch die Vorfahren in diesem Heyne aufgehenckt hatten / und unter den Deutschen /wie bey den Römern die Adler / zu Kriegs-Fahnen gebraucht worden / überreichten. In dem ersten war ihres Uhranherrns des Tuiscons Haupt / im andern ein Pferd / im dritten ein Löwe abgebildet. Die Pferde aber fingen hefftig zu schäumen und zu wiehern an. Welches Libys und die andern versammleten Priester für ein überaus gutes Zeichen des Sieges auslegten; sonderlich weil selbte den rechten Fuß zu erst aufhoben / durch die in der Erde gesteckten Lantzen ohne einige Berührung durchrenneten. Daher sie alle so wohl den Hertzog Herrmann als die andern Fürsten /welche für dem Wagen hertraten und dem Heere zueileten / mit tausend Glückswünschen begleiteten. Denn diese Anzeigungen versicherten die Fürsten so gewiß des Sieges / als wenn sie selbten schon in den Händen hätten. Sintemahl zwar die Deutschen mit den meisten Völckern auch aus denen Eingeweiden des Opffer-Viehes / aus dem Fluge der Adler / Habichte und Geyer / aus dem Geschrey der Raben / der Krähe und Nacht-Eulen / aus dem Lauffe der Wölffe / Füchse und Schlangen / aus den Wirbeln der Flüsse / aus fallenden Lufft-Sternen / und aus Andeutungen derer zu erscheinen genöthigten Geister künfftige Begebenheiten zu erforschen pflegen; insonderheit aber aus der Anzahl vieler ungefehr in die Asche gemachte Striche / und durch gewisse aus einer fruchtbaren Gärthe gekerbete und mit unterschiedenen Merckmahlen bezeichnete Höltzlein / die der Priester auff ein weisses Kleid ausschüttet / und hernach zu dreyen wieder aufflieset / ihr bevorstehendes Glücke zu ergründen vermeinen; so setzen sie doch auff keine Wahrsagung mehr Vertrauen / als auff die Andeutung dieser geweyheten Pferde. Nicht zwar / daß sie ihnen eine Wissenschafft dessen / was das Verhängniß ihnen bestimmet[30] habe / zueignen; sondern weil sie dafür halten: Gott bewege durch eine geheime Krafft aus einer Erbarmniß gegen den Menschen diese edlen Thiere / als ohne dessen Zulassung kein Vogel eine Feder rühren /kein Pferd einen Fuß auffheben könte.

So bald das Kriegs-Volck / welches in voller Rüstung bereit stand / und nur auff einen Feind loß zu gehen begierig war / den heiligen Kriegs-Wagen erblickte und daraus erkennte / daß der Krieg und Anfall des Feindes beschlossen war / kriegte selbtes gleichsam eine neue Seele und erfüllete die Lufft mit einem heisern Feld-Geschrey. Als sie aber gewahr worden / daß Hertzog Herrmann als Feldherr seinen Sitz darauff geno en hatte / machten sie mit Zusammenschlagung ihrer Lantzen / Spiesse / Schilde und andern Waffen / um dadurch ihr Wohlgefallen über solcher Wahl zu bezeugen / ein solches Gethöne / daß auch die nächsten kein Wort von des Igniomers Rede / welcher ihnen von ihrem Schlusse einen Vortrag thun wolte / verstehen konten. Womit sie aber zu verstehen geben möchten: daß sie dis / was Igniomer ihnen sagen wolte / verstünden / und ihre bey der Wahl eines allgemeinen Hertzogs habende Stimmen dem Herrmann einmüthig gäben; nahmen vier der fürnehmsten Kriegs-Obersten zwey Lantzen auff die Achseln / legten darauff einen breiten Schild / hoben den Feld-Herrn von dem Wagen darauff / und trugen ihn mitten durch ihre Reyhen. Hierauff senckten sie diesen Kriegs-Stuhl / womit er ab und zu Pferde sitzen konte. Dieses war ein feuriger Hengst / welcher /nachdem er diesen fürtrefflichen Helden auff sich bekommen / für Hoffarth den Erdboden eintreten wolte /mit seinem Schäumen und hitzigen Sätzen seine Ungedult aber / daß es nicht schon in der Schlacht wäre /zu verstehen gab. Herrmanns Leib war mit einem gläntzenden und zum Theil vergüldeten Harnische bedeckt / womit ihn Käyser Augustus beschencket / als er in Armenien bey Einsetzung des Königs Artavasdes die Römischen Waffen zu seinem Ruhm und des Käysers Nutzen getragen hatte. In der rechten Hand führte er eine Lantze / im lincken Arm einen länglichten Schild / auff welchem ein springendes Pferd geetzt war / welches die Cheruskischen Hertzoge noch vom alten Hermion her / aus besonderer Liebe zu den Pferden / zu führen gewohnt waren. Um seine Lenden war ein mit Edelgesteinen versetztes Schwerdt gegürtet /und an dem Sattelknopffe hieng ein eckichter Streit- Hammer. Seine braunen und kringlichten Haare hatte er nach seiner Landes-Art ihm über dem Häupte lassen zusammen binden; den Helm aber / über welchem ein Habicht mit ausgebreiteten Flügeln zu sehen war /ließ er ihm seinen Waffenträger neben bey tragen. In solcher Rüstung stellete er sich gegen das in voller Schlacht-Ordnung stehende Heer / und redete mit vermischter Freundligkeit und Großmüthigkeit sie derogestalt an:

Edle Deutschen / vertrauteste Brüder. Dem Verhängniße und den Fürsten des Vaterlandes hat einmüthig gefallen / für die Freyheit Deutschlands wider der Römer Bedrängung die Waffen zu ergreiffen / und mich zum gemeinen Feld-Herrn zu erkiesen. Das letzte anzunehmen hat mich die Liebe des Vaterlandes gezwungen / nicht meine eigene Vermessenheit gereitzt. Die Andeutungen der Priester / die Gerechtigkeit unserer Sache / die Wollüste unsers weibischen Feindes und eure Tapfferkeit / verheissen mir einen unzweiffelbaren Sieg. Es ist unnöthig Männern ein Hertz einsprechen / für derer Thaten mehrmahls Rom erzittert / durch deren Hülffe die Römer allein in Gallien Fuß gehalten / und gegen die Parther gestanden. Der Deutschen ihre Feldherren werden ihrem Kriegs-Volcke mehr zum Beyspiele als zum Befehlichen fürgesetzt. Ich /[31] sichert euch / behertzte Brüder / wil heute mit meinem Blute lieber drey Spannen Erde gegen die Römer gewinnen / als drey Schritte zurück weichen / wüste ich auch dadurch mein Leben auf tausend Jahr zu verlängern. Werdet ihr meinen Fußstapfen nachfolgen / wird diesen Tag entweder von dem Feinde oder uns kein Gebeine entrinnen.

Hiermit ergriff er den Helm / drückte ihn aufs Haupt / und sprengte mit seinem Pferde von einer äusersten Spitze der Schlacht-Ordnung biß zur andern. Das Heer aber schlug noch mit grösserm Ungestüm die Waffen aneinander; welches bey den Deutschen die kräfftigste Art etwas zu bestätigen / und die ehrlichste jemanden zu loben ist. Hierauf erregten die theils hörnerne / theils aus Messing gegossene Kru -Hörner / bey noch stiller Nacht / ein solches Gethöne / daß die Erde erbebte / und die Lüfte mit vielfältigem Wieder-Schalle erfüllet wurden.

Hertzog Segimer nahm hiemit den ihm unter gebenen Vortrab / und führte selbten gerade dem Feinde zu / unter welchem sein Sohn Sesitach tausend junge Cheruskische und Bructerische / Printz Catumer des Arpus Sohn fünfhundert junge Cattische Edelleute führte / welche alle / weil sie noch keinen Feind erschlagen / eiserne Ringe trugen / umb in dieser Kriegs-Schule ihr Glück oder vielmehr ihre Tapferkeit zu versuchen / und zugleich das Recht zu erwerben gemeynt waren: daß sie künftig goldne Ringe tragen möchten.

Als diese bey dem Feld-Herrn vorbey zohen / welcher alle und jede in genauern Augenschein nahm /und keinen Hauffen zur Hertzhafftigkeit aufzufrischen vergaß / ritte ein gerader wol-gewafneter Jüngling /der einen mit grünem Laubwercke ausgeetzten Harnisch / und im Schilde eine Taube führte / aus der Ordnung / näherte sich dem Feldherrn / und reichte ihm mit tiefster Ehrerbiettung einen Zettel / darauf diese Schrifft zu lesen war:

Erlauchter Fürst / großmüthiger Feld-Herr! Die Cherusker sind gewohnt für ihren Schlachten durch Zwey-Kampf eines Einheimischen und eines gefangenen Feindes den Ausschlag des bevorstehenden Treffens zu erkundigen. Göñe diesemnach einem ruhmbegierigen Edelmanne / daß / nach dem dir die gütigen Götter den Sieg schon so augenscheinlich gewiesen haben; daß ich und ein gefangener Römer / jeder mit Waffen nach seiner Landes-Art allhier zusammen schlagen / und mir deine Augen und Vorbild heute das Glücke des Sieges mittheilen / was ich sonst meiner Stärcke und Tapferkeit nicht zutrauen darf.

Dem Feld-Herrn kam dieser Anspruch gantz unvermuthet / jedoch nahm er diese kecke Entschlüssung für ein sehr gutes Zeichen an / und sein Hertze empfand gegen diesem Edelmanne eine ungemeine Beweg- und Zuneigung. Er würde auch nicht die Beschaffenheit seiner Person und den Anlaß zu diesem Ebentheuer genau zu erforschen vergessen haben /wenn er nicht alsbald in die Gedancken gefallen wäre: daß selbter / umb alleine unbekant und mit dem Helme verdeckt zu bleiben / sein Verlangen schrifftlich entworffen hätte. Dahero lobte er / ohne einiges vorwitziges Ausfragen / sein Begehren / und befahl: daß / da irgend einige gefangene Römer alldar befindlich wären / sie augenblicklich zur Stelle gebracht werden solten. Fürst Arpus / welcher unferne davon hielt / vernahm diesen Befehl des Feld-Herrn / näherte sich zu ihm / und ließ alsbald zwey wolgewachsene schöne Jünglinge zur Stelle bringen / welche er für kurtzer Zeit gefangen bekommen / als die Römer aus der vom Drusus am Berge Taunus aufgerichteten Festung Tranburg auf die Catten gestreifft. Diese fragte der Feld-Herr: Ob einer unter ihnen das Hertze hätte mit anwesendem Edelmanne zu fechten? Der Preiß des Sieges sey des gefangenen Freyheit. Hertzog Herrmann hatte diß letzte Wort noch halb im Munde / als[32] der schönste unter beyden / welchem die Anmuth selbsten aus den Augen sah / versetzte: Er habe niemanden noch einen solchen Tantz versagt. Die Dienstbarkeit sey ihm unerträglicher als der Tod. Das Unglücke / nicht die Liebe seines Lebens habe ihn lebendig in seiner Feinde Hände geliefert / in dem er in dem Scharmützel mit dem Pferde gestürtzt / und darüber gefangen worden wäre. Wolte ihm der Catten Hertzog seine Waffen wieder langen lassen / und der Feldherr ihm den Zwey-Kampf erlauben; würde er es für eine grössere Großmütigkeit aufnehmen / als er ihm in diesem Nord-Lande zu finden eingebildet. Alsofort wurden die ihm abgenommenen Waffen / und ein wol-aufgeputztes Pferd zur Stelle bracht. Die Fertigkeit im Wafnen gab die Lust zu diesem Kampfe und die Hoffnung des eingebildeten Sieges genungsam zu verstehen. Ob nun wol die zum Vortrab geordnete Kriegs-Völcker ihren Anzug beschleunigten /so blieb doch das gantze Heer / sa t denen Fürsten und Kriegs-Häuptern mit aufgesperreten Augen und begierigem Gemüthe den Ausschlag zu erfahren unverrückt halten. Der numehr fast volle Mond ersetzte an dem heuteren Himmel bey nahe die Stelle der abwesenden Sonnen. Beyde freudige Kämpfer tummelten ihre Pferde mit ungemeiner Geschickligkeit / und hierauf renneten sie wie ein Blitz gegeneinander. Der Gefangene traf mit seiner Lantzen den Deutschen an die rechte Hüfte / dieser aber jenen auf die Brust. Jedoch sassen sie beyde so wol zu Pferde / daß ehe einer sich aus dem Sattel bewegte / beyde Lantzen in Stücke sprungen. Augenblicks wendeten sie sich / und ergriff der Römer einen Wurff-Spieß / der Deutsche aber einen Streit-Hammer; alleine der Wurff-Spieß gieng diesem unter dem lincken Arm durch / und ob zwar der Deutsche mit dem Streit-Hammer den Römer an der rechten Achsel erreichte / wuste sich der Römer doch dem Schlage so künstlich auszuwinden / daß selbter ohne empfindliche Beschädigung abging. Ja er spannte mit ebenmässiger Geschwindigkeit seinen Bogen / und schoß rückwerts auf seinen Verfolger so gerade / daß / wenn selbter mit dem Schilde den Pfeil nicht aufgefangen / ohne Verwundung derselbte seinen Flug nicht würde vollendet haben. Inzwischen hatten beyde schon ihre Schwerdter entblösset / und fielen einander als zwey junge Löwen an; jedoch wuste ein jeder des andern Streiche mit solcher Geschickligkeit zu begegnen / daß bey einer halben Stund die Zuschauer nichts minder verwundernd als zweifelhaft blieben / auf welche Seite noch endlich der Sieg ausschlagen würde. Endlich gelückte dem Deutschẽ ein heftiger Streich des Römers Pferd an Hals / wovon selbtes sich kollernd in die Höhe lehnte / in einem Augenblicke zurücke schlug / und der Gefangene / weil es zugleich einẽ kleinẽ Graben traf / durch einen heftigen Fall unter das Pferd zu liegen kam. Der Deutsche sprengte bey diesem Zufall etliche mal umb seinen Feind rings umb her / und nach dem er an selbtem keine Bewegung sahe / ritter gegen dem Feld-Herrn / bezeigte selbtem eine tieffe Ehrerbietung / ihm gleichsam für den verstatteten Kampf demütigen Danck erstattend / und rennte Spornstreichs dem vorangegangenen Vortrabe nach. Etliche der nechsten Zuschauer aber sprangen zu dem Gefallenen / zohen ihn unter dem schon halb-todten Pferd herfür / öfneten ihm den Helm / wurden aber kaum einigen Lebens an ihm gewahr. Fürst Jubil / der unter den Fürsten diesem Falle der nechste war / und aus diesem Kampfe ihn nicht wenig zu schätzen angefangen / befahl alsbald ihm den Harnisch zu lüften / und durch Eröfnung der Kleider ihm Luft zu machen. Als dieses erfolgte / wurde man aus den Brüsten gewahr: daß es ein Frauen-Zimmer war. Hierzu kam nicht nur der Feldherr und andere Fürsten zu ihrer hohen Bewunderung; sondern sie erstaunten auch noch mehr /als der andere hierzu gelauffene Gefangene ihm für Verzweifelung[33] die Haare ausrauffte / und nebst anderer jämmerlicher Verstellung / welche auch einen Seellosen Stein zur Erbarmnüs hätte bewegen können / mehrmals die Worte: O unglückselige Königin! ausrief. Unterdessen ward man gewahr / daß ihr das Hertz und der Puls noch etwas schlug / ja als der andere Gefangene sie mit etlichen bey sich habenden Balsamen bestrich / fieng sie wieder an zu athemen. Worüber sein Antlitz und Geberden zwar nicht geringe Freude / zugleich aber auch eine Reue an Tag gaben: daß der übermässige Schmertz die Schrancken der Verschwiegenheit überschritten / und das Geheimnüs ihres Standes entdecket hatte.

Hertzog Herrmann und die andern Fürsten hätten bey so seltzamer Begebenheit nicht unterlassen / von dem Gefangenen die eigentlichere Beschaffenheit /und was für Zufälle diese fremde Königin in Deutschland gebracht hätten / genau zu erforschen / wenn nicht ein Ritter mit gantz verhängtem Zügel und keuchendem Pferde gerennt kommen wäre: und ihnen angedeutet hätte / daß eine Meilweges von dannen eine Menge Römischer Reiterey den Vortrab aus einem verborgenen Winckel angefallen / Segesthes / welcher / dem Verlaß nach / unter dem Scheine den Feind zu verkundschaften voran gegangen war / mit seinen bey sich habenden Grafen und tausend Kriegs-Knechten sich zum Feinde geschlagen / und die Deutschen mit angefallen habe. Hiemit befahl der Feldherr: daß die Königin nebst dem andern Gefangenen in sein unentferntes Schloß. Deutschburg geführet / ihrer auch auffs sorgfältigste gepfleget werden solte. Dem Inguiomer und Arpus vertraute er das Groß des Heeres /dem Jubil und Ganasch den Hinterhalt mit möglichster Geschwindigkeit auf den Kampffplatz zu stellen. Er aber / umb nicht allein der ersten Unordnung zu begegnen / sondern fürnemlich den Stand und die Beschaffenheit des feindlichen Heeres selbst zuerkiesen /nahm nebst seinen hundert Grafen tausend Edelleute und Pferde zu sich / welchen so viel Kriegs-Leute zu Fusse / die sie zu ihren Leib-Schützen erkieset hatten / und wenn sie nur sich mit einer Hand an die Meenen der Pferde anhielten / ihnen auch in vollem Rennen gleich lieffen / und dieser Geschwindigkeit halber mit leichten Schilden aus Weiden-Holtze / die ein eiserner Ring umbschloß / mit Helmen aus Leder und nur mit Eisen gespitzten Lantzen gerüstet waren / und eilte seinem Vortrab möglichst nach. Als er nahe den halben Weg biß dahin hinter sich gelegt / ward er verständigt: daß Segimer den Römischen Hauffen / welcher ihn überfallen / nechst dem abtrünnigen Gegesthes zurück gejaget hätte / hiermit aber in dem Deutschmeyerischen Thale / bey dem Flecken Falckenburg auf das gantze Römische Heer verfallen wäre. Sie hätten eine grosse Menge Wagen und Kriegs-Geräthe bey sich / es wären durch den Forst eine grosse Menge der dickesten Bäume umbgehauen / und die Moräste mit Brücken belegt zu sehen; dahero habe es das Ansehen: daß die Römer ihr Lager gäntzlich verlassen / und sich zwischen die Weser und die Aeder an die Festung Cattenburg hätten ziehen wollen. Müste also ihr Anschlag durch den Segesthes vorhero gäntzlich verrathen worden seyn. Der Feldherr / welchem diese Meynung der Wahrheit sehr ähn ich schien / fertigte alsobald einen Edelmann an den Hertzog Jubil ab / und befehlichte ihn / daß er mit dem grössesten Theile des Hinterhalts sich gegen Sud-Öst ablencken / und derogestalt dem Feinde nicht allein den Paß abzuschneiden / sondern ihm mit Gelegenheit gar an die Seite oder in Rücken zu fallen trachten solte. Seinem Kriegs-Volcke aber sprach er bey dieser verlautenden Flucht der Römer so viel mehr ein Hertz zu / und hielt ihnen für: daß ein furchtsames Heer nur geschlagen / nicht überwunden werden dörfte; weil es von seiner eigenen Einbildung schon übermannet / jeder Ruff des Feindes schon für ein Siegs-Geschrey / seine eigene[34] Bewegung aber für eine Flucht gehalten würde. Ja wer auch nur an dem Siege zweiffelte / der füchte nicht / sondern versetzte nur die feindlichen Streiche ohne einigen behertzten Angriff; und also räumte er insgemein das Feld / nicht weil er es verspielet / sondern weil er es verspielt zu haben aus Schrecken glaubete. Hierauff geriet Hertzog Herrmann gleich zu hoher Zeit auf die Wahlstatt /allwo der Vortrab die Macht des gantzen Römischen Lägers mit unaussprechlicher Tapfferkeit schon eine Stunde auffgehalten hatte. Welches an sich selbst unmöglich gewest wäre / wenn nicht Hertzog Segimer sich des Vortheils der daselbst vermengten Thäler /Berge und Wälder bedienet / und an einem engen Furthe / allwo die Römischen Legionen sich nicht völlig auff ihn ausbreiten konten / Fuß gesetzt hätte. Catumer und Sesitach thäten mit ihren jungen Edelleuten Wunderwercke von Tapfferkeit / Segimer aber wiese alle Künste eines erfahrnen Feld-Hauptmanns. Herrmann wahrnehmende: daß es wegen dieses Vortheils mit dem Segimer keine Noth hatte / suchte ihm einen andern Weg / durch ein Gestrittig an den Feind zu kommen / um des Segimers Hauffen ein wenig Lufft zu machen / und hatte das Glücke auff des Qvintilius Varus Leibwache zu treffen / welche Lucius Eggius anführte. Beyde erkennten einander an ihrer Rüstung /und dahero drangen sie gegeneinander mit Gewalt durch / um an einander zu kommen. Denen ihrigen befahlen sie / daß sie nicht hauen / sondern nur stechen / und insonderheit nach dem Antlitze zielen solten. Herrmann und Eggius fochten gegeneinander wie zwey wütende Panterthiere. Nachdem aber weder Lantzen noch Schwerdter einem unter ihnen einigen Vortheil über den andern verleihen wolten / sprengte Herrmann an den Eggius hart an / umarmete ihn so feste / daß sie beyde zur Erden fielen. Ob nun zwar Herrmann oben zu liegen kam / war doch die Menge der Römer / so diesem Römischen Heerführer zu hülffe kamen / so groß daß Herrmañ den unter sich gebrachten Eggius verlaßen / und zu Fuße wider tausend Lantzen uñ Degen sich vertheidigen muste. Fürst Adgandester / welcher der Oberste unter denen Grafen oder Gefärthen des Feldherrn war / die / wie bey den Galliern die so genannten Soldurier aus dem Kerne des Adels von denen Deutschen Fürsten nichts minder im Friede zur Pracht und allen fürnehmen Hoffämtern / als im Kriege zu ihrer Leibwache pflegen erkieset zu werden / ward dieser dem Feldherrn zustossenden Gefahr inne. Weil nun dieser Gefärthen Pflicht ist / daß /wie ihr Hertzog ohne Schimpff keinen es ihm darff an Tapfferkeit zuvor thun lassen / also ihnen eine nicht geringere Schande sey / des Fürstens Tugend nicht gleiche kommen / ja ein unausleschliches Brandmahl ihres gantzen Lebens / ohne den Hertzog lebendig aus der Schlacht kommen; Weßwegen sie auch auff dem Helme einen kohlschwartzen Federpusch führen; so drang er nicht alleine durch das Gedränge der Römer verzweiffelt durch / sondern ermunterte auch durch sein Beyspiel noch dreißig andere Ritter / welche wie der Fürst für den Sieg / also sie für ihren Fürsten zu streiten / und ihm alle ihre Heldenthaten zuzueignen verbunden / und wenn nur einer für dem andern Ehre einlegen kan / dem Tode selbst das blaue in Augen zu sehen gewohnt sind. Diese machten durch ihre gleichsam blitzende Streiche / deren jeder fast einem Römer das Licht auslöschte / dem Feldherrn ein wenig Lufft /und Adgandester / welcher ihm mit seinem Schilde viel Streiche abgelehnet / hingegen selbst sieben Wunden hierüber bekommen hatte / Raum und Gelegenheit / daß Herrmann wieder zu Pferde kommen konte; indem er selbst von dem seinigen absprang /und es seinen Feldherrn beschreiten ließ. Dieser war kaum in diesem Stande / und der von Verblutung[35] ziemlich matte Adgandester hatte sich kaum wieder auff eines erlegten Römers Pferd geschwungen; und die übrigen Grafen an ihren Hertzog gezogen / als gegen ihnen ein Ritter in einem gantz vergüldeten Harnische und Helme / den ein Pfauen-Schwantz zierte / nebst drey tausend Armenischen und Numidischen Schützen / derer ertztene Helme mit feuerrothen Federn nach Erfindung der Carier gläntzten / ihre Pferde aber / so wohl als sie / nach Parthischer Art in stählerne Pantzerhemde eingenehet waren / herfür rückte /welche die Lufft mit ihren Pfeilen gleichsam schwartz machten; also / daß / ob wohl der Feldherr mit seinem Schwerdte keinen vergebenen Streich thät / daß nicht einer der Feinde entweder das Leben oder die Kühnheit sich ihm zu nähern verlohr / er und seine Helden rings umher mit Feinden umringt waren. Ja / was noch ärger / so hatte Segesthes den Römern welche gleichsam zwischen dem Walde und einer See vorhin eingesperret waren / durch den Sumpff einen Furth gewiesen; als sie so wohl dem Feldherrn als dem Vortrabe in Rücken kamen. An beyden Orten stand es schon auff der eussersten Spitze / und die Noth war recht an Mann kommen; Fürst Catumer war in einen Arm / Fürst Sesitach an die lincke Hüffte verwundet; von des Feldherrn hundert Grafen hatte mehr als die helfte ins Graß gebissen / und von seinen zwey tausenden war mehr als das vierdte Theil erlegt. Eggius führte an einer / und der Armenische Fürst Zeno an der andern Seite mit steter Abwechselung frischer Völcker die ihrigen nichts minder mit Worten / als mit ihrem Beyspiel auff die Deutschen an / welche gleichwohl wie Mauern stunden / als Ingniomer und Arpus mit dem Groß des Heeres ankamen / und die ihrigen / so von der Menge der Römer / Armenier /Numidier / Nemeter / Vangionen / Gallier und Eretenser übermannet wurden / entsetzten. Nunmehro gieng die rechte Schlacht allererst an / und das Auge der Welt stieg gleich an dem blauen Morgen-Ecke des Himmels auff seinen vergüldeten Wagen empor: womit es einen Zuschauer dieser blutigen Schlacht abgeben könte. Der Feldherr / als er sich nun dem Feinde genugsam gewachsen zu seyn achtete / ließ an den Segimer Verordnung abgehen / daß er und seine Völcker Fuß für Fuß zurück weichen / und dem Feinde Raum und Platz zu einer völligen Schlacht-Ordnung machen solte. Welches er nebst dem Fürsten Catumer und Sesitach jedoch dem Feind allezeit die Stirn bietend / mit sehr guter Art ins Werck richtete. Der Feind nahm dieses für eine kleinmüthige Flucht auff / drang an dreyen Orten / wo nehmlich der Feldherr und Hertzog Segimer gefochten / Segesthes aber den Furth gefunden hatte / mit aller Gewalt nach /also / daß weder Qvintilius Varus / noch Lucius Eggius / welcher allenthalben das Lob eines vernünfftigen Feld-Hauptmanns und eines behertzten Kriegs-Manns verdiente / die ihrigen zurück halten konten; weil beyde nicht allein sahen / daß das Römische Heer sich hierdurch aus dem Vortheil begab / sondern auch / als Varus und Eggius über diesen Fluß selbst setzen wolten / beyder Pferde gleichsam kollernde solches zu thun weigerten / ja so gar Thränen aus den Augen fallen liessen. Bey welcher Begebenheit sie sich erinnerten: daß auff gleichmäßige Art die durch den Fluß Rubico zu setzen widerstrebende Pferde dem Käyser Julius den bey nahe begegnenden Untergang wahrgesagt haben. Nachdem es aber nicht zu ändern war /und es unverantwortlich und noch schädlicher schien /die Helffte des Heeres / welches durch die drey Wege auff das freye Feld schon durchgebrochen war / im Stiche zu lassen / musten sie aus der Noth eine Tugend machen / also die rothe Blutfan zum Zeichen der Schlacht auffstecken / das[36] gantze Heer ihre Segen Aexte / Ketten / Grabescheite / Sicheln / Riemen / und das auff zwantzig Tage mit sich geno ene zweymal gebackene Brodt abwerffen und übergehen lassen /also auf verwechselten Pferden folgen / hierauf auch so gut / als es die Zeit und der Ort lidte / in Schlacht-Ordnung stellen. Sintemal für dismal unmöglich war der Römischen Art nach alle Hülfs-Völcker an die Spitze / die leicht gerüsteten an die Stirne der Legionen / und die alten Kriegs-Leute zum Hinterhalte zu ordnen. Den rechten Flügel / welcher von einer Legion / fünftausend Nemetern / Tribozern und Vangionen / welche allererst den Abend vorher ins Römische Läger ankommen waren / und sieben tausend Galliern bestand / führte Lucius Eggius / Viridomar der Vangionen / und Günterich der Trierer Hertzog. Im lincken Flügel war eine Legion Römer / dreytausend Thracier / viertausend Ubier und Menapier / achttausend andere Gallier / und hatte zu Kriegs-Häuptern den Cejonius / Rhemetaltzen einen Fürsten aus Thracien / den Menapischen Fürsten Malorich / und den Hertzog der Bituriger Ambigat. Das mittlere Groß hatte anderthalb Legionen Römer / zweytausend Usipier / tausend Cassuarier / mit denen Segesthes übergelauffen / tausend Juhoner / zehntausend Gallier /worinnen Quintilius Varus / als oberster Feldherr / in Person / Segesthes / Britomar / der Ubier Fürst / und Arbogast der Mediomatrizer Hertzog / oberste Befehlhaber waren. Die auf achttausend Mann sich belauffende Reiterey führte auf der einen Seite Vala Numonius / auf der andern Zeno ein Armenischer Fürst. Hierunter waren zweytausend Römer / das andere Trierer / Armenier und Numidier / welche theils mit ihren Pferden gepantzert / und mit schweren Waffen versehen waren / theils aber nackt und mit blossen Bogen gerüstet / auf Pferden ohne Sattel und Zaum sassen / und noch ein Bey-Pferd an der Seite lauffen hatten / von derer einem auf das andere sie mit unglaublicher Geschwindigkeit zu springen / und mit einem Winck der Spieß-Ruthe selbte meisterlich zu leiten wusten. Zweytausend Cretensische Schleuderer waren dort und dar zwischeneingespickt / welche sich rühmten: daß von der Heftigkeit ihres Schleuderns die bleyenen Kugeln in der Luft zerschmeltzten / und ihre Steine alle Harnische durchdringen. Daß also die frembden Hülfs-Völcker / wider die alte Römische Kriegsverfassung / an Fuß-Knechten mehr als zwey-an Reiterey mehr als dreymal die Anzahl der Römer überstieg. Hingegen vertraute der Feldherr dem Ingniomer den lincken / dem Arpus den rechten Flügel; Segimer bedeckte mit der Reiterey den lincken / und Catumer den rechten Flügel; der Feldherr selbst führte das Groß in der Mitten / und Hertzog Ganasch blieb zum Hinterhalte unter einem Hügel stehen. Varus änderte das früh gegebene Wort / und gab anietzt: die Glückseligkeit / Herrman aber: die Freyheit. Dieses ward nur mündlich / jenes aber auf gewissen beschriebenen Höltzlein herumbgegeben.

