XIV. Andromeda und Perseus.

[338] Ein Triton, Iphianassa, Doris und andere Nereiden.


DER TRITON. Ihr Nereiden, der Cetus, das Ungeheuer, das ihr auf die Tochter des Cepheus, Andromeda, losgelassen habt, hat nicht nur dem Mädchen, gegen eure Erwartung, keinen Schaden getan, sondern ist selbst dabei umgekommen.

EINE NEREIDE. Durch wessen Hand, Triton? Hat ihm etwa Cepheus das Mädchen nur als eine Lockspeise vorgesetzt und ihn aus einem Hinterhalt mit überlegner Macht angefallen und umgebracht?

TRITON. Das nicht. Aber ihr erinnert euch doch, Iphianassa, des Perseus noch, des Sohnes der Danae, dem ihr aus Mitleiden das Leben erhieltet, als er mit seiner Mutter von seinem Großvater in einer Kiste auf dem Meer ausgesetzt wurde?

IPHIANASSA. Recht gut; er muß nun erwachsen und ein schöner tapfrer Jüngling sein.[338]

TRITON. Der ist's, der euren Cetus umgebracht hat.

IPHIANASSA. Und was bewog ihn dazu, Triton? Er hat uns seine Dankbarkeit für das Leben, das wir ihm gerettet, schlecht dadurch bewiesen.

TRITON. Ich will euch erzählen, wie es zuging. Dieser Perseus machte eine Reise zu den Gorgonen, welche der König von Seriphos zu bezwingen ihm auferlegt hatte. Als er nun in Libyen, an dem Ort ihres Aufenthaltes, ankam –

IPHIANASSA. Wie, Triton, allein? oder hatte er noch andere Streitgenossen bei sich? Denn ohne dies hätte er eine gefährliche Reise unternommen!

TRITON. Er nahm seinen Weg durch die Luft, und Minerva hatte ihn dazu mit Flügeln versehen. Wie er also anlangte, fand er die Gorgonen, denke ich, schlafend: er hieb also Medusen den Kopf ab und flog mit ihm davon.

IPHIANASSA. Aber wie war das möglich, da die Gorgonen nicht angesehen werden können, oder wer sie ansieht, nichts anders mehr sehen wird?

TRITON. Minerva hielt ihm ihren Schild vor – so hab ich ihn wenigstens die Sache dem Cepheus und der Andromeda in der Folge erzählen gehört –, Minerva also zeigte ihm in ihrem hellpolierten Schilde das Bild der Medusa wie in einem Spiegel; und nun faßte er, die Augen auf das Bild geheftet, die Gorgone mit der linken Hand bei den Haaren, und mit dem Säbel in seiner rechten hieb er ihr den Kopf ab und flog davon, ehe ihre Schwestern erwachten. Wie er nun an der Küste von Äthiopien vorbeiflog, erblickt er Andromeden, an einen weit ins Meer hinausragenden Felsen angeschmiedet, mit aufgelösten Haaren und bis unter den Gürtel nackend. Götter, wie schön fand er sie! Sein erstes Gefühl war Mitleiden mit ihrem Schicksal; er erkundigte sich nach der Ursache ihrer Strafe; aber unvermerkt verwandelte sich sein Mitleiden in Liebe (denn das Mädchen sollte nun einmal erhalten werden!), und er beschloß ihre Rettung. Er machte sich also gefaßt, und wie das Ungeheuer mit offnem Rachen auf Andromeden zufuhr und sie zu verschlingen gedachte, hieb er, von oben herabschwebend, mit dem Säbel in der einen Hand darauf[339] ein, indem er es mit dem Medusenkopf in der andern in Stein verwandelte. Der Cetus starb also auf der Stelle, da der größte Teil seines Körpers, soviel nämlich von ihm die Gorgone gesehen hatte, plötzlich versteinert wurde. Sogleich lösete Perseus die Bande der Jungfrau, stützte sie mit seiner Hand, indem sie auf den Spitzen der Füße von dem steilen und schlüpfrigen Felsen herabstieg, wo sie bei jedem Tritt in Gefahr war, auszuglitschen und in die Tiefe hinabzustürzen, und jetzt begeht er mit ihr sein Hochzeitfest und wird sie nächstens nach Argos heimführen: so daß Andromeda, statt des Todes, der ihr zugedacht war, einen Gemahl von nicht gemeinem Schlage gefunden hat.

IPHIANASSA. Mir ist's eben nicht sehr leid, daß die Sache diese Wendung genommen hat: denn was konnte am Ende das unschuldige Mädchen dafür, daß ihre Mutter einmal den Mund zu weit auftat und sich rühmte, schöner zu sein als wir?

DORIS. Da Kassiopea Mutter ist, konnten wir sie nicht empfindlicher strafen als in ihrer Tochter.

IPHIANASSA. Was kümmern uns die Reden, Doris, die ein unter Barbaren aufgewachsenes Weib in ihrem Unverstand ausstoßen konnte? Sie ist durch die Angst über ihr Kind genug dafür gestraft worden. Denken wir nicht mehr daran und nehmen lieber an der Hochzeitfreude teil!

Quelle:
Lukian: Werke in drei Bänden. Berlin, Weimar 21981, Band 1, S. 338-340.
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