Das Treffen begonte nach erlangter Fläche von denen theils an die Spitze gestellten / theils zwischen die Flügel eingespielten Schleuderern; kurtz aber darauff von den erstern Fahnen derer dreyfach hinter einander gestellten Hauffen / wiewohl so wohl auff deutscher als Römischer Seiten im rechten Flügel zum ersten. Alleine die Römer / welche wegen der in lincken Armen hängender Schilde die Deutschen auf der Seite zu blössen / und ihnen einen besondern Vortheil abzujagen vermeynten / befunden sich mercklich betrogen; weil der Feldher in seinem lincken Flügel alle die / welche linckisch / oder linck und recht waren / gestellet hatte; welche ihre Schilde alle in rechten Arm nahmen / und dadurch die Römer in ihrem gantzen Gefechte verwirreten. Hertzog Segimern u. Catumern mochte weder die Mattigkeit von vorigem Kampfe /noch die empfangenen Wunden hindern: daß sie nicht auf den[37] Feind so hurtig als vor immermehr loß giengen. Die Numidischen Schleuderer und die Armenische Reiterey / welche ihre Pantzer / umb ihren Feind zu vielen vergebenen Streichen zu veranlassen / mit baumwöllenen Röcken verdeckt hatte / thäte mit ihren Pfeilen und Wurffspiessen ziemlichen Schaden / weil doch der Catten aus hanfenen Fadenen gestrickte und in Essig gehärtete / oder hörnerne aus Pferdehuf Schuppenweise mit Drate zusammen gemachte Brust-Harnische und höltzerne Schilde / nicht wie jener aus stählernen Ringen gemachte Pantzer und lederne Schilde den Stich halten wolten / und Hertzog Segimer ward von dem Armenischen Fürsten mit einem durch die lincke Achsel so heftig verwundet / daß er aus dem Gefechte sich zurücke ziehen und seinem Sohne Sesitach seine Stelle zu vertreten anvertrauen muste. Hingegen zertrennete die deutsche Reiterey mit ihren langen Spiessen die Römischen Glieder / zernichteten mit ihren schweren Streit-Hammern die dickesten Schilde und die aufs beste gehärteten Harnische. Ihre mit Wiederhacken gespitzte Wurff-Spiesse machten auch die / welche gleich an keinem gefährlichen Orte ver wundet waren / zum Fechten unfähig /weil sie musten aus dem verletzten Gliede geschnidten werden. Weñ sie selbte nun in Verwirrung gebracht hatten / sprangen sie von ihren Pferden / die inzwischen auf ihrer Stelle stock stille zu stehen gewohnt waren / stachen ihre kurtze Degen theils den Pferden / theils den Feinden in ihre Bäuche / schwungen sich hiermit wieder auf die Pferde / und brachen an einem andern Orte ein; also daß / wenn Fürst Zeno mit seinen geschwinden Armeniern nicht mehrmals in die Lücken gerückt / und den Römern sich zu erholen Lufft gemacht hätte / das Fußvolck bey zeiten würde bloß gestanden seyn. Dieser Held fiel nicht anders als der Blitz bald dar bald dort ein / und wie sehr sich Fürst Sesitach bemühete mit ihm anzubinden / diente doch seine ungewöhnliche Landes-Art zu fechten /ihm gegen dem schweren Reisigen Zeuge zu einem besondern Vortheil. Endlich hieng sich einer aus denen Cheruskischen Edelleuten an ihn / welcher eine leichte mit güldenen Blumen bestreuete Rüstung führte; also / daß Zeno ihm endlich stand halten muste /oder sich vielmehr freywillig wider ihn setzte / als er sahe / daß ein einiger Ritter ihm so auf den Hals gieng; umb zu bezeugen / daß seine vorige geschwinde Abwechselungen nicht eine verzagte Flucht / sondern eine vortheilhaftige Krieges-Art gewesen. Diese zwey rennten mit ihren Lantzen so heftig aneinander / daß die Stücke davon in die Luft flogen / und fingen mit ihren Degen so einen hitzigen Kampf gegeneinander an / daß die umb sie herumb fochten /und auf die Streiche ihres eigenen Feindes genungsam Achtung zu geben hatten / deñoch ein vorwitziges Auge auf diese zwey Kämpfer warffen; gleich als wenn an ihrem Siege und Verlust auch eines oder des andern Theils Verderben oder Wolfarth hienge. Als nach langem Gefechte der Armenische Printz wahrnahm / daß wegen des Deutschen Hurtigkeit und Vorsicht mit dem Degen nichts auszurichten wäre / warff er sein Pferd herumb / rieß einem Armenier einen Wurff-Spieß aus / und nach dem der Deutsche einem andern / der ihn auf der Seite anfiel / einen Streich versetzen muste / warf Zeno selbten so glücklich / daß er dem Deutschen den Schenckel verwundete / und in den Bauch des Pferdes so tief hinein drang / worüber Mann und Pferd zu Boden stürtzten. Hierüber wurden die Armenier so hochmüthig / als wenn durch diesen glücklichen Streich der völlige Sieg erlanget wäre /die Deutschen aber so erbittert / als wenn Zeno den Feld-Herrn selbst erleget hätte. Und hiermit gieng das Schlagen aufs neue mit zweyfachem Eifer an. Der Gefallene konte wegen empfangener Wunde von der Erde nicht empor kommen. Sesitach thät zwar das äuserste ihm aufzuhelffen; das Gedränge aber war umb ihn so groß / und Zeno traf mit einem andern[38] Wurf-Spiesse des Sesitach Pferd / daß selbter unter seine Grafen zurück weichen muste. Inzwischen wäre der Gefallene numehro der Rache der wütenden Feinde aufgeopfert worden / wenn nicht zu seinem Glücke ein Pferd ihm den Helm vom Haupte getreten / und hiemit dem Fürsten Zeno das schönste Antlitz unter der Sonnen ins Auge geworffen hätte. Dieser ward hierüber gantz erstarrend / nicht anders als wenn ihm das Haupt der Medusen ins Gesichte gefallen wäre. Bald aber erholte er sich / und verbot den Seinigen alle fernere Beleidigung / befahl auch den Verwundeten alsofort aus dem Treffen wegzuführen. Unterdessen hatte Sesitach ein frisches Pferd bestiegen / und kam nun sich an den Zeno aufs neue zu machen / als er des Hertzog Herrmanns wunderschöne Schwester /die unvergleichliche Ißmene verwundet und in den Händen des Feindes sahe. Denn diese Fürstin hatte sich ihrer Landes-Art nach nebst etlichen andern Frauenzimmern dem Kriegs-Heere mit unkentlicher Rüstung eingemischet. Ißmene! Ißmene! rief er / aus gantzen Kräften / und sprengte damit auf die / welche sie gefangen führten / zu. Alleine der Hertzog aus Armenien / der numehr allererst von seinem Feinde erfuhr / was für ein Kleinod in seine Hände verfallen wäre / begegnete ihm mit ungläublicher Gegenwehr /also daß Ißmene aus den Augen dieses Fürsten gerieth / und denen Deutschen sie zu erlösen alle Hoffnung entfiel. Es war nicht anders / als weñ Eris einen neuen Zanck-Apfel zwischen diese zwey Helden geworffen /und selbten dem Uberwinder zum Siegs-Preise aufgesetzt hätte. Sie fielen einander so rasend an / gleich als wenn sie aus Mutter-Leibe gegeneinander Tod-Feindschafft gebracht hätten. Weil aber Sesitach numehro gantzer sechs Stunden gefochten hatte / ihn auch die empfangene Wunde nicht wenig im Fechten hinderte / würde er / und mit ihm die deutsche Reiterey auf selbiger Seiten / diesen hurtigen Feind kaum länger bestanden haben / wenn nicht Hertzog Ganasch auf Verordnung des Feld-Herrn / durch die in der Schlacht-Ordnung zwischen jeden dreyen Fahnen gelassene Strassen / mit einem Theile seines Hinterhalts ihnen zu Hülffe kommen wäre. Sesitach hatte von den Wurff-Spiessen des Zeno numehr das andere Pferd verlohren / und muste sich zu Fusse gegen ihm vertheidigen / als der Chauzer Hertzog ihn mit dem Degen in der Faust ablösete. Ehe nun Zeno sein recht inne ward / hieb Ganasch ihm den Zügel am Pferde entzwey / und nach dem er dergestalt sich nicht wenden konte / versetzte ihm Ganasch mit einem schweren Streit-Hammer einen so harten Schlag rückwerts aufs Haupt / daß er gantz ertäubet auff den Erd-Boden fiel. Die Armenier verlohren mit diesem Schlage auch all ihr Hertz / meynende: daß ihr Fürst entweder von selbtem entseelet / oder doch von denen über ihn sprengenden Pferden zertreten sey. Hiemit fingen sie an gegen die frischen Völcker des Ganasch laulichter zu fechten und endlich die Flucht zu ergreiffen / also /daß die Römische Reiterey / ungeachtet selbter der zum Hinterhalt stehende Flügel von eitel alten Rittern zu hülffe kam / auch nicht länger den Anfall der Deutschen aushalten konte / und auf selbiger Seiten ihr Fuß-Volck gantz bloß stehen blieb / den Armenischen Fürsten aber in den Händen des Hertzog Ganasches liessen.

Ehe diese Begebenheiten sich auf dieser Seiten dergestalt zugetragen hatten / war Fürst Catumer schon aus der andern Seiten der Römischen Reiterey Meister worden. Deñ diese war gegen die Deutsche solangsam / daß die Römischen Reiter Fußgänger zu seyn / die Deutschen aber sich alleine auf Pferden zu bewegen schienen Dahero ward Vala Numonius von des Cattischen Fürsten Lantze auf der rechten Seiten verwundet / die Römischen und Trierischen Glieder von dem Deutschen Adel durchbrochen / worauf er zum ersten die schimpflichste Flucht ergriff. Ja der[39] Deutschen Tapfferkeit hatte ihm eine solche Furcht eingejagt /daß er nicht näher als am Rheinstrome sichern Stand zu finden trauete.

Hingegen fochten Eggius / Viridomar und Günterich im rechten Flügel zu ihrem unsterblichen Ruhme und des Numonius Schande desto hertzhaffter. Denn die Vangionen und Trierer hatten zwar durch Versetzung ihres Sitzes in Gallien einen gelindern Himmel erkieset / auch durch lange Gewohnheit mit den Römern umzugehen und mit ihnen sich zu befreunden /fast alle Liebe des alten Vaterlands verlernet / gleichwohl aber grösten theils ihre deutsche Tapfferkeit behalten. Und Lucius Eggius war sonder Zweiffel der Ausbund der Römischen Kriegs-Obersten; welcher über des Qvintilius Varus Uppigkeiten offters sein Mißgefallen bezeugt / und von der anfälligen Senche so vieler Wollüste nicht angesteckt worden war / sondern mit den alten Römischen Sitten auch die Kriegs-Zucht bey seinem Volcke / ungeachtet des Varus Nachläßigkeit / unversehret behalten hatte. Dieser hielt selbtem nicht allein ein: Sie hätten dreymahl so viel Pannonier und Dalmatier erlegt / und noch keinem Feinde den Rücken gekehret. Dieser Barbarn gantze Macht bestünde an dem ersten Ungestümme /welches keinen Bestand hätte / sondern wenn nur der erste Anfall behertzt überstanden wäre / Anfangs sich in Trägheit / hernach in knechtische Kleinmuth verwandele. Er wolle bey ihnen Gut und Blut auffsetzen /und diesen Tag entweder todt seyn / oder den alten Preiß der Römischen Waffen behaupten; sondern sein Thun diente auch denen Behertzten zu einem Beyspiel / denen Verzagten zu einer Auffmunterung. Uberdiß hatte Eggius in das erste Glied der vördersten Kriegs-Hauffen meistentheils alte ausgediente freywillige Römische Rittersleute gestellet / und ihnen zu Hauptleuten so gar Raths-Herren zugeordnet; wie die Römer nur in äusersten Nothfällen zu thun pflegeten. Ingniomer hingegen ward durch der glücklichen und tapferer Leute Gemüths-Regung / nemlich einen Lobswürdigen Ehr-Geitz zu ungemeinen Helden-Thaten angereitzt / umb zu erweisen / daß auch er der obersten Feldhauptmannschafft würdig gewest wäre. Er selbst begegnete den kühnesten Feinden zum ersten / lobte die Seinigen / welche sich ritterlich hielten / schalt die Kleinmüthigen / tröstete die Verwundeten / und halff den Gefallenen auff. Eggius / welcher die Seinen dort und dar einbüssen und in Unordnung bringen sahe / verwandelte seine Hertzhaftigkeit in ein Wütten. Denn als er einen Hauptmann für einem Deutschen zurück weichen sahe / stieß er ihm selbst den Degen in Leib / rieß ihm den Schild vom Arme /und war an den gefährlichsten Orten stets der förderste. Als auch dis nichts verfangen wolte / seine Römer hertzhaft zu machen / warff er das Kriegs-Zeichen des Drachens mitten unter die Feinde. Durch welches Mittel die Römer mehrmals ihre gantz zertrenneten Heere wieder in Stand gebracht; weil sie nicht alleine zu diesen Bildern zu schweren / sie in Feyer-Tagen einzubalsamen / und den Göttern gleich zu verehren / sondern auch die / welche sie in der Schlacht einbüssen /mit Rutten zu peitschen und zu enthaupten pflegen. Diese Erfindung verursachte zwar keine geringe Veränderung in dem Streite der Römer / welche freylich wol noch einen verzweifelten Ansatz thäten; weil aber Vala Numonius die Flucht ergriffen hatte / und Catumer mit einem Theile seines reisigen Zeuges / welcher nicht den Feind verfolgte / auf der Seite in den rechten Flügel einbrach / warff er alle gute Verfassung des Eggius vollends über einen Hauffen / und rieß dem Casca die erste Fahn / darauf ein. Wolff gebildet war /zu grossem Schrecken der Römer aus den Händen. Viridomar wolte gegen ihm die Ordnung erhalten / er ward aber zu Boden gerennt / und von Pferden ertreten. Den Fürsten Günterich[40] schlug Catumer mit einem Streit-Hammer so heftig / daß ihm Gehöre und Gesichte verging / und stieß ihm den Degen unter dem Pantzer in Leib / daß er darüber seine Seele ausbließ. Hiermit gediegen die Deutschen biß in das Mittel der Legion / und waren gleich einem Ameißhauffen umb den Römischen Adler zu erobern beämsigt. Eggius und die Streitbarsten drangen den Ihrigen allhier zu Hülffe / und es mochten weder Spiesse / noch Hacken / noch Schwerdter ihnen den Weg verschrencken; gleich als mit diesem Fahne das Schutz-Bild des Römischen Reichs vertheidigt werden solte. Kein Römer wiech hier einen Fuß breit zurücke / sondern sie fielen von der Menge ihrer Feinde Gliederweise / wo ein ieder gestanden war; und in eines ieden erlegten Lücke trat alsobald ein ander in die Stelle; also daß die Streitenden numehr nicht auf der Erden / sondern denen todten Leichnamen ihren Kampf-Platz hatten. Inguiomer selbst / weil er wol sahe / daß am großmüthigen Eggius das Haupt-Werck des Sieges gelegen war / machte sich an ihn. Dieser fochte wie ein verzweifelter Löwe / welchem man seine jungen rauben wil / und jenem hatte die Begierde eines so treflichen Feindes Meister zu werden Muth und Kräfften vergrössert. Jedoch konte so grosse Heftigkeit in die Länge nicht austauren. Eggius hatte zwar einen Uberfluß von Muthe / aber endlich Mangel an Kräften /und er konte kaum mehr athmen / oder die Glieder rühren / als Inguiomer ihm einen so heftigen Streich versetzte / daß mit der Hand ihm auch sein Schwerdt entfiel. Alsobald stieß er ihm den Degen durch die Gurgel. So unglücklich verging dieser Ausbund der streitbarsten Römer / wo anders ein hertzhafter Tod nicht für eine allgemeine / dis aber / daß er keinen Römischen Adler noch in den Händen des Feindes sahe / für seine absondere Glückseligkeit zu achten war. Kein Donner-Schlag / der einen gantzen Thurn zu Boden wirfft / kan grösseres Schrecken verursachen / als die Niederlage dieser Römischen Seule. Mit seinem Falle entfiel auch den Streitbarsten der Muth /und die Hoffnung ihrer Erhaltung. Denn wie die einem Heerführer zustossende Gefahr eine nicht geringe Ursache des Sieges abgibt / weil ieder ihn zu erhalten seine äuserste Kräften anstreckt; also ist der Tod desselben auch die wichtigste Ursache der Niederlage / weil mit seinem Leben iedem schier das Hertze entfällt. Der Fendrich / als er kaum noch eine Handvoll seiner Vertheidiger umb sich sahe / umbarmete den ihm anvertraueten Adler / und stach ihm selbst den Degen in die Brust. Denn was hätte eines Römers Leben für ein ärgerer Schandfleck angebrennt werden können / als daß ihm der erste Römische Adler in Deutschland wäre abgenommen worden? Inguiomer ergriff nun selbst den Adler / Catumer aber rieß fast eben zu einer Zeit einem Gallier ihre Kriegs-Fahne / auf welcher ein Hahn stund / aus / und wie diesen überwundenen Hülffs-Völckern weder die Ruhms-noch Siegs-Begierde / sondern die Noth ihres Zustandes die Waffen in die Hand gegeben hatte /also vermochten sie so wenig ietzt / als vorhin iemals der Deutschen Tapferkeit die Waage zu halten. Dahero suchten sie ihr Leben / als ein besonder Geschencke des Verhängnüsses durch eine offene Flucht zur Ausbeute davon zu bringen. Sintemal die Römer ihre Bunds-Genossen stets an die Spitze zu stellen / und mit der eroberten Länder Blute die Benachbarten zu überwinden gewohnt waren.

Im lincken Flügel lieff das Spiel nichts glücklicher. Rhemetalces hatte mit seinen Thraciern zuförderst dem ersten Sturme der Deutschen zu begegnen erwehlet. Ihr erstes Geschoß / ehe sie zu den Schwerdtern griffen / waren Pfeile und leichte Wurff-Spiesse. Daher / wenn das erste Glied sich verschossen hatte /es sich biß zur Erde bückte / und so auch das andere[41] und dritte / biß das vierdie Glied auch sein Geschoß anbracht; da denn die fördersten Glieder / welche unter deß ihre Bogen spanneten / wieder den Anfang machten. Alleine die Deutschen drangen mit ihren langen Spiessen den Thraciern bald so nahe auf den Hals / daß sie ihr Geschoß nicht länger brauchen konten / biß die Römer / welche überaus verbittert wurden / daß die jungen Cattischen Edelleute / neben dem deutschen rechten Flügel / an ihrer Pferde Hälse zu zwey und drey Feindes-Köpfe henckten / durch Zusammenrückung ihrer Hauffen / in dem anfangs ieder Kriegsmann rings um sich her sechs Schuch / numehr aber nur drey Schuch lang Platz hatte / denen Thraciern neuen Platz machten. Diese gebrauchten sich darauf einer neuen Kampf-Art / steckten auch ein neues Kriegs-Zeichen auf / nemlich einen Drachen /dessen silberner Kopf mit offenem Rachen die Zähne bläckte / und / wenn der Wind hinein gieng / zischte /der übrige hinausgehende Leib aber recht nach der eigentlichen Beschaffenheit der Drachen gemahlet war. Welches denen Catten anfangs seltzam und zäuberisch fürkam. Ihre Art zu kämpfen gleichte sich dem Blitze / weil sie so fertig auf den Feind loß giengen /und selbten durch Pfeile und Wurff-Spiesse beschädigten / im Augen-Blicke sich aber auf die Seiten zertheilten / und hinter die geschlossenen Hauffen der Römer wider setzten. Alleine Hertzog Arpus und seine Catten gewohnten alsobald beyder Neuigkeiten /liessen sich also nichts irre machen / sondern durchdrangen die Römischen Glieder / verbeugten den Thraciern mehrmals an den Strassen der Römischen Schlacht-Ordnung den Weg / also / daß wenn nicht Fürst Rhemetalces seine Völcker wieder zusammen gerafft / und durch unzehlbare frische Anfälle den Deutschen zu thun / den Römern Luft gemacht hätte /dieser Flügel in kurtzer Zeit würde zertrennet worden seyn. Zumal der Graf von Solms das Glücke hatte /im ersten Treffen den Römischen Obersten Pansa zu tödten / welchen damalige zwey Monate die Reye traf / über diese Legion und die fünf ändern Obersten zu gebieten. Denn denen Menapiern und Biturigern schiene der Streit ein schlechter Ernst zu seyn / als welche ungewiß waren / ob der Römische Sieg oder Verlust ihnen eine Erleichterung schaffen / oder grössere Bürde aufweltzen würde. Ja sie waren in ihrem Gewissen überzeugt / daß die Gallier ihre Freyheit in sieben Jahren mit minderem Schimpf verlohren / als sie sich gegenwärtig wider die Vertheidiger der Deutschen Freyheit hätten zu fechten gebrauchen lassen. Dahero / wie gegen angedräuete Dienstbarkeit am blutigsten und am gerechtesten gefochten wird /also kühlet sich dar aller Eyfer bald ab / wo die Kriegs-Leute die Würckung des Sieges selbst verdammen. Cejonius fochte nichts weniger gantz laulicht / und büssete das Siegszeichen des Elephanten ein / welches das andere hundert dieser Legion noch unter dem Käyser Julius durch tapfere Zurücktreibung der Pompejischen Elefanten zu führen verdient hatte; weil er dem Quintilius Varus sich aus dem befestigten Läger zu begeben beweglich aber vergebens widerrathen / und einen traurigen Ausgang selbst vorher wahrgesagt hatte. Also wird die Ausführung eines Rath-Schlusses niemanden gefährlicher vertraut / als dem / der selbten von Anfang verworffen hat. Und die einmal eingebildete Furcht läst ihr auch durch handgreiffliche Ursachen ihren einmal gefaßten Aberglauben nicht ausreden. Bey solcher Beschaffenheit war unter den Grossen auf dieser blutigen Schau-Bühne der Thracische Fürst der muthigste / der das Trauerspiel feurig und mit Aufopferung vieler Todten ansehnlich machte. Der Catten Hertzog nahm daher ihm Ursache / fand auch unschwer Gelegenheit gegen ihm seine Kräfften zu messen. Rhemetalces empfing den Arpus so behertzt / daß auch die[42] Kleinmütigen beschämt und noch neben ihm Stand zu halten veranlaßt worden. Beyde verwundeten zugleich einander ihre Pferde / also daß sie abspringen und mit den Degen zu Fusse gegeneinander streiten musten. Arpus verletzte den Rhemetalces in Schenckel / dieser jenen in Arm / und es hatte sich weder einer noch der ander einigen erlangten Vortheils zu rühmen / als der Graf von Nassau das Kriegs-Zeichen / darauff das silberne Bild des Drusus stand / dem Petronius auswand / und Sesitach zugleich mit seiner Reuterey nun auch in diesen Flügel einbrach / welche theils mit ihren Lantzen und viel längern Degen / als das Fußvolck zu führen gewohnt ist / die Glieder zertreñeten / theils durch die Gewalt der Pferde die Römer zu Boden renneten /also daß Cejonius in das Thal zwischen das Gestrüttig zu weichen / und sich in das verlassene Römische Läger zu flüchten befahl. Die Römer folgten ihrem zurückweichenden Adler / die Gallier ihren Fahnen nach. Rhemetalces blieb allein mit seinen wenigen Thraciern stehen / und verfluchte die Zagheit des Cejonius. Alleine was solte diese Handvoll Volck gegen dem Strome eines siegenden Heeres ausrichten? Die hartnäckichten Thracier wurden fast alle erschlagen /dem Fürsten Rhemetalces aber / welcher auf dieser Wallstatt gerne eine ruhmwürdige Helden-Baare erlanget hätte / ward es nicht so gut / daß er sterben mochte. Denn Hertzog Arpus befahl / daß ihn niemand verwunden / sondern lebendig fangen solte.

Das mittlere Groß beyder Kriegs-Heere kam am längsamsten zum Treffen / weil Hertzog Herrmann wahrgenommen / daß die grösseste Macht der Römer darein gestellt war / und daher befohlen hatte / daß seine zwey Flügel sich als zwey Hörner herfür ziehen / und den Feind bald Anfangs zum Schrecken des langsam zum Gefechte kommenden Kernes in seiner Schwäche angreiffen solten. Nichts desto weniger war der Streit am allergrimmigsten / und dahero auch am blutigsten. Sintemal wie in dem Hertzen alle Lebens-Kräffte gleichsam in einen Mittel-Punct zusammen gezogen werden; also sich umb beyde obriste Feldherren auch die Kräffte der Streitenden aneinander drangen. Denn diese sind in Wahrheit das Hertz und die Seele eines Heeres / welche allen andern Gliedern ihre Bewegung mittheilen / und durch vorsichtige oder schlimme Anstalt den Ausgang einer Schlacht herrlich oder erbärmlich machen. Quintilius Varus kam zu dieser Schlacht wider seinen Willen / und dahero auch mit weniger Hoffnung des Sieges. Ihn trug nicht allein sein Gemüthe nicht zu den Waffen / und seine Lebens-Art hatte ihm auch keine kriegerische Zuneigung angewöhnt; sondern es hatte so wol sein natürlicher Trieb / als seine bißherige Verwaltungen ihn mehr zu Schlichtung der Rechts-Händel / als Schlacht-Ordnungen zu stellen geschickt gemacht. Denn Syrien / so lange er Land-Vogt daselbst war / behielt mit seinem Gehorsam eine beständige Ruhe / und seine wichtigste Verrichtungen waren daselbst gewest / daß er dem Herodes im Nahmen des Kaysers die Landschafften Trachonitis und Batanee eingeliefert / die Stadt Cäsarea dem Drusus zu Ehren köstlicher zu erbauen / mit einem grossen Hafen zu versehen / eingerathen / ja zwischen dem Herodes und den Gadarensern einen Richter abgegeben / und jenem des alten Jüdischen König Davids Grab zu erbrechen / und dadurch seinem Geitze eine Nase zu drehen Anlaß gegeben hatte. Ob auch wol die erschöpften Juden zuletzt wider den Varus und Sabinus / als von welchen sie biß auffs Blut ausgemergelt / ihre Schlösser ihnen abgenommen / des Herodes verlassene Schätze gewaltsam angegriffen / ja aus dem Tempel zu Jerusalem der Kirchen-Schatz geraubt worden / am Pfingst-Feste einen Aufstand erregten / auch den Sabinus / Rufus[43] und Gratus / sambt der dritten Legion in der Burg Zion belägerten / und Athronges ein gemeiner doch starcker Hirte sich zum Könige auffwarff; so zerstreueten sich doch die Aufrührer / als sie nur hörten / daß Quintilius Varus mit zwey Legionen im Anzuge begriffen / aus Ptolemais funfzehenhundert / und vom Könige Aretas noch eine grössere Anzahl Hülffs-Völcker zu ihm gestossen waren. Worüber Athronges gefangen / und nebst zweytausend Rädelsführern vom Varus ans Creutze genagelt wurden. Als Varus in Deutschland kam / war selbtes eben so wol in Ruhe /dahero nichts minder seines Leibes als Gemüthes Beschaffenheit ähnlich. Er verhing dem Kriegs-Volcke allen Muthwillen und Müssiggang. Jederman dorfte gekochtes Fleisch / neugebackenes Weißbrodt / und andere niedliche Speisen auch zur Unzeit essen /wenn gleich nicht das allgemeine Zeichen dazu gegeben ward. Nicht nur die Obersten / Hauptleute / Reiterey / und die Freywilligen waren aller Arbeit enthoben; sondern er ließ auch das gemeine Fuß-Volck /welches theils numehr über schlechter Arbeit schwitzte und seufzete / den Schantz-Bau dem gemeinen Kriegs-Gesinde aufbürden. Nach dem das Läger nur genung befestigt war / blieben alle Kriegs-Ubungen nach / die doch sonst die neugeworbenen des Tages zweymal / die alten einmal treiben / und noch dazu Sümpfe trocknen / Hafen vertieffen /Flüsse räumen /oder anderwerts hinleiten / Schiffe und Tempel bauen / Waffen schmieden / ja mehrmahls / umb nur durch Faulheit nicht Leib und Gemüthe zu verderben / vergebene Arbeit ausmachen musten. Die Wachen verminderte er umb die Helfte / also / daß sie erst den zehenden Tag herumb kam. Uberdiß ließ er sie sonder Wach-Feuer / auch noch ohne Schild und Pantzer halten / und sie dorften die Rundten nicht nach alter Gewohnheit laut ausschreyen / umb die Krieges-Gebieter nicht im Schlafe zu stören. Die Rollen der Kriegs-Leute / welche täglich einkommen musten / durchsahe er kaum des Monats einmal. Er machte unter den Straffen keinen Unterschied / ließ wider die Römischen Gesetze die Frembden so bald mit Wein-Stöcken / als die Römischen Bürger mit gemeinen Stecken schlagen. Zohe ihm also bey den Seinigen den grösten Haß auf den Hals. Von den Deutschen bildete er ihm ein / daß in ihnen kein Geist wäre / sie auch nichts anders von Menschen als die blosse Sprache und die äuserlichen Glieder an sich hätten / und dahero diese ehe mit dem Kap-Zaum der Gesetze / und der Süssigkeit eines angewohnten Friedens / als mit Schärffe der Waffen gedemütiget werden könten. Die schlauen Deutschen / welche so viel Gehirne im Kopffe als Marck in Gliedern hatten / stärckten durch eusserliche Bezeugungen den Varus in seiner irrigen Einbildung. Sie erdichteten allerhand verworrene Rechts-Händel /trugen sie den Römern für / und liessen sich von ihnen / gleich als wenn die Götter ihnen alleine die Wagschale des Rechts und der Billigkeit anvertrauet hätten / entscheiden. Die einander am besten verstunden / verstellten ihre Vertrauligkeit mit Schmähungen und Gezäncke; so denn unterworffen sie sich der Römer Vermittelung / lobten ihre Tieffsinnigkeit /danckten für ihre Urthel / verdammten ihres eigenen Vaterlandes wilde Sitten / welche vorhin alle Zwytracht durch das Faustrecht auszumachen gewohnt gewest wären. Ja sie baten mehrmahls von den Römern eine Anzahl Kriegs-Leute zu Beschirmung ihrer Flecken / und Ausrottung der Räuber und Landbeschädiger aus; gleich als wenn sie numehr die Ubung der Waffen gar vergessen / und alle Degen in Pflugscharen verwandelt hätten. Die Fürsten warteten[44] dem Römischen Land-Vogte offters auff /verschmertzten alle Bedrängniße / luden die Römer mehrmahls zu Gaste / machten mit denen geringern grosse Vertrauligkeit / strichen ihnen durch tausend Lobsprüche gewaltig den Fuchs / thäten ihnen ihre Uppigkeiten nach / und beredeten sie: daß Deutschland der Römer Ankunfft ihre höfflichere Sittsamkeit /ihre gemächlichere Lebens-Art / und die Verbesserung ihres gantzen Zustandes zu dancken hätte. Ja erst für drey Tagen war Hertzog Herrmann / Segimer / Segesthes und Ganasch beym Varus zu Gaste gewest. Also verlernte Qvintilius Varus vollends alle Kriegs-Wissenschafft; und seine Verrichtungen waren mehr eines Stadt-Richters als eines Feldherrn ähnlich / der sein Läger mitten in eines streitbaren Feindes Lande hatte / und weil seine verwehnte Kriegsknechte sich hauffenweise von ihren Fahnen verlieffen / nicht nur den Neugeworbenen / sondern auch wohl denen / welche zehen Jahr gedienet / des Käysers Nahmen in die Hand muste einbrennen lassen. Dem deutschen Feldherrn hingegen war die Kriegs-Lust angestammet /das Feuer der Großmüthigkeit sahe ihm aus den Augen / und die Erfahrenheit der Waffen hatte er theils von seinem tapffern Vater Hertzog Sigmarn /theils in denen Römischen Lägern selbst gelernet. Wie verschmitzt er nun die Gelegenheit die unvorsichtigen und allzusicheren Römer zu überfallen / und die theils schüchternen / theils zwistigen Fürsten auff seine Seite zu bringen / nichts minder die Schlacht-Ordnung höchst vortheilhafftig zu machen gewust; also machte er in gegenwärtigem Treffen zweiffelhafft; ob er mehr ein streitbarer Kriegsmann / als ein vernünfftiger Heerführer wäre. Das deutsche Heer war rückwerts Bergauff gestellet / womit dessen Grösse auff einmahl den Römern ins Gesichte fiel / und die Menge ihnen ein Schrecken einjagte. Denn in Schlachten werden die Augen am ersten geschlagen. Dieses Schrecken bemüheten die Deutschen sich auch in die Ohren der Römer einzujagen / indem sie ihre holen Schilde für den Mund hielten / darein aus allen Kräfften schrien / und durch den Widerschall das allergrausamste Gethöne erregten; also / daß die Römer dafür die Ohren zustopfften / gleich als wenn sie / wie die Indianer in dem Zuge des Bacchus / durch das vom Pan angegebene Geschrey aus dem Felde würden gejagt werden. Uberdis kehrten sie ihre Stirne gegen Westen; denn es hatte ihr Feldherr vorher gesehen /daß die auffgehende Sonne dem Feinde gleich in die Augen fallen / und sie bländen würden. Auch befremdete bald anfänglich den Feind überaus: daß die Deutschen nicht wie vorhin verwirret durcheinander fochtẽ / sondern Glieder und Ordnung hielten / auch mit bessern Waffen als vor iemals versorgt waren. Jede unversehene Neuigkeit aber kan im Kriege ein nicht geringes Schrecken verursachen. Welches in der Römer Gemüthern so viel ehe fing / weil unterschiedene traurige Zeichen sie vorhin bestürtzt gemacht / und den Zorn der Götter angedräuet hatten. Die Opfferthiere waren den Tag vorhero den Druyden / welche wegen der Gallier opffern wolten / entrissen. An dem einen Römischen Adler hatte sich ein Bienschwarm gelegt; und dem Varus hatte getraumt / als wenn er mit dem Hertzog Herrmann zu Rom im grossen Schauplatze tantzte und von dem Volcke mit frolockendem Zuruff bewillkommet würde. Denn ergetzende Träume legten sie auff traurige Zufälle aus.


Ob nun wohl die Deutschen derogestalt in mehrer Hoffnung und Vortheil standen / der Graff von Ascanien auch denen Galliern die grosse weiße seidene Fahne / darein mit Purpurnen Buchstaben der Nahme des Kaysers geschrieben war / abdrang / und sie nebst denen andern ausländischen Hülffs-Völckern durch[45] die tapffern Cherusker in Unordnung brachte / so war doch bey den Römern die Tapfferkeit so tieff eingewurtzelt / daß selbte weder gar noch auch bey allen sich durch angenommene Uppigkeit hatte vertilgen lassen. Lucius Cäditius und Caldus Cälius fochten als hertzhaffte Kriegsleute / und führten die ihrigen an /als verständige Obristen. Britomar und Arbogast waren des Käysers und des Glücks Schoßkinder / und von ihnen aus Edelleuten in die Würde der Fürsten erhoben / also so wohl von der Natur für ihren eignen Wohlstand als aus Pflicht für ihre Wohlthäter hertzhafft zu fechten angereitzt. Den Segesthes und seine Casuarier zwang die Furcht verzweiffelt zu fechten. Deñ was kan ein Uberläuffer ihm schrecklichers fürbilden / als daß er in der verlassenen seinigen Hände verfalle? Ja es war gleichsam ein Zeichen für des Qvintilius Varus sich näherndem Ende / daß er dißmahl grössere Merckmahle der Tugend / als sonst iemahls von sich blicken ließ. Denn ein bald ausleschendes Licht giebt einen desto grössern Strahl von sich / und die Winde / die bald auffhören wollen /rasen desto hefftiger. Das gantze Kriegs-Volck stieß und schlug so hefftig auff einander / daß das Gethöne der Waffen den Schall der Trompeten und anderer Kriegs-Spiele dämpffte / und sich offtmals den Schlägen auff Amboßen vergleichte. Bald ward auff einer bald auff der andern Seiten durchgebrochen / und bald zogen die Römer und Gallier / bald die Deutschen den kürtzern / und unter beyden fiel keiner / der vom Feinde das Antlitz hätte weggekehret. Ob auch wohl die Numidischen Schützen in der Deutschen Schilde viel Pfeile so tieff eingeschossen / daß sie selbte unbrauchbar machten / verließ doch keiner seine Reyhe /sondern fochte mit entblößtem Leibe. Die Gallier /welche Varus mit Fleiß zuförderst geordnet hatte /musten länger als ihr Wille und Gewonheit war /Stand halten. Denn die Römer standen ihnen am Rücken und wiesen denen Flüchtigen selbst die Spitzen. Etliche Stunden dauerte die Tapfferkeit beyder Theile / daß der Sieg und Verlust auf gantz gleicher Wagschale lag. Denn Hertzog Herrmann / als er alle Flügel wol besichtigt und allenthalben beste Anstalt gemacht / sich auch auff die andern Heerführer zu verlassen hatte / überlieff nach so langem Gefechte die Ungedult / daß der Feind allzu hartnäckicht ihm den Sieg vorenthielt / welchen ihm die Priester und die Hertzhafftigkeit seines Heeres doch schon vorher versprochen hatten. Dahero vergaß er sich offt / daß er der Feldherr war / indem er in die dicksten Hauffen der kühnsten Feinde sprengte. Am meisten aber verdroß ihn / daß er den Römischen Feldhauptman Varus so lange nicht zu Gesichte bekommen konte; um mit eigenen Händen denen Rach-Göttern Deutschlands eine fette Beute durch Auffopfferung des Römischen Feldherrns abzulieffern / und dadurch die Schmach seines Vaterlandes und Geschlechts abzuwischen: daß Marcellus nach eigenhändiger Erlegung seines Anherrns des Königs Viridomars zum dritten mahl seine Waffen dem Feretrischen Jupiter auffgehenckt hatte. Endlich erblickte er ihn zu Pferde unfern von dem Römischen Adler der dritten und Haupt-Legion haltend. Alleine Cäditius Cälius und Segesthes / welcher / um sich unkentlich zu machen / den Helm verwechselt und seinen Harnisch mit einem Römischen Waffen-Rocke verdeckt hatte / machten mit fast verzweiffelter Gegenwehr dem Feldherrn so viel zu schaffen / daß er dem Varus unmöglich beykommen konte. Hierauff entschloß er durch drey hundert Cheruskische Edelleute / welche er auff einen sonderbaren Nothfall von der andern Reiterey abgesondert und hinter sein Fußvolck an einen niedrigen Ort also unsichtbar gestellet hatte / sein Heil zu versuchen. Hiermit befahl er: daß in der mitten das Fußvolck sich augenblicks trennen und daselbst diesem reisigen Zeuge Platz[46] zum Einbruche machen solte. Den Römern kam dieser Angriff der Reuterey so unvermuthet / gleich als ob selbte aus den Wolcken gerennet kämen. Und weil es unmöglich war gegen sie einige Römische Reuterey durchzubringen /litte ihr bestes Fußvolck unglaublichen Schiffbruch /und ihre gantze Verfassung gerieth in heftige Zerrüttung. Unter diesen Edelleuten war auch dieser / der für der Schlacht gegen die fremde Königin den ebentheuerlichen Zweykampf ausgeübt hatte. Dieser setzte ihm für / seine Hertzhafftigkeit nunmehr auch gegen Männer auszuüben / nachdem er durch eine ohne diß meist nur zufällige Uberwindung eines Weibes mehr Verkleinerung als Ehre erlangt zu haben ihm einbildete. Mit denen Galliern / deren Häupter sich zwischen dem Fußvolcke ebenfals zu Pferde befanden / anzubinden / war ihm auch nicht anständig / als derer erstern Sturm man zwar für mehr als männlich / ihren Verfolg des Kampfes aber schlechter als weibisch hielt. Hiemit gerieth er an den Segesthes / und rennte mit verhängter Lantze Spornstreichs auf ihn zu. Segesthes aber versetzte durch einen hefftigen Hau seines Schwerdts so glückselig / daß die Spitze der Lantze ohne seine Berührung zur Erdẽ fiel. Hierauff verfolgten sie mit den Degen ihren Streit / diesem Ritter aber sprang nach einem hefftigen Gefechte die Klinge des Degens entzwey / also daß er sich ohne einige Waffen und dahero in höchster Gefahr befand. Segesthes verfolgte bey eisem Zufalle sein Glücke mit vielfältigen Hieben. Alleine einem Hertzhafften ist kein Degen zu kurtz / und ein halber lang genug / denn ein Schritt gegen seinem Feinde und ein unverzagtes Hertze ersetzet / was einem an Eisen abgehet. Daher zernichtete er Segesthen / mit geschwindester Fürwerffung des Schildes und Degenstrumpffs / alle seine Streiche. Endlich aber versetzte dieser dem Pferde einen zweyfachen Stoß in Hals. Dieses verursachte den Ritter / daß er / ehe das verwundete Pferd stürtzte / mit einer fertigen Hurtigkeit aus dem Sattel sprang /und nicht nur auff die Füsse zu stehen kam / sondern auch auff dem Boden nebst einem Todten einen entblösten Degen fand / welchen er des Segesthes Pferde in einem Augenblicke so tieff in die Brust stach / daß es alsofort mit seinem Reuter entseelet zu Boden sanck. Der Ritter gebrauchte sich dieses Vortheils mit hertzhaffter Geschwindigkeit / sprang dem auff den Rücken gefallenen Segesthes auf den Hals / und weil er wegen deß unter dem Waffenrocke verborgenen Pantzers ihm etliche vergebene Stiche versetzte / riß er ihm mit aller Gewalt den Helm vom Haupte / um den Segesthes die Gurgel mit samt dem Kopffe abzuschneiden. Hilff Himmel! rieff er / vom Segesthes bey seinem ersten Anblicke auffspringend / und ließ mit einer hefftigen Bestürtzung den auff ihn gezückten Degen aus der Hand fallen. Die Worte erstarben ihm auff den zitternden Lippen / und seine Glieder worden unbeweglicher als eine Marmel-Seule / also / daß Segesthes ihn auffzureiben Zeit und Gelegenheit genug gehabt hätte / wenn nicht seine aus dieser Bestürtzung empfundene Verwunderung ihm Vernunfft und Glieder gebunden hätte. Bey dieser Begebenheit erblickte Hertzog Herrmann Segesthens entwaffnetes Angesichte / und griff ihn aus geschöpffter Verbitterung nicht so bald mit empfindlichen Scheltworten: Ha! Verräther des Vaterlandes! als mit der Schärffe der bey handen habenden Waffen an. Es würde auch der in voller Verwunderung begriffene Segesthes einen gefährlichen Streich bekommen haben / wenn nicht der Ritter den / welchen er kurtz vorher hinzurichten so begierig war / mit Fürwerffung beyder Armen gegen diesen unvermerckten Angriff beschirmet hätte. Wovon er aber selbst verwundet war / daß das Blut über die Waffen häuffig herab floß. Dem Feldherrn kam diese Begebenheit eben so seltzam für / und fuhr ihn mit grimmigen[47] Worten an: Was ihn dieser Verräther und Uberläuffer zu vertheidigen veranlaßte? Dieser rieß ihm hierauff selbst den Helm vom Haupte / und gab hiermit zu erkennen / daß es die unvergleichliche Fürstin Thußnelde / Segesthens einige Tochter war. Urtheile / fing sie an / großmüthiger Hertzog: ob das Kriegsrecht mich mehr den Feind zu verfolgen und dem Feldherren zu gehorsamen / oder das Gesetze der Natur den Vater zu beschützen nöthige? Sie hatte diese Worte noch halb auff der Zungen /und die Augen gegen den Feldherrn gerichtet / als sie schon für dem gantz verwirrten Segesthes fußfällig ward / und ihm das von der Erde wieder auffgehobene Schwerdt / mit Beysetzung dieser Worte / reichte: Straffe Segesthes deine boßhafftige Thußnelde / welche nicht mehr des Tochter-Nahmens werth ist / nach dem sie das Mordeisen wider ihren Vater gezuckt hat. Rom wird diesen Schandfleck nimmermehr ausleschen / daß die unmenschliche Tullia über die blutige Leiche ihres schon todten Vaters die bestürtzten Pferde gesprenget hat. Und ich habe Deutschland mit diesem Brandmahle besudelt / daß ich dem lebenden das Messer an Hals gesetzt. Räche Segesthes durch diesen Werckzeug meines Verbrechens deines Geschlechtes und des Vaterlandes Schande / welche grösser ist / als warum Virginius seine Tochter auff öffentlichem Marckte abschlachtete. Diese Rede beseelte sie mit einer so erbärmlichen Geberdung und Wehmuth / daß sie dem Segesthes durch die Seele / dem Feldherrn durchs Hertze drang / und bey diesem eine vielfache Empfindligkeit / bey jenem aber verursachte / daß er wieder zu sich selbst kam / und ihr mit dieser Antwort begegnete: Ich empfinde den Zorn der Götter und die Bisse meines Gewissens über mein begangenes Laster / welches so groß ist / daß das Verhängniß meiner eignen Tochter Klinge wider meine Verrätherey zur Rache geschliffen hat. Vollführe deinen Streich wider den / der sich selbst verdammet. Kinder sind dem Vaterlande mehr als ihren Vätern schuldig / und die Gesetze haben denen Belohnung und Ehrenmahle ausgesetzt / die das befleckte Blut ihrer straffbaren Eltern dem gemeinen Wesen auffopffern. Der Feldherr fiel Segesthen in die Rede: Es wäre ein allzugroß Glücke für einen Verräther / daß er von so edlen Waffen / entweder einer so unvergleichlichen Heldin oder eines deutschen Fürsten sterben solte. Das Recht des Vaterlandes habe auff Feinde der Freyheit knechtische Strafen ausgesetzt. Schlaget diesem nach den / der sich selbst schon verdammet / in die Eisen. Du aber / unvergleichliche Thußnelde / lasse dich den Verlust eines dem gemeinen Wesen ohne diß schon abgestorbnen Vaters nicht jammern. Deine Tugend ist der Väterlichen Flecken nicht fähig / und diese darff sich für keine Wäyse achten / welche wegen ihrer Heldenthaten das Vaterland selbst zu einer Tochter auffnehmen muß. Alsobald waren einige dar / die dem Segesthes Fessel anlegten; welche die Deutschen / um ihre Gefangenen damit feste zu machen / in die Schlachten mitzunehmen gewohnet waren; worüber Thußnelde theils wegen empfangener Wunde / theils daß ihres Vaters Zustand ihr so tieff zu Hertzen ging /in Ohnmacht sanck / und auff Befehl des Feldherrn mit allerhand Erfrischungen erqvicket / und nach Deutschburg getragen ward.

Der Feind war durch den Verlust Segesthens überaus bestürtzt / Hertzog Herrmann aber durch den zweyfachen Sieg dieser deutschen Amazone gleichsam beschämet / und dahero zu einem so eifrigen Gefechte angezündet / daß kein Feind seinen Sturm ausdauren konte. Caldus Cälius / welcher ihm begegnen wolte / ward von ihm mit dem Streithammer zu Boden geschlagen und darüber gefangen. Qvintilius Varus / als er ihn dem Römischen Haupt-Adler so nahe kommen sahe / machte sich mit seiner Leibwache / als denen eussersten Kräfften des[48] Römischen Heers gegen ihm herfür. Dieses waren tausend mit kupffernen Schilden und schupfichten Pantzern aus dem alten Kerne der Römischen Kriegsleute ausgelesene freywillige / welche schon ihre zwantzigjährige Dienste ausgestanden und ansehnliche Kriegs-Aemter verwaltet / auch keine Wache oder andere Arbeit mehr zu vertreten / sondern nur den Feldherrn zu beschirmen hatte / und auff ihren Schilden den Nahmen des Kaysers mit Golde eingeetzt führten. Diese thaten wohl ihr bestes unter ihrem streitbarem Führer Cäcina; und fochten nach Gelegenheit des engen oder geraumen Orts bald mit ihrem kurtzen / bald mit dem langen Spanischen Degen / wormit die lincke / wie mit jenem die rechte Seite versehen war. Alleine die Keckesten wurden unverlängt von der deutschen Reuterey zu Grunde gerichtet / und der Feldherr kam dem Varus so nahe / daß / ob wohl die Römischen Kriegsleute ihn mit ihren Schilden auffs möglichste verdeckten / er ihm einen Wurffspieß in die Schulter jagte; dem Qvintilius Manlius aber in Hals einen tödtlichen Stich versetzte / und mit eigner Hand ihm den Römischen Adler ausriß. Nachdem auch inzwischen beyde Römische Flügel gantz aus dem Felde geschlagen waren / drang Fürst Catumer und Sesitach mit der Reuterey auff den Varus loß. Wodurch der letzte noch stehende Rest des Römischen Heeres in öffentliche Flucht / Qvintilius Varus aber in eusserste Verzweiffelung gebracht ward. Denn als er seine noch standhaltende Hand voll Volcks auff allen Seiten umringt /und nirgendshin einige Ausflucht mehr sahe / bezeugte er endlich grössere Hertzhafftigkeit zu sterben als zu kämpfen / und redete die nächsten mit diesen Worten an: Lasset uns / ihr ehrlichen Römer / diesen letzten Schlag des veränderlichen Glücks behertzt ertragen / und lieber dem Tode frisch in die Augen sehen /als aus einer bevorstehenden Gefängniß noch einige Erlösung hoffen / und also eine freywillige Entleibung einer knechtischen Dienstbarkeit fürziehen. Der stirbt desto rühmlicher / der noch einige Hoffnung zu leben übrig hat. Ich gestehe / daß uns Segesthes und die Götter unser Verderben vorher gesagt: allein wenn das Verhängniß an unser Glücks-Rad die Hand anlegt / können uns keine verträuliche Warnungen aus seiner Verfolgung entreissen / und der Scharffsinnigsten Anschläge werden stumpff und verwirret. Jedoch lasse ich gerne geschehen / daß der Schluß der Götter mit meinem Versehen bekleidet / und der Zufall zu meinem Verbrechen gemacht werde. Mein Großvater Sextus Varus hat in der Pharsalischen Schlacht durch seine eigene / mein Vater Varus Qvintilius in dem Philippinischen Kriege durch seines freygelassenen Hand sich lieberhingerichtet ehe sie sich der Willkühr ihrer Feinde / die doch Römer waren / unterwerfen wollen. Ichwil es ihnen nachthun / ehe ich in dieser Barbarn Hände falle / und euch ein Beyspiel / der Nachwelt aber das Urtheil hinterlassen; Ob ich durch meine Schuld / oder durch ein besonders Verhängnüß meines Geschlechts also vergehe. Crassus hat durch seine Niederlage gegen die Parther weniger Schande eingelegt / als / daß er nicht / wie Publius / Censorinus und Megabachus ihm selbst das Leben verkürtzet / sondern sich in die verrätherischen Hände des Surena vertrauet / und des Maxarthes Sebel die Kehle dar gereichet hat. Von dem Tode mehr Worte zu machen /ist ein Stücke der Kleinmüthigkeit. Wie feste ich mir zu sterben fürgesetzt / könnet ihr dahero schlüssen /daß ich niemanden einige Schuld beymesse. Denn sich über Menschen und Götter beklagen / stehet nur dem an / der länger zu leben begehret. Ein König aber soll seines Reiches / ein Knecht seines Herrn / ein Kriegsmann seines Obersten / ein Feld-Hauptmann seines Heeres Wohlstand nicht überleben. Hiemit umhüllete er mit seinem Goldgestückten Purpur-Mantel sein Haupt / und[49] stach seinen Degen ihm biß an den Griff ins Hertze. Also verhüllete sich auch der ermordete Pompejus und Julius; wormit niemand ihre sterbenden Ungeberden sehen möchte. Die fürnehmsten und hertzhafftesten thaten es ihrem Heerführer nach /und benahmen durch eigene Entseelungen dem Feinde die Lust und die Ehre von seinen Streichen zu fallen. Andere / welche gleich noch genugsame Kräffte zu fechten hatten / warffen ihr Gewehre weg / und reichten / aus Verdruß zu leben / ihre Hälse den feindlichen Schwerdtern hin. Zumal von denen neun Obersten dieser anderthalb Legionen / nur noch einer / von den neuntzig Hauptleuten mehr nicht als ihrer fünff übrig waren. Die Flüchtigen worden von der Reiterey zu Boden gerennt / die liegenden von den Pferden ertreten / die stehenden wie das Vieh zerfleischt / also /daß das Feld numehro keine Gestalt eines Kampfplazes / sondern einer Schlachtbanck fürstellte. Sesitach ward über des Varus und anderer Obersten eigener Entleibung sehr verbittert / weil er mit seiner Reiterey sie lebendig in die Hände zu bekommen ihm eingebildet hatte / und dahero sprang er selbst vom Pferde /schnitt den Kopf des Varus Leiche ab / und steckte selbten / nach der Deutschen und Gallier Gewonheit /und den Römern desto mehr Schrecken zu machen /auff eine Lanze. Das gantze Feld ward mit Todten bedecket / und die zwischen denen Hügeln dieses Forstes lauffenden Bäche von dem Blute der Erschlagenen auffgeschwellet / insonderheit an denen drey engen Furthen / wodurch das Römische Heer seine Flucht zurücke nahm. Ihr jämmerlicher Zustand aber ward dardurch vergrössert / daß Vala Numonius und seine zum ersten durchgegangene Reuterey / Cäditius / welcher zwischen denen Pässen noch über zwölfftausend streitbare Männer wieder zusammen gezogen und in Ordnung bracht hatte / in Meinung mit der bald anbrechenden Nacht noch nach der Catten Festung zu entrinnen / ingleichen Britomar und Arbogast mit mehr als zehn tausend Galliern gerade auff den Hertzog Jubil traffen / welchen der Feldherr dem Feinde in den Rücken zu gehen befehlicht hatte. Es ist unschwer zu ermessen / was denen Römern die Müdigkeit von einer so hefftigen Schlacht / einem siegenden Feinde auff dem Rücken / und einem frischen von fornen zu begegnen / für Hinderniß schaffte / ja was die Furcht / allwo des Pöfels Träume so wohl als kluger Leute Gutachten gehöret werden / für seltzame Meinungen auff die Bahn brachte. Einer rieth sich durch den frischen und vielleicht nicht allzugrossen Hauffen des Hermundurischen Hertzogs durchzuschlagen / und / weil doch das zwar nähere Läger keine Sicherheit / die Festung Alison aber keinen genugsamen Raum und Lebens-Mittel schaffen könte /den Anfangs schon erkieseten Weg gegen der Cattenburg oder gar an den Rhein fortzusetzen. Ein ander hielt diß für ein verzweifelt Werck / und wolte / daß /nachdem Cejonius mit dem grösten Theil des lincken Flügels und dem einigen noch erhaltenen Adler sich wieder in das Läger gezogen hätte / man dahin folgen / sich darinnen biß auff den letzten Mann wehren /und von denen zwey Legionen / welche Lucius Asprenas nicht allzuweit von ihnen unter seinem Gebiete hatte / Hülffe erwarten solte. Wie nun die Zwytracht in Begebenheiten / welche keine langsame Rathschläge erdulden / der geradeste Weg zum Verderben ist; also wartete Hertzog Jubil die Erörterung ihres Zweiffels nicht aus / sondern bediente sich der wider die Uneinigkeit höchst vortheilhafften Geschwindigkeit. Einem flüchtigen Feinde jagt auch ein rauschendes Blat Schrecken ein. Was solte nicht dieser freudige Held / mit seinen streitbaren und unermüdeten Völckern / gegen die / welche zum ersten ausgerissen und allhier zwischẽ Thür und Angel waren / ausrichten? Fürst Jubil traff selbst in Person auff den Numonius /und durchrennete ihn mit[50] seiner Lantze; also fiel dieser verzagte Ausreisser nicht nur schimpfflicher / sondern auch eh / als die / welche er im Stiche gelassen hatte. Britomar ward von ihm durch einen Wurffspieß hefftig verwundet / und nachdem von einer Seiten dieser Hertzog / auff der andern das gantze obsiegende Heer mit aller Gewalt nachdrungen / mustẽ dieser Uberrest des Feindes in den Wohnstädten der wilden Thiere ihre Sicherheit suchen / und ein Hauffen hier /der ander dort sich in die dickesten Wälder verkriechen. Alleine auch in diesen wären sie von ihren Feinden nicht unverfolget blieben / wenn nicht die stockfinstere Nacht mit einem hefftigen Platzregen eingebrochen / und die schwartzen Wolcken das sonst volle Monden-Licht gantz verdüstert / und also dem Todschlagen nicht so wohl ein Ende / als einen Anstand gemacht hätte.

Der Feldherr ließ bey dieser Begebenheit selbst Befehl und Zeichen geben / daß die Deutschen bey so gefährlicher Finsterniß und schlüpfrigem Wetter ihren Feind in die morastigen Wälder nicht verfolgen / sondern mit der auffgehenden Sonnen der Römer und ihrer Gehülffen endlichen Untergang erwarten solten. Gleichwohl besetzte er die Wälder um und um an denen Orten / wo er meinte / daß irgends der dieser Wildnüße kundige Feind zu entrinnen / ihm einigen Weg suchen dörffte. Er verordnete auch / daß aus denen umliegenden Flecken dem Heere / welches nun gleichsam den gantzen Forst belägerte / ein Uberfluß von Lebensmitteln / welche der Deutschen Kriegs-Sold sind / zuführten. Wie sehr sie nun sonst auch dem Schlaffe ergeben sind / und von der langen Schlacht ermüdet waren / so ermunterte sie doch die ser herrliche Sieg dergestalt / daß wenig oder keiner ein Auge zuthat. Denn die / welche nicht ihre eigene oder ihrer Ang hörigen empfangene Wunden zu verbinden / noch die Schwachen ins Läger zu führen hatten / machten sich auff der Wahlstatt und um den Forst herum bey etlichen tausend Wath- und Freuden-Feuern mit Gesundheit-Trincken / Jauchtzen und Lobgesängen ihrer Feld-Herren und Heerführer lustig. Unter die Kriegsknechte mischten sich nun auch die Barden / sangen von dem deutschen Hercules vielerley Lieder / und zohen mit einem freudigen Nachklange ihm endlich doch den großmüthigen Herrman für.

So vergnügt sich nun bey diesem Wolleben die Deutschen befanden; so elende ging es denen Uberwundenen / wider welche der Himmel numehro selbst sich verschworen zu haben schien. Deñ den entstandenen Regen begleitete ein solch erschrecklicher Sturmwind / welcher nicht nur die Aeste und Wipffel der Bäume zerbrach / sondern auch die stärckesten Stämme mit den Wurtzeln aus der Erden riß / und sie denen ohne diß halb todtgeschlagenen auff die Hälse warff. Die aber / welche diesem Ungewitter zu entkommen vermeinten / und aus dem Gehöltze hervor krochen / wurden von denen allenthalben wachsamen Deutschen wie die Hunde zerfleischet. Das gantze Gefilde erbebete von unauffhörlichem Widerschall / bald von dem Frolocken der Sieger / bald von dem Krachen der Bäume / bald von dem Angst-Geschrey der Zerschmetterten / und stellte auff einmahl den seltzamen Wechsel der irrdischen Dinge für / daß selten einer lachen könne / wenn nicht der andere weine. Dieses Unheil ward vermehret noch durch dieses Hertzeleid / daß grösten theils der Römer ihre Weiber und Kinder / welche sie wider die alten Kriegs-Gesetze der Römer bey sich / und die Nacht zuvor aus dem Läger mitgeführet hatten / von diesem Sturm-Winde ůberfallen / die Weiber offt in den Armen ihrer Ehmänner / die säugenden Kinder auff den Brüsten ihrer Mütter zerqvetscht worden. Ja es brach einigen diß jämmerliche Schauspiel dergestalt ihr Hertze / daß sie / aus Erbarmniß / ihrer eigenen Kinder und Ehgatten Elend durch Mord zu verkürtzen sich entschlossen.[51] Dieser Sturm nöthigte auch dieselben Armenier / welche auff des Zeno Befehl Ismenen gefangen hielten /sich aus der innern Wildnüß herfür zu thun. Bey welcher Begebenheit sie ihren Vortheil ersah / dem einen unvermerckt das Schwerdt aus der Scheide zoh / und durch die Rippen stieß. Die drey andern fielen sie zwar hierüber so grimmig an / aber sie verthäidigte sich mit unvergleichlicher Hertzhafftigkeit. Das hierdurch erregte Geräusche zohe eine grosse Menge derer im Walde irrenden Römer herzu / welche die theils abgehauenen Kieffern-Aeste / theils von denen Römischen Wagen genommenen Hartzt-Fackeln anfangs zu ihrem Lichte / nunmehr aber gegen die gleichfals sich alldar versammlete Deutschen zu Schwerdtern brauchten / und weil sie sich iederseits auff etliche hundert verstärckten / in einen vollkommenen Streit mit einander geriethen. Die Verzweiffelung und das seltzame Feuer-Gefechte der Römer aber brachte die Deutschen zum weichen; wiewohl die Fürstin Ismene / als eine großmüthige Heldin / dem Feinde stets die Stirne bot / und denen weichenden Deutschen verächtlich zurieff: Ob sie ein Bienenschwarm wären / welche vom Rauche vertrieben würden? Ob sie numehr für einem entwaffneten Feinde zu lauffen für keine Schande hielten / den sie den Tag vorhero in seiner besten Rüstung geschlagen hätten? Endlich kam der Ritter Waldeck mit zwey hundert Mann seiner Wache darzu / welche den Feind nach grossem Verlust wieder in Wald trieb / und diese Heldin zu grosser Freude des gantzen Heeres zum Feldherrn brachte.

Als es den folgenden Morgen kaum zu tagen anfing / ließ der Feldherr schon ein Zeichen geben / diß was von den Feinden nicht / wegen ermangelnder Verbindung / an den Wunden gestorben / in Sümpfen ersticket / oder von den Bäumen erschlagen noch von den wilden Thieren zerrissen war / aus den Hecken und Löchern herfür zu suchen und auffzureiben. Also ward dieses Tagelicht nach etlichen tausenden in eine Nacht des Todes verwandelt. Denn wo der schlüpffrige Erdboden nur einen Fußstapffen eines Menschen zeigte / folgten ihrer zehen und mehr der Spure nach /und zerfleischten ohne Erbärmniß ihre für Furcht und Kälte zitternde Feinde. Ja es ward gleichsam für eine grosse Schande gehalten / wenn einer nicht einen abgehauenen Feindes-Kopf für die Füsse seines Obristen niederzulegen hatte; also hin und wieder Berge von blutigen Menschenköpffen zu schauen waren. Nebst diesem unterließ der Feldherr nicht mit geschlossenem Hauffen durch den Weg / welchen die Römer ihnen durch Umhauung vieler Bäume für der Schlacht durch den Forst gemacht hatten / nachzusetzen / und traff kurtz nach aufgegangener Sonne auf einer etwas blancken Höhe auff das gröste Theil des Römischen Feld-Geräthes / und einer grossen Menge mit Frauen / Kindern / Zelten / Kriegszeug und anderer Nothdurfft beladenen Wagen / zwischen welchen noch etliche tausend Männer eingeflochten waren. Diese Verwickelung / der glatte Erdboden / und daß Bogen / Schilde / Schleudern und ander Gewehre von dem starcken Regen gantz unbrauchbar gemacht worden waren / benahm denen schwergewaffneten Römern alle Mögligkeit sich in Ordnung zu stellen / und gegen die mit leichter Rüstung und langen Spiessen versehenen Deutschen zu fechten. Dahero wurden sie ohne grosse Mühe niedergehauen / auch Weiber und Kinder / welchen nicht der Feldherr und andere Fürsten die Gnade der Dienstbarkeit wiederfahren liessen / von der Schärffe des Schwerds nicht verschonet. Ob die Römer auch wohl an der Einfarth des sich wieder anfangenden Waldes eine Menge Wagen / Holtz und ander Geräthe anzündeten / um an dieser Enge denen Deutschen die Verfolgung zu verhindern; so waren doch diesen alle Fußsteige und Nebenwege so gut bekandt / daß sie in kurtzem sich im Gehöltze wieder an sie hingen / von welchen[52] einige in der Flucht einander selbst über einen Hauffen rennten und beschädigten /andere über die Stöcke oder in Moraste stürtzten /also daß die Deutschen nicht so wohl zu kämpffen Noth / als nur niederzumetzgen Gelegenheit hatten.

Gegen Abend ward der ohne diß den Tag unauffhörlich gewehrte Regen abermahls mit einem noch schrecklichern Sturmwinde begleitet / welcher in den Wäldern das oberste zu unterste drehete / und dahero selbst die Deutschen zwang sich auff die Fläche zurück zu ziehen / wiewohl sie den Römern den zornigen Himmel zu einem genugsam grausamen Feinde über dem Halße liessen / und des Nachts die vom Feinde im Stiche gelassenen Wagen und Beute bey abermahligem Wolleben durchsuchten.

Des Morgens vermochte sie auch der noch währende Sturm nicht auffzuhalten / sondern sie brachen /wiewohl wegen der häuffig über einander gefallenen Bäume / unter denen viel hundert ihrer Feinde erbärmlich zerschmettert lagen / mit grosser Müh durch den Forst durch / und kamen endlich an das zwischen dem Alme- und Lippenstrome befestigte Läger der Römer / in welches sich Lucius Cäditius / Arbogast und noch etliche andere Heerführer / mit allen denen /welche von dieser zweyer Tage Niederlage übrig blieben waren / eingeschlossen hatten.

Der Feldherr stellte alsofort ein Theil seines Heeres in Schlacht-Ordnung / und ließ durch einen Hauptmann das länglicht viereckichte auch zwar sehr veste /aber wider die Römische Art mit Küchen / Badstuben / Betten und allerhand Hausrath angefüllte Läger auffodern / mit der Bedrohung: daß wenn sie den Sturmbock den Wall berühren liessen / er so denn von keinen Bedingungen ihrer Erhebung hören wolte. Er kriegte aber zur Antwort: daß sie sich biß auf den letzten Blutstropffen zu wehren entschlossen hätten. Hiermit befahl Hertzog Herrmann alsobald denen Zi erleuten / und einem Theile ohne diß mit Beilen und Aexten versehener Kriegsleute / Reißig-Gebünder zu Füllung der Gräben und Sturmleitern zu Ersteigung der Wälle zu fertigen. Er selbst legte auch / um sein Volck desto mehr auffzufrischen / mit Hand an; Zumal bey denen Deutschen ohnediß die Kriegs-Obersten mehr durch ihr eigenes Beyspiel / als durch Befehle / ihre anvertraute Gewalt auszuüben pflegen. Er machte hierauff Tag und Nacht zu Uberwältigung des Lägers möchligste Anstalt. Inzwischen ließ er den Hertzog Catumer wissen: daß er mit seinem noch hinterstelligen Flügel gegen Norden und über den Lippestrom abweichen / also verhindern solte / daß die im Läger beschlossenen sich nicht daraus an die so weit nicht entfernte Festung Alison abziehen könten. Hertzog Jubiln aber hieß er mit einem Theil Reuterey durch die Alme setzen / um disseits der Lippe die Seite gegen Alison zu bedecken.

Es war nun schon alles zum Sturme fertig / zwey aus Heynbuchen hundert und zwantzig Ellenbogen lang gemachte und mit einem starcken eisernen Widerkopffe versehene / auch mit einem wider das Feuer durch ein ledernes Sturm-Dach verwahrte Sturm-Böcke / an derer iedem vier tausend Männer ziehen musten / hatten an zweyen Orten den Wall dreyssig Ellen breit über einen Hauffen geworffen. Der Graben war an unterschiedenen Orten ausgefüllet / und es waren vier mit Eisen und Alaun wider das Feuer bedeckte Sturmthürme zum anschieben fertig. Die grossen Steinschleudern waren an dienliche Orte gepflantzt /und es solte gleich zum Anlauffen das Zeichen gegeben werden / als man den dritten Tag bey der Sonnen Auffgang gegen Westen über der Alme einen starcken Schall von Trompeten und andern Kriegs-Spielen vernahm / welchen der daher kommende Wind hefftig vergrösserte / ein von dem Hermundurer Fürsten zurückjagender Edelmann aber berichtete / daß zwey Legionen Römer / welches man aus ihren zwey Adlern erkennte / nebst etlichen Hauffen Reutern recht gegen ihn anzügen. Der Feldherr[53] muthmassete alsbald / daß Lucius Asprenas / ein erfahrner Kriegs-Oberster / des Varus Schwester Sohn / die zwischen der Isel oder Nabel und der Emse zertheilte Legionen (wie es sich denn in Wahrheit also auswieß) zusammen gezogen / und bey der Festung Alison über die Lippe gesetzt haben müste. Dahero ließ er den Hertzog Inguiomer mit einem Theil Volckes für dem Läger stehen / theils alles in altem Stand zu erhalten / theils zu verhindern / daß die Römer nicht durch den Alme-Strom setzten. Weil auch der heftige West-Wind den Deutschen gerade in die Augen gestrichen hätte /wenn er den anziehenden Römern geraden Weges entgegen gegangen wäre / lenckte der Feld-Herr Sudwerts ab / womit er zugleich den halben Wind gewinne / und das Fuß-Volck nicht durch den Alme-Strom waten dörfte.

Asprenas / welcher zwar Nachricht hatte / daß Quintilius Varus mit den Cheruskern und Hermundurern in Zwytracht und in ein Treffen gerathen war / ihm aber nicht traumen ließ / daß dieses grosse Heer aufs Haupt erlegt / weniger das Läger noch dazu belägert und er so nahe dem Deutschen Heere wäre / wolte durch seinen Trompeten-Schall seine Ankunft dem Römischen Läger kund machen / ward daher überaus bestürtzt / als er die vom Hertzog Jubil über den Alme-Strom geführte Deutsche Reiterey / und in deren Fahnen den gekrönten Cattischen Löwen erblickte. Ihm machte auch alsobald Nachdencken / daß diese Reiterey / als sie seiner ansichtig worden / stock stille halten blieb / und nach dem er ohne diß am reisigen Zeuge sehr schwach war / wuste er nicht / ob er die Deutschen anzufallen Befehl ertheilen solte. Zumal diese ohnedis harte an dem Pusche hielten /und er sich eines starcken Hinterhalts besorgen muste. Also blieben beyde Theile eine gute Weile / Asprenas aus Zweifel / Jubil auf Hülffe wartend / gegeneinander stille halten. Gleichwol konte Asprenas sich wenig gutes versehen / und daher stellte er sein Volck auf allen unversehenen Anfall in Schlacht-Ordnung /und ließ hiemit einen Vortrab Reiterey gegen die Deutsche voraus traben / umb die wahre Beschaffenheit zu erkundigen: ob die Catten dar als Freund oder Feind stünden. Denn weil er noch nicht wuste / daß diese sich mit den Cheruskern ausgesöhnet hatten /und zu ihnen gestossen waren / er auch bey so gar nahem Römischen Läger nicht vermuthen konte / daß ein Feind daselbst seinen Stand haben solle / war ihm eine Meynung so zweifelbar / als die andere. Diese aber ward ihm dadurch allzu zeitlich benommen / daß die Catten ohne einige eingebildete Wortwechselung den Römischen und theils Usipetischen Reitern in vollem Rennen mit eingelegten Lantzen begegneten /derer etliche von den Pferden renneten / die wenigen andern aber / als sich zumal die grosse Menge der Deutschen mehr und mehr aus dem Gehöltze herfür that / das Hasen-Panier aufzuwerffen nöthigten. Asprenas konte ihm numehr aus der so sichtbar sich vergrössernden Anzahl die Rechnung leicht machen / daß ein der Reiterey gemässes / und also mächtiges Fuß-Volck am Rücken stehen müste; dahero war er schon halb und halb entschlossen die Legionen mit guter Art gegen dem nahen Walde an einen wegen dabey liegender Sümpfe vortheilhaften Ort zurück zu ziehen. Hievon aber hielt ihn zurücke / daß er gleichwohl in dem Römischen Läger die Römischen Kriegs-Spiele hörte / auch ihm im Läger durch aufgesteckte rothe Tücher und Schwenckung vieler Fackeln gewisse Kriegs-Zeichen geben sah / welche ihn durch bey denen Römern abgeredte Verständnüß genungsam versicherten / daß das Läger von Römern besetzt /aber nicht ausser Gefahr wäre. Dahero entschloß er sich fort und dem Läger zuzudringen / in Hoffnung /es würden auff allen Fall die etwan Belägerten auch das ihrige thun / und die Deutschen zugleich anfallen.

Hiermit gerieth die Reiterey beyderseits an einander / Cäcina führte die Römische / und Hertzog[54] Jubil wolte als der letzte in voriger Schlacht numehro mit seinen Hermundurern und anvertrauten Catten in dieser die erste Ehre einlegen. Ob nun zwar die Römer das ihrige thaten / so war doch der deutsche reisige Zeug ihnen so wol an der Anzahl als Geschwindigkeit überlegen / und welches das ärgste war / so ging Fürst Marcomir mit seinen Usipetern von den Römern zu den Deutschen über / also / daß die Römische Reiterey gegen den muthigẽ Jubil nicht lange gestanden haben würde / wenn nicht die Acarnanischen und Balearischen Schleuderer ihnen zu hülffe geeilet hätten. Dieser ihr knechtisches Handwerck ist von Kind auf das Schleudern / und kriegen sie von der Mutter kein Brodt / das sie nicht mit dem Steine getroffen. Sie schlingen die eine Schleuder als eine Zierrath umb das Haupt / die sie in der Nähe brauchen / die andere als einen Gürtel um den Leib / welche etwas weiter schleudert / und die / welche am fernesten trägt /haben sie stets in der Hand und in Bereitschafft. Sie schwencken sie dreymal umbs Haupt / treffen mit einem pfündichten Steine oder Bley sechshundert Füsse weit / was sie wollen / und zerschmettern auch denen auffs beste Geharnischten ihre Glieder. Unter diesen waren auch Achaische Schleuderer / welche an statt der Kugeln Spiesse und Pfeile mit grossem Nachdruck warffen. Aber auch diese würden nicht lange gestanden seyn / wenn nicht das Römische Fuß- Volck sich genähert und die Reiterey entsetzt hätte. Die Legionen drangen gleichsam als Mauren gegen die Deutschen an / dem Fürsten der Hermundurer worden von denen untergespickten Armenischen und Arabischen Schützen / welche letztern ihre Bogen mit den Füssen spannen / und Pfeile eines Mannes lang schüssen / zwey Pferde unter dem Leibe erlegt / weil die Pfeile wegen ihrer zweyfach über einander stehenden oder vierhackichten Spitzen unmöglich aus der Wunde zu ziehen waren. Er selbst ward mit einem geschleuderten Steine auf die Brust getroffen; also / wie hertzhafft gleich dieser Hertzog dem Feinde unter die Augen ging / so war es doch unmöglich zwey geschlossene Legionen zu durchbrechen. Weil aber die Deutschen gleichwol keinen Fuß breit weichen wolten / gerieth der Graf von Mansfeld so sehr ins gedrange /daß ein Römer seinem Pferde den Degen in Bauch stieß / worvon es zu Boden stürtzte / zwey andere aber ihm den Schild mit Gewalt vom Arme rissen. Dieser Verlust machte diesen Helden gantz rasend; weil bey den Deutschen keine grössere Schande ist /als den Schild einbüssen / und derselbe so denn weder einigem Rathschlage noch dem Gottes-Dienste beywohnen darff. Er sprang hierauf nicht nur von der Erden / sondern auch hinter einen Römer auffs Pferd /stieß ihm den Degen durch den Hals / riß dem davon sterbenden den Schild vom Arme / und warff den Todten aus dem Sattel / verfolgte auch den der seinen Schild hatte wie ein Blitz / biß er ihm das Licht ausleschte / und seinen unschätzbaren Verlust mit nicht geringerm Ruhme / iedoch auch mit nicht wenigern Wunden / als des Cato Sohn in der Schlacht gegen den König Perses seinen ihm entfallenen Degen wieder erlangte. Dieses Beyspiel ermunterte die Deutschen / daß sie gleichsam wider alle Vernunft und Mögligkeit die gantze Römische Macht aufhielten. Nach dem aber Hertzog Jubil dabey mehr Schaden als Vortheil ersah / gab er denen Seinigen ein Zeichen /daß sie sich nach und nach auf die lincke Seite ziehen solten. Denn der gerade hinter dem Rücken sich befindliche Wald war zum Treffen des feindlichen Fuß-Volcks vortheilhaftiger / als seiner Reiterey. Asprenas meynte / er hätte numehr schon den Sieg in Händen /und der Feind habe ihm selbst bereit den Weg in das Römische Läger geöffnet / als auf der rechten Seiten Segesthens Sohn / Fürst Sigismund / mit der Cheruskischen Reiterey die Römer anfiel / und sich zugleich das deutsche Fuß-Volck[55] sehen ließ. Asprenas erkennte nun allererst seinen Fehler / und die Gefahr / in welche seine Verwegenheit das Römische Kriegs-Volck gestürtzt hätte / gleichwol ließ er seinen Muth nicht alsobald fahren / sondern war bemühet / aus der Noth eine Tugend zu machen / und die Scharte seiner Ubereilung durch Vorsicht und Tapferkeit auszuwetzen. Er preßte einem mit dem Pferde gestürtzten / und hierdurch in seine Hände verfallenen Cattischen Reiter aus / daß Quintilius Varus mit dem gantzen Heere biß auffs Haupt geschlagen / das Läger von Hertzog Inguiomern beschlossen / Hertzog Herrmann aber mit dem siegenden Heere gegen die Römer in sichtbarem Anzuge wäre. Dahero ordnete er: daß Cäcina mit seiner Reiterey / und Sylvanus Plautius mit denen untermengten Schützen und Schleuderern die andringende deutsche Reiterey aufhalten / und durch ihr Gefechte denen Legionen sich zwischen die Sümpfe und den Wald zurückzuziehen Lufft machen solte. Hertzog Jubil und Sigismund worden durch Zurückweichung des Römischen Fuß-Volcks Meister des Feldes / und wenn einer gegen die Reiterey fochte / fiel der ander bald dar bald dort in das Fuß-Volck ein / und thät grossen Schaden. Der Feldherr sprach dem deutschen Fuß-Volck so beweglich zu / daß sie ihre Müdigkeit des schon in vierdten Tag währenden. Treffens vergassen / und auf die Römer trabende zulieffen / nach dem sie sie schon für der einigen Reiterey weichen sahen. Wie geschwinde nun gleich diese fortgieng / so war es doch seiner Siegs-Begierde vielzu langsam; dahero fügte er sich selbst zu der Reiterey / und brachte mit seinem grimmigen Anfalle die Römische in offentliche Flucht / fäbelte die Schützen und Schleuderer meist / auch unter ihnen den Plautius mit eigner Hand nieder. Die fördersten Hauffen der Legionen / welche zwar allezeit den Deutschen in viereckicht geschlossener Schlacht-Ordnung die Stirne boten / kamen in nicht geringe Verwirrung. Weil auch wegen der Sümpfe das Römische Fuß-Volck nicht mit der auf der Fläche gehaltenen Breite sich zurück ziehen konte / sondern sich daselbst zertheilen muste /und also viel längsamer zu weichen vermochte; wurden sie von dem deutschen Fuß-Volcke nun auch erreichet / zertrennet / und wie tapfer gleich Asprenas an der Spitze des Fuß-Volcks / Cäcina an der Stirne des sich zwischen den Legionen widersetzenden reisigen Zeuges fochten / fast alles / was nicht bey Zeite über die engen Furthe der Moräste gediegen war / niedergehauen oder ertreten / Cäcina auch von dem Jubil im Haupte / Asprenas vom Fürsten Sigismund mit einer Lantze in Arm verwundet. Es würden auch weder Wald noch Moräste dem übrigen Heere einige Sicherheit verschafft haben / wenn nicht die regenhafte Nacht denen Deutschen abermals mit ihrer Finsternüß die engen Wege über die Sümpfe verbeugt hätte /wiewol in selbten auch viel Römer stecken blieben und erstickten / die aus den Händen ihres Feindes zu entrinnen vermeynten.

Asprenas war nicht weniger durch den grossen Verlust seines Volckes bekümmert / als umb Erhaltung des überbliebenen Heeres sorgfältig. Zumahl er seinem unvorsichtigen Anzuge selbst grossen theils die Schuld des empfangenen Schadens und der noch vorstehenden Gefahr gab. Dahero trachtete er durch eine Kriegs-List sein Versehen auszubessern; befahl also hin und wieder Wach-Fẽuer zu machen / Bäume abzuhauen / Gräben gegen dem Feinde / und in allem solche Anstalt zu machen / als wenn er an diesem vortheilhaften Orte sich befestigen und also stehen bleiben wolte. Inzwischen ließ er im finsternund in möglichster Stille unter dem Geräusche / so durch das Umbhauen der Bäume gemacht ward / die Wagen und das Heergeräthe / samt denen Krancken / und welche am übelsten zu Fusse waren / zurücke und nach der Festung Alison gehen /[56] welchen das Fuß-Volck nach und nach folgte / und / weil die Noth auch im stockfinstern sehende Augen hat / geschwinder und ohne wenigere Vermerckung des Feindes / als ihm Asprenas selbst eingebildet hatte / durch den holen und engen Weg / der durch selbigen Wald führte / auf das flache Feld gegen Alison gerieth. Worauf Asprenas die Feuer nach und nach von sich selbst verleschen /das Geräusche in Wäldern sich vermindern ließ / und mit der zurückbliebenen Reiterey eilfertig nachfolgete. Hertzog Herrmann hatte inzwischen Nachricht erlangt / daß Catumer mit seinem Hauffen auf Malovenden der Marsen Hertzog auff der andern Seite der Lippe getroffen hätte / dieser aber dennoch mit etlichen Tausenden theils Reiterey / theils Fuß-Volck in das Römische Läger durchgedrungen sey; Catumer also ein Theil zu Beschlüssung des Lägers daselbst gelassen /und weil ihm etliche Gefangenen entdecket / daß vorhergehende Nacht Lucius Asprenas mit seiner Kriegs-Macht bey Alison über die Lippe gesetzt hätte / mit dem grösten Theile auch diese Festung zu sperren /und den Feind zu einer Zertrennung zu nöthigen / an der Lippe seinen Zug fortgesetzt habe. Ob nun zwar der Feldherr endlich beym Abzuge der Reiterey die Flucht des Feindes durch etliche Kundschaffter erfuhr / so dorfte er doch / theils wegen Müdigkeit seines Volcks / theils wegen vernommener Verstärckung des Lägers / theils wegen grosser Finsternüß sich durch die gefährlichen Moräste und Wälder / allwo er von dem listigen Feinde leicht hätte umringet und überfallen werden können / den Feind zu verfolgen nicht wagen / sondern muste mit dem lichten Morgen neue Entschlüssungen erwarten.

Mit anbrechendem Tage sahen die Deutschen / daß Asprenas völlig das Feld geräumt hatte. Und ob wol ein Theil der Reiterey unter Hertzog Ganaschen (denn mit dem gantzen Heere ihn zu verfolgen schiene bey so ungestümem Wetter und schlimmen Wegen weder rathsam noch möglich) biß an die Festung Alison den Feind verfolgte / auch von denen / welche in so schnellem Zuge so eilfertig nicht hatten folgen können / ein ziemliches Theil übereilte und erlegte / so musten sie doch endlich den Asprenas / welcher in die Festung Alison alles Heer-Geräthe abgelegt hatte /durch die Tencterer gegen den Rhein / allwo einige Volcker auch schon Aufstand zu machen anfingen /entschlippen lassen.

Der Feldherr führte das Heer bey so gestalten Sachen wieder für das Läger / allwo Hertzog Inguiomer die an zweyen Orten / bey währendem Treffen mit dem Asprenas / ausfallenden Belägerten / welche Fürst Malovend tapfer anführte / mit grossem Verlust zurück getrieben / und so wol in Verwirrung als Schrecken versetzt hatte. Bey so sieghafter Zurückkunft des gantzen Heeres / und zerronnener Hülffe des Asprenas / und da kaum so viel Kriegs-Leute als Zelten verhanden waren / in derer iedem ihrer sonst eylf zu seyn pflegen / geriethen sie in äuserste Verzweifelung / sonderlich da die Deutschen die denen erschlagenen Römern abgeschnittene Köpfe auf ihre Spisse gesteckt hatten / und selbte theils in die Graben warffen / theils über die Wälle ins Läger schleuderten /theils nach dem Beyspiele der Kayserlichen Kriegs-Knechte für Munda / als Pompejus die Pharsalische Schlacht verlohren hatte / ihnen von derogleichen Köpfen Brustwehren und Brücken machten; und wie Hannibal nach der Schlacht bey Cannas für keine gemeine Rache hielten / wenn sie über die Bäuche der Römer zu Sturme lauffen könten. Ob nun wol der Feldherr die Unvermögenheit der Römer ihr Läger zu beschützen wahrnahm; so erwog er doch / daß die Schlangen auch nach zerknirschtem Kopfe sich mit dem Schwantze wehren / und einem verzweifelten Feinde ehe eine goldene Brücke zu seinem Abzuge zu bauen / als ein erlangter Sieg durch angemaßte Vertilgung desselbten in Gefahr zu setzen sey.[57] Dahero hielt er den Eyfer der hitzigen und zum Sturme begierigen Deutschen mit allem Fleiß zurück / ihnen einhaltend: Der Krieg müste zwar mit einer in die Augen lauffenden Tapferkeit angefangen / ein herrlicher Sieg aber mit Rath und Vernunft ausgemacht werden. Er hielte für einen grössern Verlust als Gewinn / wenn er einen Deutschen einbüssete / ob schon hundert Feinde darüber ins Gras beissen müsten. Er wolte sich des den Belägerten eingejagten noch frischen Schreckens bedienen / und das gleichwohl mit einem zehn Schuch hohen / mit eingelegten weidenen Ruthen und Köpfen verstärcktem Walle / und nicht nach gemeiner Art mit einem acht Fuß breit- und tieffen / sondern wol zweyfach vergrössertem Wasser-Graben befestigte Läger /welches unterdessen an denen von den Sturm-Böcken zerstossenen Orten ziemlich wieder verbauet worden war / noch einst auffodern lassen. Die andern Fürsten stimmten des Feldherrn Meynung bey; ward also der Ritter Nassau ins Läger geschickt / selbtes auff Gnade und Ungnade auffzufodern / iedoch solte er denen Belägerten keine Zeit zu gewinnen / noch über einigen Bedingungen langweilig sich zu berathen verstatten. Unterdessen wurden die Sturm-Böcke und grosse Stein- wie auch die Feuer-Schleudern wieder zu rechte gemacht / und das Heer zum Sturme aufgeführt. Der Marsen Fürst / als ein noch junger hitziger Herr /nebst etlichen Römischen Obersten / widerrieth sich zu ergeben / entweder umb für andern hertzhafft angesehen zu werden / oder daß er als ein Deutscher sich vom Feinde mehrer Grausamkeit besorgte. Er meynte: Es sey ehrlicher sich / so lange man noch eine Faust rühren / und in selbter den Degen halten könne /wider so grimmige Feinde ritterlich zu fechten / als aus Zagheit in unerträgliche Dienstbarkeit zu fallen /oder wol gar lieber vom Hencker / als einem redlichen Feinde umbkommen. Nichts sey so arg / wessen sie sich nicht von einem erzürnten Feinde / welcher so gar von keiner Behandelung hören wolte / zu befürchten hätten. Sie würden nichts minder / wenn sie sich ergeben / als wenn sie überwunden würden / sterben müssen. Dieser Unterscheid wäre es alleine / daß man auf jene Art die Seele mit Spott / auff diese tugendhafft ausbliesse. Alles sey so viel mehr unsicher / iemehr ihm Schimpf anklebte. Müste es auch ja gefallen seyn / wäre es rühmlicher der Gefahr die Stirne / als den Nacken darbieten. Tapferkeit müste auch der Feind loben / und großmüthige Gegenwehre stünde nicht alleine Helden wol an / sondern sie risse auch offt Verzagte aus ihrem Untergange. Sie würden an Hertzhafftigkeit dem Feinde hoffentlich nichts bevor geben / an Güte der Waffen wären sie den Deutschen überlegen; sie hätten den Wall zu ihrem Vortheil /und die Noth / welche das letzte und beste Gewehre wäre / diente ihnen zu einem kräfftigen Beystande. Cejonius aber / welcher die höchste Gewalt über das Läger hatte / rieth das ausdrückliche Widerspiel. Es wiese es der Augen-Schein / daß die Götter diesesmal wider die Römer selbst gekrieget hätten. Ja diese hätten diß Unheil ihnen durch vielfältige Wunder-Zeichen angekündigt. Der Blitz habe zu Rom in den Tempel des Kriegs-Gotts geschlagen. Die Gipfel des Apenninischen Gebürges wären übereinander gefallen / und aus selbten drey Feuer-Säulen empor gestiegen. Der Himmel habe zeither offt in vollem Feuer gestanden / und hätten sich unterschiedene Schwantz-Sterne sehen lassen. Es wären von Mitternacht her Lantzen in ihr Läger geflogen kommen / die Bienen hätten etliche ihrer Opfer-Tische mit Wachs überzogen. Das Bildnüß des Sieges habe sich für einem darfür tretenden Deutschen umbgewendet / und sein Gesichte gegen Rom gekehret. Umb die Römischen Adler wäre etlichemal ein blinder Lermen entstanden / und die Wache sey / gleich als die Barbarn[58] eingefallen / dar über erschreckt worden. Alles dieses hätte der Götter unversöhnlichen Zorn / der Römer unvermeidlichen Verderb angedeutet. Varus habe diß alles verächtlich in Wind geschlagen / wiewol dem / was das Verhängnüß iemanden schon bestimmte / könne man nicht entgehen / wenn man es schon vorher wahrnehme. Dahero wäre es ihres Orts numehro eine grosse Thorheit / wider das Verhängnüß zu Felde ziehen / eine Klugheit der unauffhaltbaren Nothwendigkeit aus dem Wege weichen. Ihrer wären noch eine Handvoll gegen das sich noch täglich vergrössernde Heer der Deutschen. Da nun die gantze Römische Macht gegen diesen Sturm-Wind viel zu ohnmächtig gewest wäre /was solten sie wenige und meist hart verwundete ausrichten? Der Deutschen Grausamkeit habe zeithero sich nach den Römischen Sitten mercklich gemiltert. Und da sie auch ihre Kriegs-Art von Ermordung der Ergebenen nicht zurücke hielte / würden sie doch ihrer eignen Landsleute und Bluts-Freunde schonen /welche in Römischer Gefangenschafft begriffen / also gleichmässiger Rache unterworffen wären. Sie würden selbst Gott dancken / gegen sie die Ihrigen auszuwechseln. Der Uberwinder schriebe dem Uberwundenen willkührliche Gesetze für. Dahero sey es mehr gewöhn- als nützlich gewisse Absätze zu behandeln. Denn wer könne dem Sieger die Hände binden / daß er die verwilligte Abrede nicht breche? Dahero hielte er für rathsamer sich der Gnade ihrer Feinde / welche ja noch Menschen / keine Ungeheuer wären / zu ergeben / und durch Streichung der Segel den Ihrigen und dem Vaterlande sich zu erhalten / als aus Hartnäckigkeit ihm eitele Ehre erzwingen wollen und zu Grunde gehen. Er wäre zwar bereit / wenn denen Belägerten oder Rom darmit was geholffen würde / sich zum Schlacht-Opfer für sie eigenhändig hinzugeben. Auch schiene die Ergebung schimpflich / die verzweifelte Gegenwehr mehr rühmlich zu seyn: Alleine diese wäre doch dem Vater-Lande / dem sie durch jene noch erhalten würden / nicht so nützlich. Nun aber wäre es grössere Liebe dem Vaterlande mit seiner Schande /als mit seinem Tode dienen. Also solten sie sich gegenwärtiger Noth nur unterwerffen / welche die mächtigen Götter selbst nicht überwinden könten. Die meisten fielen dem Cejonius bey; also wurden auch die Tapfersten überstimmet / wie es insgemein zu geschehen pfleget / wo die Meynungen gezehlet / nicht gewogen werden.

Der deutsche Ritter / welcher ihnen bald anfangs angedeutet hatte / daß ihre Ergebung keine Bedingung zuliesse / ward hierauf für die Versammlung gebracht / und Cejonius eröffnete ihm: Nachdem die Götter seinem Feldherrn die Ehre eines so grossen Sieges zugedacht / müsten sie der Zeit / dem Verhangnüsse und seiner Tugend weichen; sich also ergeben. Ihnen und allen Uberwundenen sey es ein Trost / von einem so grossen Helden überwunden worden seyn. Weil es auch ihm so gefiele / wolten sie durch keine Unterhandlung ihm die Zusage seiner Gnade abnöthigen. Die Tugend eines hertzhaften Uberwinders sey ein sicherer Pfand der Sanftmuth / als betheuerliche Worte. Sich selbst überwinden sey der gröste Sieg / und eines Siegers gröster Ehren-Ruhm / gegen Gefangene Erbarmnüß üben. Ein einig erhaltener Feind sey ein schöneres Siegsmahl als tausend todte Leichen. Nichts hingegen besudele die Lorbern eines Uberwinders mehr als das Blut / wormit sie die Rachgier nach schon abgekühltem Geblüte und geendigter Schlacht bespritze.

Mit dieser erwüntschten Verrichtung und einer guten Anzahl Römischer Geissel kehrte der Ritter zu seinem Feldherrn / Cejonius aber befahl / daß alle im Lager befindliche Waffen auf einen Hauffen getragen / die Pforten des Lägers aufgesperret / und ein ieder numehro den Gri des Feindes / den sie mit Waffen abzulehnen[59] nicht vermocht / mit demůthiger Begegnung besänftigen solte. Fürst Malovend aber / und Apronius ein Römischer Oberster / welchen nebst vielen andern über der Entwafnung so vieler tapfern Kriegs-Leute die Augen übergiengen / und dahero des Cejonius kleinmüthige und schimpfliche Entschlüssung verdammten / hatten aus Verdruß zwar ihrer eigenen Wolfarth / nicht aber des noch übrigen Römischen Adlers vergessen. Dahero eilten sie zum Emilian / der ihn in seiner Verwahrung hatte / hielten ihm die ihnen allen daraus erwachsende Schande ein / da dieses güldne Kleinod und Zeichen der Römischen Hoheit in die Hände des Feindes geliefert würde; worden also schlüssig / solchen in einen im Läger befindlichen Sumpf zu verstecken.

Hertzog Herrmann wolte bey so glücklichen Begebenheiten weder einige Zeit verlieren / noch Gelegenheit versäumen / gab alsobald Befehl / daß die Reiterey / und ein Theil des Fuß-Volcks ins Läger rücken /die vier Pforten / ihre Thürme / das in der Mitte auf einem Hügel stehende und gleich einem Tempel mit einem Opfer-Tische versehene Haupt-Zelt des Feldherrn / welches von Seide und Goldstück war / auch gewürffelte Persische Teppichte zum Fuß-Boden hatte / das Zeug-Haus nebst andern vornehmen Plätzen besetzen / und die Waffen der Belägerten in Verwahrung nehmen solte. Als nun diß alles in genungsame Sicherheit gebracht / ritte er unter der Begleitung Hertzog Inguiomers / des Cattischen und anderer Fürsten ins Läger; welchen Cejonius für der Pforte begegnete / dem Feldherrn die Schlüssel fußfällig überlieferte / ihn auch für sich und die Ergebenen umb eine leidliche Gefängnüß und Beschirmung für den gemeinen Kriegs-Knechten anflehete. Sintemal diese schwerlich reine Hände behalten könten / wo der Sieg ihnen zugleich den Werckzeug zur Rache / und Gelegenheit zur Beute darreckte. Die Großmüthigkeit eines so grossen Uberwinders liesse sie nichts widriges besorgen / weil so denn weder Menschen noch Götter ihm den herrlichen Sieg mißgönnen könten. Die vorigen Merckmale seiner Gütigkeit hätten sie beredet / daß sie ihre Ergebung einer verzweifelten Gegenwehr fürgezogen hätten / weil sie glaubten / es würden sie so wenig der Deutschen Bothmässigkeit /als ihn ihrer demüthigen Unterwerffung gereuen. Der Feldherr versetzte ihm: Man würde nach denen Gesetzen des Vaterlandes / nach dem Beyspiel der über die Deutschen ehmals siegenden Römer / und nach Maaßgebung der Kriegs-Rechte gegen sie verfahren. Worauf Cejonius / Fürst Malovend / Arbogast und alle Grossen in Fessel geschlagen / die gemeinen Kriegs-Knechte aber ie zehn und zehn aneinander gekoppelt / und nebst der gefundenen reichen Beute unter die Uberwinder eingetheilet / die ins Läger zurückgebrachte Schriften des Varus und alle andere Geheimnüsse sorgfältig auffgesucht und auffgehoben worden. Es hätte einen Stein in der Erden jammern mögen / das erbärmliche Winseln der Gefangenen /welche an Stricken gleich als Heerden unvernünftigen Viehes fortgetrieben wurden / und nun allererst ihre Zagheit zu bereuen / des Cejonius aber zu verfluchen anfingen.

Wiewol nun Hertzog Herrmann und andere Fürsten ihr Volck mehrmals ermahnten / sie solten sich mit der Beute vergnügen / hingegen unbarmhertziger Blutstürtzung enthalten; denn es würde den Schirm-Göttern Deutschlandes schon ein austrägliches / und die allgemeine Rache vergnügendes Antheil aufgeopfert werden; so war es doch unmöglich über so viel tausend ein nichts übersehendes Auge zu haben / und in ihren kriegerischen Gemüthern das Gedächtnüß so mannigfaltigen Unrechts / als einen leicht fangenden Zunder der so süssen Rache zu vertilgen. Deñ etliche stelleten ihre Gefangene auf der abgehauenen Bäume Stöcke empor / und liessen ihre Knaben nach ihnen mit Pfeilen zum Ziel schüssen. Viel spisseten die Schädel der Todten[60] auf die Gipfel der Bäume / oder baueten aus denen abgefleischten Knochen Hütten. Andere / und insonderheit die unter dem Feldherrn kämpfenden Cimbrer / machten aus denen abgeschnittenen Haaren Stricke / und hingen ihre Gefangenen darmit an die Aeste. Denn die streitbaren Deutschen lassen insgemein ihre Haare weder Scheere noch Scheer-Messer berühren / biß sie einen Feind erwürget / und so denn legen sie mit ihrem Haare zugleich ihr gethanes Gelübde ab; gleich als wenn sie so denn allererst ihrem Vaterlande ihr freyes Antlitz zu zeigen / und sich eines Deutschen Uhrsprunges zu rühmen berechtigt wären. Die Reiterey hackten vielen die Köpfe ab / und steckten sie theils auf ihre Lantzen /theils auf die Wipfel der Bäume / theils schlugen eiserne Haspen in die Köpfe / und hingen selbte ie zwey und zwey über den Hals ihrer Pferde; gleich als wenn diese blutige Merckmale nicht allein die Kenn-Zeichen ihres Sieges wären / sondern auch güldene und Purperfärbichte Ausputzungen überträffen. Am allergrausamsten aber ward auff die gefangenen Sach-Redner und Gerichts-Anwälde gewütet. Es war unter denen Kriegsleuten Hermegildis / eine Frau Adelichen Standes / welche nichts minder ihre angebohrne Hertzhafftigkeit / als die Rache / theils wegen ihres ermordeten Eh-Herrns / theils ihrer geschändeten Tochter die Waffen anzulegen bewogen hatte. Denn es hatte Munatius / ein Römischer Hauptmann / den ersten wegen eines geringen Unvernehmens und daraus gefaßten aber verstellten Grolles bey seinem eigenen Tische durch Gift hingerichtet / sich auch dieser Mordthat / als eines wider einen plumpen Deutschen rühmlich ausgeübten Kunst-Stückes offentlich gerühmet. Ob sie nun wol diese Mordthat bey dem Varus geklaget / schützte doch Munatius für / es könte wider ihn keine grössere Straffe statt finden / als die Deutschen gegen Frembde und Einheimische in solchen Fällen ausübten. Diese aber büsseten einen Todschlag mit einem Pferde oder einem Rinde. Die Klägerin versetzte: Diese Busse hätte nur im redlichen Zweykampfe / nicht in heimlichem Meuchel-Morde statt; Varus hätte auch den Deutschen die Römischen Straff-Gesetze auffgedrungen; also müste der Thäter seines Vaterlandes Satzungen so vielmehr unterworffen seyn. Als nun Munatius nirgends keine Ausflucht wuste /und die Klägerin sich gleich eines gerechten Urthels /dessen sie Varus gegen Abheischung fast ihres gantzen Vermögens versichert hatte / versahe / wischte Munatius mit einem Gnaden-Briefe herfür / welchen seine Freunde ihm auff des Varus selbsteigne Vor-Schrifft beym Kayser zu Rom ausgebracht hatten. Ihre wunderschöne Tochter aber hatte sie dem Antistius /einem Römischen Jünglinge / gegen sein bey ihr betheuerlich gethanes Versprechen / daß er beym Varus viel vermöchte / und ihr zu Ausübung gerechter Rache wider den mit ihm ohnediß in Feindschafft stehenden Munatius unfehlbar verhelffen wolte / nach ihrer einfältigen Landes-Art verlobet; ihm auch ihres Vaters Pferd und Waffen / ja wider die Gewohnheit der Deutschen noch ein ansehnliches an Gütern zugebracht. Nach wenigen Tagen aber verhielt er sie gar geringschätzig / und erklärte offentlich / daß er sie nicht für sein Eh-Weib / sondern für eine blosse Bey-Schläferin erkennete. Die hierdurch höchst-bekümmerte Mutter und Freundschafft kamen mit ihrer beschimpften und endlich gar verstossenen Tochter für den Varus; Antistius aber schützte für / daß die geklagte Heyrath so wol wegen unterlassener Römischen Verlobungs-Gebräuche / als seines Vatern ermangelnder Einwilligung zu solcher Eh von Unkräfften wäre; ja er hielt sie noch höhnisch / vorgebende /daß eine deutsche Sclavin mehr denn zu viel Ehre erlangt hätte / wenn sie ein Römischer Edelmann des Bey-Schlaffs würdigte.[61] Und hiermit musten sie zwar schimpfflich abziehen; solche Ehrenkränckungen aber schrieben sie mit unausleschlichen Buchstaben in das Buch unvergeßlicher Rachgier. Diese Hermegildis nun erblickte unter den Gefangenen ungefehr den Titus Labienus / wegen seiner Stachel-Reden ins gemein Rabienus genennt / dessen Schrifften auch vermöge eines ausdrücklichen Rathschlusses offentlich zu Rom verbrennt wurden. Dieser hatte sich deßwegen zwar in seiner Ahnen Begräbniß lebendig einschliessen lassen / ward aber vom Kayser daselbst weg und aus Rom geschafft / kam also zum Varus und gab im Läger den vornehmsten Sach-Redner ab /hatte auch in oberwehnten Rechts-Händeln so wohl den Munatius als Antistius spöttisch und anzügerlich vertheidigt. So bald fiel selbter der Hermegildis nicht ins Gesichte / als ihr Hertze Gifft und Galle zu kochen / die Augen aber Grimm und Feuer auszulassen anfingen. Hiermit wechselte sie ihn gegen drey andere Gefangene aus / um mit seinem Blute so wohl ihren Zorn abzukühlen / als ihrer besudelten Tochter Flecken abzuwaschen. Der übermäßige Eyfer ließ sie wenig Worte machen; dahero ergriff sie den in Fessel geschlossenen Labienus / schnitt ihm eigenhändig das Glied / welches sie empfindlich verletzt hatte / nehmlich die Zunge aus dem Maule / und nachdem sie selbte grimmiger / als es die erbitterte Fulvia der Zunge des beredten Cicero mitspielte / mit Pfrümen zerfleischt hatte / reckte sie selbte mit diesen Worten empor: zische mich mehr an / du gifftige Natter. Ja sie nehete ihm gar die erblassenden Lippen zusammen /gleich als wenn sie seine Entselung noch nicht versicherte / daß auch sein todtes Schmach-Maul die Zähne auff sie nicht mehr blecken würde. Dieses Beyspiel verhetzte viel andere Deutschen gegen die Sach-Redner. Einer beschwerte sich / daß dieser ihm sein Erbgut abgerechtet hette / unter dem Vorwand / daß in den eroberten Landschafften aller liegenden Gründe Eigenthum dem Käyser verfallen wäre; Ein ander klagte: daß jener eine unredliche Handlung / durch welche er um ein grosses Theil seines Vermögens betrogen worden / als gültig verfochten hätte / weil die Römischen Rechte die Verfortheilungen / biß zur Helffte des wahren Preißes / zuläßlich erkennten; der dritte schmähete einen andern / der seines Anverwandten letzten Willen wegen Mangel einer spitzfindigen Zierligkeit umgestossen / und die Erbschafft dem Land-Vogte verfallen zu seyn ausgeführet hätte. Mehr andere verfluchten die von ihnen selbst kostbar gebrauchten Anwalde / welche ihnen ihr letztes Marck ausgesogen / gleichwohl aber die Geheimnüsse ihrer anvertrauten Sache dem Gegentheile zu verrathen sich hatten erkauffen lassen / und viel verzweiffelte Trauerfälle verursacht. Dahero kühlte ieder Beleidigter an den Sachrednern seinen Muth / und wurden einem Theile die Augen ausgestochen / einem andern die Hände / vielen die Zungen und Lippen abgeschnitten /also / daß / so viel ihrer nur ausgeforscht wurden /keiner die Erbarmung seines Uberwinders zu erbitten vermochte / und der gantze grosse Wald / wodurch sich das Heer gegen Deutschburg zurücke zoh / nachdem der Feldherr das Römische Läger zu schleiffen ein Theil zurück gelassen hatte / allenthalben blutige Gedächtniße grimmiger Uberwinder behielt. Denn ob wohl einige der Meinung waren / daß die Deutschen dieses so starck befestigte Läger zu ihrer Sicherheit wider die Römer in solchen Stande lassen und besetzen solten / widerrieth es doch der Feldherr / meldende: der Deutschen Brüste wären ihre festeste Mauren /die von Steinen erbaueten Wälle aber nur Zuchthäuser und Fessel der Dienstbarkeit. Zu dem verlernten auch wilde Thiere ihre Hertzhafftigkeit / wenn sie eingesperret würden.

Folgenden Morgen kam der Feldherr mit den an dern Häuptern auff die erste Wallstatt /[62] und wie ieder unter ihnen freudig zu erzehlen wuste / wo einer und der andere getroffen; wo es am schärffsten hergegangen; wo die Römer am ersten gewichen; wo Segesthes gefallen wäre; also geriethen sie endlich auch auff die Stelle / wo sich Qvintilius Varus verzweiffelnde selbst hingerichtet hatte / funden aber daselbst zwey Römische Kriegsknechte / welche eine Grube zuscharreten / und auff bedräuliche Befragung um ihr Vornehmen / zur Antwort gaben: Sie wären in der Schlacht von empfangen Wunden für todt liegen blieben / als sie aber nach ihrer Ohnmacht wieder zu sich selbst kommen wären / hätten sie den zwar enthaupteten Leib ihres Feldherrn erkennet / und ihrer Pflicht zu seyn erachtet / theils mit etlichen zerbrochenen Degen / theils mit ihren eigenen Nägeln ein Grab zu scharren / und / nachdem auch die Ameisen und Bienen ihre Todten begrüben / ihn zu beerdigen. Die Fürsten lobten zwar ihre Frömmigkeit; sonderlich / da sie für Schwachheit wegen des so viel weggelassenen Blutes nicht selbst auff den Füssen zu stehen vermochten; Fürst Sesitach aber war der erste / der dem Feinde diese Begräbnüß-Ehre zu gönnen widerrieth. Als sie nun befehlicht worden den Leichnam wieder auszugraben / versetzte einer unter ihnen Mustonius: die Feinde pflegten ja auch den Todten eine Hand voll Erde den Hafen deß entseelten Leibes zu gönnen. Die Heleer hätten für unmenschlich und für eine Verletzung des Völckerrechts gehalten / wenn man die todten Feinde nicht begrübe. Bey denen Atheniensern wären die Heerführer zum Tode verdammet worden /die solches unterlassen; wodurch Chabrias seine unterlassene Verfolgung der geschlagenen Spartaner entschuldiget; Und der sonst von Natur so grausame Hannibal hätte die Römer sorgfältig beerdigen lassen. Die Deutschen würden sich mit dem Schandflecke der Parther und Nabatheer zuversichtlich nicht beflecken /welche aller wohl gesitteten Völcker Fluch verdienten / daß die ersten die Magen der Wölffe und Raubvögel zu Särgen ihrer Todten werden liessen / und hernach erst die nackten Gebeine begrüben; die andern aber ihre Leichen den Misthauffen wiedmeten. Auch trauten sie ihnen nicht zu / daß sie / wie die Scythen / des Varus Leiche zum verspeisen verlangten. Des grossen Alexanders Vater hätte dadurch seinen Ruhm nicht wenig verkleinert / daß er nicht nur die Gefangenen /sondern auch die erschlagenen Thebaner verkaufft /und auff ihre Begräbniße einen Zoll geschlagen. Wolten sie denen andern todten Römern die Ruhe im Grabe nicht gönnen / solten sie solche doch einem Römischen Bürgermeister und Feldherrn nicht verweigern. Und da ihn seine Würde dessen nicht fähig machte / hätte er solches durch seine letzte Großmüthigkeit nichts minder als Demosthenes verdient; welcher von den sonst so sehr erbitterten Syracusiern nur deßwegen ehrlich begraben worden wåre / daß er nach verlohrnem Kriegs-Heere mehr Hertz als Nicias bezeuget / indem er durch sein eigen Schwerdt ihm selbst vom Leben und aus der Dienstbarkeit geholffen. Auch wäre des Varus Leiche dieser wenige Sand so vielweniger zu mißgönnen / nachdem ihm ohnediß nicht die letzte Pflicht nach Römischer Art durch Einäscherung des Leibes geschehen könte. Sesitach fuhr den Mustonius an / Varus wäre der Erde nicht werth / und sie solten alsofort ihn ausscharren. Zumahl diese Einscharrung ohne diß nicht den Römern gemäß seyn solte. Hätte doch Sylla bey Anien des Marius Asche nicht unbeirret gelassen / sondern auffs schimpfflichste zerstreuet. Diesem begegnete der andere Römer Qvintus Julius Posthumus / des berühmten Landvogts in Dalmatien Sohn: Die Verbrennung wäre bey den Römern keine unveränderliche Nothwendigkeit. Das edle Geschlechte der Cornelier hätte ausser dem Sylla sich unversehrt in die frische Erde legen lassen. Sie hätten weder[63] so viel Kräffte noch Leichtsinnigkeit den Beerdigten auszuscharren /und ihr gutes Werck numehr mit einem ärgern Laster zu besudeln. Bey den Römern und allen wohlgesitteten Völckern wären die Begräbniße heilig. Die Mutter aller irrdischen Dinge bezeugte so denn / wenn sie den Menschen von der Natur absonderte / allererst ihre gröste Mutter-Liebe / weil sie die Leichen durch ihre Bedeckung unversehrlich machte. Sie würden ihnen hierdurch nicht geringern Zorn und Straffe der Götter auff den Hals ziehen als Creon / welcher den Häemon seinen Sohn auff dem Grabe seiner verlobten Antigone sich selbst ermorden / seine Gemahlin Eurydice sich eigenhändig hinrichten / und sich selbst in höchster Verzweiffelung hätte sehen müssen / weil er die Leiche deß vom Eteocles erlegten Polynices wieder ausscharren / die ihn begrabende Antigone aber in eine Höle lebendig einmauern lassen. Der sonst in allem so glückselige Sylla wäre darinnen allein unglückselig gewest / daß er des Marius beerdigten Cörper ausgegraben / seinen Kopff zu offentlicher Schau auffgestellet / und dadurch nicht allein seinen Ruhm besudelt / sondern seine Leiche auch wider des Cornelischen Geschlechts Begräbniß-Art / aus Beysorge ebenmäßiger Ausscharrung / hätte verbrennen lassen müssen. Wolte man aber den wenigen Sand um ein Stück Goldes verkauffen / würde selbtes nicht mangeln. Ja da Cimon die Freyheit feines im Kercker verschmachteten Vaters Leiche zu beerdigen sich in sein Gefängniß und Fessel schliessen lassen; Sie aber keine Freyheit um ihres Feldherrn Leiche zu kauffen übrig hätten / were er erbötig mit seinem Leben auch seine Beerdigung zu entbehren / wenn nur des Varus ohne diß durch den abgerissenen Kopff genugsam beschimpffte Leiche nicht wieder ans Tagelicht kommen dörfte. Hertzog Herrmann nahm die tugendhaffte Entschlüssung dieser zweyen Römer wohl auff / entbürdete sie der anbefohlnen Ausgrabung / und befahl: daß sie in ihrer Gefangenschafft ehrlich gehalten / und von der Ausgrabung des Varus verschonet werden solten; ob schon die Römer weder die Gräber noch die Leichen ihrer Feinde / noch auch ihre eigene Grabmahle / wo das Haupt nicht läge / für heilig hielten. Ob nun wohl des Varus Leiche dergestalt unauffgescharret blieb / so ward doch selbte von dem nachziehenden ergrimmten Kriegs-Volcke / und zwar meist auff Anstifftung des Fürsten Sesitachs ausgegraben / und auff einem Karne mit fort geschleppt. Denen andern in der Schlacht umkommenen ward das beste zur Beute abgenommen / und blieben ihre Leichen zwischen den erschlagenen Pferden und zertrümmerten Waffen unbeerdigt liegen. Die aber / welche von denen Deutschen in der Schlacht geblieben waren / wurden von ihren Befreundeten oder Geferthen auffgehoben / auff unterschiedenen auffgerichteten hohen Holtzstössen nebst ihren Pferden und Waffen nach ihrer Lands-Art verbrennet / und ihre Asche hernach beerdigt. Wiewohl auch viel Leichen hohen Standes von der Wallstatt zu herrlicherm Begräbnis-Gepränge weggeführet wurden. Die Deutschen / welche der Feldherr zu Bewachung der Wallstatt verlassen hatte /betheurten einmüthig / daß bey der Abends-Demmerung die erschlagenen Todten sich auffgerichtet / und auffs neue mit einander die gantze Nacht durch geschlagen hätten / gleich als wenn ihre Verbitterung sich nicht an einem Tode vergnügen könte. Ja es ereignete sich bey Absonderung der Todten / daß ihrer unterschiedene / welche auff oder nahe an einander lagen / einander in dem letzten Grimme Nasen und Finger abgebissen hatten.

Der Feldherr war noch eine halbe Meilweges von Deutschburg entfernet / als ihm eine grosse Menge Volcks entgegen kam. Zuförderst gingen die Barden und die heilige Aurinia mit fünffhundert edlen Jungfrauen. Jene waren mit langen weissen Kleidern angethan /[64] ihre Häupter waren mit Kräntzen aus Eichenem Laube / welcher Baum bey ihnen für heilig gehalten wird / umgeben / und sie bliessen mit Krummhörnern die annahenden Sieger freudig an / und vermischten diß Gethöne mit des jauchzenden Volcks Frolocken. Diese waren theils mit Himmelblauen / theils mit Meergrünen Röcken bekleidet / ihre weissen Haarlocken / mit welchen der anmuthige Westwind spielte /waren mit Blumen-Kräntzen geschmückt. Uber ihre Achseln hingen Bogen / und an der Seite mit Pfeilen gefüllte Köcher. Ihr Gewand verdeckte mit Fleiß die rechten Brüste / da hingegen die lincken gantz bloß zu sehen waren / um denen streitbaren Siegern gleich sam neue Amazonen fůrzubilden. Ihre schneeweissen Fürtücher hatten sie auffgeschürtzt / und mit allerhand Blumen angefüllt. In der Mitte folgte selbst der Priester Lybis nebst sieben andern Priestern in schneeweissen Röcken. Bey Nåherung des Feldherrn / neigte sich die gantze Schaar gegen Ihm mit grosser Ehrerbiettung / und er selbst saß vom Pferde ab / welchem der Priester Lybis mit allerhand andächtigen Gebehrdungen einen von Lorberblättern / und mit gesponnenem Golde umflochtenen Siegs-Crantz auffsetzte. Als Hertzog Herrmann hierauff wieder zu Pferde saß /gingen Anfangs die Jungfrauen / hernach die Barden /endlich Libys und seine Gefärthen für denen Fürsten her. Diese zündeten in ihren Rauch-Fässern Weyrauch und Agstein an; die Jungfrauen aber sträueten allerhand Blumen auff den Weg / und wechselten mit den Barden gegeneinander singende nachfolgende Reimen ab:


Die Jungfrauen.

Eilt / wůnscht unsern Helden Glůcke /

Eilt / bewillkommt unser Heer /

Das mit Palmen kommt zurücke /

Reich von Ruhm / von Beute schweer!

Singt den Fürsten Sieges-Lieder /

Die so sieghafft kommen wieder!


Die Barden.

Die Schutzherrn ihres Volcks / des Vaterlandes Väter /

Die fürs gemeine Heil behertzt zu Felde ziehn /

Die fremde Dienstbarkeit / Mordstiffter / Ertzverråther /

Bey uns mit Strumpff und Stiel zu tilgen sich bemůhn /

Die kan der Himmel nicht Sieg-Hülff- und Trostloß lassen /

Noch ihr unendlich Lob der Sonnen Zirckel fassen.


Die Jungfrauen.

Schmůckt mit Blumen Bahn und Wege /

Herrmann hat verdient: daß man

Ihm die Hände unterlege /

Und zum Vater ihn nehm' an.

Daß er / weil er lebt auff Erden /

Schon vergöttert möge werden.


Die Barden.

Alcides mahlt uns ab ein Vorbild unsers Fürsten /

Der durch der Tugend Trieb biß zu den Sternen flog.

Ihr Zunder hieß sie zwey nach Ruhm und Ehre dürsten /

Als beyder Zunge noch an Mutter-Brüsten sog.

Wie Hercules zerrieß zwey Schlangen in der Wiege /

So jung erwarb auff Neid und Mord-Lust Herrmann Siege.


Die Jungfrauen.

Nesseln pflegen bald zu brennen /

Und auszarten Kreilen sind

Löw und Adler zu erkennen /

Cyrus herrscht als Hirt und Kind.

Unsers Herrmanns zarte Jugend

Zeigt vollkommnen Witz und Tugend.


Die Barden.

Alcidens Klugheit siegt beym grossen Scheide-Wege /

Als ihn die Wollust dort / hier Tugend lockt zu ihr.

Rom reitzt auch unsern Held auff seiner Ehrsucht Stege /

Er aber zog das Heil des Vaterlandes für /

Der Tugend rauhe Bahn / den Weg voll Dorn und Hecken.

Itzt aber läßt sie Ihn die süssen Früchte schmecken.


Die Jungfrauen.

Disteln sind der Tugend Wiegen /

Bleibt Sie aber standhafft stehn /

Sieht man sie auff Sammet liegen /

Und auff weichen Rosen gehn.

Streuet Blumen / werfft Narcissen /

Zu des grossen Hermanns Füssen.


Die Barden.

Alcides tödtete das wilde Schwein / den Riesen /

Den Ochsen und den L \w / den Drachen / den Busir.

Des Varus Grausamkeit und Mordlust hat erwiesen:

Schwein / Ochse / Riese / Drach' und das ergrimmste Thier

Sey Schatten gegen ihm / und seiner Hencker Wůtten.

Fůrst Herrmann aber hat den Kopff ihm abgeschnitten.[65]


Die Jungfrauen.

Schande krönt den Ubelthåter /

Ehre wahrer Helden Haupt.

Fessel sind für die Verräther.

Herrmans Scheitel wird umlaubt

Mit verdienten Lorber-Kronen /

Seine Tugend zu belohnen.


Die Barden.

Alcides trieb hinweg des Stymphalus Geflügel /

Das eitel Menschen-Fleisch zu essen lüstern war;

Nahm den Amazonen die Gürtel und die Spiegel;

Fürst Hermann reißt sein Volck aus grösserer Gefahr;

Knůpfft Schwerdt und Gürtel ab / nicht Weibern / Kriegesleuten /

Jagt die Raubvögel weg / und sammlet reiche Beuten.


Die Jungfrauen.

Eulen müssen sich verstecken

Für der Sonnen Glantz und Licht /

Adler sind der Tauben Schrecken /

Menschen siehn für Göttern nicht;

Unsrer Helden Spieß und Pfeile

Sind den Römern Donnerkeile.


Die Barden.

Alcides Achsel hat den Himmel unterstützet /

Der güldnen Aepssel Raub frohlockend heimgebracht.

Des Monden Brut vertilgt / das Vaterland beschützet /

Und den Promotheus von Felsen loßgemacht.

Fürst Herrmann tilget Rom / macht unser Joch zunichte /

Stützt Deutschland und erwirbt der Freyheit gůldne Früchte.


Die Jungfrauen.

Ja / dem Herrmann ist nichts gleiche /

Freund und Feind gestehet es:

Er sey Schutz-Gott unsrer Reiche

Unser ander Hercules.

Nur daß keine Seulen wissen

Seine Thaten einzuschliessen.


Die Barden.

Tuiscons Seele lebt in unsrer Helden Leibern /

Sie führt wie Alemann die Löwen an der Hand /

Hat Hermion gemacht Kriegs-Helden auch aus Weibern /

So ist dem Herrmann auch die Kunst nicht unbekandt /

Wenn von Thußneldens Schwerdt / und von Ismenens Spißen

Geharnschte Fürsten falln und ihre Bůgel küssen.


Die Jungfrauen.

Grabt der Deutschen Helden Thaten

Marmeln / Ertzt und Bäumen ein.

Diß sind Erndten solcher Saaten.

Elbe / Weser / Mosel / Rhein

Wird nicht länger Wasser bringen

Als man diesen Sieg wird singen.


Nachdem nun endlich der Feldherr mit den andern Grossen auff seinem Schlosse Deutschburg ankommen war / er daselbst die fürnehmsten Gefangenen in Hafft halten / das Heer in die nechst angelegenen Oerter biß zu fernerer Entschlüssung zertheilen / der Verwundeten wohl pflegen ließ / sie selbst persönlich heimsuchte und tröstete / die tapffern lobte und begabte / auch für so herrlichen Sieg den Göttern auff den instehenden neuen Mond herrliche Opffer zu bringen / und sich seines Gelübds zu befreyen Anstalt machte / kam endlich auch Fürst Catumer sieghafft zurücke / und berichtete: daß er das Schloß Alison /oder Altzheim / auff der West-Fürst Ganasch auff der Ost-Seiten mit dem Kriegs-Volcke / welches den flüchtigen Asprenas verfolgt / beschlossen hätte. Aus diesem habe Lucius Cäditius auff geschehene Auffoderung ihm schimpffliche Antwort zuentboten: daß so lange er Athem holete / er von keiner Ubergabe hören; sondern die ihm anvertraute Festung zu ewigen Merckmahle seiner Treue behaupten oder zu seinem Grabe haben wolte. Dahero er denn auch zur Gegenwehr und mehrer Befestigung des Orts Tag und Nacht Anstalt gemacht. Alldieweil sie aber / diesen vortheilhafftig-gelegenen Platz zu bestürmen / weder genugsames Fuß-Volck noch Sturm-Zeug bey Handen gehabt / hätten sie aus dem Römischen Läger beydes zu bringen Befehl ertheilet. Sie hätten aber von einigen im Ausfall erwischten Galliern die Nachricht erlanget: daß die Festung zwar mit Kriegszeuge und übermäßiger Mannschafft / welche sich von des Asprenas Heere hinein geflüchtet hätten / auffs beste versehen wåre; die Lebensmittel aber würden auffs sparsamste ausgetheilet / und hätte Cäditius für / alles zur Gegenwehr undienliche Volck heraus zu jagen. Sie hätten überdiß genau erforschet / welcher Gegend das Kornhaus stünde / das ihnen denn[66] auch ein Gallier nahe hinter der Mauer angewiesen. Hierauff hätte Hertzog Ganasch und er alsofort Anstalt gemacht / daß folgende Nacht selbiger Gegend zwey höltzerne Seulen etwas höher als die Mauern der Festung wären eingegraben / und darauff nach Art eines Brunn-Schwengels ein langer Balcken gelegt worden / mit dessen hinterwärtiger Niederziehung gegen der Festung zu ein Korb mit zehn geübten Schützen wäre empor gezogen worden. Diese hätten / ungeacht derer von der Mauer auff sie unzehlbar abgeschossenen Pfeile / mit ihren brennenden Wurff-Spiessen und Feuer-Pfeilen das Dach des Kornhauses in Brand gebracht / und /wie eiffrig gleich die Römer solches zu leschen bemühet gewest wären / völlig eingeäschert. Cäditius hätte sein heimliches Ubel derogestalt verrathen / und über etliche wenige Tage eine so grosse Menge Volcks zu unterhalten kein Mittel gesehen / wäre also gezwungen worden / die erste Mitternacht darauff auff der Sud-Seiten blinden Lermen zu machen / auff der Nord-Seiten mit seiner gantzen Macht auszufallen. Dieser wäre durch die in Bereitschafft stehenden Hauffen mit blutigem Gefechte durchgebrochen. Er Catumer habe zwar sein gantzes Läger bald in die Waffen gebracht und den Feind verfolgt / Hertzog Ganasch wäre auch mit seinem Kriegs-Volcke durch die verlassene und nun unschwer erbrochene Festung über die Lippe / und ebenfals dem Feinde in Rücken gegangen / welcher sie auch mit anbrechendem Tage erreicht hätte; Alleine der Morastige Ort / dahin man mit der Reiterey schwerlich hätte kommen können /hätte ihnen allen Angriff verwehret. Zwischen solchen Sümpfen wäre er drey Tage bald fort gerückt / bald hätte er wieder Lufft geschöpfft / und bey solchem Zuge theils unerträglichen Hunger / theils weil er bald vor / bald hinterwerts / bald auff der Seiten angefallen worden / empfindlichen Abbruch gelitten. Er müste seinem Feinde den Ruhm lassen / daß er durch Erdultung so grosser Noth / mit steter Durchwatung der Pfützen / mit Abbruch des Schlaffs / mit unauffhörlicher Gegenwehr die Unmöglichkeit selbst überwunden / unerträgliche Dinge überstanden / Cäditius bey seinem zwar grossen Verlust die tauerhafften Deutschen müde gemacht / in seinen Entschlüssungen weder verwegene Ubereilung / noch träge Langsamkeit begangen / endlich wider menschliche Einbildung einen Weg und Furth durch die Lippe gefunden / und des Nachts in aller Stille sein meistes Volck darüber in Sicherheit gebracht / also mit dem Degen in der Faust ihm nicht so wohl einen Weg durch seinen stärckern Feind gemacht / als der Natur selbst abgewonnen habe. Ja es hätte geschienen / als wenn der Himmel sein Elend länger anzuschauen müde / und derogestalt mitleidend worden wäre / indem er durch etlicher Tage Regen / bald nach seiner Durchwatung /den Strom derogestalt angeschwellet hätte / daß Hertzog Ganasch und er sich mit Erober- und Besetzung der Festung Alison / mit Niederreissung des dem Drusus Claudius zum Gedächtniß daselbst aus Marmel auffgerichteten Heiligthums und köstlichen Altares /mit denen zurück gebrachten Gefangenen / darunter auch etliche Römische Frauen wären / hätten vergnügen / und dem Feinde Zeit sich an den Rhein zu ziehen verstatten müssen.

Den Tag für dem Neumonden brachte die Gewohnheit mit / denen noch etwan übrigen Todten ihren letzten Dienst abzustatten. Denn es hatte eine grosse Anzahl der Grafen / welche auff des Feldherrn Leib bestellet waren / als auch sonst etliche aus uralten Fürstlichem und viel aus Ritterlichem Stamme ihr Blut fürs Vaterland verspritzet; welche / ob sie zwar in dem Andencken der Nachwelt ihrer Tugend wegen ewig leben / doch auch für ihre Leiber /[67] als die Wohnstädte so himmlischer Seelen ansehnliche Gedächtniß-Mahle verdienen. Diesemnach hatte Hertzog Herrmann in dem grossen Thale / rings um den Taufanischen Tempel einem ieden einen viereckichten funffzig Schuch hohen / und zweyhundert Schuch im Umkreiß habenden Holtz-Stoß auffrichten lassen. Denn grosse Holtzstösse und hocherhabene Gräber sind nichts minder Kennzeichen hoher Verdienste und Werthhaltung / als grosse Schatten Merckmahle grosser Leiber. Die Leichen wurden von der Burg auff erhobenen Stühlen durch eitel Ritter dahin getragen / welchen in die Hand ein Honig-Kuchen / in den Mund eine Müntze gegeben / auff das Haupt ein Krantz / als ein Zeichen der überwundenen irrdischen Drangsalen / gesetzt war. Ob nun wohl die Deutschen zeithero bey ihren Begräbniß-Feyern keine kostbare Pracht gebrauchten /die Todten mit keinen Kleidern ziehrten / noch die Holtz-Stöße mit wohlrüchenden Salben und Balsamen auffrichteten / sich auch mit einem aus Rasen erhöheten Grabmahle vergnügten / und also nicht unweißlich anmerckten: daß aus der Menschlichen Asche / als dem Merckmahle unser Vergängligkeit /Ehrgeitz ziehen wollen / die gröste Eitelkeit sey; so wolte doch der Feldherr / bey diesem ungemein herrlichen Siege denen fürs Vaterland ruhmwürdig auffgeopfferten Leichen auch ein ungemeines Gepränge ausrichten. Sie hatten in dem Läger einen grossen Vorrath von Zimmet / Weyrauch / Myrrhen / Narden und Jüdischen Balsam / welchen Varus noch mit aus Syrien bracht / gefunden. Dieser ward zu Einsalbung der Leichen und der Holtzstösse verbrauchet. Denn die Deutschen hielten diß für eine heilsame Verschwendung / welche ihnen den Zunder zu weibischer Uppigkeit aus dem Wege räumte. Jeden Ritters Pferd ward auch geschlachtet / und nebst seinen gebrauchten Waffen und was dem Verstorbenen sonst etwan lieb gewesen / mit verbrennet. Die Bluts-Verwandten warffen in die Flamme viel an ihre schon fürlängst verstorbene Freunde gestellte Brieffe / in Meinung: daß ihre Seelen hierdurch den Zustand ihrer Nachkommen zu wissen bekämen / als welche die verbrennten Schrifften zu lesen allerdings fähig wären. Bey iedem Holtz-Stosse wurden auch etliche der Gefangenen abgeschlachtet / und überdiß musten auff den Gräbern dieser Helden hundert Paar gefangener Römer und Gallier / auff welche das Loß fiel / sich zu tode fechten. Ja es fiel die deutsche Ritterschafft den Feldherrn an: weil die Römer mehrmahls zehn und zwantzig Jahre nach ihrer Eltern Tode ihre Gräber mit dem Blute derer zum Fechten gezwungener Deutschen / ja auch Julius seiner Tochter Begräbniß damit eingeweihet / andere auch wohl selbst solches in ihren letzten Willen verordnet hätten; so möchte er doch seines Vaters wahrhafftes und seiner Muttter leeres Grab /bey dem Taufanischen Tempel / durch gleichmäßiges Blut der Römer verehren. Weil nun der Feldherr diesen so unverdienten Helden übel etwas ausschlagen konte / befahl er: daß auff iedem Grabe sieben Paar Römer einander aufopffern solten. Die Freunde der Todten aber verscharreten die aus den glüenden Kohlen herfürgesuchte Gebeine und Todten-Asche / nachdem sie sie mehr mit Thränen als wohlrüchenden Wassern angefeuchtet hatten / in die Erde. Auff iedem Grabe richteten sie von Rasen einen hohen Hügel auff / der Feldherr aber ließ hernach einen Stein dabey setzen / und in selbten das Lob deß daselbst Begrabenen hinein graben. Unter andern war alldar Emma / eines Herulischen Fürsten Tochter / des in der Schlacht umkommenen Ritters Stirum Wittib. Diese / nachdem sie ihrem Ehherrn die letzte Pflicht mit höchster Sorgfalt geleistet hatte / laß aus den noch allenthalben[68] brennenden Holtz-Stosse / ohne einige Empfindligkeit /seine noch heissen Beine in einen Krug zusammen. Die in ihrem Hertzen noch unerloschene und von übermäßigem Schmertz zusammen gezwengte Liebe preßte aus ihren Augen so viel Thränen aus / daß es schien / als ob ihre gantze Seele darein zerrinnen wolte / um nur ihres Eh-Herrn Gebeine damit abzukühlen / und seine Todten-Asche damit einzubalsamen. Als endlich ihre Augen kein Wasser mehr zu geben vermochten / verscharrete sie den Todten-Krug unter eine hohe Eiche / rieff hiermit: ihr Götter! lasset dieser Asche die Erde leichte seyn! Und ihr heiligen Gebeine / würdiget dieselbe zu eurem Opffer / welche dadurch schon lange genug gelebt / nach dem sie ihr Leben mit einem solchen Helden zugebracht. Nun ich denn meines Ehmanns Hertze in diese Flamme / und in diesen Krug / meines aber in diese Asche begraben habe / worzu ist mir dieser Hertzlose Leib länger nütze? Alsofort ergriff sie ein Band / henckte sich an einen Ast recht über ihres Eh-Herrn Grab. Sintemahl nach der Herulischen Völcker Landes-Gewonheit eine Frau ohne höchste Ehren-Verletzung eben so wenig /als die sich mit ihren Ehmännern verbrennende Frauen in Indien lange ihres Eh-Herrn Todt überleben darff. Ja bey den Deutschen insgesamt / siehet man alleine Jungfrauen heyrathen / indem selbte nur einem einigen Ehmann einen Leib und ein Leben widmen /aus dem Bette ihrer einmal abgelegten Jungfrauschafft in kein anders schreiten / und dahero nach ihres Ehmans Tode nach längerm Leben zu seuffzen wenig Ursache haben. Also gelten bey diesen Völckern mehr die guten Sitten / als in Narsinga und bey andern Völckern die schärffsten Straff-Gesetze / wo der Priester bey Verstattung der andern Verehligung solches mit einem glüenden Eisen auff den Schuldern der Braut versiegelt. Die Fürsten / Grafen und Ritter / ja der Feldherr selbst hielten hierauff denen Beerdigten zu Ehren Turnier / Fuß-Kämpffe / Ring-Kopff-Rennen und allerhand andere Ritterspiele / und Hertzog Herrmann schlug eine gute Anzahl derselben / welche in der Schlacht sonderbahre Thaten ausgeübt / zu Rittern; unter denen war Sarweden / Eberstein / Helffenstein / Waldeck / Bentheim / Salm / Reifferschied /Reckum / Palland und viel andere tapffere Helden.


Nach eingetretenen Neumonden wurden auff des Priesters Lybis Erinnerung alle Gefangenen / alle Waffen und die Köpffe von denen Erschlagenen zu dem Taufanischen Tempel gebracht. Aus denen auff einander gelegten Köpffen ward gleichsam ein hoher Thurm gebauet / die Waffen an einem andern Orte auff einen hoher Hauffen anfänglich zusammen getragen / und von selbten die / welche Qvintilius Varus geführet und mit Golde reichlich gezieret waren / ausgelesen / und in dem Tempel dem Woden / mit welchem Nahmen sie den göttlichen Beystand im Kriege andeuteten / zu Ehren aufgehenckt / die andern aber von dem Feldherrn unter die Kriegs-Leute ausgetheilet. Hertzog Herrmann und Inguiomer trugen selbst die zwey eroberten Römischen Adler / und liefferten selbte mit grossem Gepränge dem Hohenpriester Libys ein / welcher beyde über zwey Opffertische stellte. Des Varus Haupt ward auff einem dem Tuisco auffgerichteten Altar als ein Erstling ihres Opffers /gelegt / in deßen im Leben unersättlichen Mund / wie vormahls es Mithridates dem Manius Aqvilius / und für 32. Jahren Orodes dem Crassus / oder vielmehr Sextimulejus dem Grachus mitgespielet hatte /zerschmeltztes Bley gelassen / und den Schutzgöttern Deutschlands für erlangten herrlichen Sieg gedancket. Hierauff baueten die Priester um den Tempel ringsher hundert Altare aus zusammengesetzten Rasen / alldar allezeit den hundersten der Gefangenen denen Göttern zu opfern. Massen denn alsofort von den Priestern ihre Häupter mit Wein abgewaschen / die[69] andern Glieder mit Wasser besprengt / hernach gebunden /geschlachtet / das Blut in einen Kessel zusammen auffgefangen / die Leiber verbrennt / und die Köpfe zum theil zur Balsamung auffgehoben worden. Sintemal die Deutschen die Köpfe nach der Egyptier Gewohnheit / die sie von den Opfern in Nil-Strom warffen / nicht mit verbrennten / sondern mit Ceder-Safft einzusalben / und für der Fäulnüß ihren Nachkommen zum Gedächtnüß ihrer Siege zu verwahrẽ / auch selbte in so grossem Werthe zu halten pflegen / daß sie selbte nicht / mit den Mördern des Grachus / umb gleichwiegendes Gold verwechseln würden.

Endlich ward auch Malovend der Marsen Fürst /Cejonius / Caldus Cälius / Sextus Catulus / Apronius und Emilian zur Opferung geführet. Als man nun an den Malovend die Hand anlegen wolte / schützte er das Recht des Vaterlandes für / welches ihn als einen gebohrnen Deutschen seinen eigenen Göttern / welchen auch von den wilden Scythen nur fremdes Menschen-Blut geopfert würde / zu schlachten nicht zuliesse. Ob nun wol Hertzog Ganasch ihm fürwarff: Er habe dem Vaterlande abgeschworen / dem er das Leben zu dancken hätte / und den letzten Athem schuldig wäre. Wer wider dis den Degen ausziehe /verliere sein Bürger-Recht / und sey ärger zu straffen als Ausländer; so nam sich doch so wol der Priester Libys als der Feldherr dieses Gefangenen an. Jener /weil die milden Schutz-Götter Deutschlands ihr eigenes Blut zu verderben Abscheu hätten; dieser / daß so wol der schlüpferigen Jugend unvorsichtigen Fehlern /als denen seltzamen Verwickelungen bißheriger Läufte etwas von der Schärffe der Gesetze zu enthängen sey. Hingegen müste gegen die Römer mit der ihnen gewohnten Schärffe verfahren werden / welche nicht nur die gefangenen Menschen tödteten / sondern auch ihre Hunde schlachteten. Cejonius zohe für sich an /daß er / Apronius / Emilian / und alle andere / die im Läger gewesen / nicht für Gefangene / sondern für sich gutwillig ergebende zu achten wären / welche hinzurichten alle Völcker für Grausamkeit hielten. Der Feldherr aber befahl: Es solte zwar dem Apronius / Emilian und andern Ergebenen das Leben geschenckt seyn / Cejonius aber würde wegen seiner verzagten Auffgabe des Lägers ihm selbst nur zur Schande leben / und habe mit seinen gegen die Deutschen verdienten Boßheiten einen ärgern Tod verdienet; dahero müsse er von Henckersnicht Priesters-Händen sterben. Die Römer hätten gegen die Ergebenen mehrmals anders gewütet. Emilianus habe fünfhundert Ergebne aus des Viriats Kriegsleuten in Spanien mit dem Beilhinrichten; Kayser Julius den Fürsten Guturat in Gallien zu Tode prügeln / und hernacherst enthaupten; allen / die sich aus Mangel Wassers mit der Festung Uxellodun ihm ergeben müssen /und Waffen tragen können / die Hände abhacken / der noch lebende Augustus in dem bürgerlichen Kriege gantze ergebene Städte aushauen lassen. Cejonius warff ein: Maximus Emilianus habe dem Konneba /einem ergebenen Strassen-Räuber / Cäsar auch See-Räubern das Leben geschenckt. Er ward aber / als er mehr reden wolte / hingerissen / in einen nicht weit entfernten Sumpf geworffen / und mit einer auf ihn geworffenen Hurde erstecket. Auf welche Art die Deutschen das Laster weibischer Zagheit zwar offentlich zu straffen / zugleich aber das Gedächtnüß zu verstecken pflegten. Eine in Wahrheit eben so wol verdiente Straffe für den Cejonius / als im Mithridatischen Kriege für den Aquilius / welcher lieber schimpflich vom Hencker als rühmlich im Streit zu sterben erkieset hatte. Caldus Cälius und Sextus Catulus sahen inzwischen wenig Hoffnung übrig sich von so blutiger Auffopferung zu erledigen / als welche in der Schlacht verwundet und gefangen worden waren. Gleichwol wolte Catulus sein Heil noch versuchen / redete derowegen den Feldherrn[70] an: Er könte nicht glauben / daß einige Götter an so grausamem Gottes-Dienste Gefallen trůgen. Die Scythen und Thracier würden für die rauesten Völcker insgemein gehalten / diese aber opferten nur den hundertsten Gefangenen / hier aber würde von denen sonst so hochgerühmten Deutschen auff alle erbärmlich geraset. Hannibals und Xantippus Grausamkeit sey zwar noch beschrien / daß jener aus denen erschlagenen Feinden über die Vergellische Bach ihm eine Brücke gebaut /die Väter mit den Söhnen / Brüder mit Brüdern zu kämpfen gezwungen / und hierdurch den Mohren ein Schau-Spiel angestellt habe; dieser / daß er und die Carthaginenser dem Attilius Regulus die Augen-Lieder abschneiden / und ihn an der brennenden Sonne verschmachten lassen. Alleine beyde hätten scheinbare Ursache ihrer Grausamkeit gehabt; der erste /weil der Römische Rath die Gefangenen zu lösen verboten; die andern / weil Regulus den Römern den Frieden und seine Auswechselung selbst widerrathen hätte / und so wol er als Sempronius dem Feinde gleichsam zu Trotze ins Mohrische Läger zurück kommen wären. Diesesmal aber wäre an ihrer Lös- oder Einwechselung nicht zu zweifeln. Hingegen habe Mithridates nicht allein unsterbliches Lob erworben /sondern auch die Römer mit nichts mehrers erschreckt / als daß er ihre Gefangenen mit einem Zehr-Pfennige versehen und ohne Entgeld frey gelassen. Kayser Julius habe es mit den Pompejischen Gefangenen nicht anders gemacht. Hertzog Ganasch fiel ihm in die Rede: Alle Gefangene müssen sterben. Rom hat selten einem fremden Gefangenen Lufft und Leben gegönnet. Vom Marius vermochten die Celtischen Weiber und Kinder nicht das Leben und die Freyheit zu erbitten. Caldus Cälius biß hierüber die Zähne zusammen / und fuhr den Catulus mit verzweifelter Geberdung und harten Worten an: Schone deiner! Einem Römer stehet es so wenig an das Leben zu erbetteln / als diese Barbarn einiger Bitte werth sind. Folge meinem Beyspiele / wo es dir mehr umb Ehre als den ohnmächtigen Athem zu thun ist. Hiermit ergriff er die eisernen Ketten / wormit er gebunden war / und stieß selbte so heftig an sein Haupt / daß er mit Vergiessung seines Bluts und Gehirnes Augenblicks todt zu Boden fiel. Ja ehe ein Mensch zuspringen konte /hatte es Catulus ihm nachgethan; allen hierüber erstaunenden Zuschauern zum Nachdencken lassend: Ob bey dieser Begebenheit das behertzte Beyspiel oder die geschwinde Nachfolge mehrer Verwunderung würdig sey / oder ob sie nicht mit grösserm Ruhm gestorben als Cornelius Merula / der umb / nicht in des wütenden Marius Hände zu fallen / mit seinem eignen Priester-Blute des Jupiters Augen besprengte; oder als Herennius Siculus / der seinen Kopf an den Pfosten des Kerckers zermalmte / und also dem Hencker gleichsam den schimpflichen Tod aus den Händen wand.

Hierauff ward auch der ausgescharrte Leichnam des Römischen Feldherrn zu einem Altare geschleppt /bey welchem Printz Sesitach / Hertzog Segimers und Fürst Siegesmund des Segesthens Sohn zugegen waren. Der erstere / welcher wegen einer einsmal geschehenen Beleidigung auf den Varus einen unversöhnlichen Haß geschöpfft hatte / spottete nicht allein sein / sondern wolte auch verwehren ihn als ein unwürdiges Aaß auff dem Altare zu verbrennen. Fürst Siegesmund aber / welcher wegen seines abtrünnigen und numehro verhaffteten Vaters in gröstem Bekümmernüsse war / und von denen gegen ihn als einen Verräther des Vaterlandes höchst-erbitterten Deutschen ein scharffes Urthel befahrete / bekam hierbey eine Gelegenheit zugleich sich bey den Deutschen einzulieben / und den Römern einen Dienst zu thun /oder zum minsten selbte nicht gar aus der Wiege zu werffen. Denn ob wol der schlaue Segesthes / als er zu den Römern überging / seinem Sohne mit[71] Fleiß befohlen hatte / er solte mit einem Theile des Casuarischen Adels auf der deutschen Seite stehen bleiben und fechten; womit / wenn die Deutschen die Ober-Hand behielten / der Sohn dem Vater / da aber die Römer obsiegten / der Vater dem SohneFreyheit und Begnadigung erbitten könte; Siegesmund auch in der Schlacht seinen Mann gewehret / und gute Kenn-Zeichen seines deutsch-gesinneten Gemüthes von sich gegeben hatte; so vermochte doch diß alles / entweder wegen kindlicher Liebe / oder weil sein Gewissen des Vaters Verbrechen selbst zu unnachläslicher Straffe verdammete / ihm nicht die geschöpfte Furcht zu benehmen. Dahero redete er den Sesitach an: Vetter / du weist / wie mein Vater mich zu grossen Ehren gebracht zu haben vermeynt /als er mir wider meinen Willen / und die angeborne Abscheu für den Römern das Priesterthum bey dem von den Römern am Rheine aufgerichteten Altare der Ubier nicht ohne grosse Müh und Geld zuwege gebracht. Zeit und Alter lidten es damals nicht / daß ich hätte meine innerste Gemüths-Meynung heraus sagen / oder mich dem väterlichen Befehle widersetzen dörffen. Den ersten Augen-Blick aber / da ich von der Deutschen wider die Römische Dienstbarkeit rühmlich-gefaßten Entschlüssung nur wenig Wind bekommen / habe ich vorsätzlich das ewige Feuer ausgelescht / den Priester-Rock und die Haupt-Binden zerrissen / mich über den Rhein geflüchtet / und für mein Vater-Land mein Blut mit besserm Ruhme / als dort die uns geraubten Ochsen / den Göttern aufzuopfern / entschlossen. Gönne mir diesemnach / daß ich unsern Schutz-Göttern dieses von seinem Blute und Vermögen so fette Opfer abliefern / und jenes irrdische Priesterthum in ein heiliges verwandeln möge. Die Gewogenheit des Fürsten Siegesmunds und die Einfalt der umbstehenden Kriegsknechte ließ sich von ihm leicht erbitten /und der andächtige Libys wolte einen Fürsten von so hohem Geblüte / welcher schon einmal zum Priester geweyhet war / von dieser Verrichtung nicht abstossen / sondern befahl / daß ihm alsobald aus dem heiligen Brunnen reines Wasser zu Abwaschung seiner Hände gebracht ward; warff zu seiner Bestätigung ihm einen weissen Rock über / und setzte ihm einen Lorber-Krantz auff. Fürst Siegesmund ward hierüber nicht wenig vergnüget; weil er hierdurch zum minsten wider die strengen Gesätze / welche auch der Verräther Kinder gewissen Straffen unterwerffen / sich in Sicherheit gesetzt hatte. Hiermit raffte er sich mit der von den Kriegs-Leuten entblösseten Leiche des Varus / warff selbten in die lodernde Flamme des Altars /und rieff: Grosser Tuisco / nim dieses Opfer für die Wolfahrt des Vater-Landes gnädig an! Ja! und vertilge die Verräther desselbten mit Strumpf und Stiel; brach ihm Nesselrod ein Cheruskischer Ritter ein: Sehet / und erstarret zugleich / ihr edlen Deutschen /über der Boßheit des meineydigen Segesthes. Hiermit laß er einen Brief / welchen er in des Varus Kleidern gefunden / Segesthes aber die letzte Nacht für dem Treffen an ihn geschrieben hatte / mit nachfolgenden Worten ab:

Segesthes wüntschet dem Quintilius Varus Leben und Sieg / ihm selbst aber den numehr zu späten Tod / nach dem er mit dem Hertzog Herrmann und andern Bundbrüchigen Fürsten in den Uberfall des Römischen Kriegs-Volcks hat stimmen müssen / welche die zum Schein wider die Sicambrer / Angrivarier und ihren aufrührischen Melo versammleten Hülffs-Völcker folgenden Tag wider eure Adler anführen wer den. Wolte Gott! Varus hätte meinen Warnungen so viel Glauben gegeben / da ich ihm noch für wenig Tagen rieth so wol mich als den arglistigen Herrmann nebst seinem Anhange bey seinem Gastmahle in Fessel zu schlüssen / als er auff die glatten Versicherungen dieses Aufrührers mit seinem nun empfindlichen Schaden getrauet. Es ist mehr ein thörichter Aberglauben /[72] als eine Frömmigkeit / wenn man ihm ein Gewissen macht den in seinem Hause über seinem Tische hinzurichten / welchen sein Verbrechen zum Tode verdammt. Numehro bestehet dein und der Römer Heil in Zusammenraffung der Römischen Kräffte / und in einer vorsichtigen Zurückziehung von der Lippe. Inzwischen glaube / daß ich meine Waffen der Römischen Macht beyzufügen entschlossen sey /da mir der Feind und das Verhängnüß nicht alle Wege verbeugen würden. Diß abgelesene Schreiben verursachte unter dem Kriegs-Volcke ein grosses Getümmel. Einige fragten: Warumb man den Segesthes /welcher dem Vaterlande das Römische Joch hätte an die Hörner schlingen helffen / welcher Ursache wäre /daß Deutschland zu unausleschlichem Spott zwischen dem Rhein und der Elbe die Römischen Beile und Ruthen gesehen / nicht zum Sühn-Opfer den Göttern des Vaterlandes zum ersten abgeschlachtet hätte? Andere rieffen: Bey andern Völckern wäre es halsbrüchig / wenn einer wider seines Feld-Obersten Willen den Feind angegriffen / und gleich gesieget hätte. Papirius hätte deßwegen den Q. Fabius zum Tode verda t / und Manlius seinen eigenen Sohn mit dem Beile richten lassen. Solte nun Segesthes sein Vaterland ungerochen bekriegt haben? Die väterlichen Gesetze hiessen Verräther und Uberläuffer an Bäume auffhencken. Man solte diesen Eydbrüchigen herzu schaffen. Sein hoher Stand vermöchte ihn nicht des Todes zu befreyen / wo der Deutschen Gesetze nicht zu Spinneweben werden solten / darinnen nur Mücken und Fliegen hencken blieben / Wespen und Hornissen aber durchrissen. Missethaten stünden Fürsten / wie Flecken den grösten Gestirnen am schimpflichsten an. Segesthens Bestraffung könte auch keine Schande auff seine so hochverdiente Anverwandten wältzen. Denn die Laster besudelten niemanden als den Ubelthäter / und die Ursache / nicht die Straffe machte einen unehrlich. Deßwegen hätte Lucius Brutus seine eigene Söhne / weil sie mit den verjagten Tarquiniern Verständnüs gehabt / und Spurius Cassius seinen nach der Römischen Herrschafft strebenden Sohn mit Ruthen schlagen / und des Kopfes kürtzer machen lassen. Mit solchem Ungestüm fielen sie an die Priester. Gott und die Vorfahren hätten ihnen die Gewalt gegeben die Missethäter in Hafft zu ziehen und zu verurtheilen. Sie solten über den Segesthes ihnen nun Recht verhelffen. Gott könne keinen süssern Geruch empfangen / als den Dampf vom kreischenden Blute eines boßhaften Menschen. Der Feldherr ward über diesem Zufalle in nicht geringe Verwirrung versetzt; sonderlich als er wahrnahm / daß hierdurch einige Priester / mit Hülffe der verbitterten Kriegsleute / den Segesthes herbey zu schaffen sich bewegen liessen. Und zwar viel / in Meynung / dem Feldherrn / welcher mehrmals vom Segesthes beleidigt worden war / einen Dienst zu thun / nach dem insgemein unvergeltete Wolthaten für Verlust / gerächetes Unrecht für Gewinn gehalten würden. Er selbst konte zwar die Verrätherey Segesthens unverdammet nicht lassen /gleichwohl fühlte er schon durch die Beleidigung Segesthens seiner unvergleichlichen Thußnelde Seele verwunden / und diese Empfindligkeit ihm selbst durchs Hertze gehen. Ja diese Bekümmernüß wuchs noch mehr / als Ganasch das durch den Segesthes seinen Chautzern verursachte Unheil wieder auf den Teppicht warf / und daß auch hundert seiner Köpfe seinẽ so sehr beschimpften Volcke dergleichẽ Schmach zu bezahlẽ viel zu wenig wären. Hertzog Jubil pflichtete dieser Meynung nicht nur bey / sondern zoh auch an: Wem das Vaterland lieb wäre / der müste solchen Verräthern gram seyn / welche auch so gar die haßten / die sie zu Werckzeugen ihres Vortheils brauchten. Solche grosse Verbrechen übersehen / wäre ein gewisses Kennzeichen entweder gleichmässiger Boßheit / oder daß man sich für denen fürchtete / welche für der Gerechtigkeit leben solten. Nicht nur die Lasterhaften / sondern auch die /[73] welche bey gemeinen Verwirrungen sich etwas zu entschlüssen kein Hertze hätten / würden durch so grausame Barmhertzigkeit zu schädlicher Nachfolge verleitet / die Unschuld aber schüchtern gemacht / welcher ohnediß stets mehr Gefahr als Ehre zuhinge; da hingegen die Boßhaften noch mit ihren Ubelthaten wucherten. Wenn nun Segesthes das Kauff-Geld / das ihm die Römer für der Deutschen Freyheit gegeben / behielte /die Deutschen aber seine Verrätherey nicht strafften /wer wolte nicht glauben / daß die Vergeltung numehr der Boßheit / die Schande der Tugend gewiedmet wäre; oder / daß Segesthes diese nicht unbillich verhandelt hätte / welche über ihrer Dienstbarkeit so unempfindlich wären. Wie viel rühmlicher wäre es ihnen / wenn die Vor-Eltern ihre Freyheit mit so viel Blute nicht behauptet hätten; weil es ja schimpflicher wäre /das erworbene verlieren / als es gar nicht erwerben! Was würde in Deutschland mehr heilig bleiben / nun das Vater-Land zu feilem Kauffe ginge? Zu was würde Recht und Richter mehr nütze seyn / nun die Verrätherey unsträfflich wäre? Zu was Ende kämpften sie umb das Joch der Herrschafft abzulehnen / wenn Segesthes thun möchte / was er wolte? Denn dis wäre das euserste der Königlichen Gewalt. Würde man nun am Segesthes ein Bey-Spiel der Rache üben / würden sich alle / die was Böses im Schilde führten / wie das kleine Gepůsche bey einem grossen Zeder-Falle erschüttern / die Redlichen aber von der empor wachsenden Boßheit nicht gedämpft werden. Es wäre viel schädlicher / die Laster ungestrafft / als die Tugend unbelohnet lassen. Denn die Gutten würden dadurch nur träger / die Bösen aber verwegener und schlimmer. Die meisten Anwesenden billigten diese Meynung durch ein helles Begehren: Man solte denen Gesetzen ihre Krafft / dem Rechte seinen Lauff / und der Straffe ihr Maaß lassen. Ja das Volck bezeigte mit seinen Ungeberden gleichsam seine Ungedult über der allzulangsamen Rache. Gleichwol erholte sich Hertzog Herrmann / drehete sich gegen dem obersten Priester / als welcher ihm hierinnen am meisten zu statten kommen konte / meldende: Diese Opfer könten mit einheimischem Blute nicht besudelt werden / nach dem die Sitten des Vaterlandes nur frembdes Blut heischten. Alleine wie grosses Ansehen er bey iedermann hatte / so war doch dieser Fürwand die erbitterten Gemüther zu beruhigen allzuohnmächtig. Denn Hertzog Ganasch hielt entgegen: Es foderten die Gesetze nicht allein Straffe über die Beleidiger; sondern es solte der Feldherr sich nur seines eigenen Gelübdes erinnern / wie er an diesem heiligen Orte den Göttern bey aufgehendem Monden angelobt / alle die er gefangen bekommen würde / aufzuopfern. Ja / antwortete der Feldherr: Aber Segesthes ist nicht in meine / sondern in seiner eigenen Tochter Hände verfallen / welche für das Vaterland mit mehr als männlicher Tapferkeit ihr Blut aufgesetzet / durch ihren glücklichen Anfang dem gantzen Heere die unzweifelbare Hoffnung eines herrlichen Sieges eingebildet / und dahero zweyfaches Hertze gemacht. Denn der erste Ausschlag gebiehret entweder verzagte Furcht / oder vermässene Zuversicht. Mit nicht minderm Ruhm hat Fürst Sigesmund seine Liebe zum Vaterlande bezeugt / und mit seinem Blut die Flecken der väterlichen Schuld abgewaschen. Uber dis haben Sylla und andere Wüteriche denen Verstorbenen zu Ehren ehemals denen undanckbarsten und schuldigsten Missethätern die verdienten Straffen enthangen. Segesthes ward nebst denen zweyen gefangenen Fürsten Armeniens und Thraciens auf einem Wagen gleich herzu geführt /als der Feldherr für den ersten derogestalt redete. Segesthes ward hierüber nicht wenig beschämt; fiel ihm dahero in die Rede: Er hätte diese Vertheidigung weder umb den Feldherrn / noch seine Begnadigung umbs Vaterland verdienet. Er erkenne die Grösse seines Verbrechens erst nach[74] vollbrachter That. Wäre es nach den väterlichen Rechten zuläßlich / wolte er hier gerne ein Opfer für das gemeine Heil werden. Denn dem / welchen sein Gewissen verdammte / wäre der Tod ein Trost / das Leben eine unaufhörliche Quaal; Sintemal die Gnade einen Verbrecher zwar der Straffe / nicht aber seiner Schande entbürden könte. Die Priester erstarreten gleichsam hierüber; und ob zwar der Feldherr für Segesthen das Wort nicht reden wolte /sahen sie ihm doch unschwer an / wie sehr ihm seines erkieseten Schwähers Fall müste zu Hertzen gehen. Denn wie die Liebe ein so nachdrückliches Feuer ist /daß sie stählerne Hertzen erweichet; also läst es sich auch am schwersten verbergen / und ist unter allen Gemüths-Regungen die unvorsichtigste. Ganasch nahm diese Unbewegligkeit der Priester für eine Kaltsinnigkeit auf; redete sie daher auffs neue an: Ihnen wäre die Erhaltung der Gesetze / die Straffe der Laster auff ihre Seele gebunden. Sie solten numehro dem Volcke Recht verhelffen / und urtheilen: Ob sie den /welcher sich selbst verdammete / loßsprechen könten? Taugte dieser Missethäter nicht zu einem Schlacht-Opfer / so wäre dieser heilige Ort doch ihr gewöhnlicher Richt-Platz / wo über der Edlen Leben erkennet und gesprochen würde. Sie solten erwegen die Eigenschafft des Lasters / die Beschaffenheit des Verbrechens / und das den Deutschen hieraus erwachsende Unheil. Griechenland könne sich rühmen / daß Codrus / umb nur durch seinen Tod das Vaterland zu erhalten / seinen Purpur mit dem Rocke eines Sclaven verwechselt; der ins Elend verjagte Themistocles aber / womit er dem Xerxes wider sein undanckbares Vaterland dienen dörfte / habe von einem dem Jupiter geschlachteten Ochsen das Blut ausgetruncken / und sich selbst für seine Feinde aufgeopfert. Deutschland aber habe am Segesthes so eine Schlange gebohren /welche der eigenen Mutter Leib zerfleische. Die Geister seiner ruhmwürdigen Vorfahren / derer Geschlechte er mit so schlimmen Thaten beschwärtzte /würden in ihren Gräbern beunruhiget werden / da sie nicht durch seine Hinrichtung versöhnet / ja er seinen so tugendhaften Kindern als ein Greuel aus den Augen gerissen würde. Das Urthel wäre unschwer wider ihn abzufassen / nach dem das Gesetze in dem benachbarten Hayne an so vielen Bäumen angeschrieben stünde / daran man viel geringere Verräther und Uberläuffer auffgehenckt sehe. Die Gesetze wären ohne folgende Bestraffung der Ubertreter eine Blendung der Einfalt / und ein Hohn der Boßhaften. Denn keines hätte eine so kräfftige Gütte in sich / diese auff den Weg der Tugend zu leiten / die Guten aber folgten ihr ohne Gesetze. Eine zum Argen geneigte Seele wäre zwar die Mutter / und brächte die Laster auff die Welt / der solche nicht hinderte / hülffe ihr auff die Beine / aber der Richter / welcher sie nicht straffte /krönete sie gar. Libys befand sich hierdurch überwiesen / und nach dem er weder einen so hochverdienten Feldherrn / welcher die Stiefmütterlichen Abneigungen des Glücks mit so väterlicher Liebe gegen das Vaterland ausgegleicht hätte / betrüben / noch iemanden die Gerechtigkeit versagen wolte / zwischen Thür und Angel. Denn nach dem er durch die Wolthat dieses Helden sich und Deutschland allen Bekümmernüsses entledigt wuste / hatte er numehr so viel mehr Kummer um ihm selbst. Hingegen müsten alle andere Absehen der Gerechtigkeit aus dem Wege treten; sintemal da schon die Gesetze zu Grunde gingen / wo Gewalt und Ansehen über sie empor stiege. Bey diesem Bedencken legten gleichwohl / aus einem besondern Verhangnüsse / die Opfer-Knechte Hand an Segesthes / hoben ihn vom Wagen / und er selbst wartete nicht so wol mehr auff sein Todes-Urtheil / als auff was Art selbtes an ihm würde vollzogen werden. Aller Augen waren auff den Libys gerichtet / welche durch ihr Stillschweigen ihm numehr das Urthel abzunöthigen schienen.[75] Dahero dieser Priester sich nur seines Amptes nicht entäusern konte / sondern zu befinden gezwungen ward: Es müste Segesthes / da er ein taugliches Opfer seyn wolte / seinem Vaterlande / Geschlechte und Nahmen abschweren / oder die irrdische Straffe der Verräther ausstehen. Segesthes entrüstete sich überaus / und fuhr den Priester mit harten Worten an: Er habe zwar bey dieser der Tugend gehässigen Zeit gesündigt; darumb aber sey bey ihm die Wurtzel der Tugend nicht gäntzlich ausgerottet / daß er den Glantz seiner verstorbenen Ahnen lieber mit Füssen treten / als sich eines schimpflichen Todes entbrechen solle. Der erste und letzte Tag des Lebens mache einen Menschen entweder glückselig oder verächtlich / das Mittel lauffe bald in Ruh / bald mit Sturm dahin / nach dem das Glück sein Steuer-Ruder führe / dahero liege einem Sterbenden keine Sorge mehr ob / als daß er das Schau-Spiel seines Lebens tugendhaft beschlüsse. Ein heimlicher Abend trockne die Pfützen eines schlüpfrigen Tages auff / und ein sauberer Grabe-Stein verdecke auch die besudelsten Lebens-Taffeln. Dahero wolle er lieber als ein Deutscher gehenckt seyn / als ein unwürdiger Frembdling /oder vielmehr verstossener / der Eitelkeit einer ihn nicht rein brennenden Opferung genüssen. Das Lob oder die Schande eines Todes rühre nicht von dem Ruffe des Pöfels / noch von dem eitelen Wahne des irrenden Volckes / sondern von dem Gemüthe des Sterbenden her. Ihrer viel stiegen rühmlicher auff den Raben-Stein / als mancher Asche in güldne Töpfe und alabasterne Gräber verscharret würde. Niemand war /der / dieser letzten Entschlüssung wegen / Segesthens Laster nicht zum Theil für vermindert hielt. Weil auch der am Ende des Lebens herfürblickende Schatten der Tugend nicht anders als der Wider-Schein der untergegangenen Sonne den allerschönsten Glantz zu haben scheinet. Gleichwol konte Libys nicht vorbey sein End-Urthel zu eröffnen: daß Segesthes nach den Gesetzen des Vaterlandes müste hingerichtet werden. Aber / versetzte Segesthes / ist es einem Nachkommen des Halb-Gotts Tuisco nicht verstattet / daß er das Urtheil an sich selbst ausübe / und / womit man sein Verbrechen nicht weibischer Zagheit zuschreibe /den letzten Athem ungezwungen ausdrücke? Denn ich weiß wol / daß diese ihnen einen schönern Tod anthun / die noch viel Hoffnung zu leben übrig haben; aber auch diese sind weniger verächtlich / welche der Nothwendigkeit des unvermeidlichen Todes mit unverwendeten Augen entgegen gehen. Libys antwortete ihm mit Nein. Der angethane / nicht der eigenwillige Tod sey eine Straffe. Dieser sey vielmehr eine Nothwendigkeit der Natur / eine Ruhe von der Arbeit / ein Ende des Elends. Getrauestu dir denn (fing die für ihres Vaters Leben sorgfältige Thußnelde an / welche sich gleich durch die Menge des Volcks zu diesem Trauer-Spiele herzugedrungen hatte) einer zu sterben entschlossenen Seele den Weg zu verbeugen / da uns die Natur zu dem Tode hundert Pforten eröffnet hat? Meinstu / daß wenn ein Elender die schwache Gemeinschafft des Leibes und der Seelen zu trennen Lust hat / selbter Gift trincken / Stricke kauffen /Messer brauchen / rauhe Stein-Felsen suchen / glüende Kohlen verschlingen / die Adern zerkerben müsse? Das Glücke hätte über uns allzugrosse Herrschafft /wenn wir so langsam / oder nur auff einerley Art /sterben als geboren werden könten; als welches über einen Lebenden alle / auff einen / der zu sterben weiß / keine Gewalt ausüben kan. Hat dir nicht Caldus Cälius bewiesen / daß die Fessel / welche ihm den Eigen-Mord verwehren solten / sein Werckzeug darzu gewest? Der Räuber Coma dorffte nichts als seinen eignen Lebens-Athem hierzu / durch dessen Hinterhaltung er unter den Händen seiner Hüter und für den Augen des Bürgermeisters Rupilius sich ersteckte /also die Ausforschung um seine Geferten zernichtete. Aber es sey ferne / daß Thußnelde dem /[76] welchem sie das Leben zu dancken hat / den Selbst-Mord einloben solte. Ein Knecht thut unrecht / wenn er sich seinem Herrn zu Schaden verstümmelt. Wir sind alle Knechte des überall herrschenden GOttes / und also nicht Herren nur eines einigen Gliedes / weniger unsers Lebens. Wir sind Ebenbilder des grossen Schöpfers. Wie mögen wir uns denn selbte zu zerstören erkühnen / da es das Kupfer-Bild eines sterblichen Fürsten zu verunehren halsbrüchig ist? Sollen die Menschen nicht zahmer als wilde Thiere seyn? Keines unter diesen aber hat eine so wilde Unart / daß es sich selbst vorsetzlich tödte. Ja es ist eine Schwachheit eines verzärtelten Gemüthes / oder eine Raserey der Ungedult /wegen eines heftigen Schmertzens nicht leben wollen / und eine Thorheit sich zum Sterben nöthigen / daß man nicht auff eine andere Art sterbe. Gesetzt nun /der Hencker setze uns das Messer schon an die Kehle / soll man darumb dem Hencker die Hand zu Vollziehung des Streiches leihen? Lasse den ankommen / der dich tödte. Warumb wilstu frembder Grausamkeit Stelle vertreten? Mißgönnestu dem Hencker die Ehre dich zu tödten / oder wilstu ihn der Mühe überheben? Der von dem Göttlichen Außspruche selbst für den Weisesten erklärte Socrates konte nach empfangnem Urthel seinem Leben durch Enthaltung vom Essen oder Gift alsbald abhelffen; was solte sich aber der für dem ihm zuerkenneten Gifte fürchten / der den Tod verachtete? Dahero wartete er seines Mörders /ob schon das eingefallene Feyer in Delphos die Vollziehung des Urtheils dreissig Tage auffschob. Lernet hieraus / ihr Deutschen / mit was Ruhm ihr euer heutiges Siegs-Fest durch Verdammungen verunehret! Alleine / heiliger Libys / mögen derselben auch die Gewohnheiten des Vaterlandes zu statten kommen /dessen Gesetze wider ihren Vater ausgeübet werden? Der Priester ward über so seltzamen Abwechselungen nicht wenig bestürtzt / und bildete ihm ein / es würde diese Heldin / welche mit denen in der Schlacht gebrauchten und vom Blute bespritzten Waffen angethan erschien / wegen ihrer Verdienste des Vaters Begnadigung suchen. Dahero ließ er sich gegen sie heraus: Derselben / welche sich umbs Vaterland so wol verdienet hätte / könten die Wolthaten solcher Rechte keines weges verschrenckt werden. Wolauff denn /sagte sie / so stellet den Vater derselben Tochter nur auff freyen Fuß / welche sich für seine Befreyung für ihn selbst auffzuopfern entschlossen ist. Bey den meisten Völckern stehet in der Willkühr und den Händen der Eltern das Leben und der Tod ihrer Kinder. Ihnen ist erlaubt / auch zu ihrem blossen Unterhalt für sie ein blutiges Kauffgeld zu nehmen. Warumb soll ihnen nicht auch frey stehen sie für ihr Leben aufzuopfern. Und warumb nicht am allermeisten dem Segesthes seine Tochter? welche ihn mit eignen Händen erwürget / da sie ihn in der Schlacht in die eurigen geliefert? Lasse diesemnach / liebster Vater / mich für dich schlachten / und übe an mir aus / was dir so wol deine väterliche Gewalt verstattet / als meine eigene Verwahrlosung auffbürdet. Dem Segesthes fielen die milden Thränen über die Wangen / und die Bestürtzung hatte ihn eine ziemliche Weile stu gemacht / biß er seine Tochter dergestalt anredete: Nein / nein / hertzliebste Thußnelde. Haben die Assyrier ihrem Bel /Carthago dem Saturno für ihre Wolfarth gleich ihre eigne Kinder geopfert; habe ich zeithero meine Macht etwas rau über dich ausgeübet / werde ich doch nimmermehr auf diese Grausamkeit verfallen / die Unschuld / ja mein eigenes Blut für mich hinzugeben. Ich habe mit meinem Verbrechen meine väterliche Gewalt verloren / und bin nun alles äuserste unerschrocken zu leiden entschlossen. Es ist vergebene Ausflucht / versetzte Thußnelde. Menschen / welche sich dem schlüpfrigen Glücke gantz und gar vertrauen / verlernen zwar selbst die Natur / und verwandeln ihre angebohrne Eigenschafften; aber kein Zufall kan das Recht des Geblüts aus den Adern vertilgen / und kein bürgerlich[77] Gesetze machen: daß Segesthes nicht der Thußnelden Vater bleibe. Ich heische Recht / heiliger Libys / und ich beziehe mich auff das Recht der Kinder hiesigen Landes / welche für die Eltern auch wider ihren Willen sterben können. Mit diesen Worten sanck sie für dem einen Opffer-Tische zu Boden /und nach dem sie dreymahl geruffen hatte: Schlachtet die für ihren Vater willig sterbende Tochter; sahe sie alle Umstehende ringsum mit starren Augen an /gleich ob sie aus eines iedem Antlitze das innerste seines Gemüths lesen wolte. Libys verlohr vewundernde hierüber Puls und Sprache; Der unbarmhertzige Ganasch ward zu inniglichem Mitleiden bewogen; Ihr Bruder Siegesmund erstarrte wie ein Stein / Segesthes sanck ohnmächtig zur Erden / alle Umstehenden seuffzeten; Hertzog Herrmann ward von der Liebe und dem Mitleiden so empfindlich berühret /daß er seine Hertzhafftigkeit viel zu schwach hielt diesem Trauerspiele ohne seine selbst eigne Verliehrung zuzusehen / und womit die bey den Deutschen verächtliche Wehmuth ihm nicht bey dem anwesenden Pöfel ein verkleinerliches Urthel zuziehen möchte /verhüllete er sein Antlitz / gleich als ob diese Begebenheit ihm mehr als dem leiblichen Vater zu Hertzen ginge / und er schwerer als vor zeiten Agamemnon der Opfferung dieser andern Iphigenia zusehen könte. Ja er stand schon auff verwandtem Fusse / um sich dieser unerträglichen Bekümmerniß zu entbrechen /als ihn ein heftiger Hall des schreyenden Volcks /seine Enteusserung zu hemmen / und sein Gesichte zu eröffnen nöthigte. Da er denn wahrnahm / daß die an ihrer Auffopfferung zu zweiffeln anfangende Thußnelde auffgesprungen war / und sich dem erstarrten Libys das Schlachtmesser aus der Hand zu winden bemühete. Ihr Götter! rieff er / und sprang zwischen sie und den Priester / um mit der Ausreissung des Messers auch ihre selbsthändige Hinrichtung zu verhindern. Unbarmhertziger Herrmann! sprach sie / und blickte ihn mit gantz gebrochenen Augen / aus welchen Tod und Wehmuth selbst zu sehen schien / an /daß es einen Stein hätte erbarmen mögen. Unbarmhertziger Herrmann! fuhr sie fort / ist diß das schöne Kennzeichen der mir mehrmahls so hoch betheurten Liebe? Mißgönnestu mir für meine beständige Zuneigung den Tod / oder die Ehre für den Vater zu sterben? Jenes verwehren einem auch die Feinde nicht; dieses aber kan mir die Unsterbligkeit erwerben. Holdselige Thußnelde / fing der Feldherr gegen sie an / soll der nicht den Streich von deiner Brust abwenden / welcher ihm zugleich durch seine Seele gehen würde? Was würde dir mit einer eiteln Unsterbligkeit des Nachruhms gedienet seyn / welche mich zu Grabe schicken / und nebst meinem Ruhme mein gantzes Wesen vertilgen würde? Soll ich denn aber / fuhr sie heraus / meinen Vater so verächtlich in Wind schlagen und so schimpfflich umkommen lassen? Soll ich das mit Purpur-Tinte in mein Hertz und Adern geschriebene Gesetze der Natur ausleschen / und die eingepflantzte Wärme der Liebe durch kalten Undanck erstecken? Hertzog Herrmann sahe hierauff den Priester Libys schmertzhafft an / gleich als ob er von ihm ein Hülffsmittel erbitten wolte / welcher von seiner Bestürtzung sich noch kaum erholen konte. Nach einem langen Stillschweigen fing er als wie aus einer Entzückung an: O allerweiseste Gottheit! wie werden doch der Scharffsichtigsten Augen verdüstert / wenn sie in die Sonne deiner unerforschlichen Versehung schauen wollen! Welch ein alberer Schluß komt heraus / wenn unser thörichtes Urthel die Schickungen des Verhängnisses sich zu meistern unterwindet / und mit dem Pöfel diß oder jenes für gut oder böse / für Glück oder Unglück hält / was in seinem Wesen und Ausgange nicht so beschaffen ist / als es eusserlich unserm blöden Verstande fürkömmt. Welcher unter uns glaubte nicht / daß Segesthes in das tieffste Elend verfallen / Thußnelde in den mitleidentlichsten Zustand gerathen wäre? Unsere[78] Gesetze halten das einmahl gethane Sterbens-Gelübde eines Kindes vor seine Eltern für unwiederrufflich / und es hat kein sterblicher Mensch die Gewalt / es so denn aus den unerbittlichen Armen des Todes zu reißen / oder es von Erfüllung des Gelübdes zu entbinden. Welche Ariadne würde uns nun aus diesem gefährlichen Irrgarten führen / welch Oedipus uns diß Rätzel aufflösen? wenn die göttliche Weißheit durch so seltzame Zufälle unsern im finstern nur tappenden Verstand nicht erleuchtete; Wenn sage ich / die so empfindliche Bestürtzung dieses Hertzogs uns nicht die Fenster seines Hertzens eröffnete / und wir so wohl darinnen /als in der sterbenden Seele der unvergleichlichen Thußnelde das Feuer einer reinen Liebe lichterlohe hätten heraus schlagen sehen. Lästert nun mehr das Verhängnüß ihr irrdischen Gottes-Verächter / daß es sich weder um unsern Ursprung / noch um unser Ableben / noch um einigen Menschen bekümmere. Fället mehr frühzeitiges Urthel: daß die Frommen selten Seide spinneten / die Boßhafften aber meist auff Rosen gingen. Lernet aber ihr Andächtigen / daß alle Begebenheiten an einer richtigen Schnur der göttlichen Leitung hängen; daß alles / was uns begegnen soll / schon vom Anfange her / zwar nicht in den Stern-Ziffern / aber wohl in der Hand des Verhängnüsses auffgezeichnet sey; Daß die göttliche Barmhertzigkeit unter den bittern Schalen eines scheinbaren Elendes den süßesten Kern unserer Wohlfarth verberge; und meist der garstigste Nebel gefährlichster Zufälle sich in einen erfreulichen Sonnenschein verkläre. Wisset demnach / daß unsere gütige Gottheit der gewaltigen Liebe alleine enthangen habe / den Knoten solcher Gelübde auffzulösen / und die Riegel der Opfferschrancken zu zerbrechen / wenn mit der Verlobten iemand sich in ein den Göttern angenehmers Ehverlöbniß einläst. Ist nun nicht sich höchst zu wundern / wie unsere traurige Cypressen sich über aller Anwesenden Einbildung in annehmliche Myrrhen verwandeln? Wie unser glücklicher Feldherr in einem Tage mit Lorbern und Rosen bekräntzt wird? Stehe auf Segesthes / aus dem Schatten des Todes /aus den Fesseln des Unglücks / und erfreue dich über die Vertilgung deiner begangenen Fehler / erkenne dein und deines Hauses Glücke in Besitzthum der unvergleichlichen Thußnelde / und in Verbindung des grossen Herrmanns Beglückselige mit dem Ubermasse deiner Vergnügung unsern unsterblichen Feldherrn / durch Versprechung deiner holdseligen Tochter / und unserer neuen Schutzgöttin. Verknüpffe durch diese Heyrath die Hertzen der großmüthigen Cherusker / und der tapffern Casuarier. Ihr aber / O ihr überaus glückseligen Verliebten / warum verziehet ihr nach so fester Verknüpffung eurer tugendhafften Seelen nunmehro durch inbrünstige Umarmung auch die Leiber zu vereinbarn? Wunderschöne Thußnelde /opffere numehr deine zarte Seele über den Flammen der unbefleckten Liebe deinem Bräutigam auff / der die seinige dir fürlängst gewidmet hat / und nach dem du deinen Vater durch die Liebe aus dem Rachen des Verderbens gerissen / so mache auch diesen unschätzbaren Helden von den Stricken aller Furcht loß / und lasse den / der auff den Grund deiner Tugend geanckert / mit seiner Hoffnung numehro in Hafen der Vergnügung mit vollem Segel einlauffen.

Diese wunderliche Ebentheuer kamen allen Anwesenden nicht anders als ein Traum für; iedoch bezeugten sie mit Geberden und Jauchzen ihre daraus geschöpffte Freude Segesthens Ohnmacht verwandelte sich in eine Schwermuth. Denn die Vergnügung / welche er über Erhaltung seines Lebens empfand / war nicht mächtig genug / die wider den Cheruskischen Hertzog eingewurtzelte Gramschafft so geschwinde abzulegen / oder auch nur zu verdecken; Vielmehr wuchs sie in Segesthens Hertzen[79] gegen diesen Helden / weil er seiner zeither verworffenen Liebe sein und seiner Tochter Leben zu dancken gezwungen ward. Also ist man geneigter / weniges Unrecht als grosse Wohlthaten mit gleichem zu vergelten; Ja wenn Wohlthaten schon die Kräffte unserer Vergeltung übersteigen / geben wir statt verbindlichen Danckes unsern Wohlthätern noch Haß zu Lohne. Uberdiß hatte Hertzog Herrmann vorhin nicht so wohl den Segesthes / als dieser jenen beleidigt / dahero brachte die Eigenschafft des menschlichen Gemüthes beym Segesthes mit / den beleidigten zu hassen / und zwar /weil feine Ursachen hierzu unrechtmäßig waren /desto hefftiger. Gleichwohl muste er aus der Noth eine Tugend machen / und so viel möglich seine gegen den Feldherrn tragende Feindschafft mit betrüglichem Liebkosen bekleiden. Dahero erklärte er sich: Daß nachdem es den Göttern beliebet / die Gemüther des Feldherrn und seiner Tochter zu vereinbarn / liesse er ihm derselben Verlobung allerdings gefallen /und ertheile hierzu seinen väterlichen Willen. Thußnelden stieg nun allererst die Schamröthe unter die Augen / entweder weil sie sich erinnerte / daß sie nach Art der Sterbenden oder der unvorsichtigen Liebhaber eine allzufreye Zunge gehabt / als sie die Heimligkeit ihres Hertzens nicht nur dem / welchen sie liebte / sondern so vielen Zuschauern offenbahret hatte; oder weil ihre Landes-Art erforderte ihre Zucht bey Erkiesung eines Mannes mit dieser Farbe als dem schönsten Brautschmucke der Jungfrauen zu bezeichnen. Hertzog Herrmann / ob er wohl dem Segesthes den Zwang seiner Einwilligung unschwer anmerckte /und wohl verstand / daß der / welcher ihn vorhin nie auffrichtig geliebt hatte / den hervorblickenden Unwillen nicht zum Scheine annahm / fügte sich doch zu ihm mit höfflichster Ehrerbietung / hob ihn von der Erden auff und danckte ihm / daß er ihn für einen würdigen Bräutigam seiner unschätzbaren Tochter beliebt hätte. Hierauff näherte er sich zu Thußnelden mit annehmlichster Liebes-Bezeugung / und verwechselte mit ihr / zum Zeichen ihrer Verbindung etliche Mahlschätze; Worüber Thußneldens Schamhafftigkeit sie doch so weit nicht verschlissen konte / daß ihr nicht die Vergnügung ihres Hertzens aus den Augen gesehen hätte.

Kein Mensch / ausser der schwermüthige Segesthes / war zugegen / welcher nicht überaus grosse Freude bezeugte / daß das Verhängniß ein dem Vaterlande so heilsames und zu friedsamer Eintracht des Schwähers und Eydams dienendes Verbindiß gestifftet / und die so traurigen Opffer mit so einem frölichen Ausgange beglückt hatten. Die Priester sprachen mit andächtigen Geberdungen tausenderley Segen über die Verlobten / und es war aller einmüthiger Schluß / daß ehesten Tages das hochzeitliche Beylager solte vollbracht werden.

Die Fürsten Zeno und Rhemetalces hatten diesen Begebungen gleichsam auff einer Schau-Bühne / zwischen Furcht und Hoffnung / als denen zwey Wirbeln menschlichen Lebens / lange genug zugesehen / als /aus der grossen Menge des frolockenden Volcks / sich die bey den Deutschen heilige / und so wohl wegen ihrer Weißheit als Wissenschafft künfftiger Dingein grossem Ansehen sich befindende Aurinia / welche in eben diesem Heyne / nebst hundert zu ewiger Keuschheit verschwornen Jungfrauen / ihren Auffenthalt hatte / auff einer schwibbogichten Sänffte näherte /denen Verlobten / nach Uberstehung vielerley seltzamen Zufälle / grosses Glück und Auffnehmen ihres Geschlechts weissagete; auch / daß die Götter nunmehro des Bluts überdrüßig wären / andeutete. Hierauff riß sie ihren Krantz vom Haupte / lösete den Gürtel von ihren Lenden / und warff beydes zu Beschirmung dieser zweyer Fürsten auff ihren Wagen /welche Zeichen bey denen andächtigen Deutschen auch die schon Verdammten vom Tode zu befreyen und wider alle Gefahr zu[80] versichern kräfftig waren. Eine That in Warheit / welche dem Beyspiele der Vestalischen Jungfrau Claudia die ihres Vatern Appius Siegs-Gepränge wider des Römischen Zunfftmeisters angemaßte Hindernüß beschützte / weit fürzuziehen ist! indem diese nur ihres Geschlechtes Ehrgeitz beförderte / jene aber zwey Fremdlinge aus Lebens-Gefahr riß. Libys verfügte hierauff / daß nicht nur diese zwey Fürsten / sondern alle noch lebende Gefangene entfesselt würden / und dahero diese zwar in freyerer Bewahrung blieben / jene aber / nachdem sie der heiligen Aurinia als ihrer Schutz-Göttin weissen Schleyer (welchen sie ihnen selbst darreichte / weil sonst niemand bey Lebens-Straffe sie anrühren dorffte) mit tieffster Demuth geküst / und für ihre Begnadigung gedancket hatten / wurden nebst allen andern Fürsten von dem Feldherrn in seine Burg eingeladen. Alles Volck begleitete sie mit unauffhörlichen Glückwünschen / die Priester mit vielfältigen Segnungen / und der schon anbrechende Morgen diente ihnen zu einem anmuthigen Wegweiser / gleich als wenn das grosse Auge der Welt nicht ehe den Erdboden mit seinem Scheine hätte erfreuen wollen / als biß mit dem Schatten der Nacht bey vielen auch die Furcht des ihnen für Augen schwebenden Todes verschwunden wäre. Der Priester Libys trug inzwischen Sorge für die Asche der Abgeschlachteten / womit selbte mit denen noch übrigen Gebeinen in Todten-Töpffe gerafft und verscharret würde. Absonderlich sammlete er die Uberbleibung des Qvintilius Varus in einen steinernen Krug / vergrub sie / richtete auch daselbst einen viereckichten Stein mit dieser Uberschrifft auff:


Der Syrien bepflückte /

Die frechen Juden band /

Der Deutschen Freyheit drückte /

Erlangt kaum diesen Sand.

Sein Tod hat / nicht sein Thun / ihm noch dis Grab gegeben /

Das Ende krönt ein Werck / vertuscht ein schlimmes Leben.


Quelle:
Daniel Caspar von Lohenstein: Großmütiger Feldherr Arminius, Erster Theil, Leipzig 1689, S. 5-81.
